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Ferdinand van Ingen, Holländisch-deutsche Wechselbeziehungen in der Literatur des 17. Jahrhunderts · dbnl

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Holländisch-deutsche Wechselbeziehungen in der Literatur des 17. Jahrhunderts

Ferdinand van Ingen

bron

Ferdinand van Ingen, Holländisch-deutsche Wechselbeziehungen in der Literatur des 17.

Jahrhunderts. Presse- und Kulturabteilung der Kgl. Niederländische Botschaft, Bonn 1981.

Zie voor verantwoording: http://www.dbnl.org/tekst/inge003nach01_01/colofon.htm

© 2006 dbnl / Ferdinand van Ingen

(2)

4

Philipp von Zesen:

Titelkupfer zu einer seiner Schriften über die von ihm gegründete Deutschgesinnete Genossenschaft, die ihren Sitz in Amsterdam hatte.

(3)

5

Do ut des Holländisch-deutsche Wechselbeziehungen in der Literatur des 17. Jahrhunderts

Drumb wiltu daß dir sey Pracht/Lust und Kunst bekandt So rath ich ziehe bald ins edle Niederland.

Johann Rist hat diese Worte

1

nicht tauben Ohren gepredigt. Das kleine Land an der Nordsee übte im 17. Jahrhundert eine starke Anziehung aus, die deutsche ‘peregrinatio academica’ und die sogenannte Kavalierstour führten in der Regel auch dorthin.

2

Man bestaunte den wirtschaftlichen Aufschwung und bewunderte den Stand der Wissenschaften und Künste.

3

Es ist nur natürlich, daß die Geschichte der

holländisch-deutschen Wechselbeziehungen im literarischen Bereich

4

vorderhand einspurig verläuft: Sie ist im Barockzeitalter auf deutscher Seite fast ausschließlich eine des Empfangens; erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wendet sich das Blatt.

Während weite Teile Deutschlands sich nur langsam von den verheerenden Folgen des Dreißigjährigen Krieges erholten, festigte Holland in seinem ‘Goldenen Zeitalter’

seine vorherrschende Stellung als Weltmacht. Aus dem weltoffenen Geist dieser

Seehandelsnation erwuchs eine tolerante Haltung, die ein deutscher Zeitgenosse zu

der Bemerkung veranlaßte: ‘Kein Land ist auff der Welt/darinnen der Frembde

größere Freiheit hätte als in diesem.’

5

Das merkwürdige politische Gebilde, das die

Generalstaaten waren, erlaubte im Zeitalter des Absolutismus tatsächlich eine große

politische Freiheit. Und obwohl der strikte Calvinismus dem religiösen Leben seinen

oft bleischweren Stempel aufdrückte, übte man in der Praxis, vor allem gegenüber

Ausländern, ein Höchstmaß an Toleranz. In Holland konnten ein Spinoza und ein

Descartes arbeiten, hier lebte Johannes Amos Comenius, Männer, die Philosophie

und Wissenschaft der Neuzeit entscheidend mit geprägt haben. Andererseits wurde

es den Labadisten etwa erlaubt, eine geschlossene Wohngemeinschaft auf der

Grundlage eines religiösen Prä-Kommunismus zu gründen und sogar eigene

Eheschließungen vorzunehmen. Die Verbreitung der Lehren Jakob Böhmes und

seines Schülers Abraham von Franckenberg sind ohne Holland nicht zu denken. In

Amsterdam wurde 1634 Böhmes berühmte Aurora herausgebracht,

6

und von da an

erschienen hier seine weiteren Schriften, bis hin zu Gichtels Gesamtausgabe.

7

Franckenbergs Schriften erschienen ebenfalls in Amsterdam,

8

wo überhaupt viele

deutsche Bücher spiritualistischen Inhalts gedruckt und verlegt wurden. Schwärmer

jeder Art konnten hier schnell Fuß fassen und ihre zumeist kurzlebigen Konventikel

bilden. Zahlreiche junge Deutsche kamen in Holland in Berührung mit den Schriften

der in ihrer Heimat als Ketzer verschrieenen Spiritualen. Johannes Scheffler, der

zwei Jahre in Leiden studiert hat (1644-1646), konnte denn auch in seiner Schutzrede

nicht leugnen, daß er dort Böhmes Schriften gelesen hat, ‘weil einem in Holland

allerley unterhanden komt’. Er fügt hinzu: ‘und ich danke GOtt darvor, denn sie

seind grosse Ursache gewest, daß ich zur Erkändtnüß der Wahrheit kommen und

mich zur Catholischen Kirchen begeben habe’,

9

anders gesagt: in Holland ist aus

Scheffler Angelus Silesius geworden.

10

Böhmescher Spekulationismus traf sich mit

der prophetischen Freigeisterei eines Hans Rothe, und beides zusammen verband

Quirinus Kuhlmann in dem 1674 in Leiden publizierten Buch Neubegeisterter Böhme/

(4)

Jesus Reiche des Holländischen Propheten Johan Rothens übereinstimmend. In diesem geistigen Klima wurden denn auch die Höhepunkte

spiritualistisch-enthusiastischer Dichtung gedruckt: Quirinus Kuhlmanns Kühlpsalter.

11

Zur gleichen Zeit konnten sich hier Bewegungen entfalten, die die Aufklärung mit vorbereitet haben; Leiden wurde zur Hochburg des Cartesianismus. Huizinga sagt mit Recht: ‘Hier haben sich die Leute, die Bücher und die Ideen aus verschiedenen Ländern in einem geistigen Austausch zusammengefunden, wie er anderswo in diesem Zeitalter nicht verwirklicht war.’

12

Amsterdam war Welthandelsplatz, das finanzielle, aber auch das kulturelle Zentrum.

Die Stadt beherbergte nicht nur Rembrandt, sondern auch

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6

viele andere niederländische Maler wie etwa-Ruysdael, Hobbema, Potter, Pieter de Hoogh. Die Geschichte des niederländischen Theaters ist im 17. Jahrhundert hauptsächlich die der ‘Amsterdamse Schouwburgh’. Hier wurden fast alle Vondelstücke aufgeführt, die großen Dramen von Hooft, die Komödien und Ritterdramen von Bredero etc. Das Theater wurde 1664 vergrößert und nach italienischem Vorbild mit den modernsten bühnentechnischen Vorrichtungen ausgestattet; kein Fremder versäumte, die ‘Schouwburgh’ zu besuchen. Kein Wunder, daß Amsterdam wie ein Magnet die Künstler anzog. Man könnte sich, so scheint es, kaum einen günstigeren Nährboden für die Künste denken. Von den künstlerischen Möglichkeiten der Stadt hegt man aber nicht selten übertriebene Vorstellungen. Im Vergleich zu Deutschland, wo Hof und Kirche für weite Bereiche der Literatur immerhin einflußreiche Auftraggeber bzw. anregende Zentren darstellten, fehlten in Holland, speziell in Amsterdam, solche Institutionen weitgehend. Die Kammern der Rederijker, in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch stark in der Sozialstruktur der Stadt verwurzelt, erhielten zwar mancherlei Vergünstigungen, aber erfuhren von seiten der Stadt keinerlei finanzielle Unterstützung. Die 1974 auf dem

Barock-Symposion der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Wolfenbüttel von Albrecht Schöne gemachte Bemerkung findet auch hier eine Bestätigung: Aufträge der Stadt fallen im Vergleich zu denen von Hof und Kirche kaum ins Gewicht, was sich aus der andersgerichteten Aufgabenstellung erklärt.

13

So war man auch in Amsterdam zumeist auf private Initiativen angewiesen. Philipp von Zesen, der jahrelang in dieser Stadt gelebt hat, äußert sich einmal sehr bissig über die

‘Amsterdamschen gemühter’, die die Pflege der Wissenschaften und schönen Künste

‘nicht einer bohne/ nicht eines ziegenhaares währt achten’,

14

- seine Kritik betrifft die geringen Aufstiegschancen der Waisenhauskinder. Das Zitat ist - pikantes Detail - der Beschreibung der Stadt Amsterdam entnommen, mit der Zesen sich für das ihm verliehene Bürgerrecht bedankt. Es ist natürlich ein einseitiges Urteil, dem andere, positivere gegenüberstehen, aber es stimmt nachdenklich. Amsterdam war mit seinen vielen repräsentativen Prachtbauten und den vornehmen Grachtenhäusern eine imposante Stadt, in den erlesenen Kreisen um Hooft, Roemer Visscher, Hendrik Laurensz. Spieghel herrschte ein lebhaftes kulturelles Leben und am 1632 errichteten Athenaeum Illustre lehrten Gerard Vossius (1577-1649) und Caspar Barlaeus (1584-1648), berühmte Männer. Aber man sollte sich hüten, den Einfluß der wirtschaftlichen Blüte auf das geistige Leben insgesamt zu überschätzen. Olfert Dapper konnte in seiner Stadtbeschreibung von 1663 Amsterdam stolz ‘kroondraegster van Europe’ nennen, dennoch hatte auch diese ‘Wirtschaftswunder’-Gesellschaft ihre Schattenseiten. Amsterdam hatte 1648 ca. 150000 Einwohner und gehörte zu den größten Städten Europas, was sich auf das Stadtleben bekanntlich nicht unbedingt vorteilhaft auswirken muß. So wird Gryphius' fluchtartiges Verlassen der Stadt (1638), die seinem Biographen Stosch zufolge ‘mehr dem Pluto als den Musen gewidmet’ war,

15

leicht erklärlich.

