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Moderne Zuge in der Lyrik Rudolf Alexander Schroders

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Academic year: 2021

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(1)

von

Rosemarie D. Brozio

Skripsie ingele\ver vir die graad van Magister in die Lettere en Wysbegeerte (Duits)

aan die Universiteit van Stellenbosch

(2)

Diese Arbeit wurde in der Abteilung Deutsch der Universit~t Stellenbosch ange£ertigt.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. H.R. Kussler fUr die Anregung zu dieser .Arbeit Pnd die jederzeit gew~hrte UnterstUtzung und Fl:Srderung.

Herrn Professor G.P.J. Trllinpelmarill danke ich herzlich fUr sein begeisterndes EinfUhren in das Deutschstudium und fUr die Vermittlung eines Stipendiums der Universit~t Stellenbosch.

Die Schreibmaschinenarbeit wurde von Frau H.W. Stindt besorgt. Auch ihr sei herzlich gedankt.

(3)
(4)

INHALT

TRADITION UND MODERNE

...

5

MODERNE WIRKLICHKEIT

...

9

DUNKELHEIT 19 WORT UND SPRACHE

...

25

BILD

...

35

METAPHER

...

43

WEIT ERE MOD ERNE KENNZEICHEN

...

45

ZUSAMMENF AS SUNG

...

53

(5)

T R A D I T I 0 N UN D MOD ERNE

Die Li teraturwissenschaft erkennt in unserem Jahrhundert eine tradi tionelle neben einer vielsei tiger.. modern en Str~mung. So sagt Conrady: 11Neben j ener Art von Lyrik, die sich unter dem Zeichen des Traditionsbruchs verwirklicht, sind Gedichte entstanden, die durch eine b~~sste und lebendige Verbindung zur Tra-dition gekennzeichnet sind. Ihre dichterische Qualitctt ist oft nicht zu leugnen. Darum sind sie aus dem Ges.amtbild der Hoderne nicht wegzudenken. "1)

Hugo Friedrich meint, dass 11Carossa, R.A. Schr~der, Loerke ( ••• ) Erben und Spcttklassiker eines vielhundertjcthrigen lyrischen Stils" seien.2) Hans Schwerte nennt ·Hofmannsttal, Schr~der und Eorchardt als Bewahrer der Tradi-tion.3) Clemens Heselhaus spricht von

Schr~der,

Wiechert und Carossa. 4 ) Bei Grenzmann werden Werner Bergengruen, Elisabeth Langgctsser, Stefan Andres, Franz Werfel, Gertrud von le Fort und Rudolf Alexander Schr~der als FortfUhrer der Uberlieferung betrachtet.5) Von Walter

H~llerer

werden ausser

Schr~der

aufge-Zcthlt: Hans Carossa, Ricarda Huch, Hermann Hesse, Josef Weinheber, Werner Bergengruen und Albrecht Goes.6)

Gemeinsame Kennzeichen werden im Bewahren des Althergebrachten und Uber-kommenen gesehen, in der K~nnerschaft beim Handhaben der von vielen Dichter-generationen verwendeten Versmasse, im Abwandeln eines vielhundertjcthrigen Stils.

Schr~der selbst hat das fUr sich so formuliert, als er 1940 das Nachwort zur ersten Ausgabe der 11Weltlichen Gedichte" schrieb, das unverctndert abgedruckt

Hoderne Lyrik und die Tradition, S.415 Struktur, 5.8

vgl. Der Weg ins zwanzigste Jahrhundert, S.812

vgl. Die deutsche Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts, S.429 vgl. Dichtung und Glaube, S.315ff.

(6)

wurde, als der Suhrkamp Verlag 1952 11Gesammelte Werke in fUn£ BC!.nden" heraus-brachte: 11Das GefUhl des Eingegliedertseins in einen jahrtausendealten Zusam-menhang hat auch im Ubrigen die Ausgangspunkte meiner dichterischen Arbeit be-stimmt. Namentlich in der Richtung, dass ich mich niemals als ein Neubeginner,

Neut~ner oder VerhC!.nger neuer Tafeln, sondern als Fortsetzer, mi tunter sogar -und zwar mi t VergnUgen - als Wiederholer empf-unden habe. "7)

Die vorliegende Arbeit UberprUft die allgemein verbreitete Ansicht, Rudolf Alexander Schr~der habe in seinen Gedichten allein Antikes, Biblisches, Barockes,

Lutherisches und Klassisches verarbeitet, im Ubrigen sich weder an der Moderne orientiert noch von ihr beeinflussen lassen. Die Vermutung, in Schr~ders Ge-dichten fC!.nden sich m~glicherweise moderne ZUge, wird von H~llerer unterstUtzt: Auch 11den Gedichten Schr~ders sind ZUge eigen, die so vordem nicht in der deut-schen Lyrik vorhanden waren.''S) Dieser Meinung ist auch Conrady, wenn er von Gedichten der Traditionalisten spricht, die moderne ZUge tragen.9) Obwohl so unterschiedliche Aussagen vorliegen, ist Schr~jders Lyrik bisher nicht auf ihre ModernitC!.t hin untersucht oder ei~deutig beschrieben worden. Daraus leitet sich die Berechtigung ab zu UberprUfen, ob die Gedichte von Schr~jder moderne ZUge aufweisen.

Zuerst muss zwischen den Begriffen 11Moderne" und 11Tradi tion" unterschieden werden. GrundsC!.tzlich haben traditionelle und moderne Gedichte das gemeinsam: Sie sind Gedichte, von denen Kurt Leonhard sagt: 11Ein Gedicht ist durch nichts definiert als durch seine m1jgliche Wirkung. Die Wirklichkeit des Gedichts ist das Wort. Die Wirklichkeit des Wortes ist die

M~jglichkeit

des Menschen."10) Ob

7)

~~

10)

Bd. 1 , S. 117 9

Deutsche Lyrik 1900 bis 1950, S.101

vgl. Moderne Lyrik und die Tradition, S.417 Zur Definition des modernen Gedichts, S.43

(7)

das Gedicht nun m ~ g l i c h e r w e i s e eine Wirkung hat oder ob einem Gedicht eine

W

i r

k

u n g m~glich ist, bleibt offen. Angenommen wird hier, dass ein Gedicht durch das Wort wirkt. Andere Definitionen k~nnen den Charakter einer Beschreibung haben oder den Nachdruck allein auf bestimmte ZUge legen. Dabei kann Inhaltliches oder Stilistisches, Sprachliches oder Formales Uber-wiegen. Ulsh~fer ist der Ansicht, klassische Dichtung stelle Vorbilder, moderne aber Abbilder vom Leben und Verhalten der Menschen dar.11 )

Es gibt eine umfangreiche Literatur zum

vo~·liegenden

Problem.12) Ihr kaYffi man entnehmen, dass die moderne Lyrik gegen Ende des letzten Jahrhunderts Be-deutung zuerst in Frankreich erlangte, dass zur selben Zeit aber auch in anderen

L~dern modern gedicbtet wurde. Gewisse (auf Schr~der zutreffende) Eigenheiten heben diese Str~mung innerhalb der Literaturgeschichte sowohl gegen die Lyrik vorhergehender Zeitalter als auch gegen Dichtung ab, die gleichzeitig entstand.

Ver~derte Erlebnisvoraussetzungen und ein anderer Schaffensprozess unter-scheiden das Neue vom Uberlieferten. Erlebnislyrik, deren lyrisches Subjekt an vorgegebene Ordn~~gen gebunden ist, fUr den Leser aufschlUsselbare Bilder, der normative Charakter, die Aussageweise, Betonung der GefUhle, Vorherrschen des

Stimmungsm~ssigen bestimmen das Althergebrachte, das sich durch die grossen -ZUge der Epochen von einander abhebt. Ein modernes Gedicht dagegen ist

kon-struiert, montiert, gemacht. Gottfried Benn13)

l~sst

den Interessierten teil-nehmen an der Entstehung eines Gedichtes. Das Gedicht ist fertig vorhanden,

11) vgl. Die Wirklichkeitsauffassung in der modernen Prosadichtung, 5.14 12) vgl. z.B. Friedrich, Struktur;

von Wiese, Deutsche Lyrik; Hocke, Manierismus;

Heselhaus, Deutsche Literatur; derselbe, Deutsche Lyrik; Conrady, Moderne Lyrik; Burger, Struktureinheit 13) vgl. Probleme der Lyrik, S. 506

(8)

bevor der Autor dessen Text kennt. Aus der Sparmung von sch~pferischem Keim und den zur VerfUgung stehenden Worten fUhrt eine Art Ariadnefaden den Dichter bis zum letzten UberprUfenden AbfUhlen und Kontrollieren von Worten, Versen und Strophen.

Besonders h~ufig wird in der Literatur auf den Wort-Sprache-Bereich in der modernen Lyrik hingewiesen. Weitere Anl~sse fUr eine neue Typisierung sind die Dunkelheit, eine neue Wirklichkeit, das Uberraschende und Erschreckende moder-ner Verse, der Gebrauch von Bild und Metapher, das Problem des Beschreibens mittels negativer KategoriP~ und schliesslich die Parallelen zum Barock. Es ist zu UberprUfen, ob sich diese Kennzeichen bei Schr~der finden und in welchen Sinnzusammenh~gen sie gegebenerJalls stehen.

(9)

MOD ERNE W I R K 1 I C H K E I T

Die Diskussion des Wirklichkeitsproblems in den beiden Jahrzehnten nach 1950 grUndet sich d&rauf: dass viele Dichter des 20. Jahrhunderts den Begriff Wirklichkeit neu fUllen. Die Literaturwissenschaftler erkennen diese Tatsache und forschen nach ihren Ursachen. Umw~lzungen, hervorgerufen durch die Uber-raschenden zeitgeschichtlichen Ereignisse zweier Weltkriege, die in immer

rascherer Folge stattfindenden Erfindungen und Entdeckungen der Physik, Chemie, Biologie und Medizin, die kUhnen Konstruktionen der modernen TechBik, die ab-strakten Operationen innerhalb der Mathematik sind Vorg~nge, die jedermann beobachten kann. Auch der nachlassende Einfluss des Christentums auf die Men-schen so-v1ie die ungeahnten Mtsglichkei ten moderner Kommunikationsmi ttel

ver-~dern die Sicht der Wirklichkeit.

