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MMETA 0804

SIGNATUUR

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Printed in Germany

Das PEerd

Es war in Atjeh, in Nord-Sumatra, auf einer neuen Gummi-Plantage. Urwald ringsum. Hinter der Plantage war auf der Landkarte noch alles weiB - das heiBt: unbewohnt. Die Plantage selber _ nur ein Streifen neu gewonnenes Land, von kahlen Hügeln umgeben, die Erde von der Sonnenglut ausgedörrt und zerfurcht. Auf einem dieser Hügel standen die Kuli-Baracken eine Reihe dunkelbrauner Hütten, die Wände aus geflochtenem Bambus, das Dach aus Palmblättern. AuE dem anderen Hügel ein viereckiger Kasten aus Brettern, darauf ein glühendes Wellblechdach - unser Haus. Zwischen diesen H ügeln zogen sich ein paar aloerans _ Wasserkanäle - hin. Weiter nichts. Kein Dorf, kein Markt, nicht einmal eine malaiische Hütte. Keine Erischen Lebensmittel, kein Gemüse, kein H uho, kein Ei. Nur Gummi, Gummi ... und der Unvald.

DienerschaEt? Hier? Eine Unmöglichkeit. Nicht für alles Geld der Welt. Ich hatte alles Erdenkliche versucht, Tage, vVochen gewartet, niemand kam.

Dann, endlich, erschien ,das Pferd".

"Das Pferd" war ein Malaie, der Boy-Koch wer- den \Vollte. Er hatte auch eine Frau. die konnte dann Babu - Dienstmagd - sein. In seinem Arbeits- buch stand, daB er Jockei wäre. Er schien daM etwas heruntergekommen zu sein und war zuletzt Kutscher.

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Jung war er nicht mehr. Er sah runzlig und ver- wittert aus und hatte wohl schon viel mitgemacht:

das konnte man ihm vom Gesicht ablesen. Aber in seinen Augen lag ein unsagbar gutmütiger Aus- druck, der mich rührte - ein Ausdruck, wie ihn arme, abgerackerte Gäule manchmal haben. Tat- sächlich, er hatte auch etwas 'Ion einem pferd an sich: eine breite, viereckige Slim mit gewaltigen Augenhöhlen, aus denen ein Paar treuherzige, gold- braune Augen gelassen in die Welt schauten. Sein längliches Gesicht hatte eingefallene Wangen, groBe Nasenflüge1 llnd einen weichen, etwas melancholi- schen Mund. Seine Unterlippe war vorgeschoben wie bei einem alten, müden pferd. Viel1eicht hat!

er dieses Gesicht im Laufe der Zeit auf den Renn·

plätzen und in den Ställen bekommen.

Das Pferd" - er behielt diesen Namen für immer

"

_ trug eine schlottrige, weille 13aumwollhose, eine viel zu weite Shantung-Bluse und ein rotsamtenes Käppchen, aus dem ihm ein Büschel JIaare in die Stirn hing. Aul)er seiner Frau - einer nicht mehr jungen, aber hübschen Malaiin - besaB er eine Säge, einen Hammer, ein Nudelholz, eine Angel und noch zwei Blusen, wie er sie anhatte. Das war nun nicht gerade eine groBartige Ausstattung für einen Boy-Koch. lch setzte auch keine groBen Hoffnungen auf ihn. Aber was sollte ich tun? lch sah nach dem

\Valdrand hinüber und dachte an den weillen Fleck auf der Karte, weil) bis ins Herz der lnsel hinein, wo die groBen Gcbirgsketlen der Bukit-Barissans

beginnen. Und.. d 50 nahm ich das Pferd an V'. Ie elc 1t11 . I wur. e man doch noch einen richtigen Boy-Koch aus Ihm rnachen können.

Das Pferd scheint intelligent zu sein. Er weiB schon nacb kurzer Zeit, wo die Teller hing h"

daB d' e oren,

I~ Butterdose nicht als Zuckerschale zu be- n~tzen ISt, daB das Brot nicht in Zeitungspapier ge- wI,ckelt auf den Tisch gehört. Aber er bleibt bei

s~ll1e~ roten Käppchen und seiner Shantuna-Bluse die wIe ein weiter Überzug urn seinen

mager~n

Leib

schlottert. Aucb sein Haarbüschel fäl1t nocl .

. d' . 1 Immer

In Ie Stlrn. Weiterhin hat sich herausgestellt d B das Pferd einige verabscheuungswürdige

L~id:n.

schaften bat. Aus jedem Stückchen Holz d. . ' as er 111'

~mer Meile Umkreis findet, versucht er einen nütz- hchen Gegenstand herzustellen was imme ..,

I' h . . r Jammer·

IC mlBlmgt. Dazu würfelt er wie ein Berufsspieler

~nd

nacbmittags geht das Pferd angeln, statt da' SIIb~r zu putzen oder andere häuslir.he Arbeiten zu verrichten. Babu begleitet ihn, Eigentlich müBtc '

b" I SIC

uge n, Das ärgert mich auch manchmal Ab

. h . er wcnn

IC dann ~ehe, wie urvergnügt und zufrieden die bei- den auf die Suche nach Fischen gehen, er rnit um- gesdIl~genen Hosenbeinen mit seiner Shantuna- Bluse, Inder sich der Wind fängt ein altes schmutri.

ges Handtuch als ~ur~an um seinen Pferdekopf gewu~den - Babu mlt emer rostigen Keksdose d' als Flschbehä1ter dienen 5011, und an einem

~in~~

faden über der Schulter hängt - dann habe ich

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das Gefühl, daB ich dieses ldyll einer harmonischen Ehe nicht stören darf.

Das pferd und Babu sind wirklich ein glückliches Paar, trotz ihrer wild·romantischen Vergangenheit.

Babu war früher einmal eine reiche Witwe. Sie be·

saB vierzehn Goldstücke, eine Bananenplantage und ein Haus in dem Kampong - dem Dorfe. Sie hätte es also gar nicht nötig gehabt, noch einmal zu heiraten _ und warum sie dam ausgerechnet noch diesen Nichtsnutz erwählt hatte, war der reichen und entrüsteten Familie von Babu völlig unbegreif·

lich. Aber Babu hatte wahrscheinlich auch eine Schwäche für arme Gäule und heiratete also das pferd. Er war damals schon Sado·Kutscher1). Das war eine bequeme Stellung. Auf dem Bock, die Zügel lose in der Hand, konnte man ruhig duseln, denn das Sado-pferd war schon viel zu abgemagert, urn sich noch Extrasprünge zu erlauben. Noch besser freilich war es, gar nicht zu arbeiten. Denn,

50 dachte das Pferd, wozu habe ich eine reiche Witwe geheiratet? Da die Bananenplantage eine gute und zuverlässige Einnahmequelle darsteUte, war er 50 frei, sich selbst ehrenvoll in den Ruhestand zu versetzen.

Als das pferd an allen erreichbaren Brettem herumexperimentiert hatte und zu der Entdeckung gekommen war, daB sich nirgends in der Nähe ein Bach befand, also daB angeln unmöglich war, legte

1)Sado ist ein kleiner Mietwagen

8

er sich mit einer stinkenden Zigarre im Mund auf den Rücken, faltete die Hände unter seinem Kopf und faulenzte tagelang. Auf diese Weise hatte er Zeit genug, über die Herrlichkeiten des Würfel·

spiels nachzudenken.

Eines Abends nahm er Babu mit. An diesem Abend verlor Babu zum zweiten Male ihr Herz - diesmal an das Würfelspiel. Erst verspielten sie die vierzehn Goldstücke. Dann das Geld das sie sich von Babus Verwandten als VorschuB auf die Ba·

nanenplantage geborgt hatten. Dann die Bananen·

plantage. Dann das Haus. Vnd zum SchluB mit einem befriedigten Seufzer und einer an philo:ophi.

schen Gleichmut grenzenden Gelassenheit, beschloB das Pferd, die gesellschaftliche Leiter noch weiter herabzusteigen llnd wurde Boy·Koch, also Haus·

diener. Der wütenden und tobenden Familie von Babu gab er sein hochmütig zur Antwort daB er diese Lappalie wohl wieder

zurückverdiene~

werde.

Daraufhin kaufte das Pferd das udelholz, und Babu verkrachte sich mit ihrer Familie. So wurde das Pferd Hausdiener. Aber damit konnte er das Geld natürlich nicht zurückvcrdienen.

Alles das, was Babu und er verdienen, wird mit Babu zusammen verspielt. Vnd der Tag nach der

Geh~ltszahlungist jedesmal ein schwerer Tag. Dann arbeltet Babu sehr schweigsam, und das Pferd lehnt irgendwo gegen eine Mauer und brütet vor sich hin.

Au 50 einem Tag wird nicht einmal geangelt. Es geht urn Babus Familie. Babu kann nicht vertragen,

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daB der Held ihrer Mondnächte für einen Schu~t gehalten wird. Um das zu vermeiden,

mu~ ~Ie

Familie ab und zu mit einem Geschenk, naturllch einem Ge1dgeschenk, beruhigt werden.

