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Daniël Heinsius, Nederduytsche poemata · dbnl

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Daniël Heinsius

Heruitgegeven en ingeleid door Barbara Becker-Cantarino

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Daniël Heinsius,Nederduytsche poemata. (Facsimile-uitgave van eerste druk 1616) Peter Lang, Bern / Frankfurt am Main 1983

Zie voor verantwoording: http://www.dbnl.org/tekst/hein001nede01_01/colofon.htm

© 2007 dbnl / Barbara Becker-Cantarino

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Daniel Heinsius, ca. 1607. Kupferstich angefertigt 1609 von Willem Swanenburgh nach seinem eigenen Stich von 1607.

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[Wort zuvor]

In seiner Studie über Daniel Heinsius stellte D.J.H. ter Horst schon 1934 mit Bedauern fest, daß man dieNederduytschen Poemata noch immer nicht in einer modernen Ausgabe lesen könne und kündigte deren Vorbereitung durch C. Debaive an. Aus diesen Plänen ist jedoch nichts geworden. Unser Faksimiledruck der Erstausgabe von 1616 möchte nun endlich diese wichtige Gedichtsammlung wieder zugänglich machen.

Daß dieNederduytschen Poemata in der Reihe ‘Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts’ erscheinen, soll nicht etwa bedeuten, daß sie damit in die deutsche Literatur eingemeindet worden sind. Die lateinischen Werke des Daniel Heinsius wurden ja verschiedentlich einfach der neulateinischen Literatur

Deutschlands zugeordnet. Vielmehr zeugt die Aufnahme derNederduytschen Poemata in diese Reihe von der großen Bedeutung dieses Werkes auch für die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts und von dem Interesse der Barockforschung, für die der Blick über die Nationalgrenzen ebenso wichtig ist, wie er für den Dichter der Epoche war.

Mein Dank gilt den Bibliotheken in den Niederlanden, in Deutschland und den USA, deren Exemplare derNederduytschen Poemata ich einsehen oder auf Mikrofilm erhalten konnte, besonders der Universitätsbibliothek Göttingen, die das Exemplar für den Nachdruck zur Verfügung gestellt hat. Herrn Dr. Breugelmans, Leiden, möchte ich vielmals für seine wertvollen biblio-

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graphischen Hinweise danken, sowie dem University of Texas Research Institute für einen Druckkostenzuschuß. Ich freue mich, daß diese bereits 1976 fertiggestellte Ausgabe nun endlich erscheinen kann.

Austin, Texas, Februar 1982.

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Einleitung

I Daniel Heinsius (1580-1655)

Mit ‘Heinsius mihi numen est’ schloß Hugo Grotius die Zeilen, die er in dasAlbum amicorum des Daniel Heinsius (1580-1655) eingetragen hatte.1Damit ist die bedeutsame Stellung gekennzeichnet, die der junge Heinsius im Kreise um Janus Dousa (1545-1604)2und

1 Zuerst abgedruckt inDanieli Heinsii Auriacus [...] Accedunt eiusdem Iambi [...] (Leiden, 1602), S. 128. Das Stammbuch ist nicht erhalten. - D.J.H. ter Horst,Daniel Heinsius (Utrecht, 1934) ist voreingenommen gegen Heinsius' Persönlichkeit und Werk; eine sachgemäße Biographie findet sich in P.R. Sellin,Daniel Heinsius and Stuart England (Leiden, 1968), S. 1-68, mit einem Verzeichnis von Heinsius' Werken, ‘Short-Title Checklist,’ S. 203-52.