Gryphius begab sich nach Leiden, einer idyllischen Kleinstadt im Vergleich zu

Amsterdam, aber in der Nähe von Den Haag, ‘dem alleredelsten Dorffe der ganzen

Welt’, wie es im Reisetagebuch von Jakob von Melle und Christian Heinrich Postel

(6)

beruhte die Anziehungskraft Leidens auf der Universität. Die Namen eines Justus Lipsius und eines Josephus Justus Scaliger trugen den Ruhm der Universität in die Welt. Beide waren sie hervorragende humanistische Philologen, aber Lipsius wirkte über den engeren Bereich der Philologie hinaus: ‘Durch seine Arbeiten und seinen neuen Stil beeinflußte Lipsius für über 75 Jahre die Rhetorik, befruchtete er die Pädagogik. Er führte auf diesen Grundlagen die Moralphilosophie und die

Weltanschauung seiner Zeit an. Er schuf das am weitesten verbreitete Handbuch der

praktischen Staatswissenschaft und Regierungslehre des 17. Jahrhunderts und

bereicherte schließlich die Militärwissenschaft durch zwei umfangreiche, auch hier

grundlegende Werke. Der mit seinem Namen verbundene Neustoizis-

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7

mus, immer stärker christlich ausgelegt, wurde zu einem Grundelement der barocken Lebens- und Gesellschaftsauffassung.’

17

So faßte neuerdings Gerhard Oestreich die Bedeutung dieses Mannes zusammen, der im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts den Grund legte für Leidens akademische Vormachtstellung. Daniel Heinsius, Claudius Salmasius u.a. setzten die philologische Tradition fort.

18

Hugo Grotius, der Grundleger des Völker- und Naturrechts, war eng mit der Universität verbunden. Seit 1632 besaß Leiden eine Sternwarte; die Einführung des klinischen Unterrichts (1637) und die frühzeitige Einrichtung eines Theatrum Anatomicum unterstreichen Leidens fortschrittliche Haltung auch in der medizinischen Wissenschaft. Die Universität entwikkelte sich rasch zu einer der angesehensten in Europa; für viele Ausländer war der Studienaufenthalt in Leiden von entscheidender Bedeutung.

In der ersten Jahrhunderthälfte stieg die Zahl der deutschen Studenten beträchtlich.

An den deutschen Universitäten machten sich die Kriegsfolgen immer stärker bemerkbar und man beklagte den allgemeinen Verfall der gelehrten Studien.

19

Der wachsende Zustrom der Deutschen läßt sich damit teilweise erklären, der Reichtum des Landes und die Anziehungskraft der akademischen Lehrer taten ein übriges. Von 1575 (dem Gründungsjahr) bis 1750 haben sich in Leiden fast 11 000 deutsche Studenten immatrikuliert;

20

es läßt sich feststellen, daß in einem willkürlich

herausgegriffenen Jahr von den rund 550 Studenten 158 aus Deutschland stammten, d.h. mehr als zur selben Zeit in Rostock (139), Wittenberg (104), Altdorf (108) und Leipzig (89) studierten.

21

Es ist seit langem bekannt, daß nahezu alle bedeutenden deutschen Barockdichter (mit Ausnahme der süddeutschen) sich für kürzere oder längere Zeit in Leiden aufgehalten haben. Darunter befanden sich erstaunlich viele aus Schlesien, was Herbert Schöffler zu seiner abenteuerlichen These von einer ‘schlesischen Einmaligkeit’ verführt hat: Lutheraner, geprägt von einem calvinistischen Bildungsgang.

22

Aber erst die genauen und mit vergleichenden Zahlen belegten Untersuchungen von Heinz Schneppen: Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben ergeben ein Bild vom tatsächlichen Umfang der in Leiden vertretenen deutschen ‘Nationen’ (studentischen Verbindungen auf landsmannschaftlicher Grundlage) und korrigieren Schöfflers Ansicht. Das Studium der Schlesier in Leiden gehört keineswegs zu den ‘Curiosa der deutschen Geistesgeschichte’,

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die deutschen Studenten kamen auch aus Mittel- und Ostdeutschland (und waren ebenfalls

Lutheraner) und vom Niederrhein, Ostfriesland und der Pfalz (in der Hauptsache Calvinisten). Immerhin ist die Zahl der prominenten Gestalten aus dem schlesischen Geistesleben, die die Leidener Universität besucht haben, auffallend groß, ohne daß sich dafür bis jetzt eine ausreichende Erklärung gefunden hat.

24

Zwischen 1618 und 1648 belief sich die Zahl der schlesischen Studenten sogar auf ca. 300.

25

Opitz, Gryphius, Lohenstein, Hofmannswaldau, Titz, Abschatz, Franckenberg, Kuhlmann, Christian Knorr von Rosenroth - sie alle studierten in Leiden. Aus anderen Teilen Deutschlands sind noch zu nennen: Zacharias Lund (?), Roberthin, Fleming, Canitz.

Das Studium in Leiden scheint in manchen Gegenden schon so sehr zur Tradition

geworden zu sein, daß manch einer sich geradezu benachteiligt fühlen konnte, wenn

(8)

Mein VaterGut war schlecht, sonst wär auch ich gezogen Dem weisen Leiden zu und hette mich besogen

Daselbst so wol und satt, daß ich so starck und feist Alß andre möchte seyn. Es hätte meinen Geist Selbst Heinsius vielleicht nicht für gemein geschätzet, Barleus hette sich an meinem Thun ergetzet,

Der grosse Vossius hett ausser Zweiffel mir Vergönnt frey einzugehn zu seiner werthen Thür.

So schrieb Simon Dach an seinen Freund Roberthin (der wohl nach Leiden kam),

als er in melancholischer Stimmung über seinen nachlassenden Erfolg nachdachte.

26

- Schließlich scheint es

(9)

8

nicht unüblich gewesen zu sein, nach abgeschlossenem Studium nach Leiden zu reisen, um den Bildungsgang abzurunden. So tat es Titz, so tat es einige Jahre später Lohenstein, als er 1655 nach ‘seinem geendigten Studio Juridico’ nach den

Niederlanden ging, ‘in welchen Er sich die herrlichen Städte/am meisten aber die Gelehrten Leute zu Leiden und Utrecht eine Zeitlang auffhalten ließ.’

27

Eindnoten:

1 Zit. bei G.v. Peschwitz: Jüngst-erbauter Hoch-Teutscher Parnaß. Jena 1663. Artikel ‘Holland’.

2 Vgl. für die allgemein-kulturhistorische Bedeutung: W. Treue: Zum Thema der Auslandsreisen im 17. Jahrhundert. In: Archiv für Kulturgeschichte. 35 (1953), S. 199-211.

3 Eine gute Einführung in deutscher Sprache bietet Erich Trunz: Dichtung und Volkstum in den Niederlanden im 17. Jahrhundert. München 1937.

4 Viele Literaturangaben bei Seymour L. Flaxman: Dutch-German Literary Relations: A Review of Research. In: Comparative Literature. Proceedings of the Second Congress of the International Lit. Ass. Ed. by Werner P. Friedrich. Chapel Hill 1959. S. 624-635.

5 A.F. Bon: Der Vereinigten Niederlande Staat. Jena 1671. Zit. bei Ruth Elsner v. Gronow: Die öffentliche Meinung in Deutschland gegenüber Holland nach 1648. Diss. Marburg 1914, S. 57.

6 1631 war schon der Iosephus redivivus in Amsterdam erschienen. Vgl. J. Bruckner: A Bibliographical Catalogue of Seventeenth-Century German Bocks printed in Holland. The Hague/Paris 1971. Nr. 49.

7 Vgl. W. Buddecke: Die Jakob-Böhme-Ausgaben. T. 1. Göttingen 1937.

8 Bruckner: A.a.O. Nr. 101, 136, 137, 138, 154, 155, 164, 176, 177, 365, 426, 427, 441, 456, 457.

9 Zit. nach: Angelus Silesius: Gesammelte Werke. Hrsg. von H.L. Held. München 19523. Bd 1.

S. 121.

10 So Herbert Schöffler: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung.

Frankfurt/M. 19562, S. 139.

11 Vgl. die Angaben bei W. Dietze: Quirinus Kuhlmann. Ketzer und Poet. Berlin 1963, und Bruckner: A.a.O.S. auch C.V. Bock: Quirinus Kuhlmann in Nederland. In: Duitse Kroniek. 10 (1958), S. 591-615.

12 Die Mittlerstellung der Niederlande zwischen West- und Mitteleuropa. In: Verzamelde Werken.

Haarlem 1948. Bd. 2, S. 284-303, hier S. 296.

13 Stadt-Schule-Universität-Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert.

Barock-Symposion 1974. Hrsg. von A. Schöne. München 1976, S. 148/49.

14 Beschreibung der Stadt Amsterdam. 1664, S. 286.

15 Baltzer Siegmund von Stosch: Last- und Ehren- auch daher immer bleibende Danck- und Denck-Seule. In: Verblümete Trauerreden. Breslau 1674. S. 30 f. Zit. W. Flemming: Andreas Gryphius. Stuttgart/Berlin/Köln/ Mainz 1965, S. 36.

16 Beschreibung einer Reise durch das nordwestliche Deutschland nach den Niederlanden und England im Jahre 1683 von Jakob von Melle und Christian Heinrich Postel. Hrsg. von C. Curtius.

Lübeck 1891, S. 12.

17 Gerhard Oestreich: Justus Lipsius als Universalgelehrter zwischen Renaissance und Barock.

In: Leiden University in the Seventeenth Century. Ed. by Th. H. Lunsingh Scheurleer and G.H.M. Posthumus Meyes. Leiden 1975, S. 176-201, hier S. 180.

18 D.J.H. ter Horst: Daniel Heinsius. Utrecht 1934.

19 Petrus Lotichius: Oratio super fatalibus hoc tempore Academiorum in Germania periculis.

Rinteln 1631.

20 Heinz Schneppen: Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben. Von der Gründung der Universität Leiden bis ins späte 18. Jahrhundert. Münster 1960. S. 10.

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22 Herbert Schöffler: A.a.O., S. 68 ff.

23 Schneppen: A.a.O., S. 31.

24 Schöffler: Schlesien war ein Land ohne Hochschule; Holland war leicht (und sicher) auf dem Wasserweg zu erreichen. Schneppen weist darauf hin, daß in Schlesien der Adel und das städtische Patriziat traditionsgemaß in Leiden studierte (also vorwiegend Juristen), während das ländliche Kleinbürgertum sich zum Studium der Theologie nach Wittenberg begab.

25 Schneppen: A.a.O., S. 32.

26 Danckbarliche Auffrichtigkeit an Herrn Robert Roberthinen ... geschrieben 1647. 30. Julij. In:

Simon Dach: Gedichte. Hrsg. von W. Ziesemer. Halle/S. 1936. Bd. 1, Nr. 171, Zit. S. 188.

