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BIBLIOTHEEK KITLV

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Separatabdruck

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aus Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft'^'

2

^ VI. Band.

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VOOR ' v H IKUHOE]

TMI-.IÄM

Die EhelnïrïïncT'oline Mundium.

Von

Prof. Dr. J . K o h l e r .

Die Ehe mit Manus und ohne Manus, mit Mundium und ohne Mundium ist nicht nur im römischen und im germani- schen Rechte vertreten, sondern die Zweicmg ist eine universal- historische Erscheinung, eine Erscheinung, welche mit dem Vater- und Mutterrecht im innigsten Zusammenhange steht:

die Ehe ohne Manus ist ursprünglich eine Ehe nach Mutter- recht, eine Ehe, bei welcher die Frau völlig in dem ursprüng- lichen Familienbande bleibt und daher auch das Kind in ihren Verband hineinzieht. Erst mit dem ehemännlichen Mundium wird die Frau aus dem Verbande ihrer Verwandtschaft heraus- gezogen; sie wird dem Ehemann und seiner Familie zu eigen, und damit ist der erste Schritt zum Vaterrechte gegeben

1

)!

Der erste, welcher die Ehefrau in sklavische Abhängigkeit brachte und damit die Periode des eheherrlichen Mundiums inaugurate, der erste, welcher vor Tausenden von Jahren eine Frau raubte, war wider Willen ein Wohlthäter der Menschheit, denn er hat die Kluft übersprungen, welche das Mutterrecht

') Vergl. auch Howitt und Lorimer Fison, from mother-right to father-right (Journal of the Anthrop. Instit. of Great Britain XII, p. 39).

1

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822 Kohler.

vom Vaterrechte trennt; und wer in der Vergewaltigung, in der Rechtswidrigkeit, in den Unthaten, welche die Geschichte des Rechts uns erzählt, bloss die negative Seite erblickt, wer es verkennt, dass in dem Bösen, das die Weltgeschichte von einem Ende bis zum anderen durchzieht, ein Ferment liegt, gestaltend, bildend, belebend, wer es verkennt, dass auch in der Sphäre des Dunkeln, wo die unheimlichen Schatten wohnen, die ewigen Mächte des Fortschrittes walten, und dass es Nacht sein muss, wenn es Licht werden soll; wer annimmt, wir würden das Unrecht vertheidigen, weil wir es als eine uni- versalhistorische Notwendigkeit darstellen — mit dem dis- kutiren wir nicht; den überlassen wir seinem eigenen Stand- punkte.

Doch bevor wir weiter gehen, haben wir uns noch eines

Einwurfes zu versehen, den wir aus dem Lager der römischen

wie der germanischen Rechtsgeschichte erwarten. Nach obiger

Darlegung wäre die Mundialehe die spätere Bildung, die Ehe

ohne Mundium die frühere, während doch im römischen und

deutschen Rechte sich die Freiheitsehe erst später aus der

Ehe mit Gebundenheit der Frau hervorgebildet hat. Allein

die ursprüngliche Ehe ohne Mundium ist auch nicht identisch

mit der späteren freien Ehe; die ursprüngliche Ehe ohne Mun-

dium ist eine Ehe mit Mutterrecht, eine Ehe ohne oder mit

unvollständiger Paternität, eine Ehe, bei welcher die Mutter-

familie das alleinige Band der Verwandtschaft repräsentirt, und

der Ehemann, indem er Kinder zeugt, sie der Familie der

Frau zeugt und damit der Familie der Frau neue Glieder zu-

führt. Damit das Paternitätsrecht entstehen konnte, musste

die Ehe das Stadium der Mundialehe passiren, um neugestaltet,

in ethischer Verklärung aus der Nacht der Gewalt- und Will-

kürherrschaft hervorzugehen, um zur Ehe der modernen Kultur-

völker zu werden; die Nichtmundialehe des modernen Rechts

ist von der früheren Nichtmundialehe so verschieden, wie etwa

unsere Ehe vom Concubinat. In der That bieten auch Natur-

völker diese zwei ganz verschiedenen Stadien der freien Ehe:

(7)

Die Ehe mit und ohne Mundium.

323-

die Ehe vor der Zeit des Mundiums und die Ehe, nachdem die Zeiten des Frauenraubs und des Frauenkaufs durchlebt sind und der Frauenkauf sich bereits zum Scheinkauf abge- schwächt hat.

Sicherlich ist kein Process der Völkerrechtsentwickelung für das ethisch-sociale Leben des Menschen wichtiger gewesen als dieser Uebergang; an der Vaterrechtsehe hängt alle höhere Kultur, aller weitere sittliche Fortschritt, alles, was man Humanität nennt. Völker des Mutterrechts, welchen es nicht gelingt, den verhängnissvollen Schritt zu thun, werden nie- mals zu Wortführern der Kultur aufsteigen; sie werden, auch wenn sie kulturelle Leistungen aufweisen, nicht auf dié Dauer leben, sie sind dem Untergange verfallen, wie die Etrusker untergehen mussten, als die Sonne latinischer Kultur zu leuchten begann. Dieser Process ist einer der wichtigsten Vorgänge der Rechtskultur, und wer die heutige Rechtskultur vollauf durchschauen will, muss sie erkennen als das historische Resultat vergangener Bildungen, als die Frucht, welche nach langem Kämpfen und Ringen unter dem Aufgebot aller mensch- lichen Geisteskräfte gereift worden ist.

Um diesen Process zur Darlegung zu bringen, müssen wir zunächst einige Völker des Mutterrechts in Betracht ziehen und wir wenden uns zuerst zu den Bewohnern der westlichen Karolmengruppe, welche neuerdings in den Brennpunkt des europäischen Interesses getreten sind.

Auf die P a l a u - oder wohl richtiger P e l a u i n s e l n hat

das Werk unseres Collegen S e m p e r vor über 10 Jahren die

allgemeine Aufmerksamkeit gelenkt, und man wunderte sich

unter Völkern, welche man sich als organisationslose, in freiem

Zuge ihrer natürlichen Empfindung lebende Naturvölker dachte

so complicate Rechtsverhältnisse und ein so durchgebildetes

Etiketten- und Convenanzsystem zu finden. In der That ist

die Stellung des Einzelnen im Leben der sogen. Naturvölker

viel gebundener als im civilisirten Leben, und nicht die Kultur

hat den Menschen gefesselt, die Kultur hat ihn befreit. Ueber

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324 Kohier.

diese Verhältnisse verbreitet sich nun neuerdings K u b a r y , welcher j e n e G e g e n d e n seit J a h r e n durchforscht, in ausführ- licher W e i s e2) , und auf G r u n d seiner D a r s t e l l u n g können wir die Familienform der P e l a u e r c h a r a k t e r i s i r e n , wir k ö n n e n sie c h a r a k t e r i s i r e n als die F o r m der M u t t e r r e c h t s e h e .

Schon aus S e m p e r ' s Schilderung ist es j e d e m b e k a n n t , dass die männliche und die weibliche B e v ö l k e r u n g ihre Ver- eine bilden, welche wie ein Keil in das Familienleben ein- geschoben sind — ihre V e r e i n e mit publicistischen Aufgaben, beispielsweise mit der A u f g a b e , ein F a h r z e u g zu stellen und zu b e m a n n e n , ihre Vereine mit militärischer Organisation, mit Disciplinirung ihrer M i t g l i e d e r , mit S c h u t z und T r u t z für jeden Einzelnen und mit G e s a m m t h a f t u n g — nur soll der richtige N a m e für dieselben nicht Klöbbergöl (Klobogol) sein, sondern K a l d e b e k e l ( K u b a r y S. 34 f., 87 f., 89 f.). U n d ebenso b e k a n n t ist es, dass die Vereinsmitglieder in gewissen Localen ( B a y s ) z u s a m m e n w o h n e n und zusammenscblafen.

E i n e solche Vereinsorganisation ist um so begreiflicher, wo die E h e eine M u t t e r r e c h t s e h e ist, und darauf muss sich n u n u n s e r H a u p t i n t e r e s s e lenken. D i e F r a u g r ü n d e t die F a - milie; die K i n d e r folgen der F r a u : nicht die F r a u ist finis familiae, sondern der Mann. U n d der K a l i d ( T h i e r g o t t ) der F r a u ist der m a s s g e b e n d e — denn bekanntlich besteht auf den Pelauinseln der Totemismus wie bei den a m e r i k a n i s c h e n R o t h - häuten ( K u b a r y S. 38 f.).

F ü r die F a m i l i e n a n g e h ö r i g k e i t ist lediglich die V e r b i n d u n g durch die Mutterschaft m a s s g e b e n d ; der n ä c h s t e V e r w a n d t e ist nicht der S o h n des V a t e r s , sondern der uterine B r u d e r oder der Sohn der S c h w e s t e r ; die Schwester setzt durch ihre T o c h t e r wieder die Familie fort, diese wieder durch die T o c h t e r

w 0 keine T o c h t e r , wo bloss ein Sohn, da stirbt die Familie aus. Meist b e s t e h t die F a m i l i e aus zwei Linien oder B i t a n g -

2) K u b a r y , Die socialen Einrichtungen der Pelauer (pnblieirt durch B a s t i a n , 1885).

(9)

Die Ehe mit und ohne Mundium

325

w a k s , welche sich auf zwei Schwestern zurückführen lassen ( K u b a r y S. 40 f.). Uebrigens entscheidet für die Vererbung der Hausvorstandschaft nicht bloss die Nähe des Grades, son- dern auch das Alter und andere Umstände — eine Art Se- niorat, und zwar kein agnatisches, sondern ein utérines Senio- rat ( K u b a r y S. 43).

An der Spitze der Familie steht der Senior oder O b o k u ! , welcher in seiner publicistischen Stellung R u p a k heisst; ihm steht berathend zur Seite die Frauenälteste, eine Verwandte, etwa Tante oder Grossmutter, der weibliche Rupak oder Kurod ( K u b a r y S. 39 f.).

