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Auch ohne Mauer verliert Europa nicht sein Gleichgewicht.

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Auch ohne Mauer verliert Europa nicht sein Gleichgewicht.

Die deutsch-deutsche Vereinigung im ‚NRC Handelsblad’ und in der ‚Süddeutsche Zeitung’

Masterarbeit

im Fach Germanistik an der

Rijksuniversiteit Groningen

eingereicht bei

Prof. Dr. Waltraud ‚Wara’ Wende

vorgelegt von Daan Smit

Matrikelnummer s1345478

2. Fassung

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 3

2. Den Haag, Bonn und die deutsch-deutsche Vereinigung 6 2.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung und ‚deutsche Frage’ 6 2.2. Die deutsch-deutsche Vereinigung aus niederländischer 7 Regierungsperspektive

2.2.1. 1949 – 1961 7

2.2.2. 1969 – 1981 8

2.3 Die deutsch-deutsche Vereinigung aus westdeutscher 10

Regierungsperspektive

2.3.1. 1949 – 1963 10

2.3.2. 1963 – 1982 11

2.3.3. 1982 – 1989 13

2.4. Vorläufige Schlussfolgerungen 14

3. Theoretischer Rahmen der Analyse 15

3.1. Theoretischer Ansatz der historischen Diskursanalyse 15

3.1.1. Untersuchungsgegenstand und Ziele 15

3.1.2. Abgeleitete Fragestellung 17

3.2. ‚Schlussregeln’ als Analyseelement 17

4. Argumentationen im ‚NRC Handelsblad’ und in der ‚Süddeutsche Zeitung’ 20 4.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung im ‚NRC Handelsblad’ 20

4.1.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung? 20

4.1.2. Eine deutsche Angelegenheit? 25

4.1.3. Die deutsch-deutsche Vereinigung wünschenswert? 28

4.1.4. Vorläufige Schlussfolgerungen 37

4.2. Die deutsch-deutsche Vereinigung in der ‚Süddeutsche Zeitung’ 40

4.2.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung? 40

4.2.2. Eine deutsche Angelegenheit? 45

4.2.3. Die deutsch-deutsche Vereinigung wünschenswert? 47

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1. Einleitung

Die deutsche Einheit beziehungsweise die deutsche (Wieder-)Vereinigung und die Folgen für Europa spielte vor dem 3. Oktober 1990 eine große Rolle in Europa und in der Welt. Die ‚deutsche Frage’ (hier Deutschlands Teilung in Ost und West beziehungsweise die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands) wird mit dem Fall der Mauer zu einem Thema, das nicht nur die Deutschen, sondern auch viele andere dringend interessiert. Zu diesen anderen gehören zum Beispiel die Niederländer und andere Nachbarländer Deutschlands. Die ‚deutsche Frage’ wurde so aktuell wie nie zuvor.

In der vorliegenden Arbeit stehen niederländische und westdeutsche Reaktionen auf die deutsch-deutsche Vereinigung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Durch den Vergleich der niederländischen mit der west-deutschen Diskussion wird zugleich ein Vergleich zwischen einer inner- und außerdeutschen Perspektive möglich. Da der Zeitraum für eine Masterarbeit ein begrenzter ist, sollen im folgenden zwei für den niederländischen und den deutschen Diskurs repräsentative Tageszeitungen im Mittelpunkt der Analyse stehen, und zwar: das ‚NRC Handelsblad’ und die ‚Süddeutsche Zeitung’.

Das ‚NRC Handelsblad’ erschien zum ersten Mal am 1. Oktober 1970. Die neue Abendzeitung entstand aus einer Fusion zweier Zeitungen, die in finanzielle Probleme geraten waren. So handelte es sich um das ‚Algemeen Handelsblad’1, das 1828 von J.W. van den Biesen gegründet worden war. Der zweite Fusionspartner war der ‚Nieuwe Rotterdamsche Courant’, gegründet von 1844 Henricus Nijgh.2 Die 1970 erstmals erschienene Zeitung gehörte 1989 zur ‚Nederlandse Dagblad Unie’ (NDU), die damals unter anderem auch Inhaber des ‚Algemeen Dagblad’ war. 1995 wurde dieser Konzern von ‚PCM Uitgevers NV’, zu dem auch die ‚Volkskrant’ gehört, übernommen.3

Das ‚NRC Handelsblad’ ist eine eher liberale Zeitung.4 Zentraler Ausgangspunkt bei der Berichterstattung ist das Motto ‚Lux et Libertas’, was so viel wie Licht – im philosophischen Sinne der Aufklärung – und Freiheit bedeutet.5 Als eine der Grundprinzipien6 der Zeitung wird unter anderem ihre Unabhängigkeit von politischen und gesellschaftlichen Organisationen betont. Die Zeitung würde überhaupt jede Form von Gruppen und Organisationen misstrauen.7

1 Auch bekannt als ‘Nieuwe Amsterdamsche Courant’ 2 Rümke

3 (Ebenda) 4 (Ebenda) 5 (Ebenda)

(4)

Die Zeitung gilt als eine der größeren überregionalen Tageszeitungen der Niederlande. Sie erschien und erscheint sechs Mal pro Woche. 2006 ist das ‚NRC Handelsblad’ mit einer Auflage von 239.000 und einem Marktanteil von 11,8 % die viertgrößte überregionale Zeitung in den Niederlanden8. 1989, den Jahr des Mauerfalls, war die Zeitung inhaltlich folgendermaßen aufgebaut: Inland, Ausland, Kunst, Meinung, Sport, Wirtschaft und Entspannung. Beilagen (wie ‚Zaterdags bijvoegsel’) zu den Themen Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Bildung ermöglichen es der Redaktion bestimmte Themen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Die ‚Süddeutsche Zeitung’ ist älter als das ‚NRC Handelsblad’ und erschien zum ersten Mal am 6. Oktober 1945. Sie gehörte zu der von den Alliierten lizenzierten Presse. Die Lizenz zur Veröffentlichung der Erstausgabe erhielten damals August Schwingenstein, Edmund Goldschagg und Franz Josef Schöningh. Die ‚Süddeutsche Zeitung’ versteht sich als Nachfolger der von 1848 bis 1945 erschienen ‚Münchner Neuesten Nachrichten’. Herausgeber der ‚Süddeutsche Zeitung’ ist der ‘Süddeutsche Verlag’, an dem seit Februar 2008 zum größten Teil (mit 81,75 %) die ‚Südwestdeutsche Medien Holding’ beteiligt ist.9 Auch die ‚Süddeutsche Zeitung’ ist eine liberale Zeitung,10 die von sich selbst sagt: „Sie verteidigt und erstrebt freiheitliche, demokratisch Gesellschaftsformen nach liberalen und sozialen Grundsätzen.“11

Die ‚Süddeutsche Zeitung’ gehört zu den größeren überregionalen Tageszeitungen Deutschlands. Sie erschien und erscheint sechs Mal pro Woche. 2006 hat die Zeitung mit einer Auflage von 432.825 Exemplaren im 3. Quartal12 einen Marktanteil von ungefähr 26,2 %.13 Die ‚Süddeutsche Zeitung’ bestand 1989 aus folgenden Rubriken: In- und Ausland, Meinungsseite, Kunst beziehungsweise Kultur, Wirtschaft, Sport, Lokalnachrichten und Entspannung. Auch hier wird mittels Beilagen zum Beispiel zu Auto und Verkehr, Bildung und Beruf, Wirtschaft, Forschung, Wissenschaft, Technik, Reise und Erholung, Literatur und Musik auf einzelne Themen differenzierter eingegangen. Andere Beilagen nennen sich ‚Süddeutsche Zeitung am Wochenende’ und ‚Süddeutsche Zeitung Report’.

Die Recherche zur Sekundärliteratur mit Blick auf die deutsch-deutsche Frage ergab, dass es zur Zeit eine Publikation gibt, die sich mit der öffentlichen Meinung zur deutschen

8 Rümke

9 Wikipedia, gelesen am 09.01.2008, http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3% BC ddeutsche_Zeitung 10 Meyn 2004, 94

11 Redaktionsstatut der ‘Süddeutsche Zeitung; zitiert nach Meyn 2004, 94 12 Süddeutsche Zeitung 2007, 3

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(Wieder)Vereinigung auseinandergesetzt hat: Ines Lehmann hat in drei Bändern14 untersucht, wie die deutsch-deutsche Vereinigung von der ausländischen15 Presse betrachtet worden ist. Zentrale Fragestellung war dabei, welche Ängste, Bedenken und Erwartungen ein vereintes und souveränes Deutschland in der Presse des Auslandes auslöste. Wegen dem Ausmaß des Quellenmaterials16 wird im niederländischen Teil das ‚NRC Handelsblad’ nur sehr am Rande behandelt.

In der vorliegenden Masterarbeit soll die Periode kurz nach dem Fall der Mauer am 10. November 1989 bis zum 9. Dezember17 im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Inhaltlich ist gerade diese Periode interessant, da damals die ‚deutsche Frage’ zum ersten Mal nach immerhin 40 Jahren Teilung wieder aktuell wurde und es große Unsicherheiten und Unklarheiten im Hinblick auf die Zukunft Deutschlands und damit Europas gab. Im Fokus steht dann auch folgende Frage: Wie wurde vom ‚NRC Handelsblad’ und von der ‚Süddeutsche Zeitung’ über die deutsch-deutsche Vereinigung geschrieben?