Immer hofft Babu zu gewinnen. Aber sieverli~ren dauernd. Deswegen bittet das Pferd am Abend emes solchen schweren Tages urn einen VorschuB. lch 1 d· Gru"nde vollkommen - wenn ich auch

verste le Ie ..

sehe wie seine Schuld monatlich gröBer und groBer wird'. Denn je weniger Gehalt das pferd nach Abzug des letzten Vorschusses bekommt, um so mehr Vor- schuB braucht er wieder im nächsten Monat. lch habe einmal den Versuch gemacht, Babu dazu zu bringen, doch strenger gegen ih.ren M~nn vorzu·

gehen. Aber Babu sagt: es hilft mchts, emem Mann seine Fehler zu sagen, die weiB der Mann selber auch. Und es ist ganz verkehrt, wenn die Frau den Ärger den er darüber empfindet, noch gröBer macht, inde~ sie ihm zeigt, daB auch sie diese Fehler siehtl

Und so kommt es denn, daB abends, wenn die Sonne die Silhouetten der sumatraischen Hügel- ketten rot beleuchtet, das pferd und Babu ihre Sorgen und Nöte tief vertraulich miteinander be- sprechen. Dann kauert Babu vor ihrer Kammer, d d pferd hockt rittlings auf der Fensterbank,

un as I" h

und redet, redet, redet. Sein sonorer, ma ausc er Akzent raunt wie das Gemurmel eines Baches durch die Dämmerung. Sein kantiges Gesicht glänzt vor Befriedigung und aus seinen treuen goldbraunen

Augen leuchtet eine tiefe innere Zufriedenheit mit dem Leben.

Es gibt nur eine Sache, worüber wir uns ewig streiten - das sind die "Rissoles". Das Pferd will jeden Tag Rissoles backen, und er will sie auf seine Art machen. Nun meine ich, eine Rissole muB so zubereitet werden wie ein Eier1."Uchen, den man dann mit feingehacktem Fleisch füIlt. Das Pferd, das sonst nie unhöf1ich ist, zeigt für diese Auffassllng eine beleidigende MiBachtung. Er hat selber, in seiner

J

ockey·Zeit, dem chinesischen Koch eines reichen Tuwans in der Stadt bei der Zuberei·

tung von Rissoles zugesehen. Ein chinesischer Koch steht bei ihm natürIich unendlich viel höher als ich - eine weiI3e Frau. Und der chinesische Koch machte erst den Teig, den er ein- und ausrollte, und so entstanden die Rissoles. So will das Pferd sie machen, und es bleibt dabei. Dafür hat er doch, so endet er, das Nudelholz gekauft. Er ist weder von diesem Standpunkt noch von den täglichen Rissoles und der Art der Zubereitung abzubringen. Das Pferd verwendet die Hälfte der Kochzeit dazu, diesen TeiO' zu rollen. Das tut er mit Begeisterung. Der Tisch kracht und seufzt dabei - der Teig wird umgekehrt daB das Mehl nur so herumstäubt. Und wieder rollt das PEerd, roIlt, bis der Teig eine dünne Hallt ge·

worden ist. Seine Ärmel hat er aufgeschlagen, per- lend hängt der SchweiB an seiner Stim. Babu schaut ihm mit stolzen Blicken zu. Was rührt es sie, daB wir nachher das ungare Etwas essen müssen,

I1

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dem er den hochtrabenden Titel "Rissoles" ge·

geben hat.

Eines Tages geschieht etwas Besonderes. Ein chinesischer H ausierer hat sich auf unsere Plantage verirrt. Prustend und mit SchweiB bedeckt, turm·

hoch mit Stücken Seide beladen, ist er den schlam- migen Weg auf seinem quietschenden Rad durch den Urwald geradelt. Keuchend und schwitzend kauert er nun vor mil' und packt seine Ware aus.

Er legt mil' ein Stück schwerer, weiBel' Seide vor.

Wie ein greifbar gewordener Mondstrahl gleitet der Stoff durch meine Finger, während ich in Ge·

danken das schöne Kleid vor mil' sehe, das daraus entstehen könnte. Aber dann sehe ich auch den Urwald, den schlammigen Weg, in dem sogar Frachtautos bis zu den Achsen einsinken. Nein, es hat keinen Zweek, diese Seide zu kaufen. Mit sehwerem Herzen verzichte ieh auf den Stoff, und setze mich auf die Veranda, um Strümpfezustopfen.

Plötzlich kommt das P 'erd hereingestürzt, zitternd vor Aufregung. Er hä1t die weiBe damastene Seidc in seinen mit Mehl beklebten Hä.nden. Er macht wieder Rissoles, stelle kh verzweifelt fest. Abel' die Seide ... ? Das verstehe ich nicht... leh möehte doch bitte sofort einen VorschuB geben I? - Das Pferd streichelt mit unendlicher Hingabe über das zarte Gewebe. VorsehuB?.. Aber der alte VOl"

schuB beträgt mehr als die Hälfte seines Monats·

gehaltes I ... Ja, das weiB er. Aber er möchte diese Seide kaufen .. , Nun bin ich abel' wirklich empört

12

diese Seide, die einer Prinzessin würdig wäre? ..

J

a, die möchte er kaufen. Sie kostet zwar ein ganzes Monatsgehalt, abel' das schadet nichts. Ich darf den VorsehuB mit einemrnal abziehen... Wovon ab·

ziehen? . .• Nun, er braucht gar kein Gehalt zu beo kommen. Zwei Monate nicht 1 So wird er es zUTÜck- zahlen I Allah ist sein Zeuge; er wird in zwei Mona·

ten nicht einen Pfennig neuen VorschuB verlangen.

Er wird mieh nie mem urn VorschuB angehen ...

Seine Pferdeaugen sehen mieh mit herzerweichen- dem Flehen an. leh beginne mit mil' zu kämpfen.

Abel' was will er mit der Seide anfangen?.. Er möchte eine Hose und eine Bluse daraus haben, Babu wird es für ihn nähen I Er beschwört mich immer eindringlicher, ihm das Geld doch zu geben - ruft alle Heiligen und Prop heten aus seinem mohammedanischen l-limmel herbei, urn seinen Wor- ten Kraft zu verleihen ... Natürlich gebe ich ihm das Geld, und denke, ich werde nun das Pferd in diese wundersehöne Seide gekleidet jeden Tag als verkörperte Versuchung var mir sehen.

Zwei Tage geht Babu nicht mit angeln. Zwei Tage lang näht sie an der Bluse und der Hose aus könig·

licher Seide. Den dritten Tag erscheint das Pferd freudestrahlend in seiner neuen Kleiderpracht. Sein rotsamtencs Käppchen hat sich vor lauter Auf·

regung ganz naeh hinten verschoben. Das Haar·

büschel hängt halb bis auf die Nase herunter. Er bedankt sich mit tausend Worten. Er wird urn mil' seine tiefe Dankbarkeit zu bezeugen, heute nach- 13

(13)

mittag den gröBten Fisch, den er fängt, für den Tuwan1) backen. Eine Viertelstunde später höre ich den Küchentisch krachen - klatsch und noch einmal - klatschI Die RissolesI Das Pferd roUt seinen Teig und hat die Armel seiner glänzenden Bluse bis zu den Ellbogen umgeschlagen. DaB die Seide hierdurch zerdrückt wird, daran denkt er nicht.

Voller Eifer, urn seine Dankbarkeit zu zeigen, geht er nachmittags angeln. lch habe ihn nicht weggehen sehen, nul' in der Ferne sehe ich seine gebückte Ge- stalt durch die schlammigen Bäche waten. Ein paar Stunden später fragt Babu, ob kh nicht einmal in die Küche kommen könnte. Da steht das Pferd. Der Schlamm kl ebt in Streifen und Flecken auf seiner seidenen Bluse, die hier und da noch Spuren keuschel' Reinheit zeigt. Seine Hose ist nicht wiederzuerkennen - sie klebt naB und schmutzig an seinen mageren Beinen. In seiner Hand hält er das Brotmesser. Auf dem Tisch liegen sieben enthauptete Fische und Fischblut klebt ihm an Händen und Gesicht.

lch bin entsetzt... doch davon sieht das Pferd nichts. Er zeigt freudestrahlend mit dem Brotmesser auf einen gro13en Fisch, der in seinen letzten Zügen liegt ... Diesel' ist für Tuwanl Ob ich ihn nicht schön finde? Und siegesbewuBt sägt er dem noch zuckenden Fisch den Kopf ab. Mir wird übel bei diesem Anblick, und ich glaube nicht, daB ich vor-

1) Tuwan

=

Herr

läufig jemals wieder Fisch essen kann, abel' ich blfi trotzdem sehl' böse auf das Pferd. "Schau doch nul' einmal, wie dein neuer Anzug aussieht I" - Das Pferd blickt an sich herunter und ist stumm. "lch gebe dir niemals wieder einen VorschuB, verstehst

duI", sage ich wütend, "es ist schade, auch nul'

einen Pfennig an dich zu versehwendenl" Jetzt wird die Sache schon ernster. Denn schlieBlich bin ich in VorschuB-Angelegenheiten noch mächtiger als Mohammed. Das Pferd faltet frotnm seine Hände und senkt seinen Pferdekopf. "Babu wird cs waschen", sagt er beschämt. Abel' die Sacl1e ist nicht mehr zu retten. Die schöne Seide wird schlieB- lich nul' noch Verwendung finden urn Schuhe und Silber zu putzen.