2 Dousa befreundete sich als Student in Paris mit dem Kreis der Pléïade, besonders mit Ronsard, reiste wiederholt nach England, nahm seit 1570 aktiv am öffentlichen Leben teil und widmete sich der neulateinischen Lyrik, geschichtlichen und philologischen Studien. Bei der Belagerung von Leiden verteidigte er die Stadt erfolgreich, war an der Gründung der Universität Leiden 1575 maßgeblich beteiligt und hatte das Amt eines Kurators bis zu seinem Tode inne. Zu Dousas Freundeskreis gehörten u.a. Justus Lipsius, Domenicus Baudius, Janus Gruterus, Jan van Hout, Hadrianus Junius und Bonaventura Vulcanius. Treffpunkt war oft Dousas Landsitz Noordwijk. - Vgl. die Einleitung zum Ausstellungskatalog von C.L. Heesakkers,Janus Dousa en zijn vrienden (Leiden, 1973); R.E.O. Ekkart, ‘Sleutelfiguren,’ Jaarboekje voor de geschiedenis en oudheidskunde van Leiden en omstreken, 66 (1974), S. 197-215 und C.L.

Heesakkers,Praecidanea Dousana. Materials for a Biography of Janus Dousa Pater (1545-1604). His Youth (Amsterdam, 1976).

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Joseph Scaliger (1540-1609)3als schriftstellerisches und wissenschaftliches Talent schon bald nach seiner Ankunft in Leiden einnahm. Schon 1583 hatte Heinsius' Famile die Heimatstadt Ghent verlassen, um wie viele flämische Protestanten vor den anrückenden Spaniern unter Alessandro Farnese, dem Neffen Philips II. und Statthalter der Niederlande seit 1578, im Norden Zuflucht zu suchen. Der Vater, Nicolaas Heyns, war Calvinist und hatte das ansehnliche Amt des Sekretärs des flämischen Rates in der kurzlebigen Calvinisten-Republik Ghent bekleidet. Nach kurzem Aufenthalt in Zeeland, in England und in der Nähe von Den Haag, ließ sich die Familie 1588 endgültig in Vlissingen nieder. Dort besuchte Daniel die

Lateinschule, 1596 wurde er als Student der Rechte auf die neugegründete Akademie in Franeker geschickt, die vornehmlich von flämischen Emigranten besucht wurde.

Schon hier verfaßte er lateinische Gedichte und interessierte sich mehr für das Studium der klassischen Sprachen als für die Rechts-

3 Joseph C. Scaliger, der Sohn des Julius Caesar Scaliger, war neben Isaak Casaubon der berühmteste Philologe Frankreichs seiner Zeit. In Paris war er ebenfalls mit dem Kreis der Pléïade befreundet, als Calvinist nahm er an den Hugenottenkriegen teil, verließ Frankreich nach der Bartholomäusnacht, trat 1593 die Nachfolge des Lipsius in Leiden an und machte die junge Universität zum Zentrum klassischer und philologischer Studien. W. den Boer, Scaliger en Perizonius. Hun betekenis voor de wetenschap (Den Haag, 1964).

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wissenschaft. 1598 schrieb er sich in Leiden ein, wurde von seinem Vater

zurückgerufen, bis dieser - vielleicht durch die Fürsprache Scaligers umgestimmt - endlich die Erlaubnis zum Studium der klassischen Sprachen gab, so daß Daniel sich im Oktober 1600 wieder in Leiden immatrikulieren konnte.

Mit lateinischen Gelegenheitsgedichten, wie etwa mit demCarmen nuptiale (1599) für die Hochzeit von Petrus Scriverius oder dem bukolischen GedichtNordowicum für Janus Dousa, erlangte er Zutritt zu dem Kreis von Dousa und Scaliger. Der Druck seines zuvor aufgeführten lateinischen SchuldramasAuriacus sive libertas saucia (1602) wurde von Dousa, Grotius, Scaliger, Bonaventura Vulcanius, Janus Gruterus und anderen mit lateinischen Geleitgedichten versehen. Unter der Anleitung von Scaliger entstanden die ersten Editionen klassischer Texte: Silius Italicus'De secundo bello Punico (1600) und Crepundia Siliana (1601), sowie Ausgaben von Hesiod und Theokrit 1603. 1605 erschien seineDissertatio über die Dionysiaca des Nonnus, 1607 gab er dieIambi gnomici Joseph Scaligers heraus und versah die gesammelten Gedichte von Janus Dousa d.J. (1571-1597), dem frühverstorbenen begabten ältesten Sohn des Janus Dousa, mit einer Widmung. Im selben Jahr erschienen eine Ausgabe des Maximus Tyrius und dieNikomachische Ethik des Aristoteles mit lateinischer Übersetzung. Dann folgte als Ergebnis seiner Beschäftigung mit den Poetiken des Horaz und Aristoteles die mit Anmerkungen versehene Horazausgabe (1610), der dieEpistola ad Pisones und die Poetik des Aristoteles, beide mit umgreifenden Textumstellungen, angefügt waren.