Zunächst soll dabei auf den historischen Kontext eingegangen werden: wie stehen die beiden Regierungen, die der Niederlande und die der Bundesrepublik Deutschland, während der deutschen Teilung zur deutsch-deutschen Vereinigung? Im Anschluss daran steht dann der theoretische Rahmen der anschließenden Analyse im Zentrum. Im letzten Teil der Arbeit liegt der Fokus auf der Analyse der Artikel des ‚NRC Handelsblad’ und der ‚Süddeutsche Zeitung’.

14 Lehmann 1996

15 Im ersten Band stehen die Reaktionen der USA, Großbrittanniens und Frankreichs im Zentrum der

Aufmerksamkeit. Der zweite Band dokumentiert die Reaktionen der Nachbar- und Partnerstaaten Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Italien, Portugal, Spanien und Israels. Der dritte Band umfasst die sowjetischen, polnischen und tscheoslowakischen Reaktionen, ist aber nicht in den Niederlanden veröffentlicht worden.

16 Insgesamt geht sie auf die Artikel fünf niederländischer Zeitungen ein.

17 Im Prinzip ist der 9. Dezember als Enddatum willkürlich ausgewählt worden. Es hat in dieser Arbeit aber zum

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2. Den Haag, Bonn und die deutsch-deutsche Vereinigung 2.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung und ‘deutsche Frage’

Ein zentraler Aspekt der ‚deutschen Frage’ war stets die Frage nach der (Wieder-) Vereinigung von Ost- und Westdeutschland, wobei sich die ‚deutsche Frage’ sowohl aus innerdeutscher wie aus europäischer18 Perspektive stellen lässt. Für die Deutschen hatte die ‘deutsche Frage’ sehr verschiedene Bedeutungen19, wie zum Beispiel was Deutschland denn eigentlich präzise ist. Diese Frage ist über 200 Jahre alt und schon Goethe und Schiller fragten sich 1797, was und wo ist Deutschland?20 Wichtiger für diese Arbeit ist die europäische Perspektive. Im Gegensatz zu den verschiedenen deutschen Definitionen, ähneln sich die Lesarten der nicht-deutschen Verfasser seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts sehr. Peter Alter fasst diese Sichtweisen folgendermaßen zusammen: “For Europe, The German Question was more or less defined by and reduced to the crucial question: how can Europe’s peace and security be preserved without violating German interests, but simultaneously curbing the political ambitions of the Germans?”21

Die ‘deutsche Frage’ aus europäischer Perspektive kennt verschiedene Phasen. Der Begriff bezieht sich bis zur Reichsgründung 1871 auf den nationalen Aspekt, indem die Europäer die ‘deutsche Frage’ als Synonyme für die deutschen nationalen Wünsche verstanden haben. Ab 1871 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges deuteten die Europäer mit dem Begriff vor allem auf die Gefahr aus einem Gesamtdeutschland hin.22 In der für diese Arbeit wichtigen Periode – 1949 bis zu 1989 – steht der nationale Aspekt im Vordergrund. Die ‚deutsche Frage’ bezieht sich in dieser Periode auf die erzwungene Teilung Deutschlands und auf den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung.

18 Alter 2000: In dieser Arbeit wird die Perspektiveneinteilung nach Alter übernommen. ‚Europäisch’ deutet bei

Alter in dieser Hinsicht auf die Nachbarländer Deutschlands, die in einer bestimmten Periode die Macht in Europa besitzen. So werden mit ‚europäisch’ in der Periode bis 1914 Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, Russland, Frankreich und Österreich-Ungarn gemeint. Ab 1914 bis zum Kriegsende 1945 handelt es sich dann um Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, Frankreich und Italien. In der letzten Periode bis 1989 bestimmt die Teilung zwischen Ost (Sowjetunion) und West (Amerika, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, Frankreich) die Situation in Europa.

19 Alter 2000, 6 20 (Ebenda, 2) 21 (Ebenda, 7)

22 (Ebenda, 3 – 4) Alter erläutert diese Gefahr nicht, aber wahrscheinlich wird damit zum Beispiel eine

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2.2. Die deutsch-deutsche Vereinigung aus niederländischer Regierungsperspektive 2.2.1. 1949 – 1961

Die Niederlande haben in den fünfziger Jahren sowohl öffentlich als auch hinter den Kulissen den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung unterstützt.23 Den Haag befürwortete wohl eine Integration des gesamten Deutschlands in die westliche Zusammenarbeit und außerdem sollte eine solche Wiedervereinigung auf demokratischer Basis stattfinden.24 Die Gründe für diese Unterstützung sind vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zu verstehen. Aus Angst vor der Sowjetunion zielte die niederländische Regierung einerseits mit der Unterstützung der deutsch-deutschen Vereinigung auf die Stärkung des Westens. Der Westen sei der Sowjetunion gegenüber viel stärker mit einem in den Westen integrierten Gesamtdeutschland.25 Andererseits wollten die Niederländer durch die Unterstützung der deutsch-deutschen Vereinigung eine Schwächung des Westens verhindern. Ein in den Westen integriertes Gesamtdeutschland würde, so glaubte man, sich weniger schnell vom Westen abkehren.26 Außerdem schätzte Den Haag es als vernünftig ein, einen wichtigen deutschen Wunsch zu unterstützen, auch wenn es keine Vereinigung unter den beschriebenen Bedingungen geben würde. Die große Angst der Niederländer im Hintergrund war ein vereintes Deutschland unter dem Einfluss der Sowjetunion.27

Die niederländische Haltung zur Wiedervereinigung lässt sich unter anderem anhand offizieller niederländischer Reaktionen auf 1955 erschienene Artikel im ‚NRC Handelsblad’ illustrieren. Ein bezogen auf den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung kritischer Artikel hatte in Deutschland großes Aufsehen erregt.28 Das ‚NRC’ veröffentlichte als Reaktion auf diese deutschen Protestreaktionen erneut einen kritischen Artikel, der diesmal kritische Reaktionen des niederländischen Auswärtigen Amtes auslöste. Als problematisch wurde erstens vom Außenministerium die Aussage empfunden, der Westen fühle sich sicherer bei der deutschen Teilung. Zweitens war das Ministerium nicht mit der Äußerung einverstanden, der Westen würde gerne einen Modus Vivendi mit Moskau akzeptieren, oder die deutsche Teilung akzeptieren. Beide Aussagen wurden als „bepaald ongewenst en ook overbodig“29 eingestuft. Neben dieser Beurteilung der in dem Artikel veröffentlichten Meinungen hatte das Außenministerium noch weitere Probleme mit dem Artikel. Dies lässt 23 Wielenga 1999, 91 – 92 24 (Ebenda, 87) 25 (Ebenda, 88) 26 (Ebenda) 27 Wielenga 1994, 15 – 16 28 (Ebenda, 65)

(8)

sich aus einem Gespräch zwischen dem Ministerialdirektor H.F. Eschauzier und dem NRC-Cheftredakteur M. Rooy ableiten. Die Niederländer hatten Angst vor antiwestlichen Bewegungen in Westdeutschland.30

2.2.2. 1961 – 1989

Die niederländische Regierung hat während der letzten 28 Jahre der deutschen Teilung sowohl öffentlich als auch hinter den Kulissen den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung unterstützt. Im Vergleich zu den ersten 12 Jahren aber hatte sich diese Haltung zu einem Lippenbekenntnis entwickelt.31 Diese veränderte Haltung ist von der Zurückhaltung abzuleiten, mit der Den Haag den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung unterstützte.

Zwei Gründe hatten diese Zurückhaltung zur Folge. So strebte Den Haag nicht mehr der deutsch-deutschen Vereinigung nach, denn sie würde nicht dazu beitragen, dass Bonn fester in den Westen integriert ist. Die niederländische Regierung sah somit die deutsche Teilung nicht mehr als eine potentielle Bedrohung für die europäische Sicherheit.32 Zudem war die deutsch-deutsche Vereinigung für die die Niederlande nicht wünschenswert, denn aus niederländischer Perspektive funktionierte gerade die deutsche Teilung als Stabilitätsfaktor im Verhältnis zwischen dem Osten und Westen.33 Eine öffentliche Distanzierung als Alternative zu dem Lippenbekenntnis kam jedoch nicht in Frage. Dies stand erstens im Widerspruch zu dem Ausgangspunkt des nationalen Selbstbestimmungsrechtes. Zweitens wollten die Niederlande die Westbindung Westdeutschlands nicht in Gefahr bringen und eine öffentliche Distanzierung vom deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung wurde in diesem Zusammenhang als eine Gefahr betrachtet.34

Die niederländische Unterstützung der deutschen neuen Ostpolitik kann als Wendepunkt auf das Verhältnis der Niederländer zur deutsch-deutschen Vereinigung betrachtet werden. Die neue Ostpolitik bezieht sich auf die deutsche Ost- und Deutschlandpolitik während der Regierung Brandt in der Periode 1969 – 1972. Ihre Vorbereitung fing Anfang der sechziger Jahre an.35 Zentrale Punkte dieser Ost- und Deutschlandpolitik betrafen Annäherung an dem Osten und Normalisierung der Beziehungen

30 Wielenga stützt sich hierbei auf ein Telegramm, das der damalige Außenminister Luns dem niederländischen

Botschafter in Bonn Lamping geschickt hat. Sehe auch: Wielenga 1999, 66

31 Wielenga 1994, 19 32 Wielenga 1999, 170 – 171 33 (Ebenda)

34 (Ebenda)

(9)

zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den osteuropäischen Staaten. Die neue Ostpolitik Brandt führte unter anderem zu den wichtigen Ostverträgen36, mittels deren die Beziehung zu Russland und Polen definiert wird und außerdem der geographische Status quo festgeschrieben wird.