Einmal geschieht doch ein Wunder. Das Pferd hat beim Würfelspiel gewonnen. Achtzig Gulden.

Diewill er nun als erste Rate auf seine Schulden an Babus Verwandte abzahlen. leh finde diesen V01'-

schlag ausgezeichnet. Dann kano das Pferd gleich- zeitig Hühner und Früchte aus der Stadt für mich mitbringen. leh gebe dreiBig Gulden dafür mit, denn ehrlich ist er, trotz seiner Verscl1\vendungssucht.

Schöne Legehühner will ich haben, erkläre ich ihm, mit kurzen Beinen und hinten recht rund. Das Pferd nickt, ich könne ganz beruhigt sein. Hühner seien woW keine Rennpferde, abel' er wisse schon Be- scheid. So geht er weg.

Zwei Tage später, ganz pünktlich, sehen wir das Pferd zurückkomrnen. Er geIlt abel' sehr langsam.

(14)

: Luloh, Kolnl~tetl

an, die still lInd steif ihm gegenüber steht. Eine Minute lang ist es ganz still. "GestohlenI" fährt ihn dann plötzlieh Babu an. "Verspielt hast du esI"

Das Pferd zuekt zusammen. Seheu flüehtet er mit seinem Korb an Babu vorbei zum Hühnerstall.

Babu und ich folgen ihm. Am Hühnerstall an- gekommen, entleert er den Korb mit den H ühnern.

Sechs elende sehwarze Krähen, die auf ihren ebenso klägliehen hohen Beinen sehwankend und etwas schwindlig herumhüpfen, laufen heraus. "Wie kannst du so1che Hühner ..." fange ieh wütend an. Doch das Pferd unterbricht rnieh sofort. "Die Hühner (indet die gnädige Frau nicht sehön? Aber das sind nun gerade Rassehühner. So groB werden sie ..." nd er zeigt einen hal ben Meter von der Erde weg und sieht rnich mil einem sonnigen Lächeln an.

"Aber ieh babe dir doch gesagt ... ieh will keine H ühner mit hohen Beinen. lch woUte H ühner mit kurzen Beinen, nette, runde, dicke Legehühner wollte ieh."

Nicht miBzuverstehende Verachtung steht auf seinem Gesicht geschrieben. Sogar Babu sehaut mich etwas erstaunt an. "Aber es sind keine Markt·

hühner", sagt das Pferd veräehtlich. "Es sind Kam·

ponghühnerIBabus Vetter hat sie selbcr gezüchtet '"

Babus Gesicht verzieht sieh so{ort. Zu aUem, was sie ihrer Familie schon schulden, kommen nun noch die Hühner, die Jacke und die Fahrkarte. Und als echte Frau vergiBt sie dabei ihre Grundsätze und Er hält seinen Kopf gesenkt. Mehr denn je sieht er

einem abgerackerten Gaul ähnlich. In der einen Hand trägt er einen Korb. Auch Babu, die hinter uns kauert, schaut ihm entgegen. Irgendwie sieht er anders aus als sonst. Ich sehe den Unterschied zuerst. Er trägt keine solche Shanlung·Bluse wie stets. Ich sehe Babu an. Ihr Gesicht ist unbewegt, nur die Lippen hat sie aufeinander gepreBt. Dann steht das Pferd vor uns. Noch nie hat er 50 ärm- lieh ausgesehen, so tief tragisch. Er trägt eine alte, zerrissene Hose, eine jaeke darüber, die ihm nicht paBt. An Stelle seines Samtkäppehens hat er sich ein sehmutziges Handtuch als Turban·Ersatz um den Kopf gewickelt. Der SehweiB rinnt ihm in Strömen vom Gesicht. Seine Augen sind Spiegel- bilder namenlosen Elends. Er ist dreiBig Kilometer gelaufen, um pünktlich zu sein.

Warum er nicht, wie verabredet, mit dem Fracht·

auto gekommen ? Das Pferd füWt nach seinem Turban. Er hatte kein Geld mehr. Vnd dann flut et uns der Stram seines Elends entgegen. Im Zug, wie er zur Stadt fuhr, ist er eingeschlafen und man hat ihn bestoWen. Alles Geld gestohlen, das er bei sich hattel Die Jacke, die er trägt, ist von Babus Familie ... Die hat aueh die Rüekreise bezaWt. Die Hühner eigentlich aueh. Mit niedergescWagenen Augen erzählt er das alles ... Er schüttelt den Korb, in dem seehs ekelhaft magere, sehwarze H ühner zu- sammenkauern. Er fühlt, daB ihm niemand Glauben schenkt und sehaut Babu verlegen von der Seite 16

(15)

Ideale, Wle man einen Mann behandeln muB, und überhäuft ihn mit Vorwürfen und Beschimpfungen.

Dieses eine Mal begeht sie sogar einen Fehler, wie ihn eben nur eine Frau machen kann. Sie vergiBt ganz, daB auch sie leidenschaftlich dem Würfelspiel zugetan ist. Sie vergiBt, daB auch sie nur sehr wenig von ökonomie und Sparsamkeit versteht ... Und diesen Nachmittag angelt das Pferd, todunglücklich, allein!

Aber der Mond, der einige Stunden später wie eine freundlich strahlende Scheibe hinter denI-Iügeln aufgeht, bringt die Versöhnung. Zusammen kauern Babu und das Pferd vor dem Hühnerstall. Und das pferd erzählt von der Stadt, von dem Dorfe, von der Bananenplantage, die nun an einen Araber vcrkauft ist. Seine Stimme wird immer tiefer und wächst zu einer wehmütigen groBen Trauer in der stillen silbernen Mondnacht an ... Ul1d endlich beichtet er, wie er so ins Unglück geriet, wie er alles Geld für Babus Familie und für m~ine Einkäufe verspielt hat.

Er kann schwören, daB Allah ihm eine gute Vor- ahnung gegeben hatte, daB er gerade rnit diesem Geld gewinnen - viel gewinnen würde. Aber diese Vorahnung hat ihn betrogen. Darauf schweigt Babu.

Was konnte sie auch noch sagen? Allahs Wege sind Allahs WegeI

Es wird ganz still zwischen ihnen - das Pferd hat das ,Spie!" gewonnen.

18

Recht und Gerechtigkeit

Pieter Arie war Assistent, das heiBt: europäischer Aufseher über die Kulis einer Plantage. Das heiBt zugleich: weiBer Angestellter auf der untersten Stufe der hohen Leiter, die die Pflanzer-Karriere darstell~.

Pieter Aries Familienname ist unwichtig - eben weil er nur Assistent war. Denn "Assistent" sein heiBt:

O"esellschaftlich ist man eine Nul!. Ein Assistent ge-

~ört überhaupt zu keiner Gesellschaftsklasse. Er ge- hört weder zu der Klasse der Verwalter, Inspektoren, Hauptverwalter oder gar Direktoren ciner der groBen Gummi-, Tabak-, Tee- oder Kaffeefir~en, denn schon zwischen einem Assistenten und semem direkten Vorgesetzten, dem Verwalter, ist ein so groBer Abstand, daB ~an von den anderen gar nicht zu reden braucht. Ein Assistent gehört aber auch nicht zu der Klasse der Regierungsbeamten, denn zwischen einem Regierungsbeamtcn und einem Pflanzer klafft wiederum einc so tiefe Kluft, daB allein schon der Gedanke geradezu lächerlich ist sie auch nur im entferntesten auf cine Stufe zu stellen. Aber - ein Pflanzer ist der As istent eigentlich auch nicht. Denn man könnte zum Bei- spiel seinen Vorgesetzten, den Verwalter, zu de~

Pflanzern zählen. Aber da man einen Verwalter mlt seinem Assistenten nicht auf eine Stufe stellen kann, so kann man auch nicht behaupten, daB ein Assistent ein Pflanzer sei ...

(16)

SchlieBlich könllle man sogar den Kuli als Pflanzer bezeichnen, da er es doch ist, der wirklich "pflanzr', weil er ja die jungen Bäumchen und Büsche in den Boden steekt. Aber das wäre bestimmt eine falsche Politik, den wei Ben Aufseher in die Klasse der Kulis einzuteilen. Man sieht, nicht einmal zu den Kulis kann der Assistent gehören.

Ein Assistent ist also gar nichts. Der Assistent vertritt keinen Stand, keine Klasse, keine Gruppe.

Er ist höehstens eine Nummer innerhalb der Ge.

meinschaft, so wie ein Soldat, ein Kuli, ein Arbeiter eine Nummer ist. Und dabei ist er weder Soldat noch Kuli, noch Arbeiter, er ist einfach: Assistent:

Vnd ist dies alles doch zugleich. Er riskiert sein Leben für seine Pflieht. Er s huftet, bis alle Feuch- tigkeit seines Körpers in Strömen an ihm herunter- läuft. Er ist Arbeitnehmer, auf der untersten Sprosse der Pilanzerkarriere. Zugleich aber ist er auch wie- der Arbeitgeber; denn von ihm bängen Leben und Schicksal von Hunderten von Kulis ab. Es ist sehr schwer, genau zu definieren, was ein Assistent eigent- lich ist.