Die moderne Wissenschaft der Umweltforschung, die ihre Themen stets in einem Bezug zum Menschen sieht, steht vor bisher nicht gekannten Problemen, die fast in jedem Fall globale Bedeutung haben. Die Umweltforschung besch~ftigt

sich etwa mit den Auswirkungen der Sch~dlingsbek~pfung und der allgemeinen Verschmutzung, mit den Problemen von Verkehr und Transport, Raumfahrt, Bildung, Raumordnung tUld St~dtebau, Energie, Gesellschaft und Technik, Meeresforschung und Meerestechnik. In der Soziologie sind menschliches Zusammenleben und so-zialer Protest zu einer vor Jahrzehnten nicht erwarteten Bedeutung gelangt. Das Verh~ltnis von Mensch, Kultur und Technik hat sich so ver~ndert, dass Kon-flikte entstehen, weil dem Menschen seine Welt nicht fassbarer sondern fremder wird.

Aus der Existenz einer neuen Wirklichkeit entsteht sowohl ein Sich-Absetzen gegen diese Wirklichkeit als auch ein Zwiespalt zwischen ihr und der·modernen Lyrik. Im Gegensatz zum traditionellen Gedicht ist die Wirklichkeit nicht

(10)

Vor-aussetzung, sie ist Ziel des modernen Gedichts. Wirklichkeit wird nicht wieder-gegeben, vielmehr im Gedicht geschaffen.

Die gewohnte Wirklichkeit wird als Folge dieses Schaffensprozesses defor-miert. Deshalb finden sich H~ssliches und Disharmonisches in der Wirklichkeit moderner Gedichte. H~ufig fUhrt ein Erlebnisvorgang des Dichters auch zum Zer-splittern der Wirklichkeit. Einzelheiten erhalten eine besondere Bedeutung und sprengen dadurch die gewohnte Grenze. Das Verstandnis des Lesers und Interpreten gelangt oft bis an ein vom Dichter fUr das vorher Belanglose gesetztes Zeichm, das die neue Bedeutung unterstreicht.14) Die Wirklichkeit wird auf

sinntr~ch-tige Einzelheiten reduziert.

Di ese Verfremdung l~st die Wirklichkei t aus den r~umlichen, z ei t lichen, sachlichen und seelischen Ordnungen heraus und entzieht sie so der herk~mmlichen

Weltorientierung. Ein sinnlich vorstellbares Bild oder begrifflich zu deutende Verse sind darum kaum

m~glich.

15

)

Burger spricht von Expeditionen in die 11Exorbitanz" und von Experimenten mi t ihr. 16) I m Gegensatz zu Goethe und HtHderlin werden 11Exorbi tanzerlebnisse" moderner Dichter in Bildern -:md Kl~ngen ausgesprochen, 11die nicht Symbole, son-dern evokative li.quivalente sind. "17) Als Folge entsteht ein dichterisches Auf-brechen des Gedichts. Ganz moderne Dichter, meint Burger, montieren das Gedicht aus 11lauter

m~glichst

disparaten Suggestivfiguren der Exorbitanz."

17) Hierbei handele es sich urn eine Entwicklung vom 11ad~quaten Symbol" der klassischen Lyrik zum 11evokativen li.quivalent" im modernen Gedicht.18).

14) 1

5)

16) 17) 18) vgl. mElere~, Menschheitsd~eru..'1.g, S.118 vgl. Burger, Struktureinl1ei t, 5.261 ebenda, S. 2 59 ebenda, S.262 ebenda, S .268

(11)

Das Problem der neuen Wirklichkeiten wird auch von GUnter Bl~cker be-schrieben.19) Er ist der Meinung, der Wandel der Umwelt des Menschen und die

ver~nderte Wirklichkei t bedingten einen Zustand der Unsicherhei t. Der Mensch muss erst versuchen, das Neue zu verstehen und zu einer Neuorientierung zu

ge-langen. 20)

In einer Zeit der Ver~nderungen befindet sich auch der Dichter au£ der Suche nach den vielf~ltigen Assoziationen, die Wort und Sprache a u s s e r-h a 1 b der Tradition haben. Jeder Sinneseindruck, jede Bewegung, jeder Ge-genstand kann den Dichter an 11die Grenze von Zeit, Raum und

Pers~nlichkeit"

21

)

ftthren. Die entstehenden Assoziationen werden au£ alle M~glichkei ten hin mi t dem Geist abgetastet und mittels einer neuen Sprache wiedergegeben, deren

W~rter

mehr au£· Zusammenfassung als auf Entfaltung gerichtet sind. 22)

Hans Schwerte sieht als eins der drei Ereignisse, die die Entwicklung der deutschen Lyrik nach dem zwei ten Weltkrieg bestimmt haben, das 11magisch-figurative Gedicht 1123 ), das die Zeit aufzuhebe.."l versucht. Vergangenheit, Ge-genwart und Zukunft k~nnen simultan vorhanden sein. In dieser magischen Zeit-aufhebung wird es m~glich, dass auch das Individuum sich als geschichtliche Person aufhebt.

E i n e dichterische Uberwindung dieser M~glichkeit liegt im Wort, im Ausdruck. Mit Gottfried Benn setzt sich endgUltig der Wortschatz der neuen Naturwissenschaften und der Technik, der Sprachschatz der Grosstadt in der

19) Bltlcker, 1-lirklichkeiten, S.7ff

20) V on einem neuen Verh~ltnis zur Wirklichkei t, das mi t dem 11Ansturm gegen die Grenzen" verbunden ist, spricht auch Clemens Heselhaus, vgl. Deutsche Lyrik, S.170, 178

21) ebenda, S.11 22) vgl. ebenda, S.14 23) Schwerte, Lyrik, S.55

(12)

deutschen Lyrik durch. Als viel~ Dichter Benn und seiner Art sich auszudrUcken folgten24), schlossen sich Uberwindung und

VergeistigQ~g

der Wirklichkeits-problematik an. Von dieser Vergeistigung sagt Hans Wolffheim, sie sei 11das Entscheidend!O! aller Lyrik" und 11das

eig~"ltliche

lyrische Geheimnis". 25 )

In den neueren literaturwissenschaftlichen Abhandlungen steht man dem Problem der Wirklichkeit nicht nur skeptisch und misstrauisch gegenUber, Herbert Lehnert zum,. Beispiel sucht es sogar zu vermeiden. Wirklichkei t kann nach Lehnert nur in Beziehung zu einer anderen Gr6sse, etwa dem 11Zei t-Raum-Kontinuum"26), gesehen werden und bezieht aus solcher Relation ihre Bedeutung.

In den untersuchten Gedichten von Schr6der finden sich.Stellen, die einen Bezug zum modernen Wirklichkeitsproblem haben. H~ufig wird das Grauen darge-stellt. Mit einem dem Grauen verwandten Thema, der Klage, hat sich Richard Bochinger27)

besch~ftigt.

Er sieht die GrUnde fUr die Klage in der

gegenw~rti-gen Lyrik im Leiden der Menschen, in dem Zerfall innerer und ~usserer Ordn~~gen,

den Ver~derungen innerhalb der Natur und den von der Technik hervorgebrachten Neuerungen. Den Zusammenbruch des sozialen GefUges hatte schon Marx prophezeit, Nietzsche den Nihilismus befUrwortet. Die Sicherheit des Lebens ist

verloren-gegangen. Die Menschen sind unruhig und unsicher geworden. Alle BemUhungen des Individuums, sich aus dieser Situation zu befreien, fUhren zu neuem Klagen.

Wichtig ist es, folgende Frage im Hinblick auf Schr6der zu untersuchen: Kehrt sich sein Klagen zu irgendeiner Hoffnung, oder geht es Schrtsder urn

Auf-zeigen und Darstellen der irdischen Trostlosigkeit, urn das Gestalten einer vorhandenen Wirklichkeit: Das Ltssen dieser Aufgabe ist interessant, weil die

24) 25) 26) 27) vgl. ebenda, S.56 Wolffheim, Problematik, S.8 Lehnert, Sprachmagie, S.138 vgl. Bochinger, Klage, S.56-77

(13)

erw~hnten Stellen sich gleichm~ssig verstreut sowohl in den Weltlichen als auch in den Geistlichen Gedichten finden, oft nicht einn1al in Gedichten, deren Uberschrift das vermuten liesse. Richtig ist, dass in den Geistlichen Gedichten die religH5se LBsung vorherrscht, der Mensch mit dem Wissen eines gBttlichen GegenUbers zugleich Festigkeit gewinnt. Eine Anrede des Menschen an Gott be-freit nicht g~nzlich von der vorhandenen Unruhe, sondern ersetzt die als Folge

einer Hoffnungslosigkeit entstandene Klage durch innere Auseinandersetzung mit dem Problem der SUnde.

Bei SchrBder kann Klage zur Hoffnung werden, meist in den Geistlichen Gedichten. Andere Klage zeigt aber auch den Menschen, der ohne Fundament ist und keine trBstende Kraft - wie in der religi5sen Dichtung - findet.