Die neue Ostpolitik führte im Endeffekt zu der Normalisierung zwischen Westdeutschland und den verschiedenen Staaten in Ost-Europa und führte damit zur Entspannung der europäischen Lage. Diese Politik hatte angesichts der innerdeutschen Verhältnisse die Anerkennung der DDR als zweiter deutscher Staat und damit der deutschen Teilung zur Folge. Die niederländische Unterstützung der neuen Ostpolitik bedeutete somit auch eine offizielle Anerkennung der deutschen Teilung und war somit der erste Schritt in Richtung des beschriebenen Lippenbekenntnisses bezüglich einer deutsch-deutschen Vereinigung.

Den Haag unterstützte also – neben einiger Skepsis am Anfang37 – die neue Ostpolitik. Wichtiger Grund für die Unterstützung war, dass die Einheit des Westens nicht von der neuen Ostpolitik gefährdet wurde.38 Anfangs hatte Den Haag wegen der deutschen Annäherungspolitik wohl Angst vor einer Schwächung der europäischen und transatlantischen Zusammenarbeit gehabt, die vor allem mit einem Misstrauen der Sowjetunion gegenüber zu verbinden wäre.39 Ein weiteres Argument bezieht sich daraf, dass über die neue Ostpolitik die ‘deutsche Frage’ zum Thema von praktischer und realistischer Politik wurde40 und die europäische Sicherheit und Stabilität so nicht geschadet werden könnte. Neben den beiden erwähnten Gründen stimmte die niederländische Regierung außerdem die moralischen Aspekte der neuen Ostpolitik zu, wie zum Beispiel einen neuen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.41 Illustrativ für die neue Phase ist unter anderem der Kniefall Brandts am Denkmal für die Opfer des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Der damalige Bundeskanzler gedachte im Dezember 1970 nicht nur der Opfer, er bat vor allem auch die Polen um Verzeihung.

Die niederländische Zurückhaltung angesichts der deutsch-deutschen Vereinigung fing also da an, wo Den Haag die neue Ostpolitik unterstützte. Diese Position der niederländischen Regierung in einer späteren Phase lässt sich unter anderem anhand von dem offiziellen

36 Lehmann 2002, 243. Die Ostverträge treten am 3. Juni 1972 in Kraft. Es handelt sich um den Moskauer

Vertrag vom 12. August 1970, den Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 und das Viermächte-Berlin-Abkommen vom 3. September 1971.

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Standpunkt des Auswärtigen Amtes 1984 illustrieren. Das Amt erläuterte im Juli 1984 seine Haltung zur deutsch-deutschen Vereinigung, nachdem die mit der FDP verbündeten ‚Friedrich-Naumann-Stiftung’ darum gebeten hatte. Es wurde nicht direkt auf die deutsch-deutsche Vereinigung eingegangen, sondern es wurde von jedem Volk und von verschiedenen europäischen Bevölkerungen gesprochen. Ausgangspunkt bezüglich der Vereinigung sei die Unterstützung des Selbstbestimmungsrechtes jedes Volkes. Auch sollte die Anerkennung der Vielfalt verschiedener politischer Systeme nicht dazu führen, dass damit die Trennung europäischer Bevölkerungen akzeptiert wird.42

2.3. Die deutsch-deutsche Vereinigung aus westdeutscher Regierungsperspektive 2.3.1. 1949 – 1963

Die deutsche Einheit war wichtiges Thema und erklärtes konkretes Ziel der westdeutschen Regierungen. Bereits im Grundgesetz vom 24. Mai 1949 wurde dies festgeschrieben und im nachhinein von den verschiedenen Bundesregierungen bekräftigt.43 In der Präambel des Gesetzes galt die deutsche Einheit44 neben Freiheit als wichtiges Ziel: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“45 Die Regierung Adenauers ging mit diesem Ziel vor Augen von der Westintegration als Strategie aus.46 Die anderen Ziele der Westbindung waren Frieden und Sicherheit, Wiederaufbau und Wohlstand, Gleichberechtigung und Wiedererlangung der Souveränität.47

Die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR war unter anderem von einer größeren außenpolitischen Handlungsfreiheit der beiden deutschen Staaten abhängig. Der Kalte Krieg bestimmte für die Regierung Adenauer und die anderen westdeutschen Regierungen bis 1989 die außenpolitischen Möglichkeiten.48 Die Westintegration Adenauers hatte im Hinblick auf die deutsche Einheit zunächst dann auch das Ziel, das Vertrauen der westlichen Verbündeten zu gewinnen.49 Nach Adenauer konnte Westdeutschland sich es so in den außenpolitischen Beziehungen zu der DDR leisten, die deutsch-deutsche Vereinigung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Bundesregierung Adenauers vertrat zudem die Auffassung, dass die

42 Wielenga 1999, 167

43 Korte und Weidenfeld 1999, 194

44 Im Grundgesetz wurde von einer Wiederherstellung der deutschen Einheit und damit von der

Wiedervereinigung ausgegangen.

45 Präambel des westdeutschen Grundgesetzes; zitiert nach Korte und Weidenfeld 1999, 1994 46 Glaab 1999, 240; Paulsen 1999, 30; Korte und Weidenfeld 1999, 194 – 195

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Westbindung eine solche Deutschland- und Außenpolitik dem Osten gegenüber ermöglichen würde, die sich positiv auf das Ziel der deutschen Einheit auswirken würde. Mittels der Westintegration würde der Westen gestärkt und so könnte dem Ostblock gegenüber eine „Politik der Stärke“50 verfolgt werden. Manuela Glaab beschreibt die Idee hinter dieser Politik angesichts der deutsch-deutschen Vereinigung folgendermaßen: „Nur ein starker, integrierter Westen könne mit der Sowjetunion in Verhandlungen treten und Druck ausüben, um so Zugeständnisse in der Vereinigungsfrage zu erlangen.“51

Die Resultate der beschriebenen Strategien zeigen sich in der westdeutschen Außenpolitik dem Westen und Osten gegenüber. So schloss sich die Bundesrepublik Deutschland allmählich dem Westen an, indem sie verschiedenen westlichen Institutionen beitrat. Auch wurde die Bundesrepublik am 8. Juli 1950 Mitglied des Europarates. Weiter trat sie am 9. Mai 1955 der Nato bei. Auch unterzeichnete die Regierung Adenauer die Römischen Verträge am 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Indem die Bundesrepublik sich über diese Politik in der westlichen Wertegemeinschaft verankerte, konnte Bonn allmählich das Vertrauen der westlichen Verbündeten gewinnen.52

Die Deutschlandpolitik der ersten Jahre nach 1949 hingegen bestand aus strikter Nichtanerkennung und Abgrenzung gegenüber der DDR. Dies führte zu der westdeutschen Zurückweisung sämtlicher ostdeutscher und auch sowjetischer Verhandlungsangebote und Vorschläge.53 Die Bundesrepublik ging von einem Alleinvertretungsanspruch Deutschlands aus. Dies lässt sich unter anderem anhand der Hallstein-Doktrin illustrieren, die 1955 in Kraft getreten war. Westdeutschland drohte den Abbruch der Beziehungen zu anderen Staaten, falls diese Länder diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen würden.54

2.3.2. 1963 – 1982

Das Ziel der deutschen Einheit blieb fester Bestandteil des Grundgesetzes. Auch die Bundesregierungen unter Erhard, Kiesinger, Brandt und Schmidt bekannten sich zu diesem Ziel in der Außenpolitik.55 Diese Regierungen verfolgten das Primat der Westbindung konsequent weiter. Allerdings wurde diese Strategie um das Prinzip der Ostverbindung

50 Paulsen 1999, 30; Korte und Weidenfeld 1999, 195 51 Glaab 1999, 240

52 Paulsen 1999, 31

53 Glaab 1999, 240: Wie zum Beispiel die Bildung eines Gesamtdeutschen Rats, Friedensvertrags-verhandlungen

und die Forderung einer ‚Freien’ Stadt Berlin.