Ein Menseh ist er jedenfalls noch nicht. Das wird er erst im Laufe der

J

ahre durch die Praxis. Er ist - niemand. Er kann nichts, er weiB nichts, er darf nichts. Und doch ist er verantwortlich für all das

. ,

was er Dleht kann, nicht weiB, nicht darf. Ein Niemand, eine Nul! ist er also eigentlieh auch wie.

derum nicht. Denn einen Niemand oder gar eine uil kanll man doch nicht zum Sündenbock machCII.

20

Und ein Sündenbock ist eine sehr, sehr wichtige Persönlichkeit.

Wenn nun aber ein Assistent doch etwas kann, doch etwas weiB, dann darf er das nie zeigen. Er muB vielmehr beteuern, daB nicht er, der Assistent, etwas kann und weiB, sondern sein Chef, der Ver·

walter. Und andererseits darf er wiederum nicht zeigen, daB er nichts kann und nichts weiB, denn was würde der Inspektor, bei einer Inspektion, von einem Verwalter halten, der einen so unwissenden und dummen Assistenten hat?

Was ein Assistent besitzen muB, ist: die Ge·

schmeidigkeit eines Diplomaten, die Taktik eines AuBenministers und die Volkstümliehkeit eines Kam- mermitgliedes. W citerhin: die Gehorsamkeit eincs Soldaten, die Selbstüberschätzung eines Missionars, die Unbarmherzigkeit eines GeneraIs, die Ober·

legenheit eines Sergeanten, die Überzeugung eines Pfarrers, den FleiB eines Pastors, den Mut eines Spieiers, das VerantwortungsbewuBtsein eines Haus·

vaters und den absoluten Minderwertigkeitskomplex eines Examinanten. Er muB baben: die pflichttreue eines greisen Hausdieners, das weite Gewissen eines Advokaten, die Brutalität eines unmündigen Sohnes und die Langmut eines Sklaven. Erst wenn er alle diese Eigensehaften besitzt, dann ist er ein guter Assistent und darf die kleine Ecke die ihm woW·

wollend gewährt wurde, behalten : die Ecke. in der die Sehläge fallen.

Naehdem Sie, ge chätzter Leser. dies alles be-

21

(17)

griffen haben, wird es Ihnen vollkommen klar sein warum es sich nicht lohnt, Pieter Aries Familien~

name zu nennen. Höchstens kann ich Ihnen noch erzählen, von weIcher Sorte Assistent Pieter Arie war. Denn es gibt drei Sorten Assistenten: Assisten- ten auf einer TabakanpfIanzung und Assistenten auf einer Gummiplantage, und eine dritte Sorte noch

,

über die ich sogleich sprechen werde. Als die Ge.

schichte von Sumatra noch in den Kinderschuhen steckte, war der Assistent von einer Tabakplantage eine viel respektabelere Sorte von Assistent als die von einem Gummiunternehmen, da der Tabak das erste und ä,Iteste Gewächs auf der ûstküste von Sumatra ist. Als aber dann plötzlich der Gummi mit Gold bezahIt wurde und der Assistent mit einemmal im eigenen Auto fU/lr, während sein Kol.

lege vom Tabak noch immer ein "buggy" (Pony.

wagen) benutzte, da stieg natürlich das Ansehen und das SelbstbewuJ3tsein des Assistenten der Gummiplantage.

In den elenden Depressionszeiten jedoch gibt es noch eine dritte Sorte von Assistenten - oder viel.

mehr: gibt es nur noch eine Sorte von Assistenten gleichgüItig, ob er beim Tabakbau oder in de:

Gummiplantage angestellt ist: das ist der Assistent

der bleiben darf. '

Pieter Arie war in einer Zeit Assistent, als die Gummipreise zu steigen anfingen. Es war also der Mühe wert, dort zu bleiben.

Jetzt werde ich Ihnen einc Episode aus Pieter

22

Aries Assistentenieben erzählen. Und weil ich nicht wilI, dafi jemand ihn falsch beurteilen würde, war diese lange Einleitung notwendig.

Pieter Arie war also Assistent auf einer Gummi·

plantage. Er stand also zwischen den Kulis und dem Verwalter - über den Kulis und unter dem Ver·

walter. Ihm unterstanden beinahe 300 Kulis, und er war für alles verantwortlich, was diese 300 Kulis taten. Aber er war auch für das verantwortlich, was der Verwalter machte - und schliel3lich noch für das, was er selbst tat. Es g~b nur einen einzigen Mann, auf den er einen Teil seiner Verantwortung abwälzen konnte: das war der Hauptmandur der oberste eingeborene Kuliaufseher. Und der Haupt·

mandur, nun - der schob natürIich wieder einen Teil dieser Verantwortung auf diejenigen ab, bei denen er das konnte: auf die Untermandurs. Vnd die Untermandurs ihrerseit wieder auf diejenigen, die unter ihnen standen: auf die Kulis. So rollte das Rad der Gerechtigkeit, und so bekam auch Pieter Arie das Recht, seine Kulis zu bestrafen.

Er konnte das auf zweierlei Alt tun; gesetzlich und ungesetzlich. Aber da die gesetzlich zulässigen Strafen, vom Gesichtspunkt und der Moral der Kulis aus gesehen, so geringfügig waren, dafi sie nichts haHen und Pieter Arie a/so oft befürchten muBte, unter der Last der Verantwortung unterzugehen, so mufite er wohl oder übel hin und wieder zu den ungesetzlichen Strafen Zuflucht nehmen. Für diese ungesetzlichen Strafen riskierte er dann

(18)

25 Sieb über dem geräumigen Sammelgefä/3 arbeiteten zwei Kulis. Sie kratzten die Kannen aus, die die Kulis über das Sieb ausgossen. In und urn die Scheune herum roch es appetitverderbend: der sü/3liche Latex·

duft mischte sich mil dern Geruch von geronnenem Gummi des vorigen Tages, und der Geruch von Lysol, mit dem täglich rings urn den Schuppen herum die Abgüsse gereinigt wurden. Und da·

zwischen mischte sich der Geruch der schmutzigen Kulikleider und der schwitzenden Körper diesel' frem- den Rasse!

Als Pieter Arie in den Schuppen kam, erhob sich der malaiische Schreibel' untertänigst. Mudin, der Hauptmandur, nahm seinen Hut ab, den er bis jetzt als Zeichen seiner Würde über dem Kopftuch ge·

tragen hatte. lndem er den Hut weglegte, sagte er laut und deutlich;

"Tabeh, tuwan '" (Guten Tag, HerrI)

Auch diesel' Gru/3 war ein Beweis seine hohen Ranges. Denn die Kulis sind doch viel zu unwichtig, als da/3 man ihren Gru/3 bemerken oder gal' ver- missen würde: sie dürfen schweigen und ihre Arbeit verrichten.

"Ist Sukinem schon dagewesen?"

Der Schreibel' machte eine leichtc Verbeugung.

"Noch nicht, Tuwan '"

"Wenn sie kommt, dann halte sie zurück."

,Saja, tuwan '"

Pieter Arie setzte sich an den Tisch und kon·

trolJierte die Arbcit, die der Schreibel' heute ge- allerdings seine Karriere seine Zukunft - und sein

Leben.

Eines Tages ging Pieter Arie von der Gummi.

pflanzung zum "Empfangsschuppen". Er war müde und hatte schlechte Laune. Er hatte fünfhundert.

sechsundachtzig ZapfstelIen kontrolliert, und davon waren zweiundsechzig zu tief eingeschnitten, so daB die Bäume eine Wunde behalten würden. Diese Schandtat hatte eine der javanischen Zapferinnen be.

gangen, nämlich Sukinem, die Frau von Marto. Abel' nicht Sukinem, sondern er, Pieter Arie, würde für diese zweiundsechzig Baumwunden verantwortlich ge.

macht werden. Da der Tag zudem so ungnädig heiB war, daB ihm seine Galle schon von selber überlief beschIoB er, Sukinem selbst einmal vorzunehmen:

statt bei einer gesetzlichen Lösung des Falls sein Heil zu suchen. Denn diese gesetzliche Lösung war gal' keine richtige Lösung; sie brachte Sukinem im höch.

sten FalIe zwei Tage Gefängnis ein, und die würde Sukinem als angenehme Abwechslung in der ein.

tönigen Zapfarbeil empfinden.

In dern Schuppen, einem kleinen seitlich offenen Bauwerk, in dem die Kulis die frische Gummimilch den Latex, ablieferten, war .Hochbetrieb. Die Kuli~

standen in langen Reihen an und warteten, bis ihre Latexkanne abgewogen wurde. An der Waage stand einer der Untermandurs, unter Beaufsichtigung des Hauptmandurs, und sagte die KiloanzahI an, die je.

weils eine Kanne wog, und der malaiische "krani", der Schreiber, notiene diesc Zahl. An dem groBen 2-J.

(19)

Cedanken. Vielleicht war sie ein \Venig müde. Von halb sechs Uhr in der Frühe an hatte sie schon ge·

arbeitet. Dreihundertzweiundzwanzig Bäume hatte sie angezapft. Dreihundertzweiundzwanzig BehäIter hatte sie in ihre Latexkanne gegossen. Sechshundert- vierundvierzigmal hatte sie sich bei dieser Arbeit acbÜckt. Nun saB sie da und träumte gedankenIos

~or

sich hin. Es war, als schliefe sie mit oUenen Augen. Nur ab und zu entschlüpfte d~eser Re~ungs.

losigkeit eine Bewegung: wenn sich em Mosklto auf ihren Hals oder FuB setzte, drückte sie ihn ganz vorsichtig mit der Spitze ihres Zeigefingers tot.