In dem Gedicht 11Der Sommer" heisst es:

Warte du, wie einer auf Gipfeln stillh~lt, ) Eh du kUhn ins Grauen hinunterschreitest. (46)28

Die FrUchte an den B~umen und die Saat auf dem Feld reifen in der W~rme des Sommers. Nachts sch•.veigen die VBgel und der PH5rtner ruft die scheuen Sterne herein. Dann folgt die zitierte Warnung. Assoziationen zur GedichtUberschrift und zum Inhalt weisen auf die vermeintlich andere Sternenbahn w~hrend des Som-mers. Dieses Zitat l~sst sich - vergleicht man es mit dem Inhalt der zweiten Gedichth~lfte - auch auf den menschlichen Wanderer beziehen. Zu der Vieldeut-barkeit kommt, dass das Zitat der kUrzeste Satz des Gedichts ist. Zwar ist der Zusammenhang mehrdeutig, doch die wenigen Verse pr~gen sich dem Leser nachdrUck-lich ein: Eine Wiedergabe des vorhandenen Grauens vor der Gegenwart.

Ebenso ver~ndert gegenUber der traditionellen lyrischen Sehweise ist die-ses Aufzeigen:

28) Alle Zitate von Schr5der stmmnen aus: Werke I, vgl. Literaturver-zeichr.is, Texte

(14)

Nun aber sinnlos HingewUhlt, vertrockneten Munds, am Boden Lieg ich starr, ob irgend vielleicht der Abend Mir mit Tau und wehender SchattenkUhle

Tr5stlich hereinkommt.

(55)

Dass das lyrische Ich eigene Erfahrung kund tut, verwundert kaum. Doch 11 sinn-los hingewUhlt", 11vertrockneten Munds", "starr", das Wart en auf abendliche Tr5stung, beweisen hier, dass Schrader eine moderne Sicht gegenUber d~~

Wirk-lichkeitsproblem hat. Hilfe und Trost werden gesucht, die Auflasung der Klage bleibt ungewiss.

Im Zyklus 11Baumb1Ute in Werder" ist zu lesen:

In tausend Knospen auszubrechen, Schwillt Ast an Ast die Flur entlang. Du weisst es, dass sie Frucht versprechen; Da graut es dir vor solchem Drang. (341)

Wieder ist das Grauen, die unterdrUckte Klage, da. Nur stehen jetzt die Er-scheinungen des FrUhlings im Mittelpunkt. Schwellende Knospen befulgstigen den Betrachter, der bereits vom kommenden Fruchttragen weiss und den aus diesem Grund das Grauen befctllt. Ein natUrlicher, regelmctssig wiederkehrender Vorgang aus der Natur hat solche Wirkung - das befremdet und Uberrascht den Leser.

11Der Landbau" heisst die erste der Elegien. Das Gedicht ist als Ganzes fast zehn Seiten lang, und auch die Lctnge der einzelnen Zeilen ermUdet den Leser. Kurz nach Gedichtbeginn ist von der 11G5ttin" zu lesen, die auf einem r5tlichen Berg steht:

wo gegen die Ferne

Tie£ ins Grauen hinein schweift der begehrliche Blick. (78)

Der Abstand des Subjekts von der modernen Wirklichkeit des Grauens hat zuge-nommen. Die Gattin ist weder selbst Mensch, noch befindet sie sich im Zustand

(15)

des Grauens. Allerdings ist ihr Blick begehrlich und ftthlt sich vom Grauen der Tiefe angezogen. Das Grauen besteht in der tiefen Ferne; die Begegnung mit ihm geschieht.

Das Gedicht 11Stosseufzer" (463) beginnt mit 11Ach" und endet 11aus". Zu-f~llig kann diese Tatsache kaurn sein. Unmittelbar vor der Gedichtmitte heisst

es:

In den W~nden rieselt der Graus.

Wieder steht das Grauen nur in indirektem Bezug zurn Menschen. Es geht in die-sem Gedicht urn das Alter, urn den alten Mann. We~n nicht im inneren, so steht das Klag~n doch im ~usseren Mittelpunkt der vier kurze~ Strophen.

Fallen, stttrzen, Schmerzen haben, sterben, Kerzen brennen - im Zusammen-hang dieser an den Tod erinnernder W~rter steht kurz und eindringlich:

Der Tag blickt leichenfarb. (456)29)

Das Bild im Wasser ertrinkender Blttten ist Teil des Zyklus 11Baurnblttte in Werder".

Der Wind l~sst weisse Blttten dicht Aufs dunkle Wasser sinken.

Die schmttcken es vrie Sterne licht, Ehe sie drin ertrinken. (345)

Das ist Untergang im Sinne dessen, was die Literaturwissenschaftler die neuen Wirklichkeiten nennen. Der Wind, die unab~nderliche, unsichtbare Macht der ir-dischen Welt, weht weisse Blt~,ten ohne deren Zutun, deren Einverst~ndnis oder irgendeine Schuld aufs Wasser. Betont wird, dass das Wasser dunkel ist. Wie

29) vgl. George: Ihr tratet zu dem herde Wo alle glut verstarb. Licht war nur an der erde

(16)

helle Sterne dekorieren die weissen BlUten die Wasseroberflctche. Kurz danach versinken sie, und gerade diesen oft zu beobachtenden Vorgang hebt der Dichter hervor, indem er das brutale Wart ertrinken einfUhrt. Nicht die traditionelle Zusarnmenschau, ein Einzelaspekt der Wirklichkei t vird betont.

Ahnlich Uberraschend im selben Zyklus ist es, wenn gesagt wird:

So sinken sie nach kurzer Weile Dem Boden zu, der sic gebar.

(341)

Die Natur in Kreislauf von Beginn und Ende, von Geburt und Sterben. Nachdenk-lich stimmt, dass Entstehen und Vergehen in so enger Beziehung zu eina~der

~e-sehen werden. 30)

Das folgende Gedicht fctllt durch zwei kurzzeilige Strophen auf, wie sie bei Schr5der selten vorkommen:

Unter den Zypressen Liegt rnein Leib begraben, Liegt mein Leib begraben, Liegt er, schon vergessen. Liegt er schon vergessen, Hebe ich mich schnelle, An der dunklen Quelle

Meinen Mund zu nctssen.

(319)

Verbunden sind hier das Problem des Todes in der modernen Schau der Wirklich-keit mit dem Uberwinden von Zeit und Raum. Das lyrische Ich sieht den eigenen, bereits begrabe~en und vergessenen K5rper, der bei einer dunklen Quelle den Mund zu feuchten sucht. In der ersten Strophe sind die zweite und dritte Zeile gleich, die vierte Zeile wieder erscheint mit anderer Zeichensetzung zu Beginn der zwei ten Strophe. Wenn diese Wiederholungen Bedeutung haben, liegt der in-haltliche Nachdruck auf dem begrabenen 1md vergessenen Leib. Dunkel und

(17)

rend bleiben die beiden letzten Zeilen. Das wird unterstUtzt durch die kurzen hellen Vokale i, e, ct, in die das Gedicht aus den langen ei und a Ubergeht. Zwei lange ei in den beiden 11mein" beschreiben den Zustand von Ruhe und Dauer. Das zweimal vorkommende lange a unterstUtzt diese Unbeweglichkeit und fUgt ihr

eine Tiefe hinzu, in der das Grab sichtbar zu werden scheint. Zwar kommen auch in der zweiten Strophe lange Vokale vor. Doch die vier Zeilenenden werden von

W~rtern gebildet, deren Bedeutung in allen Fctllen FlUchtigkeit suggeriert. Ent-sprechend sind die jeweils betonten Vokale kurz: e und ct.

Die folgenden Zitate k~nnen interpretatorisch unter den verschiedensten Aspekten der neuen Wirklichkeit betrachtet werden.

Feurs Bronnen, der ohn Ende quillt

Und trinkt das ungescha£fne Licht. (915)

Hier sind die nicht zu einander geh~renden Bereiche von Feuer und - unge-schaffenem, nicht in die Existenz gekommenem - Licht durch die Tcttigkeit des Trinkens verbunden.

Und:

- Ich selber ward mir zu Gespenst. (442)

Als Dritter ging ein Kindertraum Dir heimlich an der Seite. (388)

Verfremdete Wirklichkeit bestimmt diese Zeilen, die den Leser Uberraschen.

Da schnUrte mir dies Bild Die Kehle zu:

Wie steh ich fremd und wild Vor solcher Ruh! (346)

Was das lyrische Ich beklemmt, wird nicht gesagt. Oder doch: Der Zauber des Mondes, der urn die Pracht gewoben wurde, eine HUlle wie weisser Nebel - die Aussage bleibt undeutlich, verschwommen. Kennzeichen dieser Verse wird das moderne Verhctltnis von Individuum und Wirklichkeit.

(18)

War wie ein Mann ohn Aug und Ohr,

Weil mir im l·iund der Schrei gefror, ( 1035)

Diese Zeilen finden sich im dritten Gedicht eines Zyklus 11Hier und Da". Die beiden zitierten Zeilen werden so vorbereitet: Ein Konjunktiv in der ersten Strophe (.,Dann war es mir, ich w;;tr bei Nacht / Allein im Finstern aufgewacht") l;;tsst ein Traurngeschehen vermuten; ein j;;ther Sturz im Finstern, (.,Wetterleuch-ten urn und urn", 11mich sag der Abgrund schauerlich",) Verh~hnung, bewegungsloses H;;tngen im Nichts. Dann erfolgt der Schrei des Ich, das weder h~ren noch sehen kann ( .. war, der nicht h1:5rte, der nicht sah"). Angst, Schrecken und Gram blei-ben im lyrischen Ich nach diesem Erlebnis. Doch die Aufl~sung des Konflikts entspricht der, die Bochinger fUr die religi1:5se Dichtung angibt31), weil die Klage sich zur .Hoffnung wendet. Das Ziel, die Umkehrung der Klage in Hoffnung, wird erreicht. Das Gedicht endet mit dem Wart 11Lobgesang".