27 Zit. bei K.G. Just in seiner Einleitung zu Daniel Casper von Lohenstein: Türkische Trauerspiele.

Stuttgart 1953, S. XIX.

II

Aus diesen einleitenden Bemerkungen, die nur mit wenigen Strichen den allgemeinen Hintergrund für die holländisch-deutschen Wechselbeziehungen darstellen wollen, dürfte die hervorragende Bedeutung der Niederlande für das deutsche geistige Leben im 17. Jahrhundert wenigstens in Umrissen sichtbar geworden sein. Die Fakten sind, für sich genommen, nicht unbekannt, aber vergegenwärtigt man sich die Dinge im Zusammenhang, ermißt man erst in vollem Umfang Hollands Anteil an der

Entwicklung der deutschen Literatur während dieses Zeitraums. Mit Einflußstudien - Opitz und Heinsius, Vondel und Gryphius u. dgl. - ist es nicht getan. Sicherlich war die Tatsache, daß die Deutschen in Holland verwirklicht sahen, wonach sie selber noch suchten, von weit größerer Bedeutung. Es darf dabei nicht vergessen werden, daß die Versuche, die deutsche Literatur auf das Niveau der europäischen Literaturen zu heben, von der niederländischen angeregt wurden. Das Niederländische wurde in Deutschland nicht nur als eine dem Deutschen zunächst verwandte Sprache angesehen, es wurde kurzweg als zur deutschen Sprachlandschaft gehörig betrachtet. Folgerichtig verkündigt Paul Fleming stolz:

Unser wird, was Andern war.

Tass' Torquat, Petrarca weichen.

Unsern Deutschen mag nicht gleichen Bartas, Sidney, Sannazar.

Wenn Katz, Heins' und Opitz singen, so will ganz nichts Fremdes klingen.28

Daniel Heinsius.

Porträtkupfer von Jacob van de Merck, ca. 1645

(11)

Cats, Heinsius und Opitz werden - als ‘deutsche’ Dichter - in eine Reihe gestellt, historisch zwar bedenklich, aber für das 17. Jahrhundert wegen der damals noch empfundenen Einheit von Niederdeutsch und Niederländisch verständlich. Noch 1700 erklärt der gelehrte Daniel Georg Morhof: ‘Die Poeterey der Niederländer[...]

ist von der Teutschen nicht unterschieden/ja sie ist selbst Teutsch.’

29

Schottelius stand

auf demselben Standpunkt und führte in seinen Lobreden ‘von der Teutschen

HaubtSprache’ auch niederländische Gewährsmänner an. So zitiert er das bekannte

Gedicht ‘Tael ongelooflick soet, Princes van alle taelen’, das Heinsius' Nederduytsche

Poemata einleitet, mit der Anmerkung: ‘Der ge-

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9

lahrte Holländer Petrus Scriverius sagt also von der Teutschen Sprache’.

30

Auf diese Weise hat das Niederländische nicht nur das Bewußtsein von der Eigenheit der deutschen Sprache und in Verbindung damit das nationale Selbstbewußtsein in Deutschland mitbegründen helfen, sondern wurde auch das Gefühl der inneren Zusammengehörigkeit der niederländischen und der deutschen Literatur verstärkt.

Schottelius und Morhof hatten beide in Leiden studiert

31

und besaßen umfassende Kenntnisse der niederländischen Literatur, die ihnen aber schon unter einem neutraleren Aspekt erschien als der älteren Generation: Deutschland hatte ja im literarischen Bereich längst bedeutende Leistungen aufzuweisen. Für Opitz lagen die Dinge anders als er - schon in Schlesien - mit Heinsius' Gedichten bekannt wurde:

durch die in der Anthologie Den Bloem-Hof van de Nederlantsche leught enthaltenen, mit den Initialen D.H. gezeichneten Gedichte sowie durch die, welche Caspar Kirchner von seinem Aufenthalt in Leiden (1617) mitbrachte.

32

Sein Ziel stand ihm schon klar vor Augen und er wird wohl auch das akzentuierend-alternierende System in der Dichtung noch vor seiner Abreise aus Schlesien entwickelt haben.

33

Was er im Aristarchus umrissen hatte, suchte er in der Folgezeit zu verwirklichen. Seine hochgesteckten Ziele waren durch die bisherige deutsche Literatur nicht zu erreichen, wenigstens in seiner Perspektive nicht, denn das Urteil ist schroff ablehnend: ‘... was ins gemein von jetzigen Versen herumb getragen wirdt, weiß ich warlich nicht, ob es mehr unserer Sprache zu Ehren, als schanden angezogen werden könne.’

34

Was hatten der Bloem-Hof und Heinsius ihm zu bieten? Der Bloem-Hof (1608, 2. Ausgabe 1610)

35

gibt gleichsam einen Querschnitt durch die poetische Produktion jener Jahre:

Er bringt renaissancistische Liebesgedichte, Neujahrswünsche, Hochzeitscarmina (meist mit dick aufgetragener moralistischer Tendenz), daneben, in reicher Vielfalt, schäferliche Poesie. Petrarkistische Motive sind in großer Zahl vorhanden, und Versmaß und Versform zeigen die typische Geschliffenheit der Renaissance-Poesie:

Sonette und andere Gedichte in Jamben, trochäische und alexandrinische Verse. Im

ganzen war die Anthologie also durchaus modern, kein Wunder daß sie Opitz zur

Nachahmung reizte. Daß ihm das nicht in jeder Hinsicht gelungen ist, daß er

namentlich das petrarkistische Spiel der niederländischen Originale noch nicht

meisterte,

36

ist hier nicht von Bedeutung. Wichtiger ist, daß Opitz auf die von Heinsius

vertretene strenge Versform eingeschworen ist: Brederos Koortsigh Lietje hat Opitz,

das freie Metrum und den spielerisch-volkstümlichen Ton des Originals bewußt

vermeidend, im Fieberliedlin als Heinsius-Jünger nur steif übersetzt.

37

Heinsius war,

von einigen gelungenen Gedichten abgesehen, wirklich nur ein mittelmäßiger Dichter,

und er beurteilte wohl auch selber seine niederländischen Gedichte wenig positiv.

38

Aber er war ein Gelehrter, ein humanistisch gebildeter Philologe, der Hesiodos

(1603), Seneca (1611) und die Ethica des Aristoteles (1607) herausgegeben und

Theokrit (1603), Horaz (1610) und die Aristotelische Poetik (1611) kommentiert

hat. Er war ein angesehener neulateinischer Dichter; ehrenvolle Angebote von Gustav

Adolph und Papst Urban hat er ausgeschlagen, er blieb in Holland und nahm im

öffentlichen Leben einen bedeutenden Platz ein. Was anderen nicht gelungen war,

erreichte Heinsius: Die Ausgabe seiner Nederduytsche Poemata (1616)

39

brachte den

Beweis, daß einer der berühmtesten klassischen Philologen der Zeit sich seiner

Muttersprache nicht schämte und mit ihrer Hilfe Gedichte schrieb, die den

(13)

neulateinischen ebenbürtig an die Seite traten. Dem jungen, ehrgeizigen Opitz, dem Meisterschüler des Beuthener Gymnasiums, wurde Heinsius als Gelehrter, Weltmann und Dichter in der Landessprache das leuchtende Vorbild.

Seitdem Fechner zeigen konnte, daß Opitz in Heidelberg von Janus Gruter nicht, wie

man bislang angenommen hatte, abgelehnt, sondern im Gegenteil mit herzlichem

Interesse aufgenommen worden ist,

40

ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen,

daß der Niederländer Gruter bei der Annäherung des jungen Dichters an Heinsius

eine gewisse Rolle gespielt hat. Gruter, klassi-

(14)

10

Titelkupfer zu den von Petrus Scriverius herausgegebenen ‘Nederduytsche Poemata’ von Daniel Heinsius (1616).

(15)

11

scher Philologe wie Heinsius, stammte wie dieser aus den südlichen Niederlanden und hatte in Leiden bei Lipsius studiert.

41

Schließlich war es Gruter, der Opitz zu der Heinsius-Übersetzung Lobgesang Jesu Christi ermuntert hat;

42

die Arbeit war im Januar 1620 fertig, Opitz wird sie sicher Heinsius gezeigt haben, als er ihn im Oktober des Jahres in Leiden besuchte.

43

Und so konnte Opitz es wagen, während der Reise von Heidelberg nach den Niederlanden ein Heinsius gewidmetes Gedicht zu schreiben - ‘Perscriptum in Rheno flumine’

44

-, dem ‘Phoenix unserer Zeiten’ ein Zeichen der Hochachtung im humanistischen Geist, ergänzt durch das deutsche Lobgedicht Uber des Hochgelehrten und weitberümbten Danielis Heinsii Niderländische Poemata:

Die Teutsche Poesy war gantz und gar verlohren, Wir wusten selber kaum von wannen wir geboren, Die Sprache, vor der vor viel Feind erschrocken sindt, Vergassen wir mit fleiß und schlugen sie in Windt.

Biß ewer fewrig Hertz ist endtlich außgerissen,

Und hat uns klar gemacht, wie schändtlich wir verliessen Was allen doch gebürt: Wir redten gut Latein,

Und wolte keiner nicht für Teutsch gescholten sein.

Der war' weit uber Meer in Griechenland geflogen, Der hatt Italien, der Franckreich durchgezogen, Der prallte Spanisch her. Ihr habt sie recht verlacht, Und unsre Muttersprach in jhren werth gebracht.

[...]

Ich auch, weil jhr mir seyt im Schreiben vorgegangen, Was ich für Ruhm und Ehr durch Hochteutsch werd erlangen, Will meinem Vatterlandt bekennen ohne schew,

Daß ewre Poesy der meinen Mutter sey.45

Der Nachweis von motivischen Entlehnungen, den ältere Forschungen erbracht haben,

46

ist für das Verhältnis von Heinsius und Opitz von untergeordneter Bedeutung.