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1612 wurde dem Neudruck von Heinsius' Horazausgabe außerdem das TraktatDe satyra Horatiana beigefügt, nachdem 1611 im Anhang zu seiner Ausgabe von Aristoteles'Poetik seine Arbeit über die Tragödie, De tragoediae constitutione, erschienen war, welche dann 1643 überarbeitet wurde. Auf die Ausgabe des Theophrast von 1613 folgten 1616 die von Clemens von Alexandrien, 1618 die Komödien des Terenz mit einerDissertatio über Plautus und Terenz, die Itineraria (Reiseberichte über Frankreich und Spanien) des Johannes Secundus und 1619 die philosophischen und rhetorischen Schriften Senecas mit Heinsius' wichtiger ‘De stoica philosophia oratio’ im Anhang.

Nach diesen zwei Jahrzehnten äußerster Fruchtbarkeit verlagerte sich das wissenschaftliche Schaffen auf theologische Texte, jedoch nicht ausschließlich.

1627 erschienen die Briefe Scaligers, 1636 dieColloquia des Erasmus. Heinsius' theologische Arbeiten wurden eingeleitet von Homilien zur Geburt (1612) und Passion (1613) Christi, dann folgte die Herausgabe der einen Folioband füllendenActa der Synode von Dordrecht (1620); erwähnenswert ist die kommentierte Edition von Nonnus' Paraphrase des Johannisevangeliums,Aristarchus sacer (1627). An den philologischen und historisch-kritischen Erklärungen zum Neuen Testament, den Exercitationes (1639), die Heinsius als sein wichtigstes Werk betrachtete, hatte er über ein Jahrzehnt gearbeitet.4

4 H.J. de Jonge, ‘The Study of the New Testament,’Leiden University in the Seventeenth Century (Leiden, 1975), bes. S. 93-100.

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Bei dieser ausgedehnten editorischen5und wissenschaftlichen Tätigkeit wird Heinsius' glanzvolle akademische Laufbahn in Leiden verständlich, für deren Verlauf natürlich auch die Fürsprache Scaligers und Dousas wichtig war. Ohne je einen akademischen Grad erworben zu haben, wurde Heinsius 1602 zunächst mit Vorlesungen beauftragt, 1603 zum außerordentlichen Professor der Dichtkunst (poësie), 1605 zum

ordentlichen Professor für Griechisch und 1607 zum Bibliothekar ernannt; 1610 wurde er Sekretär des akademischen Senats und 1612 erhielt er den angesehenen Lehrstuhl für Politik und Geschichte. Erst 1647 dispensierten ihn auf wiederholten Antrag hin und nach Fürsprache des Prinzen von Oranien die Kuratoren vom Lehren, und 1653 wurde ein Nachfolger für die Bibliothek ernannt. 1654 wurde Heinsius als Sekretär des Senats abgelöst, da er wiederholt unter schweren Krankheitsanfällen litt und im letzten Jahrzehnt seines Lebens als senil galt.

Trotz abwertender Urteile der Altphilologie des 19. Jahrhunderts,6muß die Bedeutung von Heinsius' wissenschaftlicher Tätigkeit für sein Jahrhundert recht hoch angesetzt werden. Zunächst unter der Anleitung Scaligers, dann in dessen Nachfolge besorgte Heinsius Text-

5 H.J. de Jonge,Daniel Heinsius and the Textus Receptus of the New Testament (Leiden, 1971); das Vorwort stammt jedoch nicht von Heinsius, wie de Jonge berichtigt in ‘Jeremias Hoelzlin: Editor of the “Textus Receptus” [...],’Miscellanea Neotestamentica, hrsg. v. T. Baarda u.a. (Leiden, 1977).