Aus dem Gesagten ergibt es sich von selbst, dass die Frauen durch ihre Ehe nicht aus der Familie austreten. Die Ehe ist eine temporäre oder eine dauernde; oft gehen einer Dauerehe mehrere temporäre Ehen voraus. Zwar zahlt der Bräutigam einiges Geld oder er leistet Arbeit im Hause — aber dieses gilt nicht als Kauf der Frau, sondern als Kauf des Genusses der Frau; bei der Familie nach Mutterrecht erkauft der Mann seine geschlechtlichen Beziehungen zur Frau, er erkauft nicht die Herrschaft über die Frau. Zwar holt der Mann die Frau faktisch aus dem Familienhause — allein ohne dadurch ihr Familienband zu lösen; die Frau kehrt von Zeit zu Zeit wieder in ihre Heimathwohnung zurück, insbe- sondere im Fall der Krankheit und der Niederkunft. Daher sind auch von Zeit zu Zeit weitere Leistungen an die Familie der Frau zu machen, insbesondere bei der ersten Geburt.

Zur Familie der Frau steht der Mann in einem Schwäger- schaftsverhältniss : dieses Verhältniss heisst K a u b u k ; es be- steht, solange die Frau lebt, es quiescirt mit ihrem Tode und erlischt ganz, indem er sich mit einer Geldleistung loskauft ( K u b a r y S. 57). In einem solchen, aber auch nur in einem solchen Verhältnisse steht der Mann zu den Kindern der Frau

— steht er zu seinen eigenen Kindern. Diese folgen daher

der Stammesangehörigkeit der Mutter, nicht des Vaters; und

hat dieser eine auswärtige Frau geheirathet, so werden die

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326 Kohier.

Kinder Ausländer und haben keine Stelle in den inländischen Kaldebekels ( K u b a r y S. 83). Daher kehren die Kinder nach dem Tode der Frau in das Heimathhaus derselben zurück — dem Ehemanne werden sie ganz und völlig fremd; es löst sich ja auch das Kaubukverhältniss. Doch kommt es vor, dass ihm die Kinder während seiner Lebzeit belassen werden, ein Anflug von Vaterrecht, über welchen sofort zu handeln ist.

Dass nach dem Tode des Mannes die Frau mit den Kindern in ihre Heimath zurückkehrt, versteht sich von selbst (Ku- b a r y S. 53—58).

Daher ist auch die Adoption eine Adoption nach Mutter- recht — das Adoptivkind wird Kind der Ehefrau, nicht Kind des Ehemannes. Gewöhnlich werden Stammesangehörige adop- tirt, oft nahe Verwandte. Häufig geschieht die Adoption an Stelle eines gestorbenen, eines getödteten Kindes ( K u b a r y S. 59, 131 f.).

Die Ehe erfolgt innerhalb und ausserhalb des Stammes;

eine Ehe unter Personen, unter welchen ein Verwandtschafts-, ein K a u b l i i l - oder Kaukadverhältniss stattfindet, ist unter- sagt ( K u b a r y S. 67 f.). Aber auch hier wird nur die uterine, nicht die agnatische Verwandtschaft berücksichtigt — in die väterliche Verwandtschaft ist die Heirath gestattet, verpönt ist sie nur in die Verwandtschaft der Mutter ( K u b a r y S. 35).

Uebrigens gehören zu den Kaukads nicht nur die leiblichen Mitglieder der Familie und die Adoptiverwandten — es ge- hören zu ihnen auch die Cliënten, welchen das Familienhaupt einen Theil des Familienlandes gegen gelegentliche Dienste zur Bebauung überlässt ( K u b a r y S. 47 f.).

Dass solche Familienverhältnisse kein gesundes sittliches Fortschreiten der Bevölkerung gestatten, ist einleuchtend. So ist insbesondere das Verhältniss des Obokul zu den ihm zu- nächst stehenden Neffen und Vettern ein äusserst klägliches;

dass das Familienhaupt ermordet wird und der Neffe oder

Vetter sich an seine Stelle setzt, ist etwas ganz Gewöhnliches,

ja durch die Sitte Sanctionirtes ( K u b a r y S. 43 f.); wesshalb

(11)

Die Ehe mit und ohne Mundium 827 ein stetes Misstrauen herrscht und ein tüchtiges Zusammen- leben unmöglich ist. O h n e V a t e r r e c h t e r l a h m t a b e r auch oft- mals das S t r e b e n nach weiblicher Sittenreinheit; in der T h a t sind die Verhältnisse die möglichst schlimmsten. D i e F r a u ist eine D i r n e , bevor sie F r a u ist; sie wird von ihrer M u t t e r entjungfert und gibt sich der männlichen B e v ö l k e r u n g preis, sie gibt sich preis g e g e n G e l d , und die namenlose H a b s u c h t der N a t u r v ö l k e r m a c h t die T o c h t e r zum p u r e n Mittel des E r - w e r b s3) . V e r b r e i t e t ist namentlich die S i t t e , dass ein Mäd- chen oder A r m e n g o l in den B a y , also zu dem K a l d e b e k e l eines fremden Dorfes zieht und sich dort g e g e n Geld preis- gibt, und oft beschliessen die F r a u e n zusammen einen B l o l o - b o l , indem sie sämmtlich im Geheimen davongehen und in einer a n d e r e n G e m e i n d e als A r m e n g o l s dienen — das Geld k o m m t dem heimathlichen Dorfe zu g u t e ( K u b a r y S. 52 f., 9 1 f.) — , j a die Institution ist für die Geldwirthschaft j e n e r G e g e n d von der grössten W i c h t i g k e i t .

D e r E h e b r u c h ist sonst v e r p ö n t ; doch wird er gewöhn- lich mit Geld g e s ü h n t . Die T ö d t u n g des E h e b r e c h e r s ist nicht g e s t a t t e t und w ü r d e zur M o r d s ü h n e führen; sie k o m m t daher n u r im fremden G e b i e t e v o r , wo dann der E h e m a n n schleunigst in seine H e i m a t h entflieht ( K u b a r y S. 60).

Allerdings finden wir Spuren des aufkeimenden V a t e r - rechts. D e r E h e m a n n zieht nicht in die W o h n u n g der Familie seiner F r a u , er n i m m t die F r a u mit sich, und n u r zu gewissen Zeiten k e h r t sie in die H e i m a t h z u r ü c k ; und wie bereits be- m e r k t , bleiben die K i n d e r bisweilen auch nach ihrem T o d e bei dem V a t e r . J a , in E r m a n g e l u n g u t e r i n e r V e r w a n d t e r sollen die leiblichen K i n d e r des Obokul demselben in der Hausstandschaft folgen, so dass sie möglicherweise R u p a k s im M u t t e r h a u s e und V a t e r h a u s e zugleich sind ( K u b a r y S. 145).

A b e r diese Ansätze des V a t e r r e c h t s sind nicht durchgereift,

) Aehnliches gilt von den P o n a p e s e n (östl. Karolinen), F i n s c h , Zeitschr. f. Ethnol. 1880, S. 317.

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328 Kohler.

und andererseits führen diese Verhältnisse zur V e r ö d u n g des M u t t e r r e c h t s h a u s e s , in welchem nur die j ü n g e r e n Mädchen und die W i t t w e n dauernd zu weilen pflegen. Ausserdem wird das F a m i l i e n l e b e n durch das absorbirende Associationswesen d u r c h b r o c h e n ; daher auch die F o l g e , dass die B e v ö l k e r u n g ihrem raschen A u s s t e r b e n e n t g e g e n g e h t ; n u r in der Kraft der F a m i l i e liegt das E l e m e n t der E r h a l t u n g des Volkes.

H ö c h s t interessant ist e s , mit dieser F o r m des Mutter- rechts eine zweite G e s t a l t u n g desselben zu vergleichen, welche sich auf einem weitaus verschiedenen Theile des E r d b o d e n s entwickelt h a t — das M u t t e r r e c h t bei den nordamerikanischen R o t h h ä u t e n4) , so insbesondere bei dem W y a n d o t s t a m m e , wie es uns durch die lehrreiche D a r s t e l l u n g P o w e l l ' s5) n ä h e r ge- r ü c k t worden ist. D a s s das M u t t e r r e c h t eine N e i g u n g zeigt zur G y n ä k o k r a t i e , wenn auch diese N e i g u n g nicht i m m e r zur Ausbildung g e l a n g t , ist b e k a n n t ; auch die P e l a u e r h a b e n uns dafür sichere B e l e g e g e g e b e n . N o c h deutlicher beweist dies die Organisation der W y a n d o t f a m i l i e6) . Auch hier ist die F a m i l i e eine lediglich u t e r i n e ; massgebend ist der M u t t e r - schoss und die V e r b i n d u n g durch den Mutterschoss. D a s E i g e n t h u m erbt vom V a t e r auf den u t e r i n e n B r u d e r und auf

den Schwestersohn, von der M u t t e r auf ihr K i n d7) ; verboten

4) Vergl. hierüber im Allgemein en W a i t z, Anthropologie III, S. 106 f.

5) P o w e l l , W y a n d o t Government, a short study of tribal society, im First animal Report of the bureau of ethnology (Washington 1881) p. 59—69. Manche Rothhautstämme haben Vaterrecht, so die O m a h a , vergl. D o r s e y im Report III, p. 225, 256 f.

6) Uebrigens hat das Weib nicht bei allen Rothhautstämmen einen solchen Einfluss gewonnen, W a i t z , Anthropologie III, S. 101 f. Vieles hängt von dem Volkscharakter, von den historischen Schicksalen und von den specifischen Lebensverhältnissen ab.

') P o w e l l p. 65. Ebenso verhält es sich mit der Sachem- (Häuptlings-)stellung, wo diese erblich ist; nur ausnahmsweise, wenn solche uterine Verwandten nicht vorhanden sind, kann auch der Sohn zur Herrschaft gelangen, W a i t z III, S. 107.