Wie trivial es klingen mag: Hätte Opitz bestimmte Motive nicht bei Heinsius, hätte er sie bei anderen gefunden, denn sie waren Gemeingut. Entscheidend ist, daß Opitz von Heinsius nahm, was er brauchte, um seine literarische Entwicklung zu

vervollkommnen. Er hat Heinsius weit hinter sich gelassen, er hat ihn vor allem in formaler Hinsicht überflügelt.

47

Auch sonst wurden niederländische Anregungen wirksam: Opitz hat theoretisch und praktisch den Grund gelegt für den Siegeszug des Alexandriners in Deutschtand, d.h. eines Versmaßes, das in Holland schon früh angewandt und geradezu

volkstümlich geworden war. In den Niederlanden gedruckte deutsche Flugblätter haben, darauf hat Forster hingewiesen

48

, eine Aufnahmebereitschaft für den modernen Vers geschaffen, die allein den Erfolg von Opitz' Bemühungen erklären.

48a

Daß den Erörterungen im Buch von der Deutschen Poeterey bemerkenswerte eigene praktische Versuche vorangingen, die schon früh vom Bloem-Hof

49

und von Heinsius angeregt wurden, belegt einmal mehr die initiierende Wirkung der niederländischen Literatur.

Diese allgemeinen Zusammenhänge hat man ebenso wie die Steigbügelfunktion des

Heinsius, so scheint mir, im Fall von Opitz zu sehr vernachlässigt.

(16)

Eindnoten:

28 Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. von J.M. Lappenberg. Stuttgart 1865. Bd. 1, S. 371.

29 Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie. Faksimile-Druck der 2. Ausgabe von 1700.

Hrsg. von H. Boetius. Bad Homburg/Berlin/Zürich 1969, S. 131.

30 Ausführliche Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache. 1663. Faksimile-Druck hrsg. von W.

Hecht, Tübingen 1967, S. 22.

31 Schneppen: A.a.O., S. 56.

32 Schulz-Behrend bezweifelt (gegen Witkowski), daß Opitz zur Zeit der Abfassung des Aristarchus

‘mehr als Heinsius' lateinische und griechische Dichtungen kannte’ (Martin Opitz: Gesammelte Werke. Stuttgart 1968. Bd. 1, S. 60 Anm. 16). Die Auffassung von M. Rubensohn, daß Opitz die ndl. Anthologie früher gekannt habe als Heinsius' Nederduytsche Poemata (Der junge Opitz.

In: Euphorion. 2. 1895, S. 57-99, hier S. 86), wird von Schulz-Behrend geteilt (A.a.O., S. 67 Anm. 40). Immerhin gibt es auffällige Übereinstimmungen hinsichtlich der die dt. bzw. ndl.

Sprache auszeichnenden Elemente zwischen Aristarchus (ed. Schulz-Behrend: A.a.O., S. 60, 7 ff.): ‘Verba singula ...’, und dem Gedicht von Scriverius, das die Nederduytschen Poemata einleitet: ‘Vol sins, vol defticheyts, vol luysters, lanck en ruijm’. Vgl. auch Curt von Faber du Faur: Der ‘Aristarchus’: Eine Neubewertung. In: PMLA. 69 (1954), S. 566-590.

33 Die übliche Meinung eines erst in Holland eingetretenen Wandels in Opitz' Anschauungen lehnt M. Szyrocki (mit Hinweis auf die Untersuchungen von Rubensohn) ab: Martin Opitz. Berlin 1956, S. 29. Die Arbeit von Ulrich Bornemann lag mir noch nicht vor: Anlehnung und Abgrenzung. Untersuchungen zur Rezeption der niederländischen Literatur in der deutschen Dichtungsreform des 17. Jahrhunderts. Assen/Amsterdam 1976.

34 Teutsche Poemata. Ed. Witkowski: ‘An den Leser’, S. 6.

35 Den Bloem-Hof van de Nederlantsche leught. Neuausgabe von L.M. van Dis und J. Smit.

Amsterdam-Antwerpen 1955.

36 W.A.P. Smit: Opitz als vertaler van Nederlandse sonnetten. In: Miscellanea litteraria. Groningen 1959, S. 107-121. Smit weist S. 110 darauf hin, daß Opitz Den Bloem-Hof in der 1. Ausgabe von 1608 benutzt hat, nicht die von dieser abweichende 2. Ausgabe von 1610 (so Witkowski, Einleitung, S. XXV). Weitere ndl. Quellen hat Janis L. Gellinek aufgewiesen: Further Dutch Sources used by Martin Opitz. In: Neophilologus. 53 (1969), S. 157-175.

37 Das Fieberliedlin, in der Ausgabe Witkowski S. 134. Auf die Quelle und die Umformung im Geist von Heinsius hat Th. Weevers aufmerksam gemacht: Some unrecorded Dutch Originals of Opitz. In: Neophilologus. 23 (1938), S. 187-198. Opitz/Heinsius: Weevers: Some aspects of Heinsius' Influence on the Style of Opitz. In: The Modern Language Review. 34 (1939), S.

230-239; The Influence of Heinsius on two genres of the German Baroque. In: The Journal of English and Germanic Philology. 37 (1938), S. 524-532; hier andere Aspekte der

Heinsius-Wirkung.

38 W.A.P. Smit: De dichter Revius. Amsterdam 1928, S. 62. Sehr negativ äußert sich Ter Horst;

A.a.O., S. 43 ff., während Smit (S. 78 ff.) den Lofsanck van Jesus Christus für eine bedeutende Leistung hält.

39 Vgl. für die verschiedenen Drucke Paul R. Sellin: Daniel Heinsius' Nederduytsche Poemata.

In: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. 78 (1961), S. 241 ff.

40 J.-U. Fechner: Nachwort zu: Martin Opitz, Jugendschriften vor 1619. Stuttgart 1970.

41 Gruter war der Vermittler des niederländischen Humanismus in Heidelberg. Auch Roberthin wurde durch ein Empfehlungsschreiben Gruters bei Heinsius eingeführt (s. Schneppen, a.a.O.

S. 128).

42 ‘An den Leser’: Ed. Schulz-Behrend: A.a.O., Bd. 1, S. 273.

43 So auch die Annahme von Schulz-Behrend: A.a.O., S. 270.

44 Opera Geist- und Weltlicher Gedichte (1690), Tl. 2, S. 334.

45 Teutsche Poemata. Ed. Witkowski. S. 25.

46 Vgl. Insbes. J.B. Muth: Über das Verhältnis von Martin Opitz zu Daniel Heinsius. Diss. Leipzig 1872, und H. Beckherrn: Opitz, Ronsard und Heinsius. Königsberg 1888

47 Weevers: Some Aspects ... (s. Anm. 37).

48 Leonard Forster: Die Niederlande und die Anfänge der Barocklyrik in Deutschland. Groningen 1967.

48a Daneben ist zu bedenken, daß die dichterische Reform nicht der einzige Grund für Opitz' Erfolg gewesen sein kann. W. Mauser hat darauf aufmerksam gemacht, daß man schon vor Opitz in Deutschland den engen Zusammenhang von sprachlicher ‘Zierlichkeit’ und ethischer Wirkung

(17)

beachtet habe. Opitz wird von ihm betrachtet als der ‘Organisator, Propagandist und [...] begabte und konsequente Verwirklicher eines Programms, das im Zeitraum von Jahrzehnten in engem Anschluß an gesellschaftliche Vorgänge allmählich herausgebildet worden war.’ In: Opitz und der Beginn der deutschsprachigen Barockliteratur. Ein Versuch: In: Filologia e Critica. Rom 1976. S. 281-314, hier S. 299.

49 Das Sonett ‘Was wil ich über Pusch/ was wil ich über Sandt’ (1618): Ed. Schulz-Behrend. Bd 1, S. 109 f./ Bloem-Hof Nr. 60.

III

Noch 1634 ist Johann Balthasar Schupp nach Leiden gereist, ‘nur zu dem Ende, daß ich die opinion haben möge, daß ich mit dem großen Heinsio [...] sey bekandt gewesen’,

50

und ein Brief Buchners feiert Heinsius noch 1645 als ‘miraculum orbis, seculi decus’.

51

Als Andreas Gryphius sich 1638 in Leiden immatrikulierte, hatte Heinsius seinen Höhepunkt tatsächlich jedoch schon überschritten. Claudius Salmasius, seit 1631 in Leiden tätig, machte ihm den Rang streitig.

52

Auch Gryphius, der während seines fast sechsjährigen Aufenthaltes den Streit zwischen den

akademischen Lehrern aus nächster Nähe verfolgen konnte, anerkannte zwar Heinsius'

Be-

(18)

12

deutung, äußerte sich aber sonst ebenso abfällig über ihn wie über Boxhorn, Professor der Eloquenz und Geschichte, und hielt sich an Salmasius.

53

Aus Salmasius' Historiae Augustae Scriptores hat Gryphius vielleicht den Stoff für seinen Papinian geschöpft;

54

bei dem unterstellten engeren Verhältnis zu Salmasius

55

ist um so auffälliger, daß Gryphius in den Anmerkungen zum Carolus Stuardus Salmasius' Defensio regia pro Carolo I (1649) nicht erwähnt.

56

In den Niederlanden, wo die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Recht des Volkes bzw. Individuums und der Souveränität des Herrschers lebhaft diskutiert wurde,

57

verteidigt Salmasius das Herrschertum von Gottes Gnaden. Neben den bekannten Leidener Vertretern des Neustoizismus kommt deshalb Salmasius bei der Entwicklung von Gryphius' Staatsauffassung eine besondere Bedeutung zu.

58

Dieser war es auch, der Gryphius 1640 mit einer lobenden Eintragung in dessen ‘Album amicorum’ beehrte; er nennt ihn einen ‘ausgezeichneten Dichter’.

59

Das war wohl mehr als eine unverbindliche Gefälligkeit: Ein Jahr zuvor waren in Leiden die Son- undt Feyrtags Sonnete erschienen, es folgten 1643 das erste Buch der Oden und das erste Buch der Sonette sowie das erste Buch der Epigramme und das Epigrammatum Liber I.

60

Die Leidener Jahre waren somit für Gryphius' literarische Entwicklung äußerst wichtig, man kann sagen, daß die in Leiden veröffentlichten Werke erst das Versprechen einlösten, das die Lissaer Sonette enthielten.