Sonst sah sie nichts. Sonst merkte sie nichts von alldem was um sie herum geschah. Die sich regel·

mäBig' wiederholenden Ceräusche in dieser

~itz.e,

die ihren Höhepunkt erreicht hatte, waren wIe em langweiliges Schlafliedchen, das ihr ganzes BewuB.t.

sein einschläferte. Sie wartete. Und wartete. Sle wuBte nicht worauf. Noch wuBte sie warum. Der Hauptmandur hatte ihr den Befehl gegeben zu warten. Tuwan hatte dies wiederum dem Haupt·

mandur befohlen. Und sie wuBte auch nicht, wie lange sie warten muBte. So lange, wie Tuwan sie warten IieB. Vielleicht bis heute abend, oder heute nacht, oder bis morgen oder übermorgen. Sie kauerte dort und wartete. Weil Tuwan es befohlen hatte.

Weil sie Kontrakt-KuIi war. Sie spürte keine Angst.

Sie dachte nicht darüber nach, ob sie vielleicht etwas verbrochen hatte und bestraft werden würde.

Vielleicht würde Tuwan sie schlagen oder ihr einc 27 leistet hatte. Er saB mit dem Rücken zu den Kulis

,

dem Hauptmandur und allem, was in dem Schuppen geschah, gekehrt. Aber während er rechnete und nachrechnete, hörte er doch mit halbem Ohr nach dem, was hinter ihm vor sich ging. Er hörte das Klirren der Latexkannen, das Klappern der Waag.

schalen, hörte, wie der Latex in die Koagulations.

gefäBe floB, hörte die eintönige Stimme des Man.

durs, wenn er die Zahlen und Namen aufrief.

"Sukinem ... zwölf Pfund ... ,"

Sukinem ging von der Waage weiter, hin zum SammelgefäB und entleerte ihre Kanne. Dann er.

klang die Stimme von Mudin, dem Hauptmandur:

"Sukinem, wenn du deine Kanne ausgcwaschen hast, muf3t du noch warten. Das hat Tuwan be.

fohlenI"

Es war ein Augenblick still. lil Sukinems trägem Cehirn mufite dieser Befehl erst durchdringen. Sic stand da mit ihrer Latexkanne und starrte mit offenem Mund und dummen Augen den Haupt.

mandur an.

"Ajo. .. mach, daB du weiterkommst. Wasche dich und setze dich dann dort hin, verstanden? Du gehst nicht eher zum Pondok, bis Tuwan dir die Erlaubnis gegeben hat:"

"Saja, pa '"

Sukinem verlieB die Scheune, wusch draufien ihre Kanne aus und kauerte sich dann neben einem der Pfosten, die das Dach des Schuppens trugen, nieder.

Sie starrte vor sich hin, völlig passiv, dösig, ohne 26

(20)

zum Schuppen zurück. Er ging jetzt etwas schneller, denn er wuBte jetzt, was er woUte. Wieder kauerte er vor dem Hauptmandur und fragte wieder sehr höflich:

leh bitte um Verzeihung, Pa Mandur·besar, aber

"

ich möchte doch gerne wissen, warum meine Frau hierbleiben muB?"

Mudin schaute auf den Kuli herab, auf diesen einfäItigen, dummen Javaner. Mudin selbst war ein Sudanesier. AuBerdem war er früher auf Java Haus·

diener gewesen. Und Marto war dort nur ein Tani, ein Bauer ...

Weil Tuwan das befohlen hat. Kümmere dich

"

also nicht darum, sondern gehe nach Hause. Deine Frau kommt später ..."

Marto schwieg und dachte nach. Er stand auf und ging zum Ausgang. Dort zögerte er wieder für einen AugenbIick, aber er ging dann doch weiter.

Einige Schritte. Dann, plötzlich, wandte er sich ent·

schlossen urn und kam zurück. Er steilte sich VOl' dem Hauptmandur auf. Etwas Herausforderndes war in seiner Haltung und in seiner Stimme:

"Ich will wissen warum meine Frau hierbehalten wirdl"

Mudin runzelte die Stirn. Dann gab er Marto eine Ohrfeige, daB dieser schwankte.

"Kannst du nicht niederhocken, Kontrakthund?

Kennst du deinen ,adat' (Sittenkodex) nicht mehr?"

Und bei jeder seiner folgenden Frage schlug Mudin auf den Kuli ein: "Was hast du hier zu fragen, eh?

29 Geldstrafe auferlegen oder gal' sie ins Gefängnis

bringen lassen. Wie konnte man im voraus wissen, was Tuwan in den Sinn gekommen war und warum.

"Marto, fünfzehn Pfund '"

Sukinem schaute auch beim Ausrufen des Namens ihres Mannes nicht auf. Sie scWug nur die Augen nieder und sah Marto aus halbgescWossenen Augen- lidern flüchtig an.

Marto ging von der Waage zum LatexgefäB und entleerte seine Kanne. Ein Kuli kratzte die Kanne aus. Eine Sekunde lang sah Marto Sukinem, seine Frau, an, dann schritt er weiter, urn drauBen seine Kanne auszuwaschen. Als er beim Ausgang an·

gelangt war, hatte sein Gehirn einen Gedanken klar bekommen. Er stand still, zögerte einen Augenblick.

Und dann hatte er einen EntschluB gefaBt. Er kehrte um und trat VOl' den Hauptmandur hin. Er kauerte nieder und fragte ganz untertänig:

"Pa Mandur·besar, kann meine Frau Sukinem nicht zum Pondok gehen?"

"Nein '" sagte Mudin kurz, "Sie muB hier- bleiben."

Eine Minute lang blieb Marto in der gleichen Haltung sitzen. So lange dauerte es, bis die Ant·

wort des Mandurs zu ihm durchdrang. Er stand langsam auf und ging zum Ausgang. Er wusch seine Kanne und ging weiter zum Weg. Er ging langsam und unsicher. Sein Gehirn arbeitete schwer und träge. Aber plötzlich blieb er stehen, und nach kurzem Zögern kehrte er abermals urn und ging 28

(21)

Hauptmandur erfül1te ja die auf ihn abgeschobenen Verpflichtungcn. Vnd urn diesen Teil der Verant- wortung auf Mudin abschieben zu könnel1, muBte Pieter Arie auch Mudins Prestige den Kulis gegen- über wahren. Er konnte also während dieses VOl'- ganges nicht eingreifen. Deun der Kuli, der durch die Arbeitsinspektion weiB, daB er nicht geschlagen werden darf, hätte ja sonst auf den Gedanken kommen können, daB er, der Tuwan, Angst VOl' dem Tuwan-pescaal, den Tuwans van der Arbeitsinspek- tion habe. Und das hätte er natürlich allen anderen Kulis mitgeteilt. Und was wäre dann mit Pieter Arie geschehen, der für alle Taten seiner dreihundert Kulis verantwortlich war und mit seiner Zukunft und seinem Leben für die Folgen ungesetzlicher StrafmaBnahmen einstand ?

Nein, es blieb Pieter Arie gal' nichts andercs übrig, als zu rechnen, Listen zu kontroJlieren und - nichts zu hören. Aber als der letzte Kuli und auch Sukinem nach einem tüchtigen Rüffel verschwunden waren und Pieter Arie seinen Tropenhelm aufgesetzt hatte, urn nach Hause zu gehen, hielt er Mudin ein paar Schritte vom Schuppen entfernt an.

"Damit werden wir Unannehmlichkeiten bekom- men, Mudin. PaB mal auf, Marto verklagt dich. Es sind nul' sieben Kilometer bis zum nächsten Polizei- posten, er ist dort, ehe du es nul' weillt. leh würde ihn an deiner Stelle nicht aus den Augen lassen und sorgen, daB er nicht aus dem Pondokterrain heraus- kommt ..."

1

Geht es dich etwas an, warum deine Frau hier- bleiben muB? Seit wann hast du das Recht, hier dein groBes Maul aufzureiBen?"

Der Kuli wich zurück. "Du muBt mich nicht schla- gen, Pa... ich fragte doch nur. _."

"Schlagen? Schlagen? lch werde dich schlagen, Hurenkind, Teufelsbalg, Hundsfott ... ," Und Mudin lieB seinen Worten die Tat foigen und prügelte auf den Kuli los. Er schlug ihn mit der nackten Faust, dann mit seinem Stock, und scWiet3lic11, als Marto sich duckend versuchte, den Schlägen auszuweichen, nahm Mudin ihm seine Latex- kanne ab und hämmerte damit auf die zusammen- gekauerte GestaIt. Zum SchluB gab er ihm noch einen Tritt.

"Und jetzt marsch, zum Pondok, aber ein biBchen schnell ..."

Marto kroch weg. Seine Jacke war zerrissen.

Drei Biutstriemen hatte er auf seiner Wange, und sein Auge zeigte eine Schwellung, die van Sekunde zu Sekunde wuchs und dunkIer wurde. Auch auf dem Kopf hatte er zwei Beulen.