(13)

Die Ehe mit und ohne Mundium. 329 ist die E h e innerhalb der uterinen V e r w a n d t e n : eine E h e mit

bloss agnatischen V e r w a n d t e n ist g e s t a t t e t , denn diese stehen ausserhalb der F a m i l i e8) ; und entscheidend für den T o t e m , für das T h i e r a b z e i c h e n , für das W a p p e n ist die weibliche A b s t a m m u n g und n u r d i e s e9) . D i e F r a u bleibt trotz der E h e in ihrer eigenen Familie — j a der E h e m a n n zieht in das G e b i e t der Frauenfamilie ü b e r1 0) — die uterine O r g a n i - sation ist also noch straffer als in Pelau. D a s zeigt sich auch in der F a m i l i e n r e g i e r u n g . D i e H a u s h a l t u n g e n , welche d u r c h ihre F r a u e n zu derselben uterinen Familie g e h ö r e n , bilden eine G e s a m m t h e i t , an deren Spitze ein R a t h von fünf Personen steht; von diesen a b e r sind vier W e i b e r , die fünfte, als das F a m i l i e n h a u p t , ist ein M a n n und wird von den vier F r a u e n g e w ä h l t1 1) . M e h r e r e solche F a m i l i e n z u s a m m e n bilden den S t a m m , und seine R e g i e r u n g bildet sich aus dem vereinten R a t h der Familien, an dessen Spitze bekanntlich das S t a m m e s - haupt, der S a c h e m , s t e h t1 2) . D i e E h e muss nun ausserhalb der F a m i l i e , aber innerhalb des S t a m m e s e r f o l g e n1 3) , d. h.

die E x o g a m i e ist nicht n u r negativ, sondern auch positiv: die E h e muss nicht nur in einer a n d e r e n F a m i l i e , sie muss inner- halb einer b e s t i m m t e n Reihe a n d e r e r Familien abgeschlossen w e r d e n ; was j a bei vielen V ö l k e r n dahin verschärft ist, dass jeweils zwei Familien unter einander sich e h e l i c h e n1 4) .

^ U e b r i g e n s beweisen die W y a n d o t s , dass die M u t t e r r e c h t s - familie nicht i m m e r zur Unsittlichkeit führt. D i e U n v e r h e i - r a t h e t e soll sich rein erhalten, sie wird sonst g e z ü c h t i g t ; u n d die E h e b r e c h e r i n erleidet beschimpfende Busse, Abschneiden

s) P o w e l l p. 63.

9) P o w e l l p. 59.

) P o w e l l p. 63. Dnher folgen natürlich die Kinder der Mutter im Falle der Scheidung, W a i t z III, S. 107.

n) P o w e l l p. 61.

) P o w e l l p. 61. Der Sachem ist bei manchen Stämmen erblich, bei anderen wählbar. Vergl. W a i t z III, S. 123 f.

13) P o w e l l p. 63.

) Aelmlich auch bei Rothhautvölkern, vergl. W a i t z III, S. 107.

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330 Kohler.

der H a a r e , j a des O h r e s 1 5) . Die blosse Mutterrechtsfamilie ist nicht unsittlich; sie hat a b e r nicht jenen G r a d sittlicher S t e t i g k e i t , sie h a t nicht j e n e n kräftigen Z ü g e l der Sinnlich- k e i t in sich, welcher die Vaterrechtsfamilie auszeichnet.

D i e E h e nach M u t t e r r e c h t wird auch für die T l i n k i t- i n d i a n e r auf A l a s k a und für die H a i d a s auf der Königin Charlotten-Insel b e s t ä t i g t1 6) . Auch hier bestehen Familien- w a p p e n , wie Adler, Wolf, K r ä h e u. s. w., welche an die T h ü r e des H a u s e s befestigt w e r d e n1 7) ; auch hier gilt das P r i n c i p , dass die F r a u stets aus einer a n d e r e n Totemfamilie s t a m m e n muss, als der M a n n1 8) .

D a s M u t t e r r e c h t in M a l a b a r und anderen Theilen Indiens ist a l l b e k a n n t1 9) . W e n i g e r b e k a n n t aber sind die S p u r e n desselben, welche neuerdings in einer Sanskritinschrift in C a m - b o d s c h a zu T a g e g e t r e t e n sind; es ist eine Inschrift aus dem 10. J a h r h u n d e r t unserer Z e i t r e c h n u n g , welche die Genealogie einer F a m i l i e hoher W ü r d e n t r ä g e r e r g i b t2 0) — und diese Genealogie ist stets eine uterine. P u n n â g a v a r m a n hat zum Nachfolger einen, der aus der Linie seiner M u t t e r s t a m m t : einen m â t r a n v a y a ; dessen Nachfolger ist wieder ein m â t r a n v a y a , nämlich V â s u d e v a ; dessen Nachfolger ist ein fernerer m â t r a n -

15) P o w e l l p. 66. Auch Auspeitschen und Abreissen der Nase kommt bei Rothhautstämmen vor; bei anderen Stämmen wird der Ehe- bruch durch Geldbusse beglichen, W a i t z III, S. 112 f.

le) K r a u s e , Tlinkitindianer S. 220, 312; vergl. darüber bereits mein Recht als Kulturerscheinung S. 26.

17) Vergl. K r a u s e S. 130 f., 312.

l s) K r a u s e S. 312. So muss der Tlinkitindianer aus dem Raben- stamme eine Frau aus dem Wolfsstamme suchen und umgekehrt.

1 9) Vergl. darüber insbesondere B a c h o f e n , Antiquarische Briefe I, S. 216 f. Vergl. auch M a t e e r , Nepotisme in Travancore (Journal of the Anthropol. Institute XII, p. 293 f.).

20) Inscriptions sanscrites du Cambodge par M. A. B a r t h (Paris 1885). Die Inschriften werden von A y m o n i e r gesammelt und von B a r t h , B e r g a i g n e und S e n a r t publicirt. Dieselben bieten uns ein ganz neues Bild von der weiten Verbreitung der indischen Kultur.

Unsere Inschrift ist Nr. XVII p. 122 f.

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Die Ehe mit und ohne Mundium 3 3 1 vaya, nämlich M a n a ç ç i v a2 x) ; dieser v e r h e i r a t h e t seine Schwester- tochter, w ä h r e n d die Söhne dieser S c h w e s t e r hohe Stellungen einnehmen. E i n w e i t e r e r m â t r a n v a y a ist K a v î ç v a r a2 2) , und der Schwestersohn, der bhâgineya, dieses K a v î ç v a r a ist Çanka- rapandita, von dem gesagt ist ( B a r t h p . 140, v. 3 2 ) : né p a r sa mère du S a p t a d e v a k u l a et purohita de trois rois l'ascète Ç a n k a r a a consacré cette i m a g e . . . .

W e n i g e r bezeichnend sind die zwei Inschriften ( A . B ) unter N r . X V , aber auch hier steht die uterine Verwandtschaft v o r a n : in der ersten wird eine Königin erwähnt, deren E n k e l i n sich verheirathet, und der Sohn dieser Enkelin ist Yogîçvara- p a n d i t a , von welchem die Inschrift des weiteren handelt. I n der zweiten Inschrift wird wiederum eine K ö n i g i n e r w ä h n t , deren T o c h t e r t o c h t e r die M u t t e r von P a r a m â c â r y a und die G r o s s m u t t e r von Çivâcârya war. Dessen E n k e l ist Çivavindu, welcher nun weiter v e r h e r r l i c h t wird. A b e r auch hier bricht wieder das M u t t e r r e c h t hervor — denn von dem oncle m a t e r n e l de l'oncle m a t e r n e l de sa m è r e ( B a r t h p . 1 1 5 , v. 18) erbt er seinen T i t e l . E i n e weitere Inschrift ( N r . X V I I I ) , welche gleichfalls eine u t e r i n e Genealogie zu entfalten scheint, ist zu lückenhaft e r h a l t e n , als dass sie sichere Schlüsse z u l i e s s e2 3) . I n welchem U m f a n g e in C a m b o d j a das M u t t e r r e c h t ge- herrscht hat und wie sich dasselbe zu der hier eingedrungenen indischen K u l t u r verhielt, ist eine noch ungelöste F r a g e , ü b e r welche erst d a n n weiter zu handeln ist, wenn die Cambodja- inschriften in grösserem U m f a n g e publicirt und übersetzt sind.

D i e V ö l k e r der m a l a i s c h e n Race weisen alle V a r i e t ä t e n

21) Er ist der älteste von drei Brüdern, also auch hier Erstgeburts- recht, wohl aus dem indischen Rechte; vergl. meine Abhandlung in dieser Zeitschr. VI, S. 177.

22) Der älteste von fünf Brüdern. Auch von ihm wird erzählt, dass er die Schwestertochter des reichen, gelehrten und berühmten Ministers Vâgîçvara heirathete ( B a r t h p. 138, v. 11).

S3) Man vergleiche auch B a r t h selbst p. 124 f., welcher richtig auf das Mutterreeht hinweist.

(16)

332 Kohier.

der Mutter- und Vaterrechtsehe auf; lehrreiche Mittheilungen hierüber verdanken wir der Schrift von W i l k e n , Over de verwantschap en het huwelijks- en erfrecht bij de volken van het maleische ras

2 4

), weitere Nachweise den neuerlichen Ar- beiten von R i e d e l

2 5

) , sowie einigen weiteren Darstellungen.

Volles Mutterrecht finden wir bei den M e n a n g k a b a w - schen Malaien auf Sumatra

2 6

). Für die Verwandtschaft ist lediglich der Mutterschoss massgebend; wer ans demselben Mutterschosse entsprossen ist, der ist verwandt, und die Ver- wandtschaft pflanzt sich wieder durch den Mutterschoss und

24) Aus den Indische Gids 1883; bereits angezeigt in dieser Zeit- schrift V, S. 463 f.