(19)

DUNKELHEIT

Kaum tritt bei Schr~der ein Wesenszug der Moderne allein oder in reiner Form in Erscheinung. Da in Schr6ders Lyrik die modernen Verse selten ein

ganzes Gedicht ausmachen, meist unerwartet und versteckt inmitten traditio-neller Aussagewcisen zu finden sind, st~sst man immer wieder auf Vermischung. Unverstctndliche, dunkle und unerwartete Verse tragen oft zugleich ZUge der neuen Wirklichkeitsschau. Bei Schr~der stehen Altes und Neues nah beieinander. Zi tate aus dem Absdmi tt 11Wirklichkei t" wurden als befremdend und Uberraschend beschrieben. Die Dunkelhei t hctngt eng mi t der Wirklichkei tsauffassung zusammen. Deshalb zeigen die in diesem Kapitel angefUhrten Verse neben den Problem der Dunkelheit oft auch das der Wirklichkeit.

AusfUhrlich hat etwa Hugo Friedrich32) die Dunkelheit als Wesenszug der modernen Lyrik dargestellt. Dunkelheit im Gedicht fasziniert und verwirrt den

Leser. Der Zauber der Worte und die geheimnisvolle Aussage_wirken zwingend, desorientieren aber zugleich. Beim 11Zusammentreten van Unverstctndlichkeit und Faszination"33) spricht Friedrich van Dissonanz. Eine Spannung entsteht, die mehr zur Unruhe als zl,lr Ruhe tendiert. Dunkelheit 'l,]_nd Unverstctndlichkeit, so Friedrich, sind vorscttzlich. Sie begegnen im Inhalt Q~d im Formalen und

er-scheinen oft als radikale Umkehrung des Bisherigen. Das Experimentieren des Dichters mit dem Wart bedingt das Geheimnishafte. Es fUhrt zu VerschlUsselm1g, Verrcttselung, Chiffrierung. Vom Gedicht geht eine Schockwirkung aus, die den

Leser trifft und alarmiert. Die aus dem Gedicht kommende Unruhe fUhrt zu wei-terer Unverstctndlichkeit.

32) Friedrich, Struktur, S.10 33) ebenda.

(20)

Ebenso unerwartet Uberfctllt den Leser die Uberraschung. Sie hat ihre Ursachen in der Wirklichkei tsdeformierung und dem als Folge entstehenden Hctssliche.YJ., im Uberkreuzen van Nctchstem und Abstraktem, im Wechsel der Per_

$pektiven~im Ausschnitt, in befremdliche~ Ausweiten oder Sinengen der Vor-gctnge, Gehalte, Sageweisen. Rcttselhaftes m1d Absurdes sowie Abnormes wirken sich beim Leser als Uberraschung aus.

Bl:5schenstein geht den GrUnden fUr die Entstehung der Du.nkelheit nach. Zuerst beschreibt er das fUr einige franzl:5sische Dichter Zutreffende. Die Dunkelhei t "entspringt bei Baudelaire der unaussprechlichen Tiefe der Seele, die in das Gedicht gehoben werden muss, bei Rimbaud dem Unbekannten, das der Dichter stellvertretend fUr seine Zeitgenossen als erster erfcthrt, bei

Mallarm~ der Fremdheit absoluter Reinheit, die durch neue Gruppierung des autonom gewardenen Wartmaterials als Klanggestalt vernehmbar wird." 34 ) Du.nkle Verse zeigen oft eine 11wirksame Ausstrahlung", die das Ziel maderner Poesie, ndffilich den Leser zu schl:5pferischer Mitarbeit anzuregen, unterstUtzt.

Die Du.nkelheit maderner Lyrik kann weiter van der Du.nkelheit der Welt herrUhren, die in dieser Lyrik beschwaren wird. Denn das lyrische Ich steht in 11radikaler Subjektivitctt" allem Wirklichen gegenUber und entzieht sich als Folge davon den 11Konventionen der allgemeinen Wirklichkeitsauffassung".36) Daher birgt das moderne Gedicht eine verschlossene oder verschlUsselte

poeti-sche Welt. Bekanntes ist verfremdet und regt so die kritipoeti-sche Auseinander-setzung an. 37 )

Besonders Schrl:5ders Oden bleiben manchmal unverst~dlich. Sagen und Mythenstaffe der antiken Mittelmeerlctnder stehen einer ungehinderten Aufnahme

34) Dunkelheit, S.53 35l ebenda! S.54ff

36 Meixner, Du.nkelheit, S.43ff 37 vgl. ebenda

(21)

der Oden durch den Leser entgegen, dem eine gleich gute Kenntnis des Stoffes fehlen mag. Deshalb liegt bereits in den vorkommenden Namen und BezUgen viel Geheimnisvolles und Verwirrendes.

Gilt redliche Meinung noch, Gilt freier Sinn, da Pflug m1d Hammer,

Wappen und Be~tel und Krummstab zanken? (25)

In diese Verse gelangt die Dunkelheit der Moderne durch Zeichen, auf die ein Ganzes_reduziert wird. Ergibt das Erforschen der Zeilen aber Klarheit?

Unklar, diesmal durch das Experimentieren mit WBrtern, bleiben auch diese Verse:

und:

Du fUhlst's: der kranke Traum der Zeit Weicht hinter uns zurUck;

Das alte Leid wirbt neues Leid, Das neue neues GlUck.

(419)

Denn sie ers~uft ein silbergrUnlich Wittern Mit Nebelwallung morgendlicher Kunde: (203)

Geht es im ersten Beispiel nm Absurdes, so lassen sich die Zeilen des zweiten Zitats aus dem inhaltlichen Zusammenhang vieldeutig erkl~ren. Die vorangehende Strophe lautet n~lich:

0 kUhler Hauch aus dunk1em Botenmunde,

Auffahrender durch Laub mit feuchtem Zittern, Du machst am obern, zartverkl~rten Runde

Die Sternenschar in blasser Ohnmacht flittern! (203)

Die Schwierigkeit ergibt sich aus dem Substantiv, fUr das das Pronomen 11sie" steht. Wahrscheinlich ist, dass die Sternenschar ertrinkt. Dunkel, befremdend bleiben die Verse dennoch.

(22)

R~tselhaft erscheint die Zeile

Frost will im Sommer alle Blumen morden.

(157)

Sie ist der Schluss des elfte:1 Gedichts aus dem zweiten Buch des Zyklus ,,Andenken an eine Verstorbene".

Was Schlaf mit Mohn und Dunkel Uberdeckt (166)

So steht es im dritten Buch desselben Zyklus, undeutlich, undeutbar, modern.

Oder:

Auch:

Widersinnig scheinen die folgenden Zeilen Schraders zu sein:

All das, was leblos, was beruhigt scheint, Schl~ft wie das Winterwasser unterm Eis

Hinter der Lippe, die zu l~cheln weiss.

(195)

Sterne mUssen lehren Den Geist, der seine Einsamkeit ermisst,

Und willentlich den schalen Trost vergisst, Der FUlle lUgt im unausfUllbar Leeren.

(185)

Ich weiss L~nder, die fernhin schauen, Urn die Stirne kristallnes Grauen (284)

Eine der Ublichen Interpretationsmethoden hilft nicht weiter. Weder aus den inhaltlichen BezUgen noch aus dem Gesagten selbst ergeben sich Erkl~rungen

oder Hinweise. W~hrend vieles in Schraders lyrischem Werk deutlich und gut

verst~ndlich ist, l~sst sich in den drei angefUhrten.Beispielen nur die Zu-ordnung zu den Merkmalen moderner Lyrik angebe1; sie bleiben dunkel.

(23)

da aus offenen Schctden

Es rinnt viel wortreich mit verdorbenem Blut, (339)

In der auf diese Stelle folgenden Zeile verweist Schr(jder auf 11Stummhei t". Der Interprr;t muss sich begnUgen und schweige...11..

Sag, wechselst du Noch immerzu

Den vleg mit anderm Weg und findest keine Ruh? (256)

Unruhe im Inhalt, Gehalt und im Formalen addieren sich zu Unwillen und Schock.

Als wctr die Zeit hinweggerctumt Und ausgefUllt der weite Raum

Ohn Grund und Luft, AbgrUndige Gruft,

Grab, Z\vischen heut und einst die uferlose Kluft? (255)

Wie das vorige schliesst dieses Zitat mit einem Fragezeichen. Beide Fragen sind bodenlos; die zweite entsteht im Gesprctch des Ich mit einem Toten!

Dir aber rollt fernab der l~gst entfremdeten Heimat Bittere See zum Strand (124)

schreibt Schr(:$der. Und auch:

Denn senkrecht blickt aus eiserner Blctue Fremd der versengende Gott. (91)

Je einmal kommen "entfremde...11." und ,frerr.d" vor. Beide W(jrter fUhren direkt zur strukturellen Klctrung: Die Gedichtzeilen sind nicht aus dem Nacherleben gestal-tet, sie schaffen eine bisher fremde, jetzt moderne Wirklichkeit mit neuen sprachlichen Mitteln.

Den Abschluss der Beispiele bildet das Gedicht 11Nachklang" (386) mit dem Untertitel 11Traum im Traum":38)

38) vgl. Heine, Traum und Leben:

11Dein ganzes Leben war nur ein Traum,

(24)

Mir ist, als ob mir ein Etwas fehle,

Und wenn ich's denke, so weiss ich's nicht. Als spr~che der Traum zum Traum: 110 Seele, 0 Seele stl.sse, sUsses Gesicht."

De~~ es ist nicht, dass ich's nicht h~tte, Nicht, dass mir's Uber Tag gebricht.

Ist nur im Traum eine leere St~tte. Ist nur ein Schatte: dort war Licht.

Nicht, dass mich's ~ngstige, dass mich's qu~le:

Und doch, ich sinn, und ersinn es nicht, Dass mir dein Gruss und dein L~cheln fehle, SUsse Seele, sUsses Gesicht!