(12)

erweitert.56 Sie wurde vor dem Hintergrund der internationalen Entspannung und der Westbindung der Bundesrepublik Deutschland möglich.57

Die Annäherung an dem Ostblock scheint eine logische Schlussfolgerung aus der vorangehenden Periode zu sein. Adenauers Strategie der Abgrenzung gegenüber dem Ostblock hatte keine Zugeständnisse in der Vereinigungsfrage zur Folge. Im Gegensatz dazu wurde die Vereinigung beider deutschen Staaten immer unrealistischer, vor allem nachdem 1961 die Mauer gebaut worden war. Wichtiger Vertreter der Ostannäherung war Egon Bahr, der am 15. Juli 1963 das Konzept vom ‚Wandel durch Annäherung’ formulierte.58 Das Konzept wurde später Ausgangspunkt der Ost- und Deutschlandpolitik aller westdeutschen Regierungen. Zentrale Idee hinter dem Konzept war „die Überwindung des Status Quo, indem der Status Quo zunächst nicht verändert werden soll“59. Auf diese Weise könnte eine Öffnung zum Osten hin verwirklicht werden, die neben positiven Entwicklungen angesichts der deutschen Einheit auch eine Verbesserung der sicherheitspolitischen Position der Bundesrepublik als östlichster Staat der westlichen Allianz ermöglichen würde.60

Die Öffnung zum Ostblock erfolgte zunächst über die Herstellung verschiedener Kontakte der bereits in den Westen integrierten Bundesrepublik Deutschland zu osteuropäischen Länder außer der Sowjetunion und der DDR. Diese Öffnung fängt mit der ‚Politik der Bewegung’ ab 1963 vom Außenminister Schröder an. So wurden 1963 Handelsvertretungen in Warschau, Bukarest und Budapest sowie 1964 in Sofia errichtet.61 Die große Koalition unter Kanzler Kiesinger und Außenminister Brandt bezog dann auch die Sowjetunion und die DDR ein, wie sich aus der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 herausstellt.62 Neben diesen ersten Annäherungsschritten erkannte Westdeutschland auch allmählich die DDR an. So gab Bonn die Hallstein-Doktrin im Prinzip auf, indem die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien63 aufnahm.64

Die von der Regierung Brandt vertretene Strategie der Ostbindung lässt sich unter anderem anhand des am 21. Dezember 1972 unterzeichneten und am 21. Juni 1973 in Kraft getretenen Grundlagenvertrages illustrieren.65 Der Grundlagenvertrag mit der DDR regelte die 56 Glaab 1999, 243 – 247 57 (Ebenda) 58 (Ebenda) 59 (Ebenda) 60 Paulsen 1999, 31 61 Glaab 1999, 243 62 (Ebenda)

63 Jugoslawien pflegte diplomatische Kontakte zu der DDR. 64 Glaab 1999, 243

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Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten. Bonn erkannte die DDR als Ausland an und so zielte die Bundesrepublik unter anderem auf eine Normalisierung der innerdeutschen Beziehungen.66 Mittels des Grundlagenvertrags wurde definitiv der von Adenauer vertretene Alleinvertretungsanspruch aufgegeben. Mehrere Autoren67 interpretieren diesen Vertrag als Zäsur im Hinblick auf die Strategien, die die deutsch-deutsche Vereinigung zum Ziel hatten.

2.3.3.1982 – 1989

Die Regierung Kohl bekannte sich wie die vorhergehenden Nachkriegsregierungen zum Ziel der Einheit68, wie sich unter anderem aus den jährlich abgegebenen Berichten der Bundesregierung zur Lage der Nation folgern lässt.69 Kohl und seine Minister folgten ihren Vorgänger, indem sie sowohl auf die Westintegration als auf die Ostverbindung setzten.70 Der Akzent verschob wohl leicht bei beiden Strategien. So zielte der Helmut Kohl neben der Integration verschiedener internationaler Institutionen auf eine westeuropäische Einigung.71 Weiter wurde im Verhältnis zur DDR vom Prinzip des Wandels durch Annäherung ausgegangen. Dabei wurde wohl stärker der normative Kern des Dissenses zum Nachbarstaat hervorgehoben72, indem die Bundesrepublik Deutschland die Freiheit im eigenen Lande und die Unfreiheit in der DDR betonte. Auch verwies die Bonner Regierung in der Öffentlichkeit auf die Realisierung der Menschenrechte im Westen und auf die fehlende Durchsetzung der Menschenrechte in der DDR. Diese Betonung des Dissenses zum Nachbarstaat ermöglichte es Westdeutschland, die Weiterentwicklung der Vertragspolitik mit der DDR, sowie vertrauensbildende Maßnahmen und damit insgesamt die Strategie des Wandels durch Annäherung den westdeutschen Wählern gegenüber zu verantworten und so zu realisieren.73

Die Westbindung und Ostverbindung brachten Kohl am Anfang seiner Amtsperiode in ein Dilemma. Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den Blöcken musste er sich bei der Stationierungsfrage des NATO-Doppelbeschlusses zwischen dem Westen oder dem Osten entscheiden. Kohl entschied sich für bündnispolitische Solidarität mit dem Westen, wobei dies allerdings für das Verhältnis Bonns zur DDR keine negativen Folgen

66 Bingen 1999, 601

67 Glaab 1999, 245; Korte und Weidenfeld 1999, 196 68 Paulsen 1999, 30

69 Korte und Weidenfeld 1999, 194 70 Glaab 1999, 247

71 Korte und Weidenfeld 1999, 196; Glaab 1999, 247: Beide Verfasser gehen nicht auf Gründe für dieses Ziel

ein, das als bedingender Teilschritt für die deutsche Wiedervereinigung gesehen wurde. Hier sind mehrere Gründe denkbar, wie die Stärkung des Bandes mit den westeuropäischen Verbündeten und damit die Formierung einer geschlossenen Gruppe der Sowjetunion gegenüber.

72 Glaab 1999, 247

(14)

hatte.74 Insgesamt charakterisiert die Deutschlandpolitik Kohls eine Intensivierung der innerdeutschen Kontakte. Zentrale Themen bei diesen Verhandlungen waren unter anderem die Todesautomaten an der deutsch-deutschen Grenze und die Verbesserung des Reiseverkehrs. Mithilfe von westdeutschen Bankkrediten75 konnten im Hinblick auf diese Verhandlungspunkte Anfang der 80er Jahre Erfolge erzielt werden. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre wurde zudem die erste Städtepartnerschaft vereinbart, ein Kulturabkommen unterzeichnet und kam es bis 1987 zu einer erheblichen Ausweitung des Reise- und Besucherverkehrs von Ost nach West.76

2.4. Vorläufige Schlussfolgerungen

Die deutsch-deutsche Vereinigung war also wichtiger Teil der ‚deutschen Frage’. Die niederländischen Regierungen haben, während der deutschen Teilung bis zum Mauerfall, den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung offiziell und auch hinter den Kulissen unterstützt. Wichtigste Veränderung im Hinblick auf diese Position war das Interesse Den Haags an einer deutschen Wiedervereinigung. So betrachteten die Niederländer die Vereinigung von DDR und der Bundesrepublik Deutschland in der Periode 1949 – 1961 als eine positive künftige Entwicklung. In der darauf folgenden Periode aber verschwanden für die niederländischen Regierungen die Vorteile der Vereinigung und wurde gerade die deutsche Teilung positiv gesehen. Die niederländische offizielle Haltung zur Wiedervereinigung während der späteren Periode der deutschen Teilung kann demnach als Lippenbekenntnis gesehen werden. Den Haag hielt während der Existenz zwei deutscher Staaten Interesse an der Unterstützung eines wichtigen deutschen Wunsches, in diesem Falle an dem Wunsch nach Wiedervereinigung.

Alle westdeutschen Bundesregierungen haben die deutsch-deutsche Vereinigung positiv bewertet. Sie haben sich zum Ziel der Einheit bekannt, das in der Präambel des Grundgesetzes festgeschrieben war. Die Westbindung bildete eine Konstante bei den Strategien, die zu dem Zusammenschluss von Bundesrepublik und DDR führen mussten. Unter Adenauer gliederte sich die Bundesrepublik allmählich in westeuropäische und transatlantische Bündnisse ein. Helmut Kohl erweiterte die Westintegration, indem er zudem die europäische Einigung zu den Zielen der Bundesrepublik erklärte. Verändert hat sich die westdeutsche Haltung zur DDR und zum Osten Europas. Adenauers „Politik der Stärke“ 77

74 Glaab 1999, 248

75 Wie zum Beispiel der Bankenkredit in Höhe von 950 Mio. DM. im Juli 1984, den die Bundesregierung

garantierte.

76 Glaab 1999, 248 – 249

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führte zu einer strikten Nicht-Anerkennung der DDR und einer Abgrenzung gegenüber dem Ostblock. Nach dem Bau der Mauer wurde unter den Regierungen Erhard und Kiesinger allmählich eine Öffnung zum Osten hin befürwortet. Die Bundesrepublik Deutschland unter Bundeskanzler Brandt näherte sich dann vor dem Hintergrund des Prinzips „Wandel durch Annäherung“78 allmählich dem Osten Europas – inklusive der DDR – an. Die Regierung Kohl schließlich intensivierte die innerdeutschen Kontakte.

3. Theoretischer Rahmen der Analyse

3.1. Theoretischer Ansatz der historischen Diskursanalyse

Die historische Diskursanalyse ermöglicht es, eine Zeitung vor dem Hintergrund von Wirklichkeitswahrnehmung und damit auch von Wirklichkeitsdeutung zu analysieren. Auf diese Weise lässt sich – neben einer Inhaltsanalyse – ableiten, wie die Inhalte der Artikel Einfluss auf das Wissen einzelner Menschen über die soziale Welt ausüben.

3.1.1. Untersuchungsgegenstand und Ziele

In der Forschungsliteratur ist ausführlich versucht worden, den ‚Diskurs’ zu definieren. Relevanz für diese Masterarbeit haben die Definitionen von Achim Landwehr und Sara Mills, bei denen von Foucault ausgegangen worden ist. Landwehr stellt sich den Sachverhalt wie folgt dar:„Es ist der Diskurs, der die Möglichkeiten von Aussagen zu einem bestimmten Gegenstand [oder Thema] regelt, der das Sagbare und Denkbare organisiert.“79 Für Mills ist ein ‚Diskurs’ „[...]eine Menge von sanktionierten Aussagen, denen eine bestimmte institutionelle Kraft innewohnt, was wiederum bedeutet, dass sie einen nachhaltigen Einfluss auf das Denken und Handeln von Individuen haben.“ 80 Aus beiden Zitaten lässt sich folgern, dass der ‘Diskurs’ aus Aussagen besteht. Eine Gruppe von Aussagen hat zwei zentrale Wirkungen. Erstens kreiert sie Wirklichkeitswahrnehmungen im Hinblick auf Themen. Zweitens bestimmt der ‚Diskurs’, wie Menschen sich zu diesen Themen verhalten.