Im gleichen Jahr, in dem Gryphius sich in Leiden immatrikulierte, wurde die

‘Amsterdamsche Schouwburgh’ mit Vondels Gysbreght van Aemstel eröffnet, mit dem Drama also, das nachweislich Leo Armenius und Catharina von Georgien zutiefst beeinflußt hat. Die Beziehung zu Vondel hat die Forschung schon früh beschäftigt.

Die positivistischen Arbeiten von Kollewijn und Stachel haben gewiß Verdienste, aber erst Flemmings Studien haben, über wörtliche Entlehnungen hinaus, sowohl den weiterreichenden Einfluß des Vondelschen Dramas wie dessen selbständige Verarbeitung bei Gryphius aufgezeigt.

61

Ebenso wie Opitz sich an Heinsius geschult hat, hat Gryphius aus Vondels Dramenstil seinen eigenen, den ihm gemäßen Stil entwickelt.

62

In letzterem Fall jedoch begegneten sich Dichter von gleichem Rang.

Ich übergehe hier die Fragen des Vondel-Einflusses im einzelnen, über die man sich

in der Literatur orientieren kann,

63

möchte aber noch auf den so ganz anderen

Bildgebrauch bei Gryphius aufmerksam machen und eine mehr beiläufige Bemerkung

von Weevers unterstreichen, daß Gryphius auch die von Vondel übernommenen

Metaphern in barocker Manier auflädt.

64

Ferner ist von Bedeutung, daß Gryphius'

politisches Interesse sich aus niederländischen Quellen genährt hat, die in Leo

Armenius deutlich durchschlagen,

65

und daß er für dieses Drama vom Tyrannenmord

sich an Hoofts Geeraerdt van Velsen anlehnte, das die Rechte von Fürst und Volk

zu bestimmen sucht.

66

Die in Leo Armenius dargestellte Problematik konnte also mit

dem Interesse des holländischen Publikums rechnen. Tatsächlich wurde dieses

Schauspiel 1659 ins Niederländische übersetzt, eine Tatsache, die um so bedeutsamer

ist, als es sich hier um die erste niederländische Übersetzung eines deutschen Dramas

der Neuzeit handelt. Der Bearbeiter ist Adriaan Leeuw, ein bekannter Schauspieler

am Amsterdamer Theater;

67

der auch viele französische Stücke übersetzt hat.

68

Die

Gryphius-Übersetzung ist gekonnt, doch oberflächlich; die barocke Bildhäufung

wird öfters aufgelöst, wobei ein Bild herausgelöst und selbständig erweitert wird,

(19)

schließlich werden Kürzungen und Szenenumstellungen vorgenommen.

69

Wichtiger sind die Änderungen in bezug auf Gehalt und Tendenz. Die Frage, ob der Tyrann Leo eher ein Märtyrer oder aber Tyrann und Märtyrer zugleich ist, stellt sich der niederländische Übersetzer nicht, für ihn ist Leo nur der Gewaltherrscher, der seine gerechte Strafe erleidet.

70

Michael ist für ihn das Werkzeug des Himmels,

infolgedessen ist die Bearbeitung auf eine Stilisierung des Kontrahenten angelegt.

Die Szene mit der doppeldeutigen Weissagung des Zauberers wird gestrichen, ebenso

die Szenen, in denen Leo sich als Michaels Wohltäter lobt (I, 145-170) und Michaels

Neid auf Leo zu deutlich zutage tritt (I, 291-303). Solche Kürzungen wur-

(20)

13

den keineswegs nur aus dem Grunde vorgenommen, das Stück ‘op onzen Schouwburg tot spelen bekwaam te maken’ (Widmung), vielmehr korrumpieren sie absichtlich die tiefgründige Problematik des dramatischen Geschehens. So zeigt die in mehrfacher Hinsicht interessante Übersetzung - die bisher in der deutschen Forschung nicht beachtet wurde -, daß die fehlende Eindeutigkeit des Dramas, die zu den

widersprüchlichsten Interpretationen Anlaß gegeben hat, schon den Zeitgenossen bewußt gewesen ist: Bei Leeuw ist Michael eindeutig zum Helden des Dramas geworden, die Komplexität von Gryphius' Gedanken, in denen menschliches Verfehlen und göttlicher Ratschluß so undurchsichtig verwoben sind, wurde simplifiziert. Das ist um so merkwürdiger, als Gryphius in seinem Erstlingsdrama Vondel geistig am nächsten steht. Gerhard Kaiser hat hervorgehoben, daß Gryphius ‘in keinem anderen seiner Dramen’ die ‘Einheit von Verborgensein und Offenbarsein’ Gottes ‘mit solcher Genialität’ dargestellt hat.

71

Hier liegt zugleich die Wesensverwandtschaft mit Vondel, der von der Unergründlichkeit der göttlichen Weisheit sagt: Gottes Weisheit, unter die sich alles ehrfürchtig beugen muß, übersteigt unser Denken und unseren Verstand, der des Schatzes unkundig ist, welcher bei Gott, in Weisheit und Allwissenheit unendlich, verborgen liegt -

Godts wijsheit, die het al wat leeft kan overtuigen, Vermaent de wijsten zich en hun vernuft te buigen Eerbiedigh onder haer, die steigert boven 't geen Ons zinnen en verstant hier stapelen op een,

Onkundigh van den schat, die eeuwigh schuilt inwendigh By Godt, in wijsheit en alweetenheit onendigh.

In dieser Weisheit liegt auch die Rolle des Bösen beschlossen. Sie ist aber ein geschlossenes Buch für den endlichen Menschen, denn Gottes Weisheit springt zurück, um einen größeren Sprung zu machen, sie zielt (scheinbar) verkehrt und trifft dahin, wo es keiner vermutet:

In d'uitkomst wort doorgaends het wijs beleit geprezen.

Al valt dit boeck voor ons te doncker om te lezen;

Godts wijsheit springt te rugge, om grooter sprong te doen, Zy mickt verkeert, en treft, daer 't niemant zou vermoen.72

Man hat dies Vondels ‘Geheimnis’ genannt,

73

- es wird im dramatischen Bereich nur

von Gryphius geteilt.

74

Das Vertrauen in Gottes unergründliche Weisheit findet sich

bei beiden Dichtern, es ist eine Weisheit, die sich zum Heil des Menschen auch des

Bösen bedient. Bei Vondel kommt das schon in seiner Übersetzung von Grotius'

Sophompaneas zum Ausdruck, wo er am Ende der Inhaltsübersicht die Idee des

Dramas in seiner typischen Eigenart zusammenfaßt: ‘Boven al blijckt hier Gods

wonderbaere voorzienigheid, die de boosheid der blinde menschen buiten hun wil

weet te bezigen en te beleiden tot behoudenisse van geheele koningkrijcken, landen

en volcken.’

75

Auch in Leo Armenius enthüllt sich für Augenblicke die göttliche

Weisheit, die die ‘Boshaftigkeit der blinden Menschen, ohne daß es ihnen zu

Bewußtsein kommt, einzusetzen weiß zur Erhaltung ganzer Königreiche, Länder

und Völker’. Der Verfall des Staates ist auch das erste Argument, mit dem der Verräter

Michael Balbus die Mitverschwörer zu überreden sucht:

(21)

Des Fürsten grimmer Sinn/die zwytracht in dem Stat/

Die zäncksucht in der Kirch'/vnd vntrew' in dem Rath/

Die Vnruh' auf der Burg/ ...

... kan ewre Faust gestehen/

Daß Reich vnd Land vnd Statt/so wil zu grunde gehen?

(l 5-7, 19-20)

Der Fürstenmord stellt die Ruhe wieder her; Michael versündigt sich am Herrscher,

aber seine Tat beseitigt einen Tyrannen, der den Staat zugrunde gerichtet hätte. Gottes

Wege sind wunderbar, auch aus dem Bösen läßt er dem Menschen Gutes erwachsen,

- so glaubt es Gryphius, so glaubt es Vondel. Denn dieser Gedanke

(22)

14

durchzieht den Gysbreght van Aemstel (Rafael im letzten Aufzug: ‘Want d'opperste beleit zijn zaecken wonderbaar’), wird in anderen Stücken variiert und findet seinen eindrucksvollen Abschluß im ersten Reyen des Joseph in Dothan (1640):

Ja Vader, laet de menschen ruicken, Hoe ghy de quaden kunt gebruicken, Ten goede van het aertsch geslacht.

Nur auf dem Hintergrund einer Wesensverwandtschaft ist ein Vergleich zwischen beiden Dichtern wirklich fruchtbar. Auch Vondel hätte sagen können, was Gryphius

‘Auff das Fest der Heiligen Dreyfaltigkeit’ dichtete:

O Reiche Wissenschafft! wer kan die Kunst ergründen Durch die man Gott erkennt'/mag dieser Augen-Licht Begreiffen seine Weg/erforschen sein Gericht?

Wird man deß HErren Sinn durch unser Sinnen finden?

Uns muß Verstand und Geist vor seinen Wercken schwinden:

Wir wissen was die Erd/ und was sie einschleust/ nicht.76

Von diesen Worten über die wahre ‘Wissenschaft’ her fällt vielleicht ein anderes Licht auf die Frage, ob Gryphius' Denken von den modernen Naturwissenschaften beeinflußt ist oder ob er sich zum Cartesianismus bekannt hat

77

. Gryphius ist in Leiden sicher mit dem Cartesianismus in Berührung gekommen. Descartes wohnte einige Zeit in Leiden (1630, 1636/37, 1640-43), insgesamt lebte er 20 Jahre in den Niederlanden; sein Discours de la Méthode erschien 1637 in Leiden. Die neue Methode des Denkens verbreitete sich schnell und teilte die Theologen und Philosophen des ganzen Landes in zwei Lager, die sich heftig bekämpften. Es ist wohl ausgeschlossen, daß Gryphius, der sich als Student der Philosophie hatte eintragen lassen, in Leiden nicht aktiv an den Auseinandersetzungen teilgenommen hat. Auch gibt es biographische Hinweise, die eine Kenntnis von Cartesius' Werk nahelegen.