Die doppelte Uberschrift hilft dem Interpreten bei seinem Tun. Es handelt sich urn verschlUsselte Wirklichkeit, die auch dem sprechenden lyrischen Ich

verbor-gen und unaufschlUsselbar bleibt. Eine Entzifferung zu versuchen, ist nicht

n~tig.

Das Gedicht wirkt auf den Leser, denn es ist

einpr~gsam

kurz.39)

39) Zum Teilaspekt der Uberraschung ist vieles schon beim Betrachten der Dunkelheit gesagt warden. Ein frappierendes Beispiel soll deshalb den Abschluss bilden:

Keiner BrUcke noch so schwindelnd steile, Durch die leere Nacht geworfene Stufen

Sind zu schmal fUr meines Fusses Eile, (696)

Die Worte treffen den Leser so Uberraschend, dass beim Lesen sofort eine bild-liche Vorstellung aufkommt. Sicher ist das eine natUrbild-liche, ausweichende Hand-lung, denn die Uberraschung ist dem Dichter hier gut gelungen.

(25)

W 0 R T UN D S P R A C H E

Die Unverst~ndlichkei t moderner Gedichte beruht nach Ansicht Walter

H~llerers auf einem Spielen mit der Sprache oder einem Herausschieben der bis-herigen Grenzen, wodurch etwa 11das scharfe Anblenden der N~he" oder 11das Aus-halten van Spannungen" in die moderne Lyrik gelangen und zu neuen Merkmale."l.

werd~~.

40

)

Sturz, Schrei, Aufruhr und

Emp~rung

sind programmatische ZUge, die zum Vorwurf der Disharmonie fUhren und manche Gedichte schwer verst~ndlich machen. Denn ein Gedicht befindet sich immer dart, wo in der gegenw~rtige1

Situation die Grenze dessen erreicht ist, was mit W~rtern gesagt werden kann.41) Die Sprache ist oft knapp und andeutend, manches zum

Verst~ndnis

Wichtige wird ausgelassen, so dass der Leser notwendig entschlUsseln muss.

Zur UnterstUtzung der gehaltlichen Dunkelheit dienen folgende stilistische Mitt el: Eine 11Funktionsver~nderung der Pr~posi t ion en", Adj ekt i ve, Adverbi en, Verbformen; 11Umschichtung der normalen Satzordnung; Neigung zu offenen S~tzen". Inhalt und Titel passen

h~ufig

nicht zusarr®en.42)

Die Sprache des modernen Gedichts hat sich van der der Gedichte des 19. Jahrhunderts entfernt, weil neue Erlebnisvoraussetzungen und ein anderer

lyrischer Schaffensprozess eingetreten sind.43) Die Sprache aber ist das konstituierende Element der Lyrik. In einem guten Gedicht mUssen die W~rter notwendig und unauswechselbar sein. Jedes Wart hat

40) 41) 42) 43) H~llerer, Menschheitsd~erung, S.116 vgl. ebenda Friedrich, Struktur, S.130

vgl. H~llerer, Menschheitsd;tr.unerung, S.i18

(26)

einem Gedicht und ist ein integrierender Bestandteil. 44) Jthnlicher Meinung ist Helmut Prang, der als Masstab und Wertkriter.i.um 11 die Unersetzbarkeit von jedem Wort und Reim, von jedem Bild und jeder Gedankenfolge11 sieht.45)

Mi t dem Problem der Sprache in der modernen Lyrik hat sich Gottfried BeYffi befasst. 11 Es gibt Stimmuhgen und Erkenntnisse, die kann man in Worten ausdrUk-ken, die es schon gibt. Es gibt Stimmungen und Erkenntnisse, die kann man nur in Worten ausdrUcken, die es noch nicht gibt. Tut m~~ das letzte, ger~t man in Konflikte. 1146 ) Benn sieht den Lyriker in einem Laboratorium fUr Worte, in dem

er 11modelliert und fabriziert 11 • Er tlffnet Worte, sprengt sie, zertrUmmert sie, 11 um sie mi t Spannungen zu laden, deren Wesen dann durch einige Jahrzehnte geht. 1147) Das Wort ist fUr den Lyriker real und magisch. Er psychoanalysiert Silben und transplantiert Konsonanten, deL~ das Wort existiert an sich und mit Miene und Ausdruck. 48) Darum schreibt Benn von sich selbst: 11Mich sensationiert

eben das Wort ohne RUcksichtnahme auf seinen beschreibenden Charakter rein als . . M . ,,49)

assoz1at1ves ot1v.

Heinz Otto Burger spricht ~hnlich wie Benn von der Uberm~chtigen Stimmu."lg, au£ die der Dichter antwortet, indem er mit besonderen sprachliche11. Mi tteln eine Welt schafft. 11 Durch Rhythmus und Melodie, Implikation und Metapher11 fUgt er 11 in der Sprache die Elemente au£ neue Weise11 und gibt 11 jener Stimmung sug-gestiven Ausdruck11 • 50) Der Dichter schafft eine neue Welt und vernichtet

gleich-44) 45) 46) 47) 48) 49) 50)

vgl. Htlllerer, Deutsche Lyrik, S.81 Prang, Formgeschichte, S.150

Benn, Marginalien, S.389 ebenda

vgl. ebenda, S.390

Ber~, Schtlpferische Konfession, S.189 Burger, Strukturei~heit, S.257

(27)

zeitig eine bestehende, hebt sie auf oder bricht sie au£. Burger meint, dieses Aufbrechen sei das Prim~re, Entscheid~~de; er bezeicru1et das moderne Gedicht als eine 11Expedition in die Exorbitanz11 oder ein .. Experiment mit ihr11 •51) Das dichterische Aufbrechen kann an einer oder an vielen 8tellen geschehen. Bedeut-sam ist, dass Burger in diesem ZuBedeut-sammenhang auf die Montagetechnik der modernen

D:

1.c t er 1.nwe1. st. h h' . 52)

Interessantes Uber 8prache und moderne Lyrik sagt Gustav Ren~ Hocke. Er hat den Manieristen im 8inn, der auf den fortschreitenden Wirklichkeitsschwund, den er erlebt, so reagiert: Er reisst Realit~tsfragmente aus allen mBglichen Zonen des Erfahrens an sich und sammelt aus ihnen neue WBrter. Er reichert sei-ne 8prache mit WBrtern an, die aus den Bereichen Naturwissenschaft, Medizin 1.md

. 53)

Technik kommen. Das wird mBglich7 weil die Sprache nicht mehr mitteilender

Ausdruck sein will. 8ie gibt nur noch

vielf~ltig

deutbare Zeichen.54)

Diese Zeichen setzt der Dichter als Erinnerung an Augenblicke. Denn die ver~nderte Wirklichkeitsschau der Moderne hat zur Folge, dass vieles weder aus-gesprochen noch gestaltet werden kann. 8etzt der Dichter Bilder, sind sie fUr den Leser weniger bekannt und weniger aufschlUsselbar als die der

traditionel-len Did1tung. 55) Der Dichter wird die sprachlichen Bilder solange abhBren, bis sicher ist, dass sie von der 8prache gewollt sind.

Im Vorhergehenden wurde wiederholt von Montieren gesprochen. Das Experi-mentieren mit dem Wort ist in der modernen Lyrik als bewusster Traditionsbruch

51) 52) 53) 54) 55)

ebenda, 8.259 (vgl. auch Anmerkung 16) vgl. ebenda, 5.262

vgl. Hocke, Manierismus, 8.185 vgl. ebenda, s.204

(28)

zu verstehen. Gut und pragrarnmatisch hat Benn das farmuliert: .. Ein Gedicht wird gemacht ."56) Im Gegensatz zur Tradi tian fUhlt sich das I eh der Maderne frei gegenUber allen einengenden Bindungen und l~sst der Phantasie und dem Intellekt freien Raum. Canrady spricht ( v1ie Benn var ihm) van 11artistischer 5prachkunst." 5

7)

E i n Ziel des Experimentierens ist es, das Material Sprache van allen traditianellen Bedeutungen und Elementen 0

0 58) D ·

zu relnlgen. as ge-schieht mittels eines kUhl berechnenden Verstandes sawie mit Gedankenspie-lerei, Wartkombinatian, Metaphernmontage und Begriffs-Akrabatik, wie Prang anschaulich farmuliert.59)

Als Falge davan ist aus der madernen Lyrik ,!zunehmend 5prachmagie"60) gewarden, weil die Bedeutungen an den Randzanen der W~rter liegen und van Rhythmus, Klang und Tanalit~t mit bestimmt werden. Friedrich nennt den Dichter

61)

den 110perateur der 5prache" , der den Leser schackt, alarmiert und entsichert durch die 11radikale Verschiedenhei t" van dichterischer und Ublicher 5prache.

62 ) Dennach geschieht das Dichten van der 5prache her, und es gilt, den im Wart selbst liegenden Impuls zu finden. 63) Paul

B~ckmann

sieht das Ringen mi t dem

Wart als krisenhafte Erscheinung und meint, es sei ein Zeichen dafUr, 11dass

die frUhere 5elbstgewissheit der Ich-Aussprache mehr ader minder verlaren ge-gangen ist." 64 ) 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63) 64)

B~~, Prableme der Lyrik, 5.495 Canrady, Maderne Lyrik, 5.431 vgl. ebenda, 5.433 vgl. Prang, Farmgeschichte, 5.151 Friedrich, Struktur, 5.133 ebenda, S. 11 ebenda, S .12 vgl. ebenda, S.23 B~cY~ann, 5ageweisen, 5.37

(29)

Herbert Malecha betont den von Wolfgang Kayser verwendeten Begriff 11sprachliches Kunsh.rerk". Als solches will das moderne Gedicht verstanden

65\

werden. Deshalb muss es aus seiner Eigenhei t begriffen werden. 1 Da die Worte den Ch-1rakter von Sprachzauber und Beschw1::5rung annehmen, kann im Ge-dicht etwas aus Worten hergestellt oder gegenwartig gemacht werden.66)

Benne von Wiese sieht die gegenwartige Lyrik als 11 egozentrischen Protest", der durch das Besondere seiner 11 einmaligen sprachlichen Mi tteilung mi t all ihrer stilistischen und klanglichen ZusammenfUgung" lebt.67)

Wie verhalt es sich mit Wort und Sprache bei Schr1::5der? DarUber soll der folgende Abschni tt Auskunft geben.