25) Vergl. folgende Aufsätze:

I. J . G. F . R i e d e l : G a l e l a u n d T o b e l o r e s e n . (Zeitschr. für Ethnologie XVII, 1885, S. 58 f.)

II. Derselbe: De S u l a n e e z e n , hunne gebruiken bij huwelijken, geboorte en bij het mutileeren des lichaams. (Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsen Indië. 4 Vol. X. 3.) III. Derselbe: De T o p a n t u n u a s u of oorspronkelijke volksstammen

van Centraal Selebes, ib. 5 Volgr. I.

IV. Derselbe: The S a w u o r H a a w u Group. (Separatabdruck aus der Revue coloniale internationale.)

V. Derselbe: The I s l a n d of F l o r e s o r P u l a u B u n g a . (Separat- abdruck aus derselben.)

VI. Derselbe: Der A a r u a r c h i p e l und seine Bewohner. (Separat- abdr. a. d. Verhandl. d. Gesellsch. für E r d k u n d e , Berlin 1885, Nr. 3.) Das schöne Werk R i e d e i ' s , Sluik- en kroesharige rassen tusschen Selebes en Papua, konnte n u r noch bei der Correctur benützt werden (cit. R i e d e l , Rassen).

6) Auch die Ureinwohner der A a r u insein, die Gorngai oder Tungu, scheinen nach Mutterrecht zu leben; sie heirathen ohne Brautschatz;

R i e d e l , A a r u S. 14. Bei den W a l d b e w o h n e r n im Innern von Malâca (den O r a n g S a k a i und O r a n g S e m a n g ) scheint eine A r t von Com- m u n a l e h e zu bestehen, indem die Frau nach einiger Zeit ihren Mann verlässt und mit einem anderen lebt, den sie dann wieder verlässt u. s. w.;

M i k l u h o - M a c l a y im J o u r n a l of the Straits Branch of the Royal Asiatic Society 1878, p . 215. Auch auf L u a n g , R o m a n g u. a. besteht Mutter- rechtsehe, R i e d e l , Rassen S. 324, 465.

(17)

Die Ehe mit und ohne Mundium 333

nur durch diesen weiter. Daher bleibt die Frau bei ihrer Familie, und dieses zeigt sich auch noch faktisch in der dra- stischsten Form: die Frau weilt in ihrer heimathlichen Woh- nung und empfängt lediglich die Besuche des Mannes

27

). In der That wird das Mutterrechtshaus durch die Gesammtheit der Mutterrechtsverwandten gebildet, und an der Spitze steht der Familienälteste, gewöhnlich der älteste Bruder, beziehungs- weise Oheim — natürlich von Mutterseite

2 8

).

Nicht bei allen Mutterrechtsvölkern findet das rechtliche Verhältniss eine so eminent faktische Ausprägung; dieses be- weist das Beispiel der P e l a u e r

2 9

) .

Im Gegensatz dazu stehen die Stämme des Vaterrechts und des strengen Vaterrechts: es sind dies bekanntlich die Stämme der Mannesherrschaft. Die Frau wird gekauft, sie gehört dem Manne, der Familie des Mannes an, und nach seinem Tode wird sie vererbt, sie fällt an des Mannes Bruder. Massgebend für die Verwandtschaft ist daher das Vaterhaus und die Ab- stammung vom Vater her

3 0

). Sie ist es namentlich bei den B a t a k s, und entsprechend finden wir hier das Kennzeichen der Patriarchatsehe — den Frauenpreis

3 1

). Denn bekanntlich ist es einerseits der Frauenraub, andererseits der Frauenkauf gewesen, welcher den Mann zum Herrn der Frau gemacht und dadurch das Patriarchat inaugurirt hat. Und so bei den verschiedensten malaischen Stämmen. Häufig ist auch die modificirte Form des Frauenpreises, dass der Mann die Kauf-

27) W i l k e n a. a. O. S. 25.

2S) W i l k e n S. 26.

29) Uebrigens k o m m t auch das Umgekehrt vor, dass bei Vaterrechts- völkern der Mann in dem Hause der Frauenfamilie w o h n t ; das ist eben eine Reminiscenz des Mutterrechts.

30) W i l k e n S. 31 f., R i e d e l , Rasse S. 301 f.

31) S c h r e i b e r , Die Battas auf S u m a t r a (Allg. Missionszeitschr. III, S. 266). Daher ist auch die E h e mit dem Bruder der Mutter statthaft, j a sehr gewöhnlich, w ä h r e n d die Ehe in der eigenen Marga (im agna- tischen Stamme) verpönt ist. Der E h e b r u c h wird daher auch aufs här- teste, selbst mit dem Tode bestraft. S c h r e i b e r S. 267, 269.

(18)

334 Kohier

summe abverdient, indem er eine Zeitlang im Hause der Schwiegereltern arbeitet

8 2

).

Und dass diese patriarchale Form eine spätere Bildung ist, sehen wir aus dem häufigen Nebeneinanderbestehen beider Formen: wird ein Brautschatz bezahlt, so ist die Ehe eine patriarchale, wird er nicht bezahlt, ist sie matriarchal; so ist es bei den J a v a n e n

3 3

) , so bei den G a l e l a s und T o b e l o - r e s e n auf Djilolo

34

), so auf T i m o r

3 5

) , so bei Stämmen S u m a t r a s , so auf den K e i i n s e l n

3 6

)

3 7

) .

Und sehr häufig ist die Mutterrechtsehe nur ein vorüber- gehender Zustand, welcher durch nachträgliche Zahlung des Kaufpreises in die Vaterrechtsehe verwandelt wird — so dass die Kinder einstweilen zu Pfände stehen und durch Zahlung des Preises ausgelöst werden. So bei den B a t a k s

3 8

) , so auf Südsumatra

3 9

), so auf B u r u , auf C e r a m

4 0

) n. a.

32) Vergl. meine Abhandl., diese Zeitschr. V, S. 356 f., unten Wo. 49.

3 3) F r . M ü l l e r , Reise der österreichischen Fregatte „Novara", (anthropologischer Theil III, S. 79): „Die Heirath kann entweder zwischen zwei in gleichem Range stehenden Personen stattfinden, oder es k a n n der Mann eine F r a u sich kaufen, oder endlich k a n n ein begütertes Mädchen sich einen Mann n e h m e n , der als Dienstknecht in das Haus ihrer Eltern einzieht." Ueber F l o r e s vergl. R i e d e l , Flores S. 7.

34) R i e d e l , Galela S. 75 f. Hier ist auch noch die Raubehe im Gebrauch, indem die F r a u durch weibliche Helfershelfer geraubt w i r d ; es erhebt sich Streit, welcher durch Zahlung des Frauenpreises begütigt wird. W i r d der Kaufpreis nicht bezahlt, so muss der Mann bei der Familie der F r a u wohnen, und die Kinder fallen an diese.

35) W i l k e n S . 5 5 ; F o r b e s , J o u r n . of t h e A n t h r o p . Inst. XIII, p. 416.

3 6) W i l k e n S. 61 f.; R i e d e l , Rassen S. 235 f.

3 7) Auch auf den A a r u i n s e l n (bei Neu-Guinea) ist die Ehe eine solche nach Vater- oder Mutterrecht, j e nachdem ein Kaufpreis bezahlt wird oder nicht; vergl. R i e d e l , Aaruarchipel S. 3. Im ersten Fall gehört die F r a u der Familie des Mannes an und muss nach seinem Tode aus ihr losgekauft werden ( R i e d e l , A a r u S. 10). Der Frauenpreis fällt nicht n u r an die Eltern der B r a u t , sondern an Eltern und Ver- wandte ( R i e d e l ib.). Bezügl. T i m o r l a u t vergl. R i e d e l , Rassen S.301 f.

3S) W i l k e n S. 44.

3 9) W i l k e n S. 61 f.

40) W i l k e n S. 52; R i e d e l , Rassen S. 131 f., 144.

(19)

Die Ehe mit und ohne Mundium. 335 Bei manchen Stämmen sind die Unterschiede zwischen

Vater- und Mutterfamilie weniger ausgeprägt, und bei den T o p a n t u n u a s u in Centralcelebes haben die Ehegatten zu wählen, ob sie dem Stamme des Mannes oder der Frau ange- hören wollen41); was hier bezüglich der Kinder gilt, ergibt sich aus No. 44.

Höchst interessant sind die im Gefolge des Kampfes beider Principien entstandenen Zwischenbildungen, wo die Kinder zwischen beiden Ehegatten vertheilt werden; so insbesondere bei den M a k a s s a r e n und B u g i n e s e n auf Celebes, also bei Stämmen, welche zu den unternehmendsten und intelligentesten Gliedern der ganzen Gruppe gehören42). Hier fällt das älteste Kind an die Mutter, das zweite an den Vater u. s. w.4 3); sie treten daher theils in die Vater-, theils in die Mutterfamilie

— denn die Ehefrau ist Mitglied ihrer Familie verblieben44):

offenbar ein' Versuch, beide Principien zu versöhnen, ein Ver- such, welcher zur Theilung der Kinder führte, weil man kein Mittel fand, die Beziehungen der Vater- und der Mutterfamilie in den Kindern zu vereinen und vereinigt auftreten zu lassen.

Und nur darin liegt bereits ein Fortschritt über diesen Stand- punkt hinaus, dass die Hälfte der Errungenschaft, welche den Verstorbenen trifft — denn es besteht die Errungenschafts- gemeinschaft — nicht an die ihm zugewiesenen Kinder allein, sondern an alle Kinder fällt45). Ein Frauenpreis wird auch

41) Vergl. R i e d e l , Topantunuasu S. 7, 14 f.

42) Ueber das b u g i n e s i s c h e Handels- und Seerecht vergl. meine Abhandlung in G o l d s c h m i d t ' s Zeitschrift XXXII, S. 63 f.

45) W i l k e n S. 69 f.