78

Ob das alles ausreicht, Gryphius als Cartesianer zu betrachten,

79

ist fraglich, und H.-J. Schings hat dieser Auffassung mit gewichtigen Argumenten widersprochen.

80

Gryphius' Denkwelt ist ganz anders geartet als die des Descartes;

das bleibt bestehen, auch wenn es in seinem Werk cartesianische Reminiszenzen geben würde. Die Parallele zu Vondel ist lehrreich. Bei ihm, dem frommen Katholiken, läßt sich vielfach cartesianisches Gedankengut feststellen, sogar das cogito ergo sum findet sich bei Vondel: ‘Geen droom, noch dronckenschap benevelt my, die ken,/ en buiten twyfel stel dat ik in wezen ben.’

81

Dennoch war der Dichter der Altargeheimnisse (1645) alles andere als ein Cartesianer, - auch hier zwei Welten.

Eindnoten:

50 Der Freund in der Not. Hrsg. von W. Braune. Halle 1878. S. 61.

51 Dat. Wittenberg 12. 2. 1645. Hs. Universitätsbibliothek Leiden: BPL 246, erwähnt b. Schneppen:

A.a.O., S. 128.

52 Schneppen: A.a.O., S. 129: ‘Für die dem Späthumanismus bereits entwachsene Generation wurde [...] Salmasius wichtiger als Heinsius.’ Salmasius' Kritik entzündete sich vor allem an dem 1639 erschienenen Werk Danielis Heinsii Sacrarum Exercitationum ad Novum Testamentum

(23)

libri XX, das Heinsius' Ruhm vollends ruinierte. Noch im Mai 1639 schrieb Heinsius an Opitz:

‘lam et Heinsianas in N.T. notas exspectat Salmasius tamquam mirmillionem retiarius’, mit dem bezeichnenden Zusatz: ‘Excitabit hoc veternum pridem portae famae indormientem Heinsium’ (Reifferscheid: Quellen, S. 579).

53 Vgl. den Brief vom 11. 7. 1647 an Böckler; bei Reifferscheid: A.a.O., S. 616 f.

54 Gustav Schönle teilt kommentarlos mit, daß Gryphius das Buch für seinen Papinian benutzt hat: Deutsch-niederländische Beziehungen in der Literatur des 17. Jahrhunderts. Leiden 1968, S. 3. Tatsächlich wäre das genauer zu untersuchen.

55 ‘So wurde Gryphius der amanuensis des mit Heinsius verfeindeten Claude de Saumaise, bei dem er auch während seines zweiten Aufenthalts in Leiden 1647 die Interessen seines Straßburger Freundes Boecler vertrat’ (Schneppen: A.a.O., S. 35).

56 Bekannt ist Miltons Erwiderung: Pro populo Anglicana defensio (1650). Darauf erfolgte eine Entgegnung des Salmasius: Ad Johannem Miltonum responsio. Opus posthumum. Londini:

Th. Roycroft 1660. Von der Defensio gibt es auch eine ndl. Übersetzung: Koninklijkke verdediging voor Kaarel Den I. Rotterdam 1650.

57 Vondels Palamedes wurde verboten, aber doch in wenigen Monaten sechsmal gedruckt.

58 Vgl. H. Hildebrandt: Die Staatsauffassung der schlesischen Barockdramatiker im Rahmen ihrer Zeit. Rostock 1939.

59 Vgl. E. Mannack: Andreas Gryphius. Stuttgart 1968, S. 10/11.

60 Die Unsicherheit in bezug auf die Verleger besteht nach wie vor. Auch Bruckner erwähnt (Nr.

86) Elzevier (1639), für die Werke von 1643 (Nr. 108-110) Franz Heger.

61 R.A. Kollewijn: Ueber den Einfluss des holländischen Dramas auf Andreas Gryphius. Diss.

Leipzig 1880. Amersfoort/Heilbronn o.J.; P. Stachel: Seneca und das deutsche Renaissancedrama.

Studien zur Literatur-und Stilgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin 1907; W. Flemming:

Andreas Gryphius und die Bühne. Halle 1921; ders., Vondels Einfluß auf die Trauerspiele des Andreas Gryphius, zugleich eine methodische Besinnung. In: Neophilologus. 13 (1928), S.

266-280, 14 (1929), S. 107-120, 184-196 (vgl. auch W.F.: Einblicke in den deutschen Literaturbarock. Meisenheim 1975, S. 95-122).

62 Th. Weevers: Vondels' Influence...

63 Zu nennen sind noch der Aufsatz von Cl. K. Pott: Holland-Germany Literary Relations in the 17th Century: Vondel and Gryphius. In: The Journal of English and Germanic Philology. 47 (1948), S. 127-138, und (mit Abstand) das Buch von Heinz Haerten: Vondel und der deutsche Barock. Nijmegen 1934. Vondels Einfluß wird bestritten von E. Lunding: Das schlesische Kunstdrama. Eine Darstellung und Deutung. Kopenhagen 1940, S. 44 ff.; Assimilierung und Eigenschöpfung in den Lustspielen des Andreas Gryphius. In: Stoffe, Formen, Strukturen. Fs.

f.H.H. Borcherdt. München 1962, S. 80-96. Für Kritik an Lundings Thesen vgl. L. Rens: Over het probleem van de invloed van Vondel op de drama's van Andreas Gryphius. In: Handelingen van de Koninklijke Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal-en Letterkunde en Geschiedenis.

Bd 20 (1966), S. 251-262. Die Sonderstellung Vondels betont E. Verhofstadt: Vondel und Gryphius. Versuch einer literarischen Topographie. In: Neophilologus LIII (1969), S. 290-299.

64 Weevers: Vondels' Influence ... S. 6/7.

65 Der Chor der Ersten Abhandlung des Leo Armenius erörtert Nutzen und Schaden der Zunge, in Übereinstimmung mit den Darlegungen in Lipsius' Politicorum sive civilis doctrinae libri VI (1589). Vgl. Schönle: A.a.O., S. 34.

66 Gedruckt 1613. Schönle vergleicht beide Dramen: A.a.O., S. 37 ff.

67 Zwischen 1647 und 1689 war Leeuw (Adriaen Bastiaensz de Leeuw) In Amsterdam tätig, er trat in vielen berühmten Stücken auf. Vgl. J.A. Worp: Geschiedenis van den Amsterdamschen Schouwburg 1496-1772, uitgegeven met aanvulling tot 1872 door J.F.M. Sterck. Amsterdam 1920; Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek, Bd. 5, Leiden 1921 (Art. von Ruys). - Leo Armenius, Treurspel. Door Adriaen Leeuw. Vertoont op d' Amsterdamsche Schouwburgh.

t' Amsterdam, By Jacob Lescaille. Boekverkoper op de Middeldam, in 't jaar 1659 (Ex. KB Den Haag, Sign.: 448 H 44). Leeuw hat auch die Komödie Absurda Comica oder Herr Peter Squentz übersetzt: Klucht van Pyramus en Thisbe, ofte Boertig Treurspel. Door A. Leeuw.

Gespeelt op d'Amsterdamsche Schouwburg. t' Amsterdam. By Jacob Lescailje, Boekverkooper op den Middeldam, naast de Vismarkt, 1669.

68 De liefden docter (1680 und 1696: Molières L'Amour médecin), Het huwelijk van niet (zwischen 1662 und 1729 siebenmal gedruckt: Montfleurys Le Marriage de rien), Kosroe's (1656: Rotrous Cosroes, roi des Perses) usw. Die Komödie Broershert erschien 1748 in deutscher Übersetzung

(24)

69 Für Einzelheiten vgl. F. van Ingen: Andreas Gryphius' ‘Leo Armenius’ in een Nederlandse bewerking van 1659. In: De nieuwe taalgids. 61 (1968), S. 232-239.

70 Vgl. die Widmung: ‘... dit werkstuk wijst aan hoe de gerechtigheit des Hemels de boosheit straft, de tiranny palen stelt, en de grootste Prinsen des werelts op- en afzet.’ In Übereinstimmung damit das Lobgedicht von Joh. Blasius: ‘Soo straft den Heemel eenTyran/ Als Leo met een straf hem waerdigh./ Want straf kompt altijt aen de man/ Als heerschappy is onrechtvaerdigh.’

71 G. Kaiser: Leo Armenius, Oder Fürsten-Mord. In: Die Dramen des Andreas Gryphius. Eine Sammlung von Einzelinterpretationen. Hrsg. von G. Kaiser. Stuttgart 1968, S. 3-34, hier S. 33.

Den gleichen Aspekt beleuchtet der in Anm. 69 genannte Aufsatz - unabhängig von Kaiser - im Zusammenhang mit Vondel.

72 Bespiegelingen van Godt en Godtsdienst, zit. nach: De werken van Vondel. WB-Ausg. Bd 9, S. 580, Vs. 639-644 bzw. S. 559, Vs. 1405-1408.

73 J. Vandervelden: Vondels wereldbeeld. Utrecht-Brussel 1948, S. 205 ff.

74 Weevers Meinung: ‘The spirit of Vondel's drama found little response in him’ ... (Vondel's Influence ..., S. 23) ist abzulehnen.

75 Es sei verwiesen auf die vorzügliche Darstellung von W.A.P. Smit: Van Pascha tot Noah. Een verkenning van Vondels drama's naar continuiteit en ontwikkeling in hun grondmotief en structuur. 3 Bde. Zwolle 1956-1962, spez. Bd 1, S. 167 f., 202 ff.

76 Sonette: III. Buch, Nr. XXXVIII. Ausg. Szyrocki/Powell, Bd 1, Tübingen 1963, S. 207. Auf den Aspekt des deus absconditus in Gryphius' Werk werde ich in anderem Zusammenhang eingehen.

77 Naturwissenschaften: H. Powell: Andreas Gryphius and the ‘New Philosophy’. in: GLL, N.S.

5 (1951/52), S. 274 ff.; Cartesianismus: H. Schöffler: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung. S. 132 ff.

78 Schöffler: A.a.O.; H. Powell: Princess Elisabeth and Descartes. In: Germanica Wratislaviensia.

4 (1960), S. 63 ff.