Freund, so wahre die Glut, wahre dein Haus! Denn Gast-Freundschaft 1::5ffnet die TUr; und mit dem Wandernden

Kommt das m1::5rdrische Dunkel, Kommt der giftige Frost herein.

Der vergiftete Tag sinkt in die Nebel hin,

Und im Westen verwelkt zitternd das Rot und schrumpft Wie die Blatter der Rose,

Die der krankende Reif benagt. (49)

11Das m1::5rdrische Dunkel", 11der giftige Frost", ,.der vergiftete Tag", ,.der krankende Reif" - diese dichterischen Wendungen fallen in den beiden angefUhr-ten Strophen auf. Der Leser wird sofort auf sie aufmerksam, weil er bisher kaum eine so ungew1::5hnliche Zusammensetzung d i e s e r Adj ektive mit

d .i e s e n Substantiven gelesen hat. Ausserdem geh1::5rt Derartiges weder zu seinem aktiven noch zu seinem passiven Wortschatz. Es handelt sich urn gebrauch-liche k~rze Substantive, denen Schr1::5der durch ein Adjektiv mit negativem Klang und kurzem Vokal einen bisher unbekannten Sinn leiht.

65) vgl. Malecha, Merkmale, S.5 66) vgl. ebenda, S.6

(30)

Jthnliches steht im selben Gedicht an ande:cer Stelle:

EinwCirts weiset das Jahr. Und die umnebelten Tage sinken zu frUh, ach, und die schaudernden

Wipfel geben nicht Antwort,

Und es redet der Wind al~ein. (48)

11Umnebelte Tage" waren schon bisher denkbar. Aber 11 schaudernde Wipfel" sind neu und werden durch Personifizierung (die bei Schr~der oft zu finden ist) dem Versteindnis der Leser entrUckt. Niemand erwartet eine Antwort von den 11schaudernden Wipfeln". Doch heisst es: 11geben nicht Antwort" - l a n g s a m liest man diese drei vmrter. Wortstellung und Rhythmus bewirken den gleich-meissigen betonten Ausdruck dies er Wortfolge. Besonders die zwei te und dri tte Zeile der wiedergegebenen Strophe sind befremdend modern.

Weitere Stellen lassen sich finden, wo auf modern anmutende Weise Adjek-tiv und SubstanAdjek-tiv verbunden sind:

und wilder und unmutsvoller

War£ dich die Sehnsucht hin, trUmmernd das straubichte Bett. (96)

11Das straubichte Bett" ist nicht vorstellbar; dazu wird der Leser auch gar nicht gezwungen. Vorher, den Nebensatz einleitend, steht 11trUmmernd", das 11das straubichte Bett" aufhebt und zerst~rt, ehe es richtig ersteht.

In einer der Elegien steht:

( ••• ) beginnt gleich der melodische Mord (134)

Aus einem Sonett:

Dein Angesicht erhebt sich immerzu

(31)

Und in den Liederkreisen:

Aber der andre Geselle

StUrmt ins ergrausende GlUck. (424)

Ebenso bedrUckenn und unverstCindlich:

Im grauenvollen Weltverwildern

Bleibst du allgegenwCirtig fromm. (692)

Interessant ist es, den Gebrauch der Zeiten bei Schrader zu untersuchen.

Brich denn, ehe das Dunkel

Kam, die berstende Frucht vom Baum. (72)

Der Hauptsatz steht im PrCisens; der temporale Hebensatz gibt im Imperfekt den Zeitpunkt fUr die PrCisens-Aufforderung an: Imperativ ~~d angegebener Zeitpunkt heben sich durch die Unmaglichkeit der zeitlichen Folge auf; sie werden irreal.

Wir sterben erst, wenn du starbst! (287)

Auch hier wird ein Geschehen durch eine nicht magliche Bedin~~g der RealitCit entfremdet.

Bin ich, der ich einmal war,

Bin, der nie.gewesen. (434)

WCihrend die erste der beiden Zeilen verstCindlich ist, bleibt die zwei te durch das Wart 11nie" ausserhalb des Verstehens. Oder geht es nur urn einen in der Gegenwart stattfindenden Wandel, der vorher nicht vollzogen wurde? Inhaltlich stellt sich diese Frage, sie wird aber durch das zweimalige 11Bin". negativ be-antwortet.

Ich sah dich wohl, ich kannte dich wohl,

I eh seh und kenne dich nicht. (454)

Die zweite Zeile hebt wortkarg und in der Gegenwart das auf, was in der Ver-gangenheit maglich war.

(32)

Welt, du herbstest deine Sorgen; (768)

steht zu Beginn des zweiten Buches der Geistlichen Gedichte. Das Verb 11herbsten" bedeutet sicher fUr Schr~der die M~glichkei t, eine n e u e Vorstellur.g wiederzugeben. Da es sich urn die Ableitung von einem bekannten Substantiv handelt, f~llt dem Leser der Nachvollzug der Aussage leicht.

Aber du fliehst, wo grau

Der Rauhreif \v~lder verblindet; ( 296)

Wieder liegt eine Personi.fiziel~ung vor. Der Rauhreif tut etwas Ungew~hnliches:

Er verblindet Wdlder. Die Vorsilbe macht das Verb in diesem Fall modern. Es drdngen sich andere Verben auf: blind sein, blenden, verblenden, erblinde."l.. Sie lassen den Leser bald das Neue bei Schr~der begreifen.

Wenn ein behendes Gesprdch dir bis zum Ekel zerlaugt Jedes Geheimste der sinnigen Brust: und krank in der H~he

Schwinden die Sterne, erblasst Uber dem stinkenden Schwall. (86)

11Behendes Gesprdch", 11 sinnige Brust", "stink ender Schwall" sind wei tere Bei-spiele fUr die im vorhergehenden Absatz erw~hnten neuen Zus~nensetzungen von Adjektiv und Substantiv. Wichtig ist im Zitat das Verb 11zerlaugt". Es geh~rt

wohl in den naturwissenschaftlichen Bereich, soweit es den Zusammenhang mit 11Lauge" betrifft. Eine Vorsilbe entrUckt es seiner eigentlichen Zugeh~rigkei t und erlaubt ihm eine Tdtigkeit im lyrischen Bereich.

Am Berg liegt Schnee: doch schwarz und purpurn

Schattet und golden zutal die Waldung. (74)

Zuerst fdllt die Wortste1lung auf: Die dritte Farbangabe ist durch das Verb 11 schattet" von den beiden ersten getrennt. 11Sc:hatte11

11 ist als Verb weniger

(33)

zv.tal schattet, geht es weniger urn eine Bewegung als um eine Beschreibung. Die drei Farben schwarz, purpurn, golden verst~rken diesen Eindruck.

Hier zwei Zitate, die interessante neue Wortbildungen Schrtlders zeigen:

oder verfolg ich selber

Berghinaus, talinnen durch Wald und Trift unfreundliche Spuren? (55)

Neu ist hier die Zusammensetzung, die der Leser als gegen die Norm gerichtet empfindet. 11Innen" und 11Berg" scheinen eher eine Einhei t zu bilden als die vom Dichter gew~hlte von "hinaus" und 11Berg". Ebenso verh~lt es sich mit 11 talinnen". - Das zwei te Beispiel

Noch ast- und wipfeloffen (298)

enth~lt eine ~hnlich gegen das Empfinden gerichtete Wortschtlpfung. Ast und Wipfel gehtlren als Teile des Baumes zu einem Ganzen, das als geschlossen be-trachtet wird. Ist es offen, wie in der dichterischen Formulierung, wirkt es befremdend.

Dass Schrtlder auch einmal von der herktlmmlichen Zeichensetzung abweicht, zeigt diese Stelle:

Der doch atmen, der doch wiegeln,

Steigen ~inken wandern muss. (310)

Die Kommas in der Aufz~hlung mehrerer Verben fehla~. Ein Grund bietet sich an: Der Fluss der Bewe~mg vom Steigen zum Sinken und wandern wird fliessender und

stet er.

Wo hab ich's nur gelernt, Wo vrctr mir' s nur geschehen,

Das Auge schwarz besternt,

(34)

Dj e dri tte und vierte Zeile sind unverstfuldlich, wen..l')_ eine Interpretation versucht wird, die sich auf die traditionelle Wortbedeutlmg stUtzt. L~sst man den Kontrast von 11schwarz" und 11besternt" sowie die Zusammensetzung von 11Wimper" und 11Strahl" als moderne Sprache wirken, entsteht eine Art Bild von erstaunlicher Anschaulichkeit.

Auch die Zeilen

Nun sinkt der sp~ten Scheibe Zirkelglut

Durch Wolkenstreifen westlicher Gel~nde. (203)

zeigen bei intensiver Besinnung au£ die m5glichen BedeutQl')_gen moderner sprach-licher Pr~~ungen den Charakter eines Bildes, das so bewegt und farbig ist wie der Abschnitt .eines anderen modernen Produ~ts; eines Films.

(35)

B I L D

Bildhaftigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil jedes sprachlichen Kunst-werks. Der~ im Bild entsteht eine Welt, die unabh~ngig von einer anderen lebt. Das Bild ersetzt in der Dichtung eine sachliche Aussage durch die eigene Welt, die beseelt und voller Geftthltem ist und deshalb Uber der Welt der Dinge steht.