Sowohl Landwehr als auch Mills gehen also von zwei zentralen Thesen aus. Landwehr definiert die Konstruktion der Wirklichkeit, indem er von einer „[…]sozialen Konstruktion der Wirklichkeit[…]“81 ausgeht. Der Autor ist der Auffassung, dass, wenn es um die soziale

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Welt geht, die Wörter die Wahrnehmung der Dinge schaffen.82 Als Beispiel wird unter anderem der Ausdruck ‚Familie’ behandelt. Diesen Begriff versteht Landwehr als „Ordnungswort, […] eine Kategorie, ein kollektives Konstruktionsprinzip der kollektiven Realität.“83 Für die Menschen gibt es nur dann so etwas wie ‚Familie’, wenn zuvor das Phänomen des Familiërenverhaltens mit einem Namen belegt worden ist und diese Bezeichnung allgemein akzeptiert worden ist.

Macht spielt eine zentrale Rolle bei dieser Wahrnehmung und Deutung von Wirklichkeit. Machtsbeziehungen bestimmen, was als wahr und als falsch verstanden wird. Die starke Position in diesen Herrschaftsbeziehungen haben diejenigen, die „[…] qua institutioneller oder gesellschaftlicher Position und Autorität auch allgemein anerkannt werden […]“84. Weniger Macht haben diejenigen „[…] mit besonderen Sichtweisen und partikularen Standpunkten ohne Rückendeckung85 welcher Art […]“86.Foucault und Bourdieu gehen davon aus, dass vor allem Institutionen – wie zum Beispiel Zeitungen – das Wissen einzelner Menschen über die soziale Welt bestimmen.Sie haben eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion und damit auch Deutung von Wirklichkeit. 87

Bestimmte Sichtweisen und damit Wirklichkeiten werden also ausgeschlossen.88 Die DDR änderte zum Beispiel ihre Lesart bezüglich der deutschen Nation, wobei im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, was und damit wer zu der deutschen Nation gehörte. Diese Nation bezog sich für Ostberlin während der Anfangsphase der Teilung auf sowohl die DDR als auch auf die Bundesrepublik und damit stimmte das ostdeutsche Deutungsmuster mit der westdeutschen überein. Die Grundposition der DDR zur deutschen Nation änderte sich dadurch, dass der Begriff sich in der zweiten hälfte der innerdeutschen Teilung nur noch auf Ostdeutschland bezog. Westdeutschland als Bestandteil der deutschen Nation wurde demnach ausgeschlossen.89

Sowohl Landwehr als auch Mills sehen im Endeffekt ein aufklärerisches Ideal als Ziel der historischen Diskursanalyse. Mittels der Analyse von Aussagen zu Themen lässt sich

82 Mills 1997, 55 – 56: Landwehr basiert sich hier auf Foucault. Mills reagiert auf die Kritik, die Foucault wegen

dieser Annahme bekommen hat. Die Kritik bestand darin, dass Foucault von der Annahme ausging, es würde nichts Nicht-Diskursives oder außerhalb des Diskurses Befindliches geben. Mills sagt dazu, dass die Menschen die Realität durch Diskurse hindurch wahrnehmen. Oder einfacher gesagt: es kann Dinge in der Welt geben, ohne dass die Menschen diese Dinge mit Wörtern bezeichnet haben.

83 Landwehr 2001, 93

84 Bourdieu 1986/1987, 817; zitiert nach: Landwehr 2001, 97

85 Hier handelt es sich um Rückendeckung mit Hinblick auf gesellschaftliche Position und Autorität. 86 Bourdieu 1995, 23; zitiert nach: Landwehr 2001, 97

87 Landwehr 2001, 91 88 Mills 1997, 12

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ableiten, wie Wissen und Wirklichkeit konstruiert und produziert wird.90 Dieses Wissen bezieht sich auf die Welt und auf die Menschen selbst.91 Wenn soziale Akteure sich bewusst werden, wie versucht wird, sie von welchen Vorstellungen über die soziale Welt zu überzeugen, bekommen die sozialen Akteure Möglichkeiten der reflektierenden Distanz. So wird das Infragestellen von sogenanntem Wissen und sogenannter Wahrheit ermöglicht. Zudem rücken auf diese Weise Handlungsmöglichkeiten und Alternativen in den Vordergrund92, die Mills als „andere und vielleicht befreiendere Existenzformen“ 93 beschreibt.

3.1.2. Abgeleitete Fragestellung

Nachdem die zentralen Ideen hinter der historischen Diskursanalyse skizziert worden sind, soll die zentrale Fragestellung aufs neue formuliert werden: Wie versuchen ‚NRC Handelsblad’ und ‚Süddeutsche Zeitung’ (über Sprache) ihre Leser von welchen Vorstellungen zur deutsch-deutschen Vereinigung zu überzeugen (Zeitraum 10. November 1989 bis zum 9. Dezember 1989)?

3.2. ‚Schlussregeln’ als Analyseelement

Zeitungen – als gesellschaftliche Institutionen – versuchen also über Sprache Einfluss auf die sozialen Wirklichkeitskonstruktionen der Leser aus zu üben. Eine Analyse anhand der ‚Schlussregeln’94 (oder Topoi) kann zu dem Verständnis beitragen, wie Zeitungen Einfluss versuchen aus zu üben. Über Argumentation wird versucht den Leser von der Meinung des Autors zu überzeugen und damit die soziale Wirklichkeit des Autors zu beeinflussen. Inwieweit dies gelingt hängt in großem Maße von der Plausibilität der angewandten ‚Schlussregeln’ ab.95 Es soll dabei nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit sein, die Plausibilität der vorgefundenen ‚Topoi’ zu bewerten und damit die Frage zu beantworten, inwieweit die Argumentation gelungen ist. Ziel der Artikelanalyse ist es statt dessen zu sezieren, wie Autoren im Hinblick auf das Thema ‚deutsch-deutsche Vereinigung’ überzeugende Argumentationen aufzubauen versuchen. Zunächst soll näher erläutert werden, was eine ‚Schlussregel’ ist. Dann werden die verschiedenen Arten von ‚Schlussregeln’ vorgestellt, die bei der Analyse der Artikel eine Rolle spielen können.

90 Landwehr 2001, 172 91 Mills 1997, 16 92 Landwehr 2001, 172 93 Mills 1997, 16

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Eine ‚Schlussregel’ (SR) umfasst die Relation zwischen einem Argument (A) und einer ‚strittigen Aussage’ (SA) beziehungsweise Konklusion (K). Ein Beispiel: SA: Der Kaiser ist

nackt. A: Der Kaiser trägt keine Kleider. SR: Menschen, die keine Kleider tragen, sind nackt. K: Also ist der Kaiser nackt.96 Ausgangspunkt ist hier, dass eine Person A eine Person B von der Nacktheit des Kaisers überzeugen möchte. A hat also die Absicht, die ‚strittige Aussage’ für B in eine Konklusion umzuwandeln. A benutzt dazu das Argument, der Kaiser würde keine Kleider tragen. Ob B von der ‚strittigen Aussage’ überzeugt werden kann, hängt unter anderem von der Plausibilität der Verbindung zwischen Argument und Konklusion – ‚Schlussregel’ – ab. Im gewählten Beispiel erscheint die Relation plausibel und demnach wirkt die Argumentation überzeugend. Weniger oder nicht überzeugend wäre zum Beispiel das Argument, der Kaiser trägt einen Hut. Wenn jemand einen Hut trägt, braucht er nicht nackt zu sein, denn das Tragen eines Hutes schließt nicht aus, dass die Person Kleidung trägt.

Im Folgenden haben drei Arten von Beziehungen zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ (beziehungsweise Konklusion) Relevanz. Die erste ‚Schlussregel’ ist der ‚Topos aus Grund und Folge’. Zwischen den Bestandteilen dieses Topos liegt ein kausales Verhältnis vor. Das Argument kann sich auf eine Intention (oder Handlungsziel) und die ‚strittige Aussage’ kann sich auf eine Handlung beziehen. Es gibt dabei zwei relevante Varianten oder Schlussschemata. Die erste Variante umfasst die Prognose, dass, wenn eine Person ein Intention nur durch bestimmte Handlungen erreichen kann, sie diese Handlungen auch ausführen wird: „Wenn ein Politiker seine politischen Vorstellungen nur als Mitglied des Bundestages realisieren kann, dann wird er sich darum bemühen, als Parlamentarier in den Bundestag einzuziehen.“97 Bei dem zweiten Schlussschema handelt es sich um die Erklärung, dass, wenn eine Person eine bestimmte Handlung ausführt, sie dafür vermutlich ein bestimmtes Handlungsziel hat: „Wenn ein Kommunalpolitiker konkrete Pläne zur Vermeidung umweltschädlicher Produkte entwickelt, dann will er den Umweltschutz in seinem Wahlkreis praktisch verwirklichen.“98

Das Argument kann sich beim ‚Topos aus Grund und Folge’ auch auf eine Handlung und die ‚strittige Aussage’ kann sich auf eine entsprechende Folge beziehen. Es gibt dabei ein relevantes Schlussschemata. Diese Variante umfasst die Prognose, dass, wenn eine bestimmte Handlung vollzogen wird, entsprechende Folgen auftreten werden: „Wenn Frau Frank