6 Das Urteil von L. Müller,Geschichte der klassischen Philologie in den Niederlanden (Leipzig, 1869), S. 38, wird ständig wiederholt.

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editionen, die fast immer unbekannte Manuskripte zur Textherstellung heranzogen.

Seine Anmerkungen, Einführungen und lateinischen Übersetzungen, wenn es sich um griechische Texte handelte, zeugen von vorzüglichem Sprachgefühl und großen Kenntnissen. Statt auf Emendationen und Textverbesserungen legte Heinsius den Schwerpunkt auf philologische Zeilen- oder Satzerklärung und zog dabei den Inhalt und die Gesamtstruktur des Werkes mit heran. SeineDissertationes sind Zeugnisse interpretatorischer Fähigkeit, da eine literarische Wertung und Einordnung des jeweiligen Werkes versucht wird. In der Nachfolge seines Lehrers Bonaventura Vulcanius macht er Werke wenig bekannter griechischer Autoren, oft mit lateinischer Übersetzung, für die gelehrte Welt zugänglich. An der Verbreitung der preiswerten Klassikerausgaben im handlichen Duodezformat, das von den Elzeviers populär gemacht worden war, hatte Heinsius insofern einen großen Anteil, als er jahrelang mit den Elzeviers zusammenarbeitete, sie beriet und zu unzähligen anonymen Editionen das lateinische Vorwort entwarf.7

Auch die lateinischen Dichtungen des Heinsius erwuchsen aus seiner

philologischen Tätigkeit, jedoch schätzte er sie geringer ein. Er führte die Tradition der Neulateiner fort, von denen viele als Philologen und als Dichter hervorgetreten waren, wie die beiden Scaliger,

7 A. Willems,Les Elseviers. Histoire et annales typographiques (Paris, 1880, Reprint 1962);

D.W. Davies,The World of the Elseviers 1580-1712 (Den Haag, 1954); S. Hartz, The Elseviers and Their Contemporaries (Amsterdam, 1955).

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Dominicus Baudius, Friedrich Taubmann, Caspar Barth oder Hugo Grotius. Seit 1596 sind Gelegenheitsgedichte von Heinsius im Einzeldruck belegt. 1602 erschien die erste Sammlung im Anhang zu seinem DramaAuriacus, 1603 erstmals seine wichtige neulateinische Lyrik,Elegiarum libri III. Monobiblos, Sylvae.8Diese Sammlung wurde dann erweitert, ergänzt und umgruppiert in den Ausgaben von 1606, 1610, 1613 (die wichtigste Ausgabe für die Elegien), 1617 und 1621 (mit dem didaktischen Versgedicht in vier BüchernDe contemptu mortis). Die von seinem Sohn Nikolaas besorgten Ausgaben von 1640 und 1649 bringen dazu noch die nicht mehr sehr umfangreiche Produktion seit 1621, während die Elegien und

Jugendgedichte in den Ausgaben von 1617 an immer weiter ans Ende der Sammlung rücken. In der Nachfolge von Johannes Secundus, Janus Dousa, aber ebenso der römischen Elegiker und der Anakreontik fand Heinsius in seinen lyrischen und mythologisch-erzählenden Elegien neue Töne; seine Gelegenheitsgedichte, besonders die Zyklen von Gedenkversen (‘Manes’) für Dousa, Lipsius und Scaliger, zeigen Heinsius' Beherrschung der antiken Versmaße, der neulateinischen

Gedichtformen und Motive.

8 Zu Heinsius' lateinischer Dichtung siehe B. Becker-Cantarino,Daniel Heinsius (Boston, 1978), Kapitel 4-8; zur Lyrik G. Ellinger,Geschichte der neulateinischen Lyrik in den Niederlanden (Berlin, 1933), S. 171-98.