. 68)

In der Lyrik zeigt das Bild eine besondere Anteilnahme des Sprechenden.

Neben Rhythmus, Assoziation und Sinnzusammenhang ist das Bild e i n Mittel fUr den Dichter, die Welt zu

bew~ltigen.

69

)

Das Bild kann in der modernen Lyrik anders erscheinen als in der traditionellen. Gustav Rene Hocke zitiert Pierre Reverdy: 11Das Bild ist eine reine Schtlpfung des Geistes. Es kann nicht aus dem Vergleich, vielmehr nur aus der Ann~herung von zwei mehr oder weniger von einander entfernten Wirklichkeiten geboren werden. Je entfernter die

Be-zieh~~gen dieser Wirklichkeiten zu einander und je genauer sie sind, desto

st~rker

wird das Bild sein."70)

In der Moderne l~sst sich die Irrealit~t der Bilder oft nicht in Uberein-stimmung mit Naturvorg~ngen, Erfahrungen oder Erlebnissen bringen. Die Phanta-sie hat sich in

dies~~

Bildern freigemacht. 7

i)

Das ftthrt zu

Verst~ndnisschwie-rigkeiten zwischen Leser und Gedicht. Urn das gute, ganz moderne Gedicht zu verstehen, muss der Leser die selbe harte Arbeit leisten wie der Dichter. 72)

Htillerer z~hlt einige Bilder auf, die in der modernen Lyrik h~ufig vor-kommen: Wttstendttrre, tides Land, Froststarre, das Ausgesetztsein in einer

Land-68) 69) 70) 71) 72) vgl. Wilpert, Sachwtirterbuch, S.90 vgl. Htillerer, Deutsche Lyrik, S.80 Hocke, Manierismus, S.180

Zum Thema 11Bild" vgl. auch: Nttndel: Verlust,

Sanner: Wort und Bild

vgl. Wolffheim, Problematik, S.iO vgl. ebenda, S.11

(36)

schaft ohne Schlupfwinkel. M1:5gliche andere Bildkombinationen sind 11das An-rufen erdgeschichtlicher Zeiten in Verbindung mit dem Hier und Heute tech-nischer und gesellschaftlicher Entwicklung" oder 11das Zusammenraffen n~chster,

sinnenf~lligste.c Gegenst~nde und fernster, dem menschlichen Begreifen sich entziehender Abstrakta". 73)

An anderer Stelle spricht H1:5llerer davon, dass sich im modernen Gedicht 11Bildelemente" finden, 11die untereinander in Spannung stehen. Diese SpannUJ."lgen sind wichtiger als das Bildermachen, weil sie wirksamer und genauer sind. "74 )

Hugo von Hofmannsthal sagt Uber 11die Sprache des lyrischen Werkes von Rudolf Alexander Schr1:5der", sie befinde sich 11in wunderbarer Ausgcwogenheit

( ••• ) zwischen Dild und Zeichen.•.75) Ob diese Bemerkung inhaltlich zu verste-hen ist, vielleicht im gehaltlicverste-hen Sinn, oder ob auf sprachliche Eigenheiten Schr1:5ders Bezug genommen wird, ist nicht deutlich. Da aber Schr1:5ders Gedichte voller Bilder, Vergleiche, Metaphern sind, wird angenommen, Hofmannsthal

be-ziehe si eh ( auch) auf die sprachliche Sei te der Schr1:5derschen Lyrik.

Im folgenden soll untersucht werden, von \velcher Art die Moderni t~t Schr1:5derscher Bilder ist, und wie sich in ihnen die Probleme der Menschen unseres Zeitalters spiegeln.

73) 74) 7 5)

In mancherlei Gestalten kommt der Tod

Zu uns, als Wolke, Gold und hi~~lisch Blau, Als Duft aus Blumen, Spiegelquell der Au, Als Freundeshand, als abendliches Rot.

H5llerer, Deutsche Lyrik, S.79

H1:5llerer, Menschheitsd~erung, S.119 R.A. Schr5der, S.311

(37)

So lautet die erste Strophe des zehnten Gedichts aus dem zweiten Buch der Sonette 11Andenken an eine Verstorbene". Diese Zeilen fassen die vielen

ml:5g-lichen Erscheinungsweisen zusammen, in denen der Tod kommt: aus der den Menschen umgebenden fernen und nahen Natur, sichtbar und unsichtbar, vom

N~chsten. Interessanterweise sind es stets Tod oder Untergang, die die Bil-der in Bil-der Schr1:5Bil-derschen Lyrik ausmachen. FUr diesen sehr moBil-dernen Zug sind allgemeine Zei tstr15mungen verantwortlich. 76)

Hier ist das erste Gedicht aus dem Zyklus 11Sommerverse" mit der Uber-schrift ,.Junigewi tter":

Kuckuck und J ohanni s\vurm Und der frUhe Mond im Sinken; Uberm Berg die Wolkenwand, Unbe-vreglich, Turm ::m Turm. -Soll das ausgedl:5rrte L~~d Brennen, oder soll's ertrinken?

ZUngelnd spaltet sich der Strahl, Aus dem Raunen wird ein Grollen.

Tropfen. - Und nun rauscht's mit vollen

B~chen ins erschrockne Tal. (419)

Eigentlich geh1:5ren alle im Gedicht erw~hnten Tiere und Naturelemente wie selbstverst~dlich zu einem Sommerbild. Beeindruckend sind die durch den Gedichtaufbau verst~rkten Aktionen innerhalb der beiden Gedichth~lften. Die erste, l~gere Strophe steigert das Geschehen zu den Alternativen "brennen" oder 11ertrinken", die an die biblischen Bilder vom Weltuntergang durch Wasser-fluten und Feuersbrand erinnern. Die beiden ersten Zeilen der kUrzera1 zweiten Strophe sprechen vom Entladen des Gewitters. Dann ein zweisilbiges Substantiv (

11Tropfen") als n~chsten Satz, der unvollst~ndig bleibt, aber die Ger~usche und Bewegungen des Gewitterregens eindrucksvoll wiedergibt. Der Schluss legt

(38)

die Parallele zum Menschlichen nahe: Wer ohne eigenes Zutun das Gewi tter, den

m~glichen Untergang, den Tod erlebt, kann sich weder wehren noch etwas verhin-d ern. Er kann n u r sich selbst beobachten.

Mir ist noch immer, '..rie mir vorzeiten war, Als durch den Garten, unter den hangenden,

FruchtUberladnen Apfelb~umen

Mitten ins Schattengewirr der Vollmond Aufs Rasenfeld verlorene Zeichen schrieb, Die sich verschoben, wenn aus dem knorrichten,

Umfinsterten Genist ein Apfel

Fi el und die raschelnden Zweige wankten.

(67)

n)

Der Vollmond schreibt verlorene Zeichen auf den Rasen. Bedeutsam an diesem Sachverhalt ist das charakterisierende Wort 11Verlorene". Sind die Zeichen urn-sonst geschriebcn, weil sie bald vergangen sein werdey-J.? Meint dieses Wort viel-leicht die Vereinzelung der Zeichen, die den Boden nur an den Stellen erreichen, die das Gewirr der Jtste, Blcttter und FrUchte zulctsst? Beiden Deutungen sind die kurze Lebensdauer und das Bestimmtsein zum Untergang gemeinsam.

und die versteinerte Flur

Alles Befruchtende hemmet und schliesst mit eiserner Klammer

Das Lebendige ein, aber ert~tet es nicht. (83)

Die Flur ist versteinert, also nicht bestimmt, Leben hervorzubringen. Sie hemmt das Lebendige nicht nur, sie schliesst es ein mit einer Klammer, die

eisig ist. Dennoch wird das Lebende nicht getatet. Doch ist die Bedrohung Uberm~chtig und bedrohend; sie bewirkt die Angst - das bisher ungekl~rte

Prob-lem des modernen Lebens, das Mediziner, Soziologen und Theologen nicht zu la-sen verm~gen.

77)

vglo Britting: Kr~h~~schrift:

11Die Kr~hen schreiben ihre Hieroglyphen In den Abendhimmel, in den bleichen: Wunderliche, schnarkelhafte Zeichen11 Gedichte, S .183

(39)

Dich schwindelt; deru1 graunvoll

Dr~ut und gef~hrlich der Or~. Unter dem gleitenden Fuss

Kollert Geroll; der Strudel erfasst's und schleudert die Brocken Hinter der gr~sslichen KrUmmung ins Leere hinaus.

(95)

Die meisten Worter dieser Zeilen beinhalten den Untergang oder lassen an ihn .

denk~~= graunvoll, dr~ut, gleitender Fuss, Gerol~ kollert, erfassen, Strudel,

'

in das Leere hinaus schleudern, die gr~ssliche KrUrrmung. Dabei ist das Bild sehr leb51dig und anschaulich.

Klar im erzi tternden West en stand die bleichere Sonne; Aber sie sank noch nicht.

(115)

Der Untergang ist in dies em Satz durch die Worter zi ttern, bleich, sinken vorbereitet. Aber er findet n o c h nicht statt. Doch is~ das Verh~gnis

prophez ei t.

und die Sonne

Hinter durchlaufener Bahn jetzt im errotenden Meer

Leise die Fackeln loscht und stirbt in trostlicher KUhle.

(133)

Diesmal ist das Umkommen geschehen. Es wirkt viel beruhigender als die vorher zitierten Bedrohungen, die Ereignisse v o r dem Untergang behandeln.

Wenn du doch kommst und giesst V?n deinem Thron

Aus SchlummerkrUgen S~fte voller Mohn!