44) Das gleiche Princip gilt auch dann, wenn der Mann frei, die Frau Sklavin ist, W i l k e n p. 69. Für diesen Fall finden wir das Princip auch bezüglich der Topantunuasu ausgesprochen, R i e d e l , Topantunuasu S. 6 : Die Tochter soll dem Vater, der Sohn der Mutter folgen. Daraus dürfte zu schliesen sein, dass das gleiche Princip der Kindervertheilung bei den Topantunuasu auch sonst gilt.

46) Wilken S. 75.

(20)

336 Kohler.

hier b e z a h l t4 6) ; solange er nicht bezahlt w i r d , gehören die K i n d e r alle der F r a u4 7) . A u c h bei anderen S t ä m m e n finden wir die K i n d e r v e r t h e i l u n g , bald so, dass sie eintritt, wenn ein Kaufpreis bezahlt wird — im G e g e n s a t z zur sonstigen Mutter- r e c h t s e h e ; bald aber auch so, dass sie stattfindet, wenn kein Kaufpreis entrichtet wird, indem bei Z a h l u n g des Kaufpreises die volle • V a t e r r e c h t s e h e eintritt — hier liegt der E n t w i c k e - lungsprocess klar zu T a g e . Beides findet sich bei S t ä m m e n in S u m a t r a4 8) .

Dass nun a b e r S t ä m m e , welche m a n nicht zu den höheren K u l t u r v ö l k e r n zu zählen v e r m a g , noch weiter gediehen sind, dass sie. was bei B u g i s und M a k a s s a r e n nur theilweise ge- lungen ist, vollständig erreicht h a b e n , nämlich in einem und demselben K i n d e das V a t e r r e c h t und das M u t t e r r e c h t zu ver- einen, m ü s s t e ausserordentlich auffallen, wüssten wir nicht, welchen G r a d von E n t w i c k e l u n g oft S t ä m m e erreicht haben, von deren R e c h t e m a n vor wenigen J a h r e n k a u m gesprochen h ä t t e . So namentlich die D a j a k s auf B o r n e o und die A l f u r e n von Minahasa. Diese haben die p a t r i a r c h a l e Periode durchgekostet, und bei den meisten ihrer S t ä m m e wird noch ein F r a u e n p r e i s v e r l a n g t4 9) . A b e r die F r a u bleibt in ihrer Familie und die

4e) So inWadschu8, 12, 24, 44 bis 88 Realen, M a t t l i e s , Over de Wadjorezen p. 30.

47) W i l k e n S. 71.

4S) W i l k e n S. 64 f., 71. Wie man sieht, hat der Kaufpreis bei manchen Völkern den Sinn, das volle Vaterrecht zu begründen, so dass die Kindervertheilung cessirt; bei anderen den Sinn, die Kinderverthei- lung selbst zu begründen und also die Ehe aus dem reinen Mutterrecht hervorzuarbeiten — je nachdem die Idee des Vaterrechts oder die Idee des Mutterrechts überwiegt. Bezüglich der Sawuinseln ist die Darstel- lung R i e d e l ' s , Sawu S. 8, mit den Nachrichten, welchen W i l k e n S. 65 folgt, vielleicht so zu vereinigen, dass ganz ohne Kaufpreis die Kinder an die Mutter fallen, bei Zahlung eines bestimmten Preises aber eine Vertheilung stattfindet, ohne dass eine volle Vaterrechtsehe ausge- schlossen ist.

49) W i l k e n S. 84, 86. Bei den A l f u r e n heisst er Roko oder

(21)

Die Ehe mit und ohne Mundium. 337 K i n d e r gehören beiden Seiten a n , sie beerben V a t e r und M u t t e r5 0) ; und im Fall der E h e s c h e i d u n g steht es ihnen frei;

zu wählen, welchem E l t e r n t h e i l e sie folgen w o l l e n5 1) . Aehnliche Verhältnisse finden wir auch bei einigen S t ä m - m e n S u m a t r a s . Bei solchen hat sich neben der Vater- und der Mutterrechtsehe diese dritte F o r m e n t w i c k e l t5 2) es ist dies die Semandoehe, von welcher bereits M a r s d e n in seiner H i s t o r y of S u m a t r a uns eingebende K u n d e g e g e b e n hat.

So liegen bier die drei Familienformen neben einander wie drei paläontologische Entwickelungsschichten, und dies ermög- licht es uns, in v e r g a n g e n e n Zeiten zu lesen und die kultu- rellen Kräfte zu erforschen, welche in der Menschheit t h ä t i g gewesen sind.

D i e E h e n nach Mutter- und V a t e r r e c h t sind in gleicher W e i s e in W e s t a f r i k a , namentlich an der G o l d k ü s t e heimisch, und auch hier können wir die U e b e r g ä n g e deutlich verfolgen ; ja auch hier haben einige S t ä m m e die letzte und höchste F o r m der E h e erreicht.

Von dem u r s p r ü n g l i c h e n M u t t e r r e c h t gibt uns die E r b - folge ein sicheres Zeugniss, denn die Erbfolge ist fast durch- g ä n g i g Neffenerbfolge: auf den Neffen erbt der T h r o n , und erbt das V e r m ö g e n5 3) . Offensichtlich ist dieses E r b r e c h t

Milangroko; derselbe wird von den Eltern als ein Erbstück aufbewahrt und nur in höchster Noth angegriffen. Die Verwandten bekommen einen Theil, pflegen aber einen noch grösseren Beitrag zur Aussteuer zu geben;

Di e d e r i c h , Zeitschr. f. allgem. Erdkunde, N. F. X, S. 53 f. Bei manchen D a j a k s ist eine einjährige Dienstzeit des Ehemanns im Schwieger- hause üblich; K e s s e l , Zeitschr. f. allgem. Erdkunde III, S. 389. Auch bei den B u k i t s auf Südborneo wird ein Brautschatz bezahlt; Gra- b o w s k i , Ausland 1885, S. 785.

50) W i l k e n S. 90 f.

51) W i l k e n 8. 94, 96.

52) W i l k e n S. 97 f. Aehnlich auf Maki s a r , R i e d e l , Rassen S. 416.

53) Bezüglich der Goldküste C r u i c k s h a n k , Ein 18jähriger Aufent- halt auf der Goldküste Afrikas S. 109; bezüglich Gross-Bassam Hec- q u a r d , Reise an der Küste und in das Innere von Westafrika S. 47 f.

2

(22)

338 Kollier.

das Residuum ehemaliger M u t t e r r e c h t s e h e : die Erbfolge bleibt vielfach stationär, sie ist ein so tiefgehender socialer V o r g a n g , dass sie J a h r h u n d e r t e lang v e r h a r r t , wenn auch die G r u n d - lagen g e s t ü r z t sind, von welchen sie a u s g e g a n g e n ist.

U e b r i g e n s ist die M u t t e r r e c h t s e h e noch heute alldort ver- breitet, wenn auch nicht als R e g e l : sie h ä n g t wie bei den Malaien mit der A r t des Eheabschlusses z u s a m m e n : die Mutter- r e c h t s e h e ist die E h e ohne K a u f p r e i s ; die E h e mit Kaufpreis gibt V a t e r r e c h t . E i n e F r a u , die nicht gekauft ist, bleibt in ihrer F a m i l i e , und die K i n d e r g e h ö r e n der Frauenfamilie a n ; zu dem E h e m a n n stehen sie in fast keiner B e z i e h u n g , wess- halb der S c h w i e g e r v a t e r vielfach diese E h e vorzieht, weil d a d u r c h die ehelichen D e s c e n d e n t e n in seine G e w a l t f a l l e n5 4) . A u c h die faktischen Verhältnisse entsprechen dem M u t t e r r e c h t : der E h e m a n n wohnt bei der Familie der F r a u , leistet ihr Dienste und bezieht von ihr seine Subsistenz 5 5) .

Diese Eheform k o m m t auch in der A r t zu S t a n d e , dass der E h e m a n n adoptirt wird —• die Adoption vermittelt den E i n t r i t t des Mannes in die Schwiegerfamilie: also vollkommen die A m b i l a n a k e h e der Malaien, eine rechtliche Constellation, die sich bekanntlich auch bei den J a p a n e r n , bei den Indern, G r i e c h e n findet: eine F o r t s e t z u n g der F a m i l i e nach Mutter- recht, a b e r mit den F o r m e n des V a t e r r e c h t s , und diese F o r m ist die Adoption 5 6) . A u c h in der weiteren F o r m wird das Mutter-

Ebenso an der Loangoküste: hier erbt der Bruder, der Schwestersohn, der Oheim — nur die B a k e l e haben Sohnerbfolge, Du C h a i l l u , Journey to Ashango Land p. 390, 429; daher geniesst der Oheim väterliche Autorität, B a s t i a n , Deutsche Expedition an der Loangoküste I, S. 153, vergl. S. 165. Ebenso gilt Neffenerbrecht südlich des Kongo, B a s t i a n , Besuch in S. Salvador S. 70; auch bei anderen Stämmen, so bei den W o l o f e n ; doch wird allerdings jetzt der Thronfolger aus den Ver- wandten des Verstorbenen gewählt, H ö f l e r , Rundschau f. Geographie V, S. 365 f.

M) Cruickshank S. 145.

56) Cruickshank S. 249.

56) Vergl. meine Abhandlung in dieser Zeitschrift V, S. 423, 427, 465.

(23)

Die Ehe mit und ohne Mundium.

339 recht gewahrt, dass ein Sklave zum Ehemann erkoren wird: der Sklave steht von selbst in der Familie des Schwiegervaters

57

).