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Seine beiden Dramen sind weitgehend dem Stile Senecas verpflichtet.9Im Mittelpunkt des patriotischen Versdramas über die Ermordung Wilhelm des Schweigers,Auriacus (1602), steht ein stoischer Prinz; das biblische DramaHerodes infanticida, das erst 1632 erschien aber wohl schon teilweise um 1610 abgefaßt wurde, behandelt das im 17. Jahrhundert beliebte Thema des bethlehemitischen Kindermordes und trägt barocke Züge in der Darstellung des tyrannischen, Gott verfluchenden Herodes.

An diesem Drama entzündete sich der Streit mit Guez de Balzac10über die Mischung von antiker Mythologie mit christlichen Themen, die Heinsius schon in der Vorrede zur Bacchushymne, dann in derEpistola, qua dissertationi D. Balsaci respondetur (1636) als historisch verschiedene Ausformungen von ein- und derselben göttlichen Weltordnung verteidigte.

Dazu kamen noch lateinische Prosaschriften, wie die satirische Verteidigung von Dousas Geschichtswerk (1602) und Scaligers adeliger Abstammung gegen die Angriffe Kaspar Schoppes (1608), humanistische Enkomien wie das beliebteLaus asini (1623) oder die Remonstrantensatire Cras credo, hodie nihil (1621). Zahlreiche Auflagen, Erweiterungen und Übersetzungen bezeugen das weite Interesse an diesen Schriften, wie

9 J.A. Worp,De invloed van Seneca's treurspelen op ons toneel (Amsterdam, 1892), S. 291-93;

P. Stachel,Seneca und das deutsche Renaissancedrama (Berlin, 1907), S. 142-50; weitere Literatur zu den Dramen in Kapitel 7 von Becker-Cantarino,Daniel Heinsius.

10 Literatur und Zusammenfassung in Z. Youssef,Polémique et littérature chez Guez de Balzac (Paris, 1972), S. 117-64.

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auch an Heinsius' lateinischen Reden, von denen die Gedenkreden für Scaliger (1609), für den berühmten Geographen Philip Cluver (1623), für seinen Freund, den Mediziner Reiner Bontius (1624), oder für Prinz Moritz von Oranien (1625) besonders beliebt waren. Der letzte Sammelband von Heinsius' Reden aus dem Jahre 1657 enthält eine stattliche Anzahl von Gedenkreden, akademischen Vorträgen und einige Vorworte, die seit 1608 in immer wachsenden Sammlungen 1612, 1615, 1620, 1627, 1642 und 1652 zusammengetragen worden waren.

Ein solcher Reichtum an Schriften war das Ergebnis der calvinistischen

Kardinaltugend, Fleiß, und aussergewöhnlicher Begabung. Die Fülle von Heinsius' Veröffentlichungen erklärt seinen Ruhm unter den Zeitgenossen, die ihn auch als beliebten Lehrer und Redner zu schätzen wußten. Ehrungen kamen vom

französischen König, von Gustav Adolf, von der Republik Venedig, von den Generalstaaten. Dennoch wurde Heinsius' Ruhm noch zu seinen Lebzeiten von heftiger persönlicher Kritik überschattet, und besonders in den Niederlanden selbst wurde sein Werk nach seinem Tode wenig beachtet. Das hat mehrere Gründe. Wie Constantijn Huygens' Epigramm auf den senilen Heinsius aufzeigt,11hat der Spott über Heinsius' langsamen geistigen und körperlichen Verfall seine Spuren in der Beurteilung seiner Zeitgenossen hinterlassen. Dazu mischte sich, wie jetzt bei der Untersuchung der Bibelexegesen festgestellt

11 Abgedruckt in A.A. Angillis, ‘Daniel Heins, Hoogleeraar en Dichter,’De Dietsche warande, 6 (1864), S. 41.

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wurde,12Neid mit unter die Kritik an Heinsius'Exercitationes, wenn ihm Plagierung von Scaligers Nachlaß vorgeworfen wurde. Die bittere Feindschaft mit Claudius Salmasius, der 1631, ohne zu regelmäßigen Vorlesungen verpflichtet zu sein, auf einen hochdotierten Lehrstuhl mit Vorrangstellung vor den anderen Professoren in Leiden berufen wurde, schadete Heinsius in philologischen Kreisen. Daß bei den Streitereien Salmasius mindestens ebensoviel Schuld traf, wie den vielfach als hochmütig und überaus eitel dargestellten Heinsius, wird aus der Erschließung der Gelehrtenbriefe und anderen Quellen immer deutlicher.