(168)

Einige Elemente dieses Bildes lassen sich im Sinne des Untergangsdenkens deuten. So suggeriert die Zusammensetzung von 11Schlummer

11 und 11Krug

11 eine gewisse Ruhe,

vielleicht sogar Schlaf. Nun handelt es sich aber um mehrere KrUge, aus denen S~te gegossen werden. Das bedeutet, dass vor dem Schlaf eine Zeit der Aktivi-t~t liegt. Die rote Farbe der MohnblUten konnte, da sie in Verbindung mit FlUssigem auftritt, in subtilem Zusammenhang mit Blut gesehen werden und zum Untergangsgedanken fUhren. - Selbstvers~ctndlich kann das Bild auch als Arideu-tung einer VorbereiArideu-tung zu beruhigendem Schlaf gedeutet werden.

(40)

Dort, dort hinUber, wo ein flammend Rot Durchs eisern dumpfe Blau der Wolken dringt Und dieser WUste seelenlosem Tod

Im Widerschein ein falbes L~cheln bringt. - ( 215)

Der Zustand des Todes ist erreicht. Das Farbenspiel von Rot und Blau geht weiter und bewirkt ein L~cheln, das aber nur 11im Widerschein" entsteht und 11 ein falbes L~cheln" ist.

11Moder", 11Grund", 11Schlamm" sind die beherrschenden Substantive dieser Strophe:

In Noder stUrzt der Eiche Stamm;

Den Grund erstickt ein fauler Schlamm, (441)

Die beiden Verben stUrzen und ersticken intensivieren das Bild des Umkommens, das die Substantive beschw5ren. Uberwiegend kurze Vokale unterstreichen den Eindruck des Verg~nglichen.

Im ersten Gedicht der 11Mi tte des Lebens" steht:

Und ob ich mich im Pfuhl der SUnde

Bis an den Hals im Schlamm verlor ( 691)

Und:

I eh lass den dunklen Geier schweifen

Bis er sein letztes Aas er flog ( 691)

Die Geistlichen Gedichte von Schr5der beginnen mit anschaulichen Bildern. Wie in den Weltlich~~ Gedichten bildet das Thema Untergang den Inhalt dieser Bilder. 11Bis an den Hals", also v5llig mit Ausnahme des Kopfes, ist das Umkommen be-schrieben. Uber dem Ich kreist der 11dunkle Geier". Das l~sst den Leser fUr das Leben des Ich fUrchten. Doch hebt de:::: Dichter dieses moderne Bild mittels eines religi5sen Wunders auf. Das Ich entgeht dem drohenden Untergang.

(41)

Untergangstendenzen zeigen sich auch in den folgenden Zeilen.:

Die letzte GrUne f~rbt sich grau, Das letzte Rot sieht fahl und stump£, Strand, Str~mung, Stern ertrank im Blau, Ein Licht blickt auf: der Schattenrurnpf Glitt schweigend aus dem Ungef~hr. Stromabw~rts reist die funkle Fracht Auf schwarzer Schatta1flut ins Meer,

Ins Meer und in die Nacht. ( 431)

11Meer" und ,,Nacht" - diese einsilbigen, 11W1:Hbung" suggerierenden Substantive kehren im dri tten Gedicht des Zyklus 11Reisegruss", zu dem auch die eben zi-tierten Zeile..'1 geh~ren, wieder. Dem Dichter sind sie bedeutsam, sonst h::!tte

er die beiden W~rter nicht wieder verwendet. Er nennt sie 11Fremde W~lbung urn dich her" (431) und 11R::ltseltausend urn dich her" (432). Der Untergang der

11dunklen Fracht" wird angedeutet: ihre Reise endet im Unbestimmten, das durch

11Meer" und 11Nacht" bildlich dargestellt wird.

Unverwiesen am Rand jeglicher Stunde wacht. -FrUhling! - Aber er tr~gt K~rbe bei K~rben heut

Aus den G::!rten der Heimat

In die triefende Kelter, Tod. (40)

In diesem Bild ist der Untergang nicht angedeutet, er hat stattgefunden. Das durch Komma vom Ubrigen Satz getrennte 11Tod" steht wie ein bekr::!ftigender Ab-schluss vor dem die Aussage beendenden Punkt.

Im zwei ten Gedicht von 11Die G~rten" stehen am &lde diese beiden Strophen:

Hier steh, hier lern den Winter gewohnen, Herz, Wo Sturm ergrimmt auf nimmer be\..rogener

Flut klirrend umf::!hrt, durchs erfrorne, Wirbelnde, nackende Linde..'1zweigicht

Greift, wUrgt und splittert! - Freilich, der Wipfel rauscht Ihm nicht wie sonst entgegen. - Gesanglos bricht

Das unfruchtbare Holz, hintaurnelnd

(42)

Fast reicht der At em nicht aus, urn bis in die zwei te Strophe hinein zu lesen, so sehr dr~ngen die Worte, wenn das Bild vor dem inneren Auge entsteht und schliesslich alles zersplittert. Ausrufezeichen und Gedankenstrich erm6gli-chen in der Mi tte der erst.en Zeile von Strophe zwei die Pause, die ersehnt war nach dem angespannten Lesen und der unerh6rten Bewegung der ersten Strophe. Dann ein ruhiger Satz: 11Frei lich ( ••• )

11 und nach einem wei teren Gedankenstrich der Untergang, die langsame Abw~rtsbewegtmg, die durch das Attribut 11 blUhe.nden11 noch einmal aufgehalten wird - jedenfalls gedanklich -, dann aber mit dem Tod

endet: 11fielen11 Auch dieses Schr1:5dersche Bild gestalt et ein beunruhigendes Problem des zwanzigsten Jahrhunderts: das Massensterben, das vorzeitige Ver-gehen menschlichen Lebens. Dabei stehen die Elemente des Bildes untereinander in einer Spannung, die d1J.rch Verben der Bewegung und anschauliche Adjektive hervorgerufen wird, gegen Ende nachl~sst und sich im Hinfallen der Toten auf-hebt.

Uber den Wiesen vergilbte des Mohnes prunkender Scharlach, Der durchs grUne Gefild blutige Str~me vergoss,

Bis die gerundete Sichel erklang.. (91)

In dies em Bild herrschen die rot en T~ne vor: Mohn, Scharlach, 11 blutige Str~me11 Das Rot ausstr~menden Lebens verbindet sich mit dem GrUn der 11Wiesen11 und

11Gefilde". Der Vorgang des Fliessens enth~lt eine Bewegung gegen die Erde, die durcb. die 11gerundete Sichel11 verst~rkt wird. Hier ist alles Untergang, Ausm-schen, Vergehen. Bewegung, Farben und Sichelform erg~nzen und vereinen sich,

(43)

METAPHER

Die Metapher ist '"ie das Bild seit alters Bestandteil der Dichtung. In einem bildlichen Ausdruck veranschaulicht der Dichter eine Ubertragene

Bedeu-Die Metapher entsteht aus einem abgekUrzten Vergleich.78) tung.

Lehnert zeigt auf, dass die Begriffe Bild, Netapher und Symbol heute im Mittelpunkt einer lebhaften Diskussion stehen, 11die sich zu einem Spezialstu-dium auszuwachsen scheint. "79)

Der Vergleich und die Metapher werden in der modernen Lyrik in neuer Weise gehandhabt. Sie erzwingen die 11irreale Vereinigung des dinglich und

logisch

Unver~inbaren.

"SO) Hocke nennt Tesauro, der in der Metapher ein wirk-sames Mittel sieht, durch brutale Originalitd.t" eine Schockwirkung zu

errei-"

chen. 81 ) Ein Zug des modernen Gedichts ist die irreale Metaphermvelt, die sich den Vorstellungen des Verstandes entzieht und allein kraft der Phantasie

lebt. 82) Die wirklich

sch~pferische

Phantasie eines Dichters prd.gt lyrische Bilder und Metaphern von seelischer Intensitd.t.83)

Schr~ders Originali td.t beim Gebr·duch der Metapher z eigt si eh in der fol-genden Strophe:

HingewUhlt, vertrockneten Munds, am Boden Lieg ich starr, ob irgend vielleicht der Abend Mir mit Tau und wehender SchattenkUhle

Tr~stlich hereinkommt. (55)

78) vgl. Wilpert, Sachw~rterbuch, S.480 79) Lehnert, Struktur, S.137

vgl. auch Behrmann, Metapher, S.29

Wichtig erscheint Behrmanns Hinweis, die Metapher mUsse im Zusammenhang betrachtct werden.

80) Friedrich, Struktur, S.12 81) Manierismus, S.182

82) vgl. Wolf£heim, Problematik, S.7 83) vgl. ebe..."lda, S. 12

(44)

Die Satzteile sind kurz, teilweise unvollst~ndig, und tmterstUtzen dadurch die schockierendc Aussage. Weil das Ich von sich selbst berichtet, ist ihm die An-teilnahme des Lesers sicher.

War wie ein Mann ohn Aug und Ohr Weil mir im Mund der Schrei gefror,

War, der nicht h~rte, der nicht sah ( 1035)

Wieder ist der Mund Inhalt einer Metapher, in der sich Schrecken und Entset-zen menschlichen Lebens ~ussern. Das kurze Bild des gefrorenen Schreis Ubt eine schockierende Wirkung auf' den Leser aus.

So beginnt eins der 11Bodensee-Sonette'':

Mi t ganz zerfetzten LeichentUchern will

Die Erde sich verhUllen. Schnee f~llt still

(199)

Hier beunruhigt der Gegensatz von lebendiger, t~tiger Erde und bereits ge-nutzten LeichentUchern. Wie die anderen Metaphern in Schr~ders Gedichten steht auch diese unerwartet irunitten eines l~ngeren Gedichtes. Die Zeilen, in die sie eingefUgt ist, k~nnen als traditionelle Lyrik bezeichnet werden, deren einziger moderner Zug darin liegt, dass sie manchmal inhaltlich unverst~ndlich

sind. NatUrlich wird der Lesefluss durch diese modernen Metaphern aufgehalten. Sie bekommen so eine doppelt schockierende Wirkung.

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