79 Schöffler: ‘Andreas Gryphius der erste lutherische Kenner des Cartesius und des Cartesianismus, vielleicht sogar der erste lutherische Cartesianer ...’ (a.a.O., S. 134).

80 H.-J. Schings: Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius. Köln 1966, S. 54 ff.

81 Bespiegelingen van Godten Godtsdienst. I. Vs. 1363/64. Vgl. Vandervelden: A.a.O., S. 110 ff.

IV

Über die Gründe, weshalb Philipp von Zesen nach Holland kam, sind wir nicht informiert; wir wissen lediglich aus seinen ersten niederländischen Jahren, daß er viel herumkam und sich abwechselnd in Amsterdam, Utrecht und Leiden aufhielt.

Auch über seine Tätigkeit hier lassen sich nur Vermutungen anstellen. Vielleicht ist er auf einer Bildungsreise einfach in Holland hängengeblieben, wie so viele seiner Landsleute. Feststeht, daß er in Amsterdam Fuß gefaßt und hier lange Jahre gelebt hat.

82

In Amsterdam sind, um nur einige Werke zu nennen, seine wichtigen

Romanübersetzungen erschienen, sämtlich im Verlag Elzevier, der auch seinen

eigenen Roman Die Adriatische Rosemund (1645) herausbrachte. Zesen war ein

gewandter Mann, der gern mit einflußreichen Leuten verkehrte, und so ist es zu

erklären, daß er in Holland mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten bekannt wurde.

83

Literarisch bedeutsame Namen findet man merkwürdigerweise nicht darunter, es

sind allenfalls der Amsterdamer Arzt und Dramenautor Nicolaas Fontein und die

Dichterin Catharina Questiers zu nennen, - ihr zu Ehren schrieb auch Vondel ein

Lobgedicht. Ob Zesen Vondel persönlich gekannt hat, wissen wir nicht; in der

Beschreibung der Stadt Amsterdam wird Vondels Name mit vie-

(25)

15

len epitheta ornantia erwähnt, aber erst 1670 wurde dieser zweifellos bedeutendste niederländische Dichter in die Deutschgesinnete Genossenschaft aufgenommen.

Wichtiger sind indessen andere Bekanntschaften, die der berühmten Anna Maria van Schurman etwa, der Zesen seine Sammlung religiöser Lyrik von 1653 widmete. Die Familie Schurman war verwandt mit den Alewyns, und es war der reiche, angesehene Kaufmann Frederick Alewyn, Schöffe der Stadt Amsterdam, der das prachtvolle, 1615 von Hendrick de Keyser erbaute Haus ‘De Sonnewyser’ besaß. In diesem Haus an der Herengracht muß Zesen verkehrt haben, und in eben diesem

‘Herrn-hause/dessen zeichen die Sonne war’, ließ er die Heldin seines eigenen Romans leben und sterben, - obwohl das Elternhaus der Adriatischen Rosemund im Roman an der Amstel situiert ist.

84

Wer den Roman kennt, wird mit besonderem Interesse vernehmen, daß wir anhand einer erhalten gebliebenen Inventarliste feststellen können, daß sich im ‘Sonnewyser’ nicht nur mehrere große Kronleuchter befanden, sondern auch ein Gemälde

Das Haus ‘De Sonnewyser’

(nach Philips' Grachtenboek), erbaut 1615, 1772 abgerissen.

Frederick Alewijn,

bewohnte das Haus ‘De Sonnewyser’ (Rijksmuseum Amsterdam).

von Venedig. Nun ist Frederick Alewyn natürlich nicht Sünnebald, und es ist ebenso

müßig, Rosemund in seinem Verwandten- und Freundeskreis zu suchen wie in

Utrecht, wo Graadt van Roggen ihr Urbild entdeckt zu haben glaubte,

85

- sein Buch

liest sich wie ein Roman und ist es wohl auch. Dennoch ist damit zu rechnen, daß

(26)

Zesens holländische Kontakte in jenen Jahren in irgendeiner Form auf den Roman eingewirkt haben; das zeigt namentlich die in den Roman eingeflochtene

‘Niderländische geschicht.’

86

Da Zesens Adriatische Rosemund als der erste deutsche Originalroman des neuen Zeitalters betrachtet werden kann, ist es auch hier - wie zuvor im Bereich der Lyrik und des Dramas - eine bemerkenswerte Tatsache, daß die Impulse von Holland ausgingen und daß der Roman nicht nur in Holland entstand, sondern auch in diesem Land spielt. Und das ‘adriatische’ Element, das das

Hauptmotiv - den Glaubensunterschied - be-

(27)

16

gründet und die assoziative Verbindung des Rosemund-Kults mit Petrarcas Verewigung seiner Laura ermöglicht, ließ sich zwanglos mit der Hauptstadt der Republik verknüpfen: Zwischen Amsterdam und Venedig gab es lebhafte Handelsbeziehungen, Amsterdam war in der Lagunenstadt durch ein Konsulat vertreten. Aber die Bedeutung des holländischen Kolorits reicht weiter. Der Name Rosemund weist deutlich nach Holland, wo zahlreiche Damen dieses Namens in der Literatur figurierten, und die Unmöglichkeit, den Roman in die (spätere) deutsche Tradition einzuordnen,

87

legt die Vermutung nahe, daß Zesen, der nach seinen eigenen Worten in Deutschland kein Vorbild hatte, andererseits von den leichtfertigen

‘wälschen Libes-geschichten’ Abstand nehmen wollte, sich in der niederländischen Literatur umgesehen hat. An anderer Stelle habe ich dargetan, daß Holland hier durchaus vorbildlich wirken konnte, u.a. mit Johan van Heemskercks Batavische Arcadia (1637).

88

In der Scala Heliconis findet sich ein Trinklied, das Zesen der Rosemund zu Ehren singt. Er entschuldigt sich, daß er noch kein Holländisch kann: ich ‘singe

Hoochdeutsch drein/ ob ich schon itzt muß mit Holländisch sein’. Zesen hatte später genügend Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse aufzubessern, und so konnte er 1651 in die Sammlung Dichterische Jugend-Flammen zwei holländische Gedichte aufnehmen, die Sammlung von 1670, Dichterisches Rosen- und Liljentahl, bringt insgesamt sogar 24 Gedichte in niederländischer Sprache.

89

Abgesehen von einigen Gelegenheitsarbeiten, sind es Liebesgedichte, die in petrarkistischer Manier die Vorzüge der Geliebten loben oder den Kummer des auf den Tod betrübten unerhörten Liebhabers beklagen. Die ‘Lely’ wird mit vier Gedichten bedacht, die ‘Anemone’

mit sechs, weitere Gedichte betreffen Mädchen, die Silvia, Anabelle, Violette, Maribelle, Engelmond, Tisbale usw. genannt werden. Zesen nennt sich hier durchweg Filisemont oder Filizet. Interessant ist, daß Zesen die holländischen Gedichte in den Rosemund-Kult einbezieht. In dem Lied Schoonste Lely, kuysche Bloeme

90

heißt es, Rosemund sei gestorben - ‘mijne Ros' is niet meer root;/ mijne Ros' is bleek

gheworden’ -, die Zeit des Trauerns sei vorbei und die Lilie solle die Rose ersetzen:

‘witte leeljen voor de Roosen’. Auf die Lilie muß die Anemone gefolgt sein, ‘lieflik’

und ‘zoet’ sind die schmückenden Epitheta, die die Anemonen-Lieder bestimmen.

91

Die Anemone, die süße Honigbiene (‘zoete Honinckby’), die Zuckerrose

(‘Suikerroos’), ja das Schiff voller Köstlichkeiten (‘Schip vol kostlikheden’)

92

war die Dritte im Bunde:

Uwe Roos', o Amstelinnen, was der Bloemen Keyzerin:

uwe Lely, eêl van binnen, blonk, als hare Koningin:

ja uw Lustkind, Anemone, bloeyd', als hare Hartogin, Anemone, mijne schone;

die zelf dwonk den hartsten zin.

Obwohl in dieser sicher nur lobend gemeinten Aufzählung die Anemone, die auch

‘den härtesten Sinn bezwang’, als ‘Herzogin blühte’, wurde sie doch verdrängt von

(28)

einer vierten Blume, aus königlichem Samen entsprossen, von süßem Wesen, lieblich-schön, auserkoren, auserlesen:

Maar de vierde, voortgekomen uit een Koninklike Zaat, heeft haar Rijk nu ingenomen, met haar Koninklike staat.

VIOLETTE, zoet van wezen, VIOLETTE, lieflikschoon, uitverkoren, uitgelezen, VIOLETTE spant de Kroon.93

Bei solchen Liedern ist man versucht, aus ihnen eine Liebesgeschichte in

Fortsetzungen zu rekonstruieren. Ein Blick auf Mahrholds Klage/über seinen

glücks-wechsel in der liebe

94

belehrt uns eines Besseren. Hier liest man: ‘Reinahrt

war die zweite flamme;/ Lielje ward mir bald entrückt’; es werden weitere Namen

genannt, - Hildegond und Adelheit, ‘Erdmuht hätte ich schier vergessen.’ Im

holländischen Lied, das Violette auf den Thron erhebt, handelt es sich offensichtlich

um

(29)

17

Zesen, Adriatische Rosemund: Markhold und Rosemund unter dem Venus-Leuchter.

eine stilisierte, poetisierte Liebesgeschichte. Der Unterstützung dieser Poetisierung dient der Name, unter dem Zesen schon im Rosemund-Roman autobiographische Erlebnisse literarisch verfremdet hatte und auf den Mahrholds Klage Bezug nimmt:

‘Doch die allertiefste wunde/ machte meine Rosemunde’. Hat man immer Markhold

mit Rosemund verbunden, ist man

(30)

18

nicht wenig erstaunt, ihn nun im Lied der Violette anzutreffen, wie er mit der obligaten Tätigkeit schäferlicher Liebhaber beschäftigt ist: ‘Maarhold zelf snijdt in de linden,/by der Amstel, haren Naam.’ Wir wissen, daß Rosemund-Roman und Rosemund-Kult symbolisch mit der Rosen-Zunft der Deutschgesinneten Genossenschaft

zusammenhängen.