Die Kritik an Heinsius setzte zunächst an seiner Parteinahme für die Gomaristen an, welche als ‘egoistisches Kompromißlertum’ dem Leben und Werk des Hugo Grotius entgegengestellt wird.13Die Angriffe auf Heinsius' Charakter, wie z.B. der von Salmasius und seinen Pariser Freunden hochgespielte Vorwurf der Trunksucht, lassen sich bis zu den abfälligen Verleumdungen einiger Remonstranten nach der Synode von Dordrecht (November 1618 bis Mai 1619) zurückverfolgen.14Wie die meisten flämischen Emigranten, die dem orthodoxen

12 De Jonge (Anm. 4).

13 O. Kluge,Die Dichtung des Hugo Grotius (Leiden, 1940), S. 15.

14 Wiedergegeben in dem einflußreichen Werk von Geeraert Brandt,Historie der Reformatie IV (Rotterdam, 1704), S. 84-5. Siehe P.R. Sellin, ‘The First Collection of Dutch Love Emblems:

The Identity of Theocritus à Ganda,’Modern Language Review, 66 (1971), S. 339.

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Calvinismus nahestanden, so neigte auch Heinsius schon seit 1609 zu Gomarus;

die Freundschaft mit Hugo Grotius kühlte sich seit etwa 1614 merklich ab; Heinsius' Heirat mit Ermgard Rutgers, der Schwester des schwedischen Gesandten in Den Haag, Janus Rutgers, der aus einer einflußreichen Familie stammte, band ihn stärker an die Orangisten. Wegen seiner Gewandtheit im Lateinischen wurde er zum Sekretär der Laienabgeordneten bei der Synode von Dordrecht ernannt. Als solcher hatte er die Vermittlung bei den Sitzungen und Unterhandlungen zu führen, aber keinen maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidungen selbst. Die unversöhnliche Haltung der siegreichen Orthodoxie, die Hinrichtung Oldenbarnevelts und Hugo Grotius' Festsetzung haben einen Schatten auf alle Anhänger der Gomaristen geworfen, der bis heute in der holländischen Geschichtsschreibung zu spüren ist.15 Heinsius ist oft mit dem vielseitigeren und durch seine juristischen Werke international bekannt gewordenen Hugo Grotius verglichen worden, und dabei als der weniger begabte, eitle Streber und rücksichtslose Emporkömmling hingestellt worden. Ein solcher Vergleich kann weder Heinsius' Person noch seinem Werk gerecht werden, das in seiner Fülle und Vielseitigkeit aus seinen eigenen Gesetzen heraus und ohne Voreingenommenheit betrachtet werden sollte.

15 So bei P.J. Meertens, ‘De Groot en Heinsius en hun zeeuwse vrienden,’Archief. Vroegere en latere mededelingen voornamelijk in betrekking tot Zeeland (1949-50), bes. S. 87-89.