Ueber das Mutterrecht hat man sich auch in Westafrika erhoben durch den Frauenkauf, und dieser Frauenkauf ist durchaus üblich

5 8

); auch der Frauentausch kommt vor, indem Töchter oder Schwestern entgegengegeben werden

5 9

). Durch den Kauf kommt die Frau mit ihren Kindern in die volle Botmässigkeit des Mannes; die Kinder gehören dem Manne weil die Frau ihm gehört. Daher kann der Ehemann Frau und Kinder verpfänden, was ihm natürlich bei der Nicht- mundialehe nicht zusteht

6 0

). Die Frau fällt daher durch den Tod des Mannes an seine Erben, an den Bruder oder Neffen

61

)

— oder auch an den Sohn, sofern sie nicht dessen eigene Mutter ist

6 2

). Doch kann sie durch ihre Verwandten ausge- kauft werden

6 3

).

Und will sich die Frau scheiden, so muss das Frauen- pretium sammt den Kosten der Heirath erstattet werden; es müsste sein, dass der Ehemann der schuldige Theil ist in welchem Falle er das Gezahlte einbüsst

6 4

); und die Kinder bleiben bei dem Manne, wenn sie nicht von der Frau ausge- kauft werden

65

).

Schon aus dem Gesagten ergibt es sich, dass auch die Erbfolge Ansätze zur Vaterrechtserbfolge zeigt; bezeichnend

5' ) C r n i c k s h a n k S. 145.

5S) D u n c a n , Reisen in Westafrika (übersetzt von Lindau) I S 55 II S. 117; B u r t o n , A mission to Gelele, k i n g of Dahome II p. IQQ 162; C r u i c k s h a n k S. 144. Vergl. auch noch meine A b h a n d l u n g in dieser Zeitschrift V, S. 351 f. und Recht als Kulturerscheinung S. 25 f

59) So am Gabun, W i l s o n , Western Africa p. 266.

60) C r a i c k s h a n k S. 146 f., 274.

60 C r u i c k s h a n k S. 250; B a s t i a n , Deutsche Expedition an der Loangoküste I, S. 167 f.

C2) B u r t o n , Mission to Gelele I, p . 367.

6 3) C r u i c k s h a n k S. 250; B a s t i a n I, S. 167 f.

64) C r u i c k s h a n k S. 249.

Gri) C r u i c k s h a n k 8. 249, 250.

(24)

340 Kohler.

ist es; dass dieselbe, insbesondere an der L o a n g o k ü s t e , in der G e s t a l t auftritt, dass der Sohn einer Sklavin e r b t6 6) — eine E r s c h e i n u n g , welche nicht einzig dasteht. D e n n der Sohn der Sklavin g e h ö r t dem E h e m a n n e zu s t ä r k e r e m E e c h t e , als der Sohn der Freien.

D e r Kaufpreis fällt an die V e r w a n d t e n der F r a u6 7) und variirt nach U m s t ä n d e n . D e r Eheschliessung g e h t die V e r - lobung voraus, oft im zartesten Alter, oft vor der G e b u r t6 8) ; sie ist Kaufgeschäft mit obligatorischen F o l g e n , also ein Ge- schäft, welchem die Eheschliessung als Erfüllung nachfolgt.

U e b r i g e n s scheint hieraus der E h e m a n n nur ein Recht auf die H e i m f ü h r u n g zu erlangen, keine P f l i c h t6 9) . Dass es dabei an G e s c h e n k e n und G e l a g e n nicht fehlen darf, versteht sich von s e l b s t7 0) . W i c h t i g e r ist der R e c h t s s a t z , dass der E h e m a n n die F r a u redhibiren und den Kaufpreis sa mint den K o s t e n des Kaufs z u r ü c k v e r l a n g e n k a n n , wenn die B r a u t als J u n g f r a u verkauft w u r d e und diese V o r a u s s e t z u n g nicht zutrifft 7 1) . U n d der Beweis der Jungfrauschaft ist der universelle: es ist eine Beweisform, welche jedem aus dem alten T e s t a m e n t e b e k a n n t ist, welche sich im indischen L e b e n findet und h e u t z u t a g e noch in G e g e n d e n Russlands in U e b u n g sein soll — das blut- befleckte U n t e r g e w a n d der B r a u t7 2) : h a t sie diese P r o b e be- s t a n d e n , so wird sie mit K r e i d e bestreut und ihr L o b g e -

6 0) B a s t i a n I, S. 165.

6') C r u i c k s l i a n k S. 246 f.

«8) C r u i c k s h a n k S. 247.

c r) So H e c q u a r d S. 122 bezüglich der Mandingos an der Gambia.

Das Gleiche w i r d wohl auch sonst anzunehmen sein, es entspricht den Umständen.

70) C r u i c k s h a n k S. 248.

71) B u r t o n , Mission to G e l e l e l l , p. 161 f.; C r u i c k s h a n k S. 248 f.

Bei manchen Stämmen tragen die Jungfrauen ein besonderes Abzeichen, u n d die Redhibition findet s t a t t , wenn die Braut mit diesen Abzeichen übergeben w o r d e n ist, ohne Jungfrau zu sein; so bei den T i a p y s (in Koli); vergl. H e c q u a r d S. 165.

72) B u r t o n II, p. 161; C r u i c k s h a n k S. 248 f.

(25)

Die E h e mit und ohne Mundium.

341 sungen

7 3

). Offenbar ist mit dem Gedanken der ehemännlichen Herrschaft über die Frau und mit dem frühzeitigen Verlöbniss zugleich der Gedanke gereift, dass die Frau lediglich und allein dem Manne bestimmt sei, und so hat die Schätzung der Jungfrauschaft begonnen: so wurde die Jungfrauschaft als Ver- dienst betrachtet, die Kinderverlobung hat diesen Fortschritt gezeitigt. So ist es wenigstens an der Goldküste; in manchen anderen Theilen Westafrikas wird auf die Jungfrauschaft nicht viel gehalten, und die Frauen werden vor der Ehe in die casa das tintas gesetzt, wo sie den Männern zur Einsicht stehen, oder sie werden gar dem Genüsse Dritter — gegen Zahlung — preisgegeben

7 4

).

Aber auch die letzte und höchste Form der Ehe scheint an der Goldküste zur Ausprägung gelangt zu sein — die- jenige Form, bei welcher Vater- und Mutterrecht ausgeglichen ist. Diese Form ist sicher aus der Kaufform hervorgegangen, indem der Kaufpreis zu einem Scheinpreis oder doch zu einer niederen Summe herabstieg. Und so finden wir eine Ehe, wo der Bräutigam nur eine geringe Summe erlegt: hier bleibt die Freiheit der Frau und der Kinder gewahrt

7 5

), die Frau bleibt in ihrer Familie und die Kinder gehören beiden Fami- lien an. Dies erweist sich durch folgende höchst instructive Erscheinung: Frau und Kinder werden nicht selten von der Frauenfamilie an den Mann verpfändet, und wenn sie nicht rechtzeitig ausgelöst werden, verfallen sie dem Ehemanne, d. h. sie treten in sein Mundialrecht, als wie wenn er die

73) Vergl. über diesen Rechtsgebrauch 5. Mose 22, v. 17 f.; bezüglich der Inder meine A b h a n d l u n g in dieser Zeitschr. Ill, S. 348 No. 16; be- züglich der Beduinen K e i l , Biblischer Commentar über die Bücher Mosis II, S. 4 9 3 ; bezüglich der Malaien F r . M ü l l e r , Reise der öster- reichischen Fregatte „Novara", anthropologischer Theil III, S. 4 1 : Bei den Malaien überzeugt sich der Bräutigam coram populo von der Un- schuld der Braut!

74) B a s t i a n , Deutsche Expedition an der Loangoküste I, S. 175 f.

Vergl. auch meine A b h a n d l u n g in dieser Zeitschr. V, S. 401.

75) C r u i c k s h a n k S. 147.

(26)

342 Kohler.

Ehefrau sofort gekauft und eine Mundialehe eingegangen hätte

7 6

).

Wie an der Goldküste, so finden wir auch in anderen Theilen Westafrikas die Ehe mit und ohne Mundium, und bei der ersteren macht sich der Kaufpreis in höchst bezeichnender Weise geltend. So kann bei den M p o n g o s (am Gabun) die Nichtmundialfrau dem Ehemanne ungestraft davongehen, bei der Kaufehe haftet die Familie der Frau dafür, dass ihm ent- weder die Frau oder der Kaufpreis zurückgestellt wird; die Familie hat daher ein grosses Interesse am Fortbestande der Ehe, und dieses trägt zur Beständigkeit und Gedeihlichkeit des Zusammenlebens bei

7 7

).

Auch bei den K r u s

78

) findet sich die Kaufehe in aller Aus- prägung. Die Frau wird — oft schon in der Jugend gekauft;

der Kaufpreis fällt grösstentheils an die väterliche, theilweise an die mütterliche Familie der Frau

7 9

) — ein bedeutungs- voller Rest des Mutterrechts. — Die Frau ist dadurch dem Manne verfangen, sie ist es nach seinem Tode den Erben

8 0

).

Scheidet sie sich, so ist der Kaufpreis sogar doppelt zu er- statten

8 1

).

In verschiedenen Theilen Afrikas findet sich die Ueber- gangsform, dass die Kinder so lange der mütterlichen Familie verpfändet sind, bis der Kaufpreis völlig entrichtet ist; so bei den M a k o l o l o s , bei den S o t h o s

8 2

) .

Das wäre der welthistorische Process vom Mutterrecht zum Vaterrecht auf zwei ganz verschiedenen Gebieten des Erdkreises. Die Energie, mit welcher das Vaterrecht bei

7C

) C r u i c k s h a n k S. 147 f.

" ) W i l s o n , Western Africa p. 268 f.

, s) W i l s o n , Western Africa p. 112 f.; verg], auch mein Recht als Kulturerscheinung S. 25.

, 9) W i l s o n p. 113. Die Zuneigung zwischen Sohn und Mutter ist die innigste, W i l s o n p. 116 f.

80) W i l s o n p. 114.

81) W i l s o n p. 114.

8 2) Vergl. meine A b h a n d l u n g in dieser Zeitschr. V, S. 351.