Niemand im Schuppen hatte auf diesen Vorgang geachtet. Sukinem saB mit niedergeschlagenen Au- gen. Der Untermandur wechselte die Gewichte auf der Waagschale und rief Namen und Zahlen aus, die der Schreibel' notierte. Die beiden im Schuppen beschäftigten Kulis kratzten die Kannen aus, und Pieter Arie rechnete und kontrollierte und war mit dem Rücken zu alldem gekehrt sitzengebliebcn. Der 30

(22)

33

1) Vcrwalter 3 Lulols, Kolonlsteu

und er fand mit einemmal, daB Mudin wohl doch nicht die gute Stütze und Hilfe war, wie er noch vor einer Minute geglaubt hatte.

"Der Tuwan-bessar1) wird sehr böse sein, und ich habe die Scherereien davon. Das ist deine Schuld, Mudin - du hättest die Sache ganz anders an·

fassen müssen I"

Pieter Arie war unzufrieden. Vnd Mudin ging schweigend und ehrfurchtsvoll, und doch ein biB- chen mit dem Gefühl ungerecht behandelt zu wer- den, hinter seinem Tuwan her. Er füWte sich nicht schuldig. Natürlich hätte er diese Geschichte nicht herauszufordern brauchen. Er hätte Marto ruhig und ausführlich erklären können, warum Sukinem warten muBte. Aber Mudin wuBte - und das muBte Tuwan doch auch wissen - und darum füWte sich Mudin ein wenig beleidigt - daB, wenn man einmal damit anfängt, einem Kuli das Warum und Wieso eines Befehls, einer Anordnung zu erklären, morgen zehn Kulis, übermorgen hundert Kulis eine solche Er- klärung fordern, und ein paar Tage später hat man überhaupt nichts anderes mehr zu tun, als allen Kulis alles zu erklären. Vnd wo würde dann die Arbeit bleiben ? Vnd Gehorsam muB auf einer Plan- tage das sein, was in einer Kaserne: Disziplin, Sub·

ordination und Gehorsamkeit sind. Das ist eioe Notwendigkeit des Systems. Vnd diese Notwendig- keit ruht nur auf einem einzigen Pfeiler: dem Prestige.

,Tida apa ..., macht nichts!" s:lgte Mudin. "Lass ihn ruhig klagen gehen '"

"Du wirst eine grol3e Geldstrafe bekommen."

"Das macht nichts, Tuwan ,..

Pieter Arie dachte nach. Mudin war ein treuer Hauptmandur, eine gute Stütze. Er konnte vielleicht Mudin die Geldstrafe zurückzahlen, denn Prestige ist woW eine Geldstrafe wert. Vnd Prestige, das hieB; die StelJung. Vnd d:e Stellung hieB; Tan.

tiemen. Vnd die Tantiemen konnten in dieser Zeit eine ganz nette Überraschung sein. Konnten viel- leicht siebentauseod Gulden sein. Vnd die Geld- strafe würde höchstens zehn Gulden betragen. Mit zehn Gulden siebentausend Gulden retten, das lohnte sich. Das konnte man wohl als wirtschaftliches Denken, als Ökonomie bezeichnen.

Aber der Fall hatte auch noch eine andere Seite.

Es ist für einen Verwalter höchst unangenehm wenn sich die Regierung um den Bctrieb seines Unternehmens kümmert. Jede Anklage eincs Kulis kann den Anla!3 dam geben. Vnd auI jeder Plantage geschehen einmal Dinge, die zu der Auffassung der regierungsseitig eingesetzten Arbeitsinspektion im Widerspruch stehen. Da nun einmal alle FeWer und Mil3griffe, die auf einer Plantage geschehen, auf das Schuldkonto des Assistenten gehen, so würde auch dieser höchst unangenehme Vorfall heute auf Pieter Aries Rechnung kommen.

Er wurde sich dessen plötzlich mit aller Deut- lichkcit bewul3t. Sein Gesicht verzag sich ärgerlich, 32

(23)

3S

AuBerdem waren Zeugen da. Zwei wichtige Zeu·

gen: die beiden Kulis, die im Schuppen beschäftigt waren. Nein, Marto brauchte nicht einmal falsche Zeugen. Sekundenlang stieg ein Argwohn in ihm auf, als er Mudin vor seinem Haus 50 ruhig mit ge- kreuzten Beinen auf seiner Matte rauchend sitzen sah. Mudin war als schlauer, geriebener Haupt- mandur bekannt. Bis jetzt hatte noch niemand es gewagt, gegen ihn Anzeige zu erstatten. Obgleich Grund genug vorhanden war. Abcr die Kulis hatten Angst vor ihm. Er war ihnen zu schlau. Mudin lVuBte immer, wann der "Tuwan-pescaal", der Ar- beitsinspektor der Regierung, kam. Mudin hatte immer seine "kabarangin", seine Berichte, die von Mund zu Mund schneller flogen als der Wind. Das ist so: Am Abend sagt der Tuwan-pescaal zu seinem Chauffeur:

"Amat, morgen muBt du urn halb sechs vorfahren.

Wir wollen nach Dolok Pandjang."

"Gut, Tuwan·besar", sagt Amat und geht Zigaret- ten holen. Und in dem kleinen Kramladen, wo er sie kauft, erzählt er, daB er morgen mit dem Tuwan nach der Plantage Dolok Pandjang fahre. Der Be- sitzer des Ladens ist nun ein guter Freund von Mudin und sagt daher zu einem Sadokutscher:

"Abang, wenn du vielleicht in die ähe von Dolok Pandjang kommen solltest, sorge doch dafür, daB Mudin erfährt, daB der Tuwan·pescaal morgen die Plantage besucht ... 1"

Der Sadokutscher gibt diesen Auftrag an einen Zwanzig Schritte \Veiler sagte Mudin:

"Ich werde diese Sache schon in Ordnung brin- gen. Tuwan braucht sich deswegen keine Sorgen zu machen. Ich garantiere, daB dadurch keine Un- annehmlichkeiten entstehen ..."

Pieter Arie brummte etwas vor sich hin. Er war am Eingang seines Gartens angelangt. Er hatte H unger und Durst. Er war müde. Mit wenigen groBen Schritten war er auf seiner Veranda. Die kühle Dämmerung seines Hauses empfing ihn wohl.

tuend und beruhigend. Eine volle Stunde der Ruhe lag vor ihm ...

Natürlich verklagte Marto den Hauptmandur. Die Plantage lag zu günstig, nur sieben Kilometer vom Polizeiposten entfernt. Sieben Kilometer hin und zurück, das ist eine Bagatelle für einen KuiL Das läuft er in den schützenden, dunkien Stunden der Nacht, wenn ihn niemand sieht und es für einen Manduren schwer ist, ihn irgendwo unterwegs ab.

zufangen und nach der Plantage mit zurückzuneh- men.

Marto war erst ein wenig urn das Häuschen des Hauptmandurs herumgeschlichen, urn zu sehen, ob Mudin auf ihn achte. Aber es war Mudin scheinbar ganz gleichgültig, ob Marto ihn bei der Polizei an- zeige oder nicht. Und das, obwohl ein Leugnen der Tat unmöglich war, denn man brauchte Marto nur anzusehen, um zu wissen, daB alle diese Beulen und Striemen nicht von selbst entstehen konnten.

34

(24)

müBte sich eigentlich schlafen legen, urn morgen frisch und ausgeruht arbeiten zu können. Alle Ba- racken waren jetzt geschlossen. Der Pondokplatz war leer und düster.

Aber in Martos Blut gärtc das Gefühl ungerecht geschlagen zu sein. Und Ungerechtigkeit ist am schwersten zu tragen. Ungerechtigkeit ist wie ein böser Geist, der immerfort am Ohr flüstert und das Herz heiB und aufriihrerisch macht und den Schlaf aus den Augen treibt. So wird das Blut immer glühender, bis es zum Kopf steigt und die Augen blendet. Dann wird man "mata-gelap", blind vor Wut, und die Hand weiG nicht mehr, was sie tut.

Nur an Rache denkt man noch... Rache ist wie ein kühler Wind an einem heiBen Sommertag. Ist wie labendes Wasser auf einem von Fieber glühen- den Körper, ist wie der kühlende Ananassaft in einer brennenden Kehle.

Marto wandte sich plötzlich urn, sprang über den Bacb, der das Pondokterrain von der Gummianpflan- zung trennte, und begann mit groBen, leichten Schritten zu laufen. Es war eine dunkie Nacht.

Der Mond blieb versteckt, und die Wipfel der Bäume verbargen die Sterne. RuGschwarze Finster- nis war vor und urn Marto, aber er ging ganz sicher. Nirgends strauchelte, nirgends zögerte er.