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II Petrus Scriverius und die Ausgaben der Nederduytschen Poemata

Neben den wissenschaftlichen Werken und den neulateinischen Schriften nimmt sich Heinsius' holländische Dichtung recht bescheiden aus. Daß er sie nicht zu seinen eigentlich wichtigen Leistungen zählte, sondern mehr als eine Spielerei und Zeitvertreib ansah,16geht schon daraus hervor, daß er holländische Verse nur unter dem Pseudonym Theocritus à Ganda veröffentlichte, und daß seine

Gedichtsammlung von 1616 von seinem Freunde Petrus Scriverius herausgegeben wurde. In der ‘Voor-reden’ erklärt Scriverius, daß Heinsius selbst ‘zijne Duytsche vruchten’ kaum ans Licht befördert hätte und daß er, Scriverius, sie ihm ‘door een soete dieverije (gelijck als wyt duyden) afhandich gemaect’ habe (S. 7). Ob dieser

‘süße Diebstahl’ bedeutet, Heinsius habe nichts von der Ausgabe gewußt, mag dahingestellt bleiben. Mir scheint das nur eine Anspielung auf das damals

allbekannte, aus der klassischen Literatur übernommene Bienengleichnis zu sein, in dem Dichtung mit dem süßen, aus verschiedenen Blüten gesammelten Honig, der Dichter mit der Biene verglichen wurde.17

16 Vgl. die unten S. 56* zitierte Äußerung über seine holländische Theokritübersetzung.

17 Ter Horst (op. cit., Anm. 1), S. 46 behauptet, die Ausgabe der Nederduytschen Poemata sei ohne das Wissen von Heinsius erschienen. - Vgl. J.v. Stackelberg, ‘Das Bienengleichnis,’

Romanische Forschungen, 68 (1956), S. 271-93.

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Heinsius' Zustimmung zu der Ausgabe dürfte man voraussetzen, sein Mitwirken dagegen nicht. Wir sind jedoch über den Anlaß und das Zustandekommen der Ausgabe nicht weiter informiert.

Petrus Scriverius (1576-1660),18der seit 1593 in Leiden bei Scaliger, Bonaventura Vulcanius und Paulus Merula studiert hatte, war ebenfalls mit Dousa, besonders mit dessen Söhnen befreundet. Nach Abschluß seines Studiums und seiner Heirat 1599 lebte er als Privatgelehrter in Leiden und widmete sich ganz der Wissenschaft und Dichtung. Er gab Anmerkungen zu den Klassikern heraus, schrieb historische Werke und war an lateinischer und holländischer Dichtung interessiert. Auch als Herausgeber der lateinischen Gedichte holländischer Humanisten war er

hervorgetreten; 1601 hatte er die Gedichte des frühverstorbenen Georgius Benedicti herausgegeben, 1609 die von Janus Dousa,191615 die von Scaliger, und 1619 folgte die erste Gesamtausgabe von Johannes Secundus (Heinsius edierte dessen Itineraria 1618). Die lebenslange Freundschaft mit Heinsius reicht bis in dessen erste Leidener Zeit zurück; nach demCarmen nuptiale (1599) für Scriverius' Hochzeit findet sich ein warmes Glückwunschgedicht ‘Scriverio meo de filiolo nuper nato’

(Auriacus, 1602, S. 131), seit 1603 ist das Elegienbuch ‘Monobiblos’ dem Scriverius gewidmet, wie auch verschiedene Elegien (I, 10; II, 9;

18 P. Tuynman, ‘Petrus Scriverius. 12 January 1576-30 April 1660,’Quaerendo, 7 (1977), S.

4-35.

19 C.L. Heesakkers, ‘Petrus Scriverius as the Publisher of the Poemata of Janus Dousa,’

Quaerendo, 5 (1975), S. 105-25.

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Monob., 1). Wohl das unmittelbarste Zeugnis der Freundschaft zwischen Scriverius (Schrijver) und Heinsius sind die Schlußverse des ‘Lof-sanck van Bacchus’:

En volcht my daer ick gae, naer t' huys van onsen Schrijver, Die desen avont heeft mijn vroelicheyt gepacht,

En my met eenen kroes van Malveseye wacht.

Scriverius betreute dann die Ausgabe derNederduytschen Poemata, er versah die Bacchus- und die Christushymne mit Anmerkungen.

Die Sammlung lag Ende Oktober 1615 im Satz vor, denn im Anschluß an die Bacchushymne hat Scriverius die ‘Waerschouwinge over eenige mistellingen in desen druck begaen’ (S. 66) mit dem Datum vom 25. Oktober 1615 hinzugefügt.