(27)

Die Elie mit und ohne Miindium. 3 4 3

indogermanischen und semitischen Stämmen adoptirt worden ist, war der Haupthebel ihrer Schaffenstüchtigkeit, die Haupt- quelle ihrer Lebenskraft. Nur wo die Genossen der Familie, und vor allem die männlichen Genossen, sich eng an einander anschliessen und in kräftigem kulturellem Bunde arbeiten, wird eine Nation auf die Dauer gedeihen. Die Kraft eines Volkes liegt zumeist nicht in den öffentlichen Institutionen:

sie liegt in der Familie, und es ist ein verfehltes Beginnen, wenn man glaubt, dass politische Schöpfungen allein die Nation dauernd zu heben vermöchten, wenn der Wurm der Zwie- tracht im Herzen der Familie nagt. Und zum Zeichen, dass die vergleichende Rechtswissenschaft auch ihre praktische Be- deutung hat, wollen wir nur hervorheben, dass es ein völlig unrichtiges und meines Erachtens zum Nachtheil und Schaden führendes System ist, wenn man seit einem Jahrhundert die Bahn verfolgt hat, die väterliche und eheherrliche Gewalt zu schwächen

83

). Man sollte nicht vergessen, dass in dem Vater- rechte der Nerv des Familienlebens liegt, dass der Vater ein Vater und kein Vormund sein muss; man sollte nicht ver- gessen, dass gerade die Nationen, welche eine überaus zähe Lebenskraft bewiesen haben, wie die Chinesen, die Juden und wie die Römer, das Vaterrecht hoch gehalten haben

8 4

). An der Kraft des Vaterrechts hängt die Lebenskraft der Nationen, und insbesondere auch der germanischen.

S3-) ye rg i _ meine A b h a n d l u n g über den Dispositionsniessbrauch in Ihering's J a h r b u c h XXIV", S. 207, 266 f.

84) Man k ö n n t e sich für das Gegentheil auf die Kelten berufen, welche dem Vater ein j u s vitae necisque einräumten; aber hier waren die Famlilienverhältnisse unterhöhlt durch die übliche Pflegvaterschaft;

vergl. hierüber meinen Aufsatz in dieser Zeitschr. V", S. 418 f.

(28)

Rechtsverhältnisse auf dem ostindischen Archipel und den westlichen Karolinen.

Von

Prof. D r . J . K o h l e r .

A u s den in rascher Aufeinanderfolge erschienenen Schriften des ehemaligen niederländischen Residenten im ostindischen Archipel, J . G. F . R i e d e l1) , gewinnen wir eine Reihe inter- essanter Aufschlüsse ü b e r die Rechts Verhältnisse jener G e g e n d e n - ü b e r Rechtsverhältnisse, die uns bald so detaillirt entgegen- treten, dass in k u r z e m eine abschliessende r e c h t s v e r g l e i c h e n d e D a r s t e l l u n g möglich sein wird. E i n e weitere sehr b e d e u t s a m e Publication ist die von B a s t i a n h e r a u s g e g e b e n e Schrift K u - b a r y ' s , die socialen E i n r i c h t u n g e n der P e l a u e r , welche uns ü b e r diesen interessanten V ö l k e r s t a m m detaillirte K u n d e gibt.

W a s das H a u p t v e r h ä l t n i s s , das E h e i n s t i t u t betrifft, so ist bereits in dem vorigen Aufsatze das W i c h t i g s t e mit verarbeitet w o r d e n , so dass wir uns zu den sonstigen Instituten wenden können, um auch hier die neuen E r g e b n i s s e zur juristischen Analyse zu bringen.

D i e Collaborationsgemeinschaft unter E h e g a t t e n ist bei ') Vergl. über dieselben oben S. 332. Das Werk, sluik- en kroes- harige rassen, wird citirt mit R i e d e l .

(29)

Rechtsverhältnisse a. d. ostind. Archipel u. den westl. Karolinen. 3 4 5

jenen Völkern ausserordentlich, verbreitet; wir kennen sie bei den M e n a n g k a b a w ' s c h e n Malaien auf Sumatra; das Col- laborationsvermögen wird nach dem Tode des einen Ehegatten hälftig vertheilt, wovon die Hälfte an den U eberlebenden, die andere Hälfte an die Verwandten des Verstorbenen fällt

2

).

So bei den B u g i n e s e n und M a k a s s a r e n

3

) ; so bei den Al- f u r e n von Minahasa, wo die Theilung öfters zu

2

/ä an den Mann und ^3 an die Frau stattfindet

4

). Auch bei den G a l e - l a s und T o b e l o r e s e n (auf Djilolo) scheint die Frau zu

1js

berechtigt zu sein (sie und die Söhne erhalten

2

/3)

5

); und bei den T o p a n t u n u a s u auf Celebes bekommt die Wittwe die Hälfte, während die andere Hälfte an des Mannes Erben fällt

6

). Auch findet sich bei den verschiedensten Stämmen die communio bonorum prorogata, indem der überlebende Ehe- gatte mit den Kindern in Gemeinschaft sitzt und die Admini- stration führt; so bei den A l f u r e n von Minahasa; theilweise auch bei den D a j a k s

7

) , so auch bei den T o p a n t u n u a s u

8

) , wo die Wittwe das Vermögen in der Hand behält. Auch hat die Wittwe bei manchen Stämmen, selbst im Falle der Kinder- losigkeit, einen lebenslänglichen Beisitz bezüglich des ganzen Vermögens — sofern sie nicht zur zweiten Ehe schreitet; so bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n ; ähnlich auf C e r a m

9

) . Das Adoptionsinstitut ist bei den verschiedensten Stämmen in Uebung; so bei den D a j a k s und den A l f u r e n von Mina- h a s a

1 0

) ; so bei Stämmen in S ü d s u m a t r a — hier in Ver- bindung mit der Ambilanakehe, indem der Adoptivsohn die

2) W i l k e n , Over de verwantschap en het huwelijks- en erfrecht.

S. 28 f.

s) W i l k e n S. 74 f.

4) W i l k e n S. 90, 91.

") R i e d e l , Galela S. 85.

(i) R i e d e l , Topantunuasu. S. 19.

' ) W i l k e n S. 91, 92. Aehnlich auf M a k i s a r , R i e d e l S. 4 2 1 .

8) R i e d e l , Topantunuasu S. 19.

9) R i e d e l , Galela 8. 85, R i e d e l 8. 144.

10) W i l k e n S. 93, 94.

(30)

346 Kohler.

Tochter heirathet und dadurch Sohn und Schwiegersohn zugleich wird l x) . So findet sich die Adoption auch bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n und bei den T o p a n t u n u s u 1 2).

Auf T i m o r treffen wir die Blutsbrüderschaft, mit Bluttrinken

— mit Vermögens- und Frauengemeinschaft13).

Das Landeigentum ist theils gemeines, theils Einzel- eigenthum, letzteres aber vielfach noch Familiengut, und die Theilung ist vielfach inhibirt14). Bei manchen Stämmen ist die Veräusserung von Landeigenthum unstatthaft; so bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n , wo aber Pacht und namentlich Theilpacht vorkommt16). Auch bei den S a w u s gilt die Land- veräusserung als unzulässig16); und ebenso auf den Aaru- inseln17); während die T o p a n t u n u a s u das Landeigenthum in Gegenwart eines Dorfältesten veräussern 18) — offenbar ist die Materie im Flusse: das Familieneigenthum ringt sich aus dem Communaleigenthum und das Individualeigenthum aus dem Familieneigenthum hervor — und die Veräusserung spielt dabei eine wesentliche Rolle — nicht als ob sie dogmatisch ein nothwendiges Charakteristicum des Eigenthums wäre, son- dern weil sie historisch dazu mitwirkt, die Idee des Einzel- rechts zu reifen. Auf den Pelauinseln besteht Familieneigen und Errungenschaft; ersteres kann das Familienhaupt nur unter Zustimmung der Familie veräussern19). Interessant ist hier

") Wilken S. 63.

12) Riedel, Galela S. 80, Topantunuasu S. 16.

18) F o r b e s im Journ. of the Anthrop. Instit. XIII, p. 426 f.

14) Vergl. auch W i l k e n , Over de verwantschap S. 27 (bezüglich der M e n a n g k a b a w ' s c h e n Malaien), S. 90 (bezüglich der A l f u r e n in Minahasa), R i e d e l S. 20, 98 (bezüglich B u r u und C e r a m ) .

15) R i e d e l , Galela S. 60 f.

16) R i e d e ] , Sawu S. 7. Ebenso auf C e r a m l a u t , K e i , S e r - m a t a ; R i e d e l S. 153, 230, 321.

" ) R i e d e l , Aarn S. 7. Auf A m b o n n u r m i t Wissen der Ver- wandten, R i e d e l S. 46.

l s) R i e d e l , Topantunuasu S. 9; auf Le t i öffentlich, Riedel S. 385.

19) Kubary S. 47.

(31)

Rechtsverhältnisse a. d. ostind. Archipel u. den westl. Karolinen. 3 4 7

das Clientelverhältniss: ein D r i t t e r erhält ein L a n d s t ü c k zur B e n ü t z u n g und muss dafür Dienste leisten, t r i t t aber auch in die F a m i l i e ein und wird ihr V e r w a n d t e r2 0) — ein höchst interessanter Z u g , welcher zeigt, wie innig V e r m ö g e n s - und F a m i l i e n r e c h t z u s a m m e n h ä n g e n .