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arbeitslos wird, dann wird der Lebensstandard ihrer Familie sinken.“99 Hier ist auch die Negation gültig: „Wenn Frau Frank keine Arbeit findet, wird sich ihre finanzielle Situation nicht bessern.“ 100

Die zweite ‚Schlussregel’ betrifft den ‚Topos aus dem Beispiel’. Diese Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ besteht aus Exempeln, auf deren Basis die Konklusion erfolgt.101 Das illustrative Beispiel hat als eine der beiden Arten von Beispielen102 Relevanz für diese Arbeit. Seine Funktion besteht darin, „[…] Argumente (nachträglich) noch zu erhärten oder zu bekräftigen beziehungsweise die vorgebrachten Argumente anschaulich zu machen.“103 Ein Beispiel:

Wenn Autos generell unsere Umwelt belasten – durch den Motor gelangen Abgase in die Umwelt, Altöl ist schwierig zu entsorgen, das Recycling-Problem ist noch nicht gelöst –, dann sollte das vorrangige Ziel einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik darin bestehen, verkehrstechnische Alternativen zum Auto zu entwickeln oder zu fördern.104

Hier wird versucht, eine Person von der ‚strittigen Aussage’ zu überzeugen, das vorrangige Ziel einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik sollte darin bestehen, verkehrstechnische Alternativen zum Auto zu entwickeln oder zu fördern. Zur Untermauerung der Sichtweise wird das Argument vorgestellt, Autos würden generell die Umwelt belasten. Das Argument wird bekräftigt, indem auf konkrete Beispiele eingegangen wird, wie die Entsorgung von Altöl oder das Recycling-Problem.

Die letzte hier relevante ‚Schlussregel’ ist der ‚Topos aus der Person’. Bei dem Topos steht die Kausalrelation im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei können sich sowohl Argument als auch ‚strittiger Aussage’ auf Eigenschaften, Verhaltens- und Handlungsweisen einer Person oder einer Gruppe von Personen beziehen. Das Argument wird also direkt aus der Person abgeleitet. Es kann sich zum Beispiel bei Eigenschaften einer Person auf das äußere Erscheinungsbild, die inneren Eigenschaften, die Herkunft, den Lebenslauf oder die Geschlechtszugehörigkeit beziehen.105 Im folgenden Beispiel wird versucht, eine Kausalrelation zwischen der Charaktereigenschaft einer Person und den Handlungen dieser

99 Ottmers 1996, 96 100 (Ebenda)

101 Landwehr 2002, 120

102 Die andere Art von Beispielen betrifft das induktive Beispiel. Sehe: Ottmers 1996, 82 – 84 103 (Ebenda )

104 (Ebenda )

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Person herzustellen: „Wenn [François] ein jähzorniger Mensch ist, dann ist ihm auch eine Straftat im Affekt zuzutrauen.“106

4. Argumentationen im ‚NRC Handelsblad’ und in der ‚Süddeutsche Zeitung’ 4.1. Die deutsch-deutsche Vereinigung im ‚NRC Handelsblad’

Von welchen Vorstellungen zur deutsch-deutschen Vereinigung versucht das ‚NRC Handelsblad’ seine Leser zu überzeugen (Zeitraum 10. November 1989 bis zum 9. Dezember 1989)? Die Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. So lässt sich die Argumentation genauer beschreiben. Die Beantwortung dieser Analysefrage basiert auf Artikeln aus der Rubrik ‚Opinie’. Hier können sowohl Redakteure als auch Leser des ‚NRC Handelsblad’ ihre Meinung zu politischen Fragen artikulieren und Kommentare abgeben.

Zunächst sollen die Deutungsmuster angesichts der Frage behandelt werden, als wie wahrscheinlich die deutsch-deutsche Vereinigung angesehen wird. Dann wird auf die Frage eingegangen, ob die Vereinigung der beiden deutschen Staaten nur eine Angelegenheit der Deutschen ist. Das Thema, ob es die deutsch-deutsche Vereinigung beziehungsweise Wiedervereinigung geben sollte, schließt dann diesen Paragraphen ab.

4.1.1. Die deutsch-Deutsche Vereinigung?

Dreizehn der einundzwanzig analysierten Artikel gehen auf die Frage ein, als wie wahrscheinlich die deutsch-deutsche Vereinigung angesehen wird. Neun der dreizehn Artikel vertreten die Auffassung, ein vereintes Deutschland sei zu erwarten. Insgesamt lassen sich fünf Argumente zur Untermauerung dieser Sichtweise feststellen.

Martin van Gelderen stellt ein Argument vor, das mit der wirtschaftlichen Vereinigung zu tun hat:

[..] om de rest van Europa voor een voldongen feit te plaatsen. De Duitse eenwording is economisch al volop in gang. De Oostduitse beslissing om de grenzen te openen, maakt het land meer dan ooit economisch afhankelijk van de Bondsrepubliek. Er dreigt een totale leegverkoop van het land in de winkels van West-Berlijn. En het is niet voor niets al jaren mogelijk om verkeersboetes op de Oostduitse transit-route met Westduitse marken te betalen.107

Es würde also die wirtschaftliche Vereinigung der beiden deutschen geben. Diese Aussage unterstützt das Deutungsmuster, dass es die deutsch-deutsche Vereinigung geben wird. Die

106 Ottmers 1996, 115 – 117

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Logik bei dieser Argumentation lässt sich über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ beschreiben. Dabei liegt in diesem Falle ein kausales Verhältnis zwischen Handlung und entsprechender Folge vor.108 Van Gelderen behauptet, dass, wenn es die wirtschaftliche Vereinigung zweier Gebiete gibt, es im Endeffekt zu der Vereinigung auf allen Gebieten führen wird. Der Autor begründet zudem, wieso es zu der wirtschaftlichen Vereinigung kommen wird. Wie er zu diesem Schluss gelangt, lässt sich über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ erläutern. Wenn die DDR sich dazu entscheidet, die Grenzen zu öffnen, dann wird sie wirtschaftlich abhängig von der Bundesrepublik Deutschland. Demnach behauptet der Autor, dass, wenn zwei Länder wirtschaftlich voneinander abhängig sind, die beiden Staaten sich wirtschaftlich vereinigen werden.

Ein weiteres Argument bezieht sich auf eine Handlung der Ost- und Westdeutschen. J.L. Heldring formuliert dies folgendermaßen:

Zo waren het de massa’s in Oost-Berlijn, Dresden en Leipzig die Honecker en de zijnen dwongen tot heengaan en hun opvolgers tot het slechten van de muur tussen Oost- en West-Duitsland. […] Maar het resultaat is toch maar een miljoenvoudige vereniging van Duitsers uit Oost en West, een massale manifestatie van nationaal saamhorigheidsgevoel. Zoiets kan […] niet zonder staatkundige gevolgen blijven.109 Hieraus lässt sich ableiten, dass die Bürger der beiden Deutschen Staaten sich vereinigt haben. Die Verbindung dieses Arguments zu der Erwartung Heldrings – es wird die deutsch-deutsche Vereinigung geben – lässt sich auch über eine Variante des ‘Topos aus Grund und Folge’ erläutern. Der Autor behauptet, dass wenn große Gruppen der Ost- und Westdeutschen sich vereinigt haben, dies staatliche Folgen – die Vereinigung – haben wird. Hier ist außerdem interessant, wieso nach Heldring die Bürger sich vereinigt haben. Dies lässt sich über das Schema des ‘Topos aus der Person’ beschreiben. Diese Variante geht von einer Kausalrelation zwischen Eigenschaften und Handlungen aus. Die Eigenschaft besteht darin, dass die Bürger der DDR und der Bundesrepublik ihrer Meinung nach zusammen gehören. Heldring leitet diese Eigenschaft von der Handlung ab, dass die Bürger sich nach dem Mauerfall vereinigt haben. Wenn also die Bürger zwei verschiedener Länder sich nach Aufhebung der Grenze herzlich begrüßen oder ‚vereinigen’, dann gehören sie ihrer Meinung nach zusammen.

108 Dieses ‘Schlussschema’ steht in der vorliegenden Arbeit beim ‘Topos aus Grund und Folge’ im Zentrum der

Aufmerksamkeit. Wenn auf den nächsten Seiten keine weiteren Einzelheiten im Hinblick auf das ‘Schlussschema’ des ‘Topos aus Grund und Folge’ gegeben werden, dann handelt es sich um die Kausalverbindung zwischen Handlung und entsprechender Folge.

(22)

Ein drittes Argument zur Bekräftigung der Sichtweise, es wird zu der deutsch-deutschen Vereinigung kommen, bezieht sich auf die inneren Eigenschaften der Ost- und Westdeutschen. Redakteur J.L. Heldring110 stellt dazu Folgendes fest: „Welnu, wanneer twee delen van één volk niet langer gescheiden zijn, zal de staatkundige eenheid niet lang op zich laten wachten […]“111. Die Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ lässt sich mittels einer Variante des ‘Topos aus der Person’ erklären. Dabei ist die Rede von einem kausalen Verhältnis zwischen der Eigenschaft der Ost- und Westdeutschen und deren Handlung. Heldring geht davon aus, dass die Bürger der beiden deutschen Staaten ihrer Meinung nach zu demselben Volk gehören. Sie würden sich – nachdem die Trennung mittels des Mauerfalls aufgehoben worden ist – dann auch vereinigen.