Sicher und zielbewuBt ging er durch das Düster, ein unsichtbarer, geräuschloser Schatten. Er lief, quer durch die Anpflanzung, den kürzesten Weg zum Polizeiposten. Sein Blut pulste ruhig in seinen 37 Ochsenwagenlenker weiter. Der Ochsenwagenlenker

wieder an einen bengalischen Brotbäcker, der auf seinem Rad, das Brot in einem groBen Korb auf dem Rücken, auf den verschiedenen Plantagen herumfährt. Und der bengalische Bäcker gibt die Nachricht an den chinesischen Kolonialwarenhändler der Dolok-Pandjang·Plantage weiter - und eine Viertelstunde darauf weiB Mudin es. Und wenn dann auch, alJerdings ers~ am nächsten Morgen, der Arbeitsinspektor dem Verwalter von Dolok Pandjang aus reiner Höf1ichkeit mitteilt, daB er in einer Stunde auf Inspektion komme ... dann hat Mudin schon längst seine VorsichtsmaBregeln ge- troffen. Dann gibt es mit einemmal in den ent- legensten Winkeln der Abteilung Arbeit - ~eist

mitten im Wald. Es ist ja auch immer Bedarf an Rottang. Es gibt auch immer wohl einen FuBpfad, der notwendigerweise sauber gemacht werden muB.

Solche Arbeiten, werden dann stets durch den Kuli verrichtet, der gerade im Augenblick eine höchst ungelegene Beule am Kopf bat. Von diesem Kuli heillt es dann, er sei "weggelaufen"!Im Tages- rapport wird er als "vermillt" bezeichnet. Und weil der Kuli doch nie weiB, daB der Arbeitsinspektor kommen wird, ist das für ihn nicht ""eiter schlimm.

Nein, Mudin war zu schlau. Mudin hatte noch nie eine Strafsache, noch nie eine Anzeige. Zögernd drückte sich Marto auf dem Pondokplatz herum. Der Ton·Tong um neun Uhr hatte längst geschlagen.

J

etzt müBte er eigentlich in seiner Kammer sein,

(25)

39 Nicht einmal Sukinem wuBte daB er Anzeige cr- hoben batte ...

Bereits drei Tage später wurden zum Landgericht vorgeladen: Mano als Kläger, Mudin als Ange- klagter, Pieter Arie als Hauptzeuge, und Darmo und Ukas, die beiden Kulis, die im Schuppen beschäftigt waren, als Zeugen.

Marto und die beiden Kulis gingen schon mor- gens ganz früh und zu Fu13 zum "Kotta", dem kleinen Ort, wo das Landgericht seinen Sitz hatte.

Sie benutzten jetzt den breiten von der Regierung angelegten \Veg. Sie gingen hintereinander her, nach der Gewohnheit der Eingeborenen, und plau- derten gemütlich über allerlei Geschehnisse im Pondok. Das war eine herrliche Abwe h lnng von der eintönigen täglichen Arbeit.

Pieter Arie und Mudin folgten einc Stunde später mit dem Rad nach. Pieter Arie voran Mudin hinter ihm her. Vnd wenn Pieter Arie nicht unentwegt an die möglichen Folgen dieser Geschichte hätte den·

ken müssen, hätte auch cr sich über diese Ab·

wechslung sicherlich gefreut. Aber50 war er schlech- ter Laune und spürte nur die brennende Sonne, die verschwenderisch auf der grellweiBen, staubigen StraBe lag.

Das Landgericht bef~nd sich an der äuBersten Grenze der Gemeinde. Es war em luftiges Gebäude, ein offener Schuppen, halb versteckt unter dem schwer herabhängenden Laub von ein paar groBen Waringinbäumen. Auch der mit Kies bestreute Adern. Sein Kopf war kühl. In seinem Herzen war

eine ruhige, leichte Freude, nun da er wuBte, daB er die ihm zugefügteV ngercchtigkeit rächen würde.

Denn - er war doch ungerecht behandelt worden.

Er hatte ganz höflich und wie es der "adat" vor·

schrieb, den H auptmandur gefragt, warum Sukinem in dem Schuppen zurückbleiben muBte. Vnd Su·

kinem war doch seine Frau. Der Hauptmandur selbst hatte sie ihm zugeteilt, vor einem Jahr, als Sukinem als neuer Kuli aus Java kam. Also hatte er auch das Recht zu fragen, was mit Sukinem ge·

schehen würde. \Vcnn sie einen Fehler begangen hatte, dann hatte Tuwan selbstverständlich das Recht, sie zu bestrafen. Sukinem war zwar seine Frau - aber sie war doch auch zugleich Kontrakt·

kuIL Vnd Kontraktkulis müssen eben das erdulden, was die Tuwans mit ihnen machen. Aber jedenfalls hätte Pa Mandur·besar auf seine höfliche Anfrage antworten können.

Marto kam auf dem Polizeiposten an. Sein unter- tänig grüBte er den diensthabenden Polizisten, dann brachte er seine Anzeige vor. Der eingeborene Polizei·

agent besah sich Martos Kopf und Gesicht, notierte, vor sich hinschmunzelnd, diese sichtbaren Zeichen von Gewalt und nahm das Protokoll auf.

Bevor noch morgens früh urn fünf Uhr der erste Ton·tong erklang, war Marto auf der Plantage zu·

TÜCk. Er wusch sich schnell, spülte sich den Mund aus und nahm sein Zapfmesser und die Latexkanne.

Mit keinem Wort verriet er, IVO er gewesen war.

(26)

hübsche Vorhof lag im Schatten dieser Bäume und wurde 50 gewissermaBen zu einem Freiluftklub für die Eingeborenen, die entweder als Angeklagte oder als Zeugen oder Kläger hier mit dem Gericht etwas zu tun hatten. Sie hockten dort in gemüt- lichem Kreise, rauchten und erzählten sieh Neuig- keiten. Malaien, die müBig und faul den vorbei- führenden Weg entlang bummelten, konnten oft ihre Neugierde für diese interessanten Gespräche nicht bezwingen und setzten sieh mit in den Kreis, um mitzugenieBen. Und auch die Polizisten, die ja an diesem Morgen anwesend sein muBten, standen um den Kreis herum und hörten zu, mischten sieh in die Unterhaltung ein und gaben ihre Meinung und ihren Rat zum besten. Es war ein merkwürdiger Gegensatz von offizieller Macht und lässiger Ge- mütlichkeit in diesen Polizisten. Ihre Uniform, der sehneidige Pfadfinderhut aus braunem Strohgeflecht, der kriegerisch aussehende "klewang" (Eingeborenen.

säbel), gaben ihrer Erseheinung etwas Martialisches.

Das Gemütliche zeigte sieh nur in ihrer Haltung, wenn sie sich unterhielten, in dieser lässigen, in den Hüften lockeren Haltung und in ihrer Art, wie sie, ohne einen Unterschied zu machen, mit Klägern und Angeklagten plauderten. Denn, 50 dachten wohl die Vertreter der heiligen Hermandad, was kann ich dafür, daB gerade ich von der Regierung dazu aus·

erwählt wurde, Polizist zu sein? Deswegen brauche ich doch nicht mein ganzes Leben lang wie eine aus Eisen gegossene Bildsäule dazustehen mürrisch

und sehroff meinen Mitmensehen gegenüber, die zu- dem noch meine Landsleute sind? Nachber, wenn die offizielle Dienststunde schlägt und ich offizie1l Agent und der Angeklagte offiziell Schurke ist, unter dem allsehenden gestrengen Auge des "Kandjeng·

tuwan·besar", dem sehr geehrten Herm Richter, der an seiner Jacke Knöpfe mit dem Namen der Königin der Niederlande trägt - ja, dann werde ich das mir vorgesehriebene Gesieht ziehen und zu pflicht.

gemäBer Sehweigsamkeit und Strenge verstummen.

Aber - solange diese Stunde nicht gekommen ist, interessiert es mich gewaltig, ob Sumo von Bukit Rajan die zwanzig Gulden, die er beim Würfeln ge·

wonnen hatte, wieder verspielte und ob die "njai"1) von dem Tuwan auf Abteilung 11 auf Tandjong Duwa entlassen wurde, weil der Tuwan heiratet, oder ob die Frau von dem Tuwan·besar von Tebing Muda schon ein Kind bekommen hat und ob es wahr ist, daB der Tuwan·besar von Sungei Putih

50 betrunken war, daB er zwei Ochsenwagen ange·

fahren hat, und daB die Versieherung den Schaden an dem Auto auf 300 Gulden taxiert. Nein, man kann gar nicht aufzählen, was es alles Illteressantes gibt. So jetzt wieder der Fall mit Marto, der Mudill verklagt hat. Ausgereehnet Mudin, der noch niemals angezeigt wurde.

Marto fühlte sieh als der Held des Tages. Er ist jetzt der Mittelpunkt des Kreises und erzäWt immer

1) Haushälterin

(27)

1)Lendentuch

43 Unterhaltung auf. Marto fühlt sich ein wenig lächer·

lich gemacht, aber er rehabilitiert sich sofort, indem er seine freche Frage an Mudin wiederholt. Was mit seiner Frau los sei I DaB er wissen will, warum seine Frau nicht nach Hause darf I Er hatte keine Angst vor dem Hauptmandur. Nein, er wird ihn verklagen und ihm eine Strafe auferlegen lassen.

Dann schweigen seine Zuhörer. Eine heimliche, glühende Erregung ist in ihrem Schweigen. Sie alle sind Spieier bis ins Blut hinein. Ob Mudin bestraft werden wird? Oder ob Marto in die Falie lief ... ? Eine Früchteverkäuferin kommt, und sie alle kau·

fen sich etwas zur Erfrischung. So ist es sehr gemütlich und nett, dies Warten auf den Beginn der Gerichtstagung ...