95

Die ausdrückliche Nennung der v i e r Geliebten in Verbindung mit dem Namen ‘Maarhold’, der auf Rosemund zurückweist, ist im Hinblick auf die v i e r Zünfte der Gesellschaft wohl mehr als bloß zufällig. Unter diesem Aspekt ist m.E. auch ein Lied an die ‘Lely’ zu betrachten. Der Dichter erblickt ihr süßes Lied, mit blauer Tinte geschrieben, und bemerkt, daß Name und Schrift der ‘Lely’ in der Farbe seines Namens erscheinen:

Ik zie haar zoete Lied, geschreven door een riet

van zuiker, blauw geverft. De verf van mijnen Naam

vertoont haar Naam en schrift; die uit haar herte kwaam.96

Philipp Caesius (d.i. Blau), alias Ritterhold von Blauen, überträgt sich aut die Lilie, die damit ihre (auch bei Zesen) traditionelle weiße Farbe verliert und zur ‘blauen Blume’ wird: de Blauwe LELY-blom herstelt weer mijne rust’.

97

Hinter ihr erscheint zweifellos die Lilienzunft, die auf die Rosenzunft folgte.

Die niederländischen Lieder haben bisher in der Forschung kaum Beachtung gefunden.

Ihre Zusammenhänge mit der Deutschgesinneten Genossenschaft können hier nicht weiter verfolgt werden,

98

aber soviel läßt sich sagen, daß Zesens Gedichte in der Sprache seines zweiten Vaterlandes die merkwürdige Stellung seiner

Sprachgesellschaft beleuchten: Auf Deutschland gerichtet, ist ihr Sitz in Amsterdam - ‘im Ertzschreine der Amstelinnen’ - und ist ihr Bestreben darauf gerichtet, auch Niederländer als Mitglieder oder Gäste aufzunehmen. So erklärt sich, daß der vierzeilige Reimspruch, den man sich in der fröhlichen Runde der ‘Mitgenossen’

aufzugeben pflegte, von Zesen zweisprachig mitgeteilt wird.

99

Zesen ist in den niederländischen Gedichten bemüht, den Ton des Holländischen zu treffen. Das zeigt sich auch im Gebrauch der Diminutivformen, die er im Helicon für die deutsche Lyrik ablehnt:

100

‘In uw ooghjes, in uw ooghjes/ zijn de booghjes,/ vol van vuur...’

101

Das Zitat ließe sich um viele ähnliche vermehren. Sonst weisen diese Lieder vielfach die Eigenheiten von Zesens deutscher Lyrik auf. Binnenreime sind häufig, einmal wird ihr Klangeffekt dadurch gesteigert, daß der Binnenreim auf den folgenden Halbvers übergreift: ‘en de zinnen, my te winnen:/ U te minnen’.

102

Wie bei Zesens Schwärmen fürs Lieblich-Süße nicht anders zu erwarten, ist die Metaphorik auf den süßen Geschmack abgestellt; die ‘Zuckerbäckerei’ des Spätbarock ist hier

vorweggenommen. Von einer Wirkung dieser Lieder finden sich in der

niederländischen Literatur keine Spuren. Dagegen hat eine Übersetzungsarbeit Zesens es zum Hausbuch gebracht. Gemeint ist das Paradys-hofken von Johann Arndt, das wiederholt nachgedruckt wurde, zuletzt 1750,

103

- sicher ein nicht gering

anzuschlagender Beitrag eines deutschen Schriftstellers zur niederländischen Kultur.

(31)

Eindnoten:

82 Für Biographisches sei verwiesen auf F. van Ingen: Philipp von Zesen. Stuttgart 1970, S. 1-17.

83 Cornelia Bouman: Philipp von Zesens Beziehungen zu Holland. Diss. Bonn 1916.

84 Auf Frederick Alewyn und das Haus ‘De Sonnewyser’ hat J.H. Scholte aufmerksam gemacht:

Dertig jaar Zesen-onderzoek in Nederland. In: Amstelodamum. 41 (1957), S. 67-109, spez. S.

101 ff.

85 W. Graadt van Roggen: Een Stichtsche Sleutelroman uit de zeventiende eeuw. Utrecht 1943/44.

86 J.H. Scholte: Utrecht in het oeuvre van Philipp von Zesen. In: Jb. van ‘Oud-Utrecht’. 1945/46, S. 126-149.

87 Vgl. Werner Volker Meid: Zesens Romankunst. Diss. Frankfurt/M. 1966, S. 14 ff.; K.

Kaczerowsky: Bürgerliche Romankunst im Zeitalter des Barock. München 1969, S. 7 f.

88 Heemskercks Arcadia wird zuerst erwähnt bei Meid (a.a.O., S. 17 Anm. 11): Auch hier ist eine

‘on-verghelijckelijke Rosemund’ die Heldin. Darüber hinaus dürfte dieser Roman in struktureller Hinsicht für die Adriatische Rosemund von Bedeutung gewesen sein. Vgl. F. van Ingen: Philipp von Zesens ‘Adriatische Rosemund’: Kunst und Leben. In: Philipp von Zesen 1619-1969.

Beiträge zu seinem Leben und Werk. Hrsg. von F. van Ingen. Wiesbaden 1972, S. 46-122, spez.

S. 99 ff.

89 Dichterische Jugend-Flammen (JF) Nr. 18, 21; Rosen- und Liljentahl (RL) Nr. 13, 26, 42-48, 50-62, 89, 104.

90 JF Nr. 21.

91 ‘Met recht magh ik U Lieflik noemen,/ mijn' Anemone, Bloem der bloemen./ Geen aardsche schepsel is zo zoet’ (RL Nr. 44, Hervorhebung im Original).

92 ebd.

93 RL Nr. 53, Str. 3 bzw. 4.

94 JF Nr. 28.

95 Vgl. J.H. Scholte: Zesens ‘Adriatische Rosemund’ als symbolische roman. In: Neophilologus.

30 (1946), S. 20-30; K. Kaczerowsky: A.a.O., S. 114 ff.; F. van Ingen: Philipp von Zesens

‘Adriatische Rosemund’ ... (s. Anm. 86), pass.

96 RL Nr. 60.

97 ebd.

98 In einem in Vorbereitung befindlichen Aufsatz versuche ich, auf der Blumensymbolik aufbauend, die Zusammenhänge herauszuarbeiten.

99 Das Hochdeutsche Helikonische Rosenthal. Amsterdam 1669. S. 29. Die ndl. Fassung wird folgendermaßen eingeleitet: ‘Wan Niederländer dabei waren...’

100 ‘...weil die Rede gantz unannehmlich und kindisch dardurch gemacht wird...’: Sämtliche Werke.

Bd 9: Deutscher Helicon (1641), bearb. von U. Maché. Berlin/ New York 1971, S. 51. In der ndl. Literatur findet man namentlich in Hoofts Liebesgedichten einen reichlichen Gebrauch der Diminutive.

101 RL S. 206.

102 RL S. 170.

103 Vgl. J.H. Scholte: Dertig jaar Zesen-onderzoek (s. Anm. 84), S. 70 ff. Ob Zesen lediglich eine frühere ndl. Übersetzung neu bearbeitet hat, wie Scholte annimmt (S. 72), wäre noch zu klären.

V

Die pietistische Frömmigkeit Arndts entsprach auch in Holland dem Verlangen

breiter Kreise nach einer verinnerlichten Glaubenspraxis, für die die Kirche wenig

Raum bot. Groß war die Zahl derjenigen, die sich spiritualistischen Bewegungen

zuwandten. Diese waren vor allem in Amsterdam stark vertreten und nährten sich,

durch Vermittlung deutscher Emigranten, vorwiegend aus deutschen Quellen. Dabei

haben die Schriften Jakob Böhmes von jeher die Hauptrolle gespielt. Der Kaufmann

Abraham Willemszoon van Beyerland, der u.a. zu Franckenberg in Beziehung stand,

sammelte Abschriften und Drucke von Böhmes Werken, übersetzte sie und erstellte

schon 1642 eine Bibliographie.

104

Die deutsche

(32)

19

Jan Luyken:

Jesus en de Ziel. Titelkupfer

Böhme-Ausgabe, die 1682 in Amsterdam erschien und die erste vollständige und kritische Ausgabe darstellt, beruht auf dem von Beyerland gesammelten Material.

105

Möglicherweise stammen die symbolischen Figuren mit Erklärungen von

Franckenberg und Jan Luyken. Luyken war nicht nur Kupferstecher, sondern auch ein beliebter Dichter, der mit seinen erotischen Gedichten (Duytse Lier, 1671) viel Erfolg hatte. Seiner Biographie (1712) zufolge soll er im Jahre 1675 plötzlich bekehrt und unter den Einfluß Böhmes geraten sein. Man schreibt ihm die niederländische Übersetzung der Aurora zu, zu Recht oder zu Unrecht sei dahingestellt,

106

aber Tatsache ist, daß sein Büchlein Jezus en de Ziel von Böhmes Geist und Werk geprägt wird. Es besteht aus kurzen dreiteiligen Kapiteln: einem Gedicht, einem sinnbildlichen Kupferstich und einer Prosaerklärung.

Jan Luyken:

Kupfer zu ‘Een water als kristal...’

Dargestellt wird die Reise einer Christenseele ins ewige Vaterland. In die Prosatexte

sind Böhme-Zitate hineinkomponiert, ohne daß allerdings Böhmes Name genannt

wird.

107

Das würde-uns alles nur am Rande interessieren, wenn Luyken nicht ein

(33)

Dichter gewesen wäre, der auch heute noch überzeugt. Wie eindrucksvoll ist z.B.

gestaltet, wie die Seele ihr Wesen beschreibt:

Een water als kristal, waer op geen koelte speelt, Ontfangt so cierlyk en so schoon het sonnen-beelt;

Soo was de schoone Ziel, het edelste aller dingen, Die door de wysheyt Godts een wesentheyt ontvingen;

Een vonck van 't eeuwigh vuur, doorschenen met Godts licht, Een klare Spiegel voor het eeuwige aengesicht;

Referenties

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