Das vierte Argument stellt eine Handlung der DDR-Bürger im Zentrum der Aufmerksamkeit, die von J.L. Heldring112 wie folgt dargestellt wird:

Terzijde: heeft u overigens gezien hoe op de grote demonstratie te Leipzig, maandagavond, spandoeken de hereniging van Duitsland eisten en dat sprekers die hetzelfde eisten, luid toegejuicht werden, terwijl een spreker van Neues Forum, die zich tegen hereniging uitsprak, zwijgend aangehoord, ja zelfs hier en daar uitgefloten werd?113

Der Autor ist der Meinung, dass die DDR-Bürger die Vereinigung der beiden deutschen Staaten anstreben. Die Logik bei dieser Argumentation lässt sich über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ bestimmen. Wenn also die DDR-Bürger die deutsche ‚Wiedervereinigung’ anstreben, dann werden die deutschen Staaten sich folglich vereinigen.

Das fünfte und letzte Argument hat mit der Haltung Moskaus zur deutsch-deutschen Vereinigung zu tun. Ein Redakteur behauptet: „Het verzet van Moskou dat er nu nog is tegen het ene Duitsland zal in dezelfde mate afnemen als de economische banden sterker worden.”114 Der Autor behauptet, dass die Sowjetunion nach einer bestimmten Zeit die deutsch-deutsche Vereinigung nicht mehr aufhalten wird. Die Argumentation bezüglich der ‚strittigen Aussage’ – es wird die deutsch-deutsche Vereinigung geben –, lässt sich ebenfalls anhand des Schemas vom ‘Topos aus Grund und Folge’ erläutern. Wenn Moskau die Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht mehr aufhalten wird, dann steht die

110 W.H. Roobol benutzt in seinem Artikel „Het wordt tijd goed Duits te leren” auch das beschriebene Argument.

(07.12.1989)

111 Heldring 11.11.1989, 9. „Duitse Volk is al verenigd.“

112 Dieses Argument wird außerdem von einem Redakteur in seinem Artikel „Duitse eenheid binnen Europese

integratie“ (29.11.1989) und von J.L. Heldring in seinem Artikel „Nummer één op de agenda“ (01.12.1989) benutzt.

113 Heldring 24.11.1989, 9. „Democratie heeft haar prijs“

(23)

deutsche Vereinigung nichts mehr im Wege. Als Argument für die neue Haltung der Sowjetunion schildert der Redakteur die Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehugen115.

In vier der dreizehn Artikel, die sich mit der Wahrscheinlichkeit der deutsch-deutschen Vereinigung beschäftigen, wird die Meinung geäußert, es wird (wahrscheinlich) nicht zu einem vereinigten Deutschland kommen. Zur Untermauerung der eingenommenen Position werden drei Argumente präsentiert. Ein Argument bezieht sich auf die Aufhebung der innerdeutschen Grenze. Ein Redakteur fasst seine Vorstellung folgendermaßen zusammen: „Duitse deling bestaat ook zonder muur“.116 Der Aufbau der Argumentation lässt sich erneut über ein ‚Schlussschema’ des ‘Topos aus Grund und Folge’ beschreiben. Die Sichtweise besteht darin, dass, wenn die innerdeutsche Grenze (symbolisiert von der Berliner Mauer) – aufgehoben wird, es weiterhin die deutsche Teilung geben wird. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit der deutsch-deutschen Vereinigung nicht groß ist.

Ein weiteres Argument rückt eine Voraussetzung für die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR in den Vordergrund. Maarten van Traa stellt dazu Folgendes fest:

[h]et kan alleen tot die hereniging komen indien de Europese partners daartegen geen bezwaar hebben. Het is ten overvloede door alle Duitse politici, Kohl incluis, de laatste dagen herhaald. Daarbij is de zich organiserende oppositie in de DDR er geen voorstander van.117

Die Argumentation von Van Traa lässt sich noch einmal über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ erklären. Das Zitat illustriert die Art und Weise, in der Van Traa auf zwei Bedingungen für die deutsch-deutsche Vereinigung – das Gutachten der europäischen Partner und das Verhalten der Opposition in der DDR – eingeht. Eine der beiden Voraussetzungen wird seiner Meinung nach nicht erfüllt. Wenn also die Opposition in der DDR nicht die deutsch-deutsche Vereinigung befürwortet, dann ist die Vereinigung der beiden deutschen Gebieten eher unwahrscheinlich.

Das dritte und letzte Argument stellt die Position des russischen Präsidenten zur deutsch-deutschen Vereinigung im Zentrum der Aufmerksamkeit. J.M. Bik beschreibt die Reaktion des Russens auf ein mögliches vereintes Deutschland:

115 Hier ist nicht eindeutig abzuleiten, mit welchem Land beziehungsweise welchen Ländern die Sowjetunion in

wirtschaftlicher Hinsicht die Zusammenarbeit ausbreiten würde. Eine plausible Lesart ist die Verbindungen zu der Bundesrepublik Deutschland, da die Sowjetunion schon sehr intensiv mit der DDR zusammenarbeitete.

(24)

Nee, dat kan of will Gorbatsjov nu juist niet. […] Een paar dage geleden belde hij, zo berichtte Le Monde, met president Mitterand. Die is hoogst bevriend met Kohl langs de as Bonn-Parijs, de politieke slagader van de Europese Gemeenschap, die Westelijke integratie van de Bondsrepubliek als subfunctie heeft. Maar, oude patronen keren weer, Mitterand is ook behoorlijk ambivalent aangaande enventuele andere, oostelijke, assen uit Bonn (naar Oost-Berlijn bijvoorbeeld). Gorbatsjov wist met wie hij sprak. Volgens het Franse blad zei de Sovjet-leider aan de telefoon onder meer dit: op de dag dat de Duitse hereniging wordt aangekondigd, zal in Moskou een communiqué van twee regels verschijnen waarin wordt bekendgemaakt dat de stoel van Michael Gorbatsjov voortaan door een maarschalk wordt bezet.118

Hieraus lässt sich folgern, dass der russische Präsident die deutsch-deutsche Vereinigung mittels Gewalt aufhalten wird. Die Untermauerung der ‚strittigen Aussage’ lässt sich wiedermal über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ bestimmen. Der Autor geht dabei von einer Kausalrelation aus, die zwischen Handlungsziel und Handlungen Michael Gorbatschows vorliegt. Dieser russische Politiker würde die deutsch-deutsche Vereinigung nicht befürworten.119 Sein Handlungsziel wäre es demnach, die Vereinigung der beiden deutschen Staaten aufzuhalten. Um dieses Ziel erreichen zu können, würde der russische Präsident Gewalt einsetzen. Bik erläutert dies, indem er den militärischen Begriff „Maarschalk“ betont. Da der Autor also die Auffassung vertritt, Michael Gorbatschow würde Gewalt einsetzen, um die deutsch-deutsche Vereinigung aufzuhalten, dann wird es nach Bik kein vereintes Deutschland geben. Die Zustimmung der Sowjetunion ist nach Bik also eine entscheidende Bedingung für die deutsch-deutsche Vereinigung.

In einem der dreizehn Artikel lässt sich die letzte Sichtweise angesichts der Wahrscheinlichkeit der deutsch-deutschen Vereinigung finden. M. van der Stoel vertritt die Auffassung, es wird keine deutsche ‚Wiedervereinigung’ geben. Er benutzt ein Argument zur Untermauerung seines Deutungsmusters: „Het is overigens opvallend dat opiniepeilingen onder DDR-Burgers gedurende de afgelopen dagen nu niet bepaald van een groot enthousiasme voor de Duitse hereniging getuigen.”120 Die DDR-Bürger würden also keine deutsche ‚Wiedervereinigung’ anstreben. Die Logik bei dieser Argumentation lässt sich anhand des Schemas vom ‘Topos aus Grund und Folge’ erläutern. Van der Stoel behauptet: wenn die Ostdeutschen keine deutsche ‚Wiedervereinigung’ anstreben, dann wird es sie demnach auch nicht geben.

118 Bik 02.12.1989, 5. „De onaangename kanten van een politieke puntenbokser. Kohls plan voor de Duitse

eenwording“

(25)

4.1.2. Eine deutsche Angelegenheit?

Acht der einundzwanzig analysierten Artikel befassen sich mit der Frage, ob die deutsch-deutsche Vereinigung nur eine Angelegenheit der Deutschen sei. Alle acht Artikel vertreten die Sichtweise, die Vereinigung von DDR und Bundesrepublik Deutschland sei nicht nur eine Angelegenheit der Deutschen. Die Autoren setzen dabei fünf unterschiedliche Argumente zur Untermauerung ihrer Auffassung ein.

Ein Argument hat mit dem völkerrechtlichen Anteilnahme der vier Großmächte an der deutsch-deutschen Vereinigung zu tun. S. Rozemond argumentiert wie folgt:

“[…] wie, behalve de Duitsers, nog meer bij de totstandkoming van de Duitse eenheid betrokken zijn. In elk geval hebben de vier grote mogendheden – de Verenigde Staten, de Sovjet-Unie, het Verenigd Koninkrijk en Frankrijk – zich volkenrechtelijk hun bevoegdheden voorbehouden ten aanzien van Berlijn, de Duitse eenheid en een vredesverdrag.”121

Der Autor behauptet, die deutsch-deutsche Vereinigung sei eine Angelegenheit aller Großmächte und damit nicht nur eine Angelegenheit der Deutschen. Die Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ lässt sich anhand des Schemas vom ‘Topos aus Grund und Folge’ erklären. Nach Rozemond haben Amerika, die Sowjetunion, Großbrittanien und Frankreich aus völkerrechtlichen Motiven Anteilnahme an der deutsch-deutschen Vereinigung beansprucht. Die entsprechende Folge sei demnach, dass die Vereinigung der beiden deutschen Staaten auch eine Angelegenheit dieser Länder ist.