Der Kandjeng-tuwan·bcsar, der Landrichter, kam immer ein wenig zu spät. Er muBte fünfunddreiBig Kilometer weit fahren urn hier Recht zu sprechen.

Ein \Venig abgehetzt und rot stieg er aus seinem prustenden Ford, lief mit kurzen, sclll1ellen Schritten über den Kies des Vorhofs, wo alle Stimmen in ehr- furcbtsvolles Schweigen verstummten, und trat in den Schuppen ein, urn hinter dem dort aufgestellten Tisch Platz zu nehmen. Die Assistenten, die dort warteten, grüBten ibn höflich, ohne mehr als nur ein Brummen zur Antwort zu erhalten. Neben dem Landrichter saB ein aristokratisch aussehender Ein- geborener, bekleidet mit dem üblichen Sarong!), wieder, wie alles vor sich gegangen war. Natürlich

übertreibt er. Er - er hatte sich getraut, gegen Mu·

din das Maul aufzureiBen. Puh I Mudin ist eigent.

lich gar nicht so gefährlich. Nur die Kulis haben Angst vor ihm. Das ist das Ganze. Aber er, Marto, wird jetzt zeigen, daB er keine Angst vor ihm bat I

m ihn herum sitzen sie in gespannter Andacbt.

.Teder kennt den Hauptmandur Mudin. leder weill daB mit Mudin nicht gut Kirschen essen ist.

Und sie alle finden Marto unaussprechlich tapfer, daB er es gewagt hatte, sich soviel herauszunehmen.

Aber einigen unter ihnen ist die Sache nicht recht geheuer. Hat Mudin denn nicht versucht ihn fest·

zuhalten, damit er nicht zur Polizei gehen konnte?

Nein? So. Merkwürdigl Mudin ist schlau. Mudin läBt sonst doch keinen Kuli mit soviel Beulen und Strie·

men zum Polizeiposten laufen ? Sie sehen sich Marto an. Das eine Auge ist völlig geschlossen, eine dicke, lila·grüne Geschwulst hängt davor über seine Backc laufen violette Striemen, und auf seinem Kopf sind weitere zwei Beulen. Ts ... ts... ts... Mudin hat es ihm aber gut besorgt. Marto tastet mit vorsichti·

gen Fingern nach den schmerzhaften Beulen zwischen seinen borstigen scll\varzen Haaren. Und ob es Mudin ihm gut besorgt hattel Natürlich. Sogar mit der Latexkanne. Mit der Latexkanne? Ts, ts ...

nein, da muBten sie aber doch alle lachen. Wer hatte schon einmal so was gehört? So was konnte nur Mudin machen. Und für einen Augenblick johltihr Gelächter hoch über das dllmpfe Gemurmel ihrer 42

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darüber eine europäische weiBe Jacke, und mit einem äuBerst sorgfältig gefalteten Kopftuch, das sein hochmütiges orientalisches Aristokratengesicht eng umschloB. Das war der Aktuar, der dem Land- richter mit Rat und Tat zur Seite stand. Femer war noch einer der Polizisten da, den man aus seiner Plauderecke hergerufen hatte und der jetzt in "Hab- acht"-Haltung stand, zum Zeichen, daB die Sitzung eröffnet sei.

Der Landrichter war ein pensionierter Major der indischen Armee.

Er wuBte sehr wohl, was Disziplin und was Ge- horsam ist. Er konnte auch wohl Malaüsch - aber nur die gewöhnliche malaiische Vmgangssprache, die das Esperanto von Insulinde ist. Aber er konnte kein Javanisch, kein Sundanesisch, kein echtes Ma- laiisch. Er wuBte, was ein Ku!i ist, aber von einem Orientalen hatte er keine Ahnung. Das Strafgesetz- buch jedoch wird er wohl auswendig gewuBt haben.

Marto wurde vorgerufen.

Marto ging ganz d~mütig, so wie sein, adat" es vorschrieb, mit gekreuzten Beinen lieB er sich auf den Boden nieder und begann zu erzählen. Die Geschichte war deutlich genug. Er war geschlagen worden. Geprügelt. MiBhandelt. Das konnte ein kleines Kind sehen. Man brauchte kein Javanisch zu verstehen, urn das zu begreifen. Nicht einmal gutes Malaiisch brauchte man zu können. Der Landrichter benötigte also nicht einmal den Rat des javanischen Aktuars. Den benötigte er überhaupt nur in den 44

seltensten Fällen, denn während seiner Militärzeit, als Major, war er auch nicht gewöhnt gewesen, bei jemandem Rat einzuholen, wenn er einen Befehl oder ein Vrteil aussprach. Wo Disziplin und Ge- horsam herrschen, da ist Rat überflüssig. Da geht alles von selbst. So war es auch eine ganz klare Saehe, daB Marto verprügelt worden war. Vnd - wer hatte Marto geprügelt?

Marto verbeugte sich tief und lispelte ehrfurchls- von, aber stottemd in halb malaiischer, halb javani- scher Sprache:

"Dureh den Hauptmandur Mudin, Kandjeng- tuwan-besar, Euer Hochwohlgeborener groBer HenI"

"Hm. So. Dureh den Mandur-besar. Vnd warum hat der Mandur-besar dich gescWagen?"

Marto daehte nach. Dies zu erklären, würde sehr schwer sein. Er konnte nicht genug Malaiisch und der Kandjeng-tuwan-besar konnte kein Javanisch.

Aber er erzählte es dann doch auf Javaniseh. Vnd diesmal, naehdem der Richter den Aktuar mil fra- gendem Bliek ansah, übersetzte dieser mit tonloser, gleichgültiger Stimme:

"Eigentlieh war gar kein Grund vorhanden ge·

wesen. Der Hauptmandur hat ihn nur einfaeh so gescWagen. Nur weil er gefragt hatte, warum seine Frau noch in dem Schuppen bleiben müsse."

"Hm. So." Der hochwoWgeborene groBe Herr runzelte die Stirn und fragte drohend; " Waren Zeugen dabei?"

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"Ja, Kandjeng·tuwan·besar. Es waren Zeugen da.

Der Tuwan war Zeuge und die zwei im Schuppen beschäftigten Kulis Darno und Vkas."

"Hm. 50. Wo ist der Hauptmandur?"

Mudin trat nach vorne. Er kauerte sich nicht auf den Boden nieder. Er war ja Hauptmandur. Höflich, leicht vorgebeugt, blieb er stehen. Vnter seinem adrett in Falten gelegten Kopftuch erschien sein Ge·

sicht wie ein unlösbares Rätsel.

"Mandur-besar Mudin?"

"Saja, Kandjeng-tuwan-besar ("

"Auf welcher Plantage bist du Hauptmandur?"

"lch bin Hauptmandur auf ,der Plantage Dolok Pandjang in der dritten Abteilung, Kandjeng-tuwan·

besar."

"Hm. 50. Vnd hast du diesen Kuli mit Namen Marto geschlagen?"

Mudin verbeugte sich sehr höflich.

"Saja, Kandjeng-tuwan-besar - ich habe ihn ge- schlagen."

"V nd womit hast du ihn geschlagen? Mit der Hand?"

"leh habe auch mit meiner Hand geschlagen, Kandjeng;.tuwan-besar."

"Vnd womit noch hast du ihn geschlagen?"

"leh habe ihn auch mit meinem Stock geschlagen, Kandjeng-tuwan-besar, und auch mit einem Latex- eimer."

"Waren Zeugen dabei?"

"Saja, Kandjeng-tuwan·besar, es waren Zeugen

dabei. Tuwan war Zeuge und die beiden Kulis Ukas und Darma."

"Hm. Sa. Also, du bekennst?"

Mudin verbeugte sich wieder sehr untertänig. "lch bekenne, Kandjeng·tuwan·besar, ich bekenne alles ,..

"Hm, sa. Na, dann ist ein weiteres Zeugenverhör nicht nötig. Du bekommst eine Geldstrafe van zehn Gulden, und ich gebe dir den guten Rat, nicht mehr zu schlagen, denn sonst müfite ich veranlassen, daB man dich auf die rote Liste setzt,"

Mudin verbeugte sich. Er wufite, was die rote Liste bedeutete. Das hiefi, daB er als Hauptmandur entlassen würde, mit einem roten Pafi, der ver- hinderte, daB er jemals noch auf ganz Sumatra eine Stellung als Hauptmandur bekam. Aber er verzag keine Miene.

"leh danke lhnen, Herr Richter. Hier sind die zehn Gulden '" Vnd mit einer leichten, graziösen Bewegung holte er eine Banknote aus seiner Tasche und legte sie mit einer adat·Gebärde auf den Tisch.

Der Landrichter räusperte sich. Er strich über seinen wei.Ben Schnurrbart. Na, diese Sache war ja mal glatt verlaufen. Er sc haute Pieter Arie an und sagte in schroffem Ton, weil es nun einmal seine G - wohnheit war, zu allem, was sich Assistent nannte, sa zu sprechell:

"Vnd Sic - haben Sie noch etwas dazu zu sagen?,'

"Nein. Herr, .." sagte Pieter Arie sehr höflich.

aber mit eincm wütenden Seitenblick auf Mudin.

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Referenties

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