Bezüglich der Schuldhaftung gelten die b e k a n n t e n Regeln, dass der Schuldner mit seinem Leibe einsteht und dem Gläu- biger pfandweise dienen m u s s ; so bei den M a l a i e n und den B u g i s2 1) . Bei manchen S t ä m m e n finden sich auch M a r t e r n , z. B . das E i n s p e r r e n in den B l o c k2 2) . Bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n wird der Schuldner eingesperrt, d u r c h g e p e i t s c h t und als A r b e i t e r vermiethet, und zwar gewöhnlich durch einen A e l t e s t e n , welcher seine Schuld abzahlt. D a n e b e n besteht auch die R e a l e x e c u t i o n2 3) . E b e n s o wird bei den T o b a n t u - n u a s u der Schuldner Pfandsklave des G l ä u b i g e r s oder des Dorfältesten, welcher für ihn z a h l t2 4) . U n d auf F l o r e s wird sogar der Zahlungsunfähige völliger S k l a v e und ausserhalb des S t a m m e s v e r k a u f t2 5) .

D a s Strafrecht j e n e r V ö l k e r2 6) steht auf dem S t a n d p u n k t e der Composition; ausnahmsweise t r i t t die B l u t r a c h e noch in ihrer vollen Schärfe ein. H e x e n werden sofort g e t ö d t e t ; so bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n 2 7) , so bei anderen S t ä m - m e n2 8) . I m ü b r i g e n werden bei den g e n a n n t e n S t ä m m e n die Delicte durch Busszahlung ausgeglichen, und m a n ist bereits

20) K u b a r y S. 47 f.

21) Vergl. meine A b h a n d l u n g in der Zeitschr. f. Handelsrecht XXXII, S. 66. Auch auf C e r a m l a u t ist Pfand Sklaverei üblich, R i e d e l S. 156.

22) Vergl. mein Nachwort zu Shakespeare S. 7.

23) R i e d e l , Galela S. 74.

2 4) R i e d e l , Topantunuasu S. 6.

25) R i e d e l , Flores S. 6, 7; vergl. auch R i e d e l , A a r u S. 7.

26j ye rg l . W i l k e n , Het strafrecht bij de volken van het Maleische ras, in den Bijdragen tot de taal-, land- en volkenkunde, 1883, p. 85 f.;

meine Blutrache S. 10 f.; R i e d e l S. 18, 50, 103, 384.

" ) R i e d e l , Galela und Tobeloresen S. 66.

23) Weiteres darüber in den nachfolgenden Recensionsabhandlungen.

(32)

348 Kohier.

so weit fortgeschritten, dass nur ein Theil der Busse an den Verletzten, der andere Theil an die Obrigkeit fällt — also Composition und Friedensgeld

2 9

). Bei den T o p a n t u n u a s u werden gewisse Deliete mit dem Tode gesühnt, darunter auch der Ehebruch in flagranti; auch der Mord, doch kann hier die Todesstrafe ausgekauft werden; Körperverletzung und ge- wöhnliche Diebstähle werden durch Bussen ausgeglichen

80

).

Bei den S a w u s werden die Deliete, auch Mord und Ehebruch, mit Geld gesühnt; und wie bei den Germanen und Kelten, so haftet auch hier die Familie des Thäters mit dem Thäter selbst

3 1

). Auch auf F l o r e s gilt das Compositionssystem

32

).

Auf den A a ruinsein besteht für Tödtung noch Blutrache, und zwar Blutrache von Familie zu Familie: für den Getödteten ein anderes Mitglied aus der Familie des Mörders — wie bei den meisten Völkern einer bestimmten Kulturstufe

3 3

); bei anderen Delicten tritt Geldbusse ein

3 4

). Auf den P e l a u - inseln werden die Hexen ohne weiteres getödtet

3 5

); Mord und Körperverletzung werden durch Geldstrafe gesühnt

3 6

); zwischen mehreren Gemeinden herrscht eine Art Blutrache insofern, als die eine Gemeinde in der anderen Köpfe holt und die andere sich revanchirt; denn hier ist das malaische Kopfschnellen üblich. Früher wurde vor dem Hause des Getödteten ein Speer aufgeschlagen; ein Freund zog ihn aus der Erde und übernahm die Rache

3 7

).

29) R i e d e l , Galela S. 63 f.; ebenso auf L u a n g , K e i s a r ; R i e d e l S. 322, 408.

3 0) R i e d e l , Topantunuasu S. 8; ähnlich auf T i m o r ; F o r b e s 1. c p. p. 421 f.

3 1) R i e d e l , Sawn S. 7.

32) R i e d e l , Flores S. 6 ; ebenso auf K e i , R i e d e l S. 232.

33) Vergl. meinen Shakespeare S. 133, 134, 136, 139, 141 u. s. f.;

Blutrache S. 9, 11. Bezüglich der Inseln A m b o n , W e t a r vergl.

R i e d e l S. 50, 434.

34) R i e d e l , A a m S. 7.

3>) K u b a r y S. 74.

3 6) K u b a r y S. 74.

3 7) K u b a r y S. 127.

(33)

Rechtsverhältnisse a. d. ostind. Archipel u. den westl. Karolinen. 34-9 Dass die Ordalien in den verschiedensten Gestalten, als:

Wasser-, Feuer-, Eidesordal u. s. w. bei diesen Stämmen in Gebrauch sind, ist bekannt

3 8

). Auch hier häufen sich die Belege. Bei den G a l e l a s und T o b e l o r e s e n besteht der Ordaleid; so der Schwerteid: es wird der Rost eines Schwertes ins Wasser geschabt, von welchem der Schwörende trinkt;

dabei wird die Verwünschung ausgesprochen, dass der Schwö- rende im Falle des Meineides durch das Schwert fallen solle, und zwar in einem Monat. Aehnlich ist der Salzeid, in Folge dessen der Falschschwörende innerhalb eines Monats (mit seinen Unternehmungen) wie Salz dahinschmelzen soll. Bleibt er in diesen Fällen wohlbehalten, so ist er gereinigt und den An- kläger ereilt Strafe: der Eid ist Ordaleid, denn nicht der Eid, sondern die Folge des Eides reinigt den Beschuldigten

39

).

Ausserdem besteht die Wasserprobe bei Beschuldigung des Ehebruchs; das Ordal ist zweiseitig: beide Theile tauchen unter und der unterliegende Theil hat Busse zu zahlen

4 0

).

Auch das Geäder einer Frucht kann auf den Thäter lenken, indem man die Frucht spaltet und hiernach die Richtung er- forscht, in welcher der Thäter (Zauberer) zu suchen ist

4 1

) — also ähnlich wie bei den Australnegern nach den Ritzen und Spalten des Bodens.

Auch die T o p a n t u n u a s u haben die verschiedensten Ordalien — das Ordal des Untertauchens, das Eintauchen der Hand in siedende Flüssigkeit, das Reisordal, das Hahnenordal

— indem man zwei Hähne gegen einander kämpfen lässt.

Und bei der Ehebruchbeschuldigung werden nach dem Ange- klagten Speere geworfen, welche dieser mit einem Schild auf- fangt: bleibt er unverwundet, so ist er unschuldig. Im Falle der Reinigung von der Anklage treffen den Ankläger Strafen,

3 8) Vergl. darüber W i l k e n , Het strafrecht S. 134 f., 141 f., 144 f.

3 9) Vergl. auch Zeitschr. V, S. 374 f., 460 f. Aehnlich auf A m b o n , K e i i n s e l n , L u a n g , S e r m a t a ; R i e d e l S. 52, 224 f., 317.

4 0) R i e d e l , Galela S. 64 f., 78. Aehnlich auf A m b o n , C e r a m - l a u t ; R i e d e l S. 52, 157.

4 1) R i e d e l , Galela S. 69.

(34)

3 5 0 Kohler, Rechtsverhältn. a. d. ostind. Archipel u. d. w. Karolinen.

ja er wird Sklave seines Gegners

4 2

). Auf S a w u ist der Eid üblich, welcher unter offenem Himmel geschworen wird, das Antlitz gegen die Sonne g e k e h r t

4 3

) ; ähnlich auf den A a r u - inseln, wo beide Parteien Sonne und Mond anrufen

44

). Ob auch hier der Eid ein Ordaleid ist, steht dahin. Ausserdem hat man auf den Aaruinseln die Wasserprobe des Unter- tauchens, die Probe mit geschmolzenem Blei, Kesselfang, Trinken einer Flüssigkeit, Emporhalten einer Schüssel u. a.

4 5

).

Allüberall finden wir die Anfänge einer publicistischen Gewalt und einer publicistischen Rechtsprechung; doch meist nur die Anfänge solcher Einrichtungen, insbesondere in der Gestalt von Aeltesten oder Schiedsleuten; doch begleicht das Volk häufig die Streitigkeiten unter sich ohne jeden Beizug publicistischer Organe: die Beschädigten stellen die Anforde- rung, der Thäter oder seine Familie zahlt, weil er muss, unter dem Drucke des Gemeingefühles. Solches wird uns besonders von den A a r u i n s e l n

4 6

) , solches von den P e l a u e r n

4 7

) be- richtet. Man ist eben sehr im Irrthum, wenn man glaubt, das Recht sei erst mit dem Momente entstanden, wo es Ge- richte gab: das Recht hat vor aller gerichtlicher Organisation in der Brust der Völker geherrscht und ist durch die Volks- instinkte zur That geworden; die Macht der Volksüberzeugung, welche dem Berechtigten beistand und den Schuldigen zur Erfüllung zwang, hat Jahrhunderte lang das Recht zum Aus- drucke gebracht, bevor es in den Rahmen von Gesetzen oder judiciären Einrichtungen gefasst war. Dass das Recht von solchen Einrichtungen unabhängig ist, dass es als eine dem Volke inne- wohnende Potenz auch ohne solche zur Geltung gelangt, ist eines der wichtigsten Resultate der vergleichenden Rechtswissenschaft.

42) R i e d e l , Topantunuasu 8. 12 f.

43) R i e d e l , Sawu S. 7.

44) R i e d e l , A a m S. 6.

4r') R i e d e l , A a r u S. 6. Ebenso findet sich Kesselfang, Reis-, Pfeffer-, Gluthordal auf W e t a r ; R i e d e l S. 441.

46) R i e d e l , A a r u S. 7.

4 7) K u b a r y S. 73 f.

(35)
(36)

Referenties

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