Das zweite Argument bezieht sich auf die Verantwortlichkeit der europäischen Großmächte. Ein Redakteur stellt sich den Sachverhalt wie folgt dar: “Nu de Sovjet-Unie en de Verenigde Staten bezig zijn hun handen af te trekken van Europa, zullen het de Europese mogendheden moeten zijn die ervoor zorgen dat een verenigd Duitsland geen bedreigende factor op het oude continent wordt.”122 Der Autor ist der Meinung, die Beaufsichtigung der deutsch-deutschen Vereinigung würde zu den Verantwortlichkeiten der europäischen Großmächte gehören. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten sei demnach nicht nur eine Angelegenheit der Deutschen. Der Aufbau der Argumentation lässt sich auch über ein ‚Schlussschema’ des ‘Topos aus Grund und Folge’ erläutern. Die Handlung besteht darin, dass Amerika und die Sowjetunion sich immer weniger mit Europa beschäftigen werden. Die europäischen Großmächte sollten demnach diese Aufgabe – im Hinblick auf Sicherheit

(26)

beziehungsweise Stabilität und damit auch bezüglich der deutsch-deutschen Vereinigung – übernehmen.

Wieso Großmächte in der Regel Verantwortung für die Sicherheit in bestimmten Gebieten tragen sollten, lässt sich über das Schema des ‘Topos aus der Person’ erläutern. Diese Variante umfasst ein kausales Verhältnis zwischen den Eigenschaften und den Handlungen einer Gruppe von Personen. Großmächte haben bestimmte Eigenschaften. Zum Beispiel werden sie eine eher größere Bevölkerung, eine starke Wirtschaft und eine starke Armee haben. Der Autor behauptet: wenn bestimmte Länder in einem bestimmten Gebiet – wie Europa – diese Eigenschaften besitzen, dann sollten sie diese Merkmale für Stabilität einsetzen. Dieses Deutungsmuster erscheint als verständlich, denn der Redakteur repräsentiert eines – in militärischer Hinsicht – der kleineren und schwächeren Länder Europas.

Das dritte Argument bezieht sich auf das europäische Gleichgewicht und wird folgendermaßen von J.H. Sampienon123 geschildert:

Hoe krachtig ook het verlangen in de hoofdsteden van de voormalige geallieerden uit de Tweede Wereldoorlog is geworden om de Duitsers zelf een groot deel van de kastanjes uit het vuur te laten halen, als het op een werkelijke verandering van de Europese status quo aankomt (die per definitie tegelijkertijd het volkenrechtelijke, het politieke, het militaire en het sociaal-economische aspect raakt) zullen de vier ‘Siegermächte’ van 1945 niet om hun rechten en plichten heen kunnen, niet in Berlijn en al net zo min voor heel Duitsland.124

Der Autor behauptet, dass die deutsch-deutsche Vereinigung den europäischen Status Quo und damit die europäische Stabilität beziehungsweise Sicherheit beeinflussen wird. Er geht also davon aus, dass die deutsch-deutsche Vereinigung nicht nur eine Angelegenheit der Deutschen sei. Über das Schema des ‘Topos aus Grund und Folge’ lässt sich die Art und Weise bestimmen, in der Sampienon zu diesem Schluss kommt. Es handelt sich um die Prognose, dass, wenn die Vereinigung vollzogen wird, die Stabilität Europas beeinflusst wird.

Ein weiteres Argument bezieht sich auf die Gestaltung der Hilfeleistung für den Osten. Willebrord Nieuwenhuis behauptet:

123 Dieses Argument wird außerdem von einem Redakteur in seinem Artikel „Duitse eenheid binnen Europese

integratie“ (29.11.1989) und von J.L. Heldring in seinem Artikel „Nummer één op de agenda“ (01.12.1989) benutzt.

(27)

Maar bij elk hulpprogramma komt straks wel de vraag aan de orde hoe het met mensenrechten staat. En let wel: Oosteuropeanen hebben in dat opzicht niet veel ervaring. Bij de vorming van beleid in West-Europa dien je daarmee rekening te houden.[…] In hoeverre kun je of mag je met hulpverlening de politiek daar proberen te sturen? Kortom: de vragen die op Bonn afkomen zijn ook vragen aan ons en de andere partners in de EG.125

Der Autor vertritt die Auffassung, die deutsch-deutsche Vereinigung ist auch eine Angelegenheit Westeuropas. Die Logik bei dieser Argumentation lässt sich ebenfalls über eine Variante des ‘Topos aus Grund und Folge’ beschreiben. Die Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ lautet: wenn Bonn sich bezüglich der Vereinigung Fragen stellt, die auch für Westeuropa Relevanz haben, dann ist ein vereinigtes Deutschland auch eine Angelegenheit der anderen westeuropäischen Länder. Inhaltlich ist von Bedeutung, dass Nieuwenhuis die deutsch-deutsche Vereinigung als einen Anschluss der DDR an die Bundesrepublik betrachtet. Diese ‚Vereinigung’ symbolisiert nach ihm eine Hilfeleistung für den Osten und (gerade) das sei auch im Interesse Westeuropas.

Das letzte der fünf Argumente rückt den Zusammenhang zwischen deutscher Einheit und europäischer Integration in den Vordergrund. Martin van Gelderen stellt hierzu Folgendes fest: „Wanneer de Europese eenheid iets te betekenen heeft, zou in Brussel juist nu een intensieve discussie moeten worden gevoerd over de groei van de Duitse eenwording en de implicaties daarvan voor de Europese integratie.”126 Hieraus lässt sich ableiten, dass die deutsch-deutsche Vereinigung nicht nur eine Angelegenheit der Deutschen ist. Ein vereintes Deutschland hätte Folgen für die europäische Integration. Dieses Argument ist eine ‚strittige Aussage’ und noch einmal anhand des Schemas vom ‘Topos aus Grund und Folge’ lässt sich beschreiben, wie die Argumentation aufgebaut wird. Van Gelderen geht bei seinem Argument von einer Kausalrelation zwischen der Handlung der deutsch-deutschen Vereinigung und entsprechenden Folgen für die europäische Integration aus. Wenn die DDR und und die Bundesrepublik Deutschland sich also vereinigen würden, dann hätte dies Folgen für die europäische Integration. Der Autor kritisiert demnach die passive westeuropäische Haltung. Seiner Meinung nach sollte Brussel sich intensiver mit dem Thema der deutsch-deutschen Vereinigung beschäftigen.

125 Nieuwenhuis 17.11.1989, 8. „Laat Bonn niet in de steek“

(28)

4.1.3. Die deutsch-deutsche Vereinigung wünschenswert?

Dreizehn der einundzwanzig analysierten Artikel behandeln die Frage, ob es die deutsch-deutsche Vereinigung überhaupt geben sollte. Nach vier der dreizehn Artikel sollten die beiden deutschen Staaten sich vereinigen. Insgesamt werden dabei drei unterschiedliche Argumente zur Untermauerung der beschriebenen Sichtweise aufgeführt.

Ein Argument bezieht sich auf die Volksangehörigkeit oder Nationalität der Ost- und Westdeutschen. J.L. Heldring stellt sich den Sachverhalt wie folgt dar:

Terecht zei, in de uitzending van Het Capitool op zondag, de communist Marcus Bakker […] dat die beelden toonden dat de Oostduitsers zich voelden te behoren tot één volk met de Westduitsers. Zulke verbroederingsscènes zouden zich niet voordoen als, bijvoorbeeld, Hongaren en masse Wenen zouden overstromen of Tsjechen Parijs.127

Die Bürger der beiden deutschen Staaten würden also zu demselben Volk gehören. Dieses Argument unterstützt die Vorstellung, es sollte zu der Vereinigung kommen. Die Verbindung zwischen Argument und ‚strittiger Aussage’ lässt sich anhand des ‘Topos aus der Person’ erläutern. Es handelt sich dabei um das kausale Verhältnis zwischen den inneren Eigenschafen der Deutschen und eines politischen Ereignisses im gesamtdeutschen Gebiet. Wenn also bestimmte Gruppen zu demselben Volk gehören, dann sollten diese Gruppen vereinigt werden. Das deutsch-deutsche Verhalten nach dem Mauerfall ist ein Grund für Heldring davon auszugehen, dass die Bürger der beiden deutschen Staaten zu demselben Volk gehören.

Ein weiteres Argument rückt die Übereinstimmungen der beiden deutschen Staaten in den Vordergrund und wird folgendermaßen von einem Redakteur ins Feld geführt: „Door taal, cultuur en geschiedenis horen de Bondsrepubliek en de DDR bij elkaar.“128 Die gebrauchte Argumentation lässt sich auch über eine Variante des ‘Topos aus der Person’ beschreiben, also die Kausalverbindung zwischen den Eigenschaften und den Handlungen einer bestimmten Gruppe von Personen. Die Eigenschaften haben mit der Herkunft zu tun und handeln von der gemeinsamen Sprache, Kultur und Geschichte. Wenn also – nach dem Redakteur – zwei Staaten Sprache, Kultur und Geschichte teilen, dann gehören sie zusammen und demnach sollte es die deutsch-deutsche Vereinigung geben.

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