Das Druckprivileg (S. *2) datiert vom 28. Oktober und die Widmung an Jacob van Dyck (S. *10) ist am ‘vorletzten’ Novembertag 1615 unterzeichnet. Die Fertigstellung des Bandes dürfte sich dann wahrscheinlich bis Anfang 1616, dem Datum des Titelblattes, hingezogen haben.20

In den Bemerkungen ‘Aen den Leser’ (S. *23) entschuldigt Scriverius

Versäumnisse im Druck damit, daß dieser in einer anderen Stadt (Amsterdam) ausgeführt wurde. Scriverius' Kritik sollte nicht als Hinweis auf eine unzulängliche Ausgabe gelesen werden. Eine Durchsicht

20 Vgl. hierzu und zum folgenden P.R. Sellin, ‘Daniel Heinsius'Nederduytsche Poemata. De uitgaven van 1616 en 1618,’Tijdschrift voor Nederlandse taal- en letterkunde, 78 (1961), S.

241-46.

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der Berichtigungen (S. *23 und 66) ergibt, daß es sich meistens um Änderungen in der Orthographie oder um den Ersatz eines Wortes handelt. Wichtig sind die Korrekturen für Vers 209 der Bacchushymne, wo der Text ‘De rest is als en windt’

in ‘as en windt’ (Asche und Wind) verbessert werden muß;21in der ‘Elegie, ofte Nacht-klachte’ (S. 47, Z. 19) muß es statt ‘sael’ richtig ‘schael’ (Waagschale) heißen;

der vorletzte Vers des Emblemgedichtes ‘Omnia coniungo’ (S. 80) ist verdruckt; die beiden Emblemserien sind durchlaufend numeriert und nicht durch Untertitel voneinander geschieden worden. Diese aufs Ganze gesehen unbedeutenden Fehler gehen wohl auf das Konto des Druckers (oder hatte Scriverius nicht rechtzeitig Korrektur gelesen?). Der als Kartograph berühmte Willem Jansz Blaeu, der auch die Werke von Hooft, Roemer Visscher und Vondel gedruckt hat, ist für die Sorgfalt seiner Ausgaben bekannt.22Die Fehler wurden in der zweiten Ausgabe verbessert, die schon wenige Monate später nötig wurde, wohl weil die erste Ausgabe vergriffen war, und die mit identischem Titelblatt ebenfalls 1616 erschien. Auf diese Ausgaben, wie auch auf die folgenden, hat der Autor Heinsiuskeinen Einfluß genommen.

Lediglich bei den Gedichten, die schon vor 1616 im Druck erschie-

21 Martin Opitz hat wahrscheinlich diese Erstausgabe für seine Übersetzung der Bacchushymne vorgelegen, da er Vers 209 mit ‘der rest ist als ein wind’ übersetzt (Teutsche Poemata, 1624, hrsg. G. Witkowski, Neudrucke dt. Lit. des XVI. und XVII. Jhds, Halle, 1902, S. 207).

22 J. Keuning, M. Donkersloot-de Vrij,Willem Jansz. Blaeu (Amsterdam, [1973]), S. 30.

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nen,23lassen sich vielfach rhythmische und sprachliche Glättungen, bisweilen eine Umformung des Gedankens feststellen, die von Heinsius selbst oft schon von einer Ausgabe der Emblemserien zur anderen bis 1616 vorgenommen wurden.

Folgende Ausgaben derNederduytschen Poemata sind nachweisbar:

A (1616): DAN: HEINSII | Nederduytsche | POEMATA; | By een vergadert

| en uytgegeven |Door | P.[etrus] S.[criverius] | Tot Amsterdam | Gedruct By Willem Janßen a.o1616. | Met Privilegie voor 5 Iaren.

4o: *a - *c4A - K4L6 2A6,3A - B4 3C6 3D - H4= 98 B1.

Sellin, Checklist 40; de Vries, 29;24Landwehr, 196.25

23 Die systematische Aufnahme der Textvarianten der holländischen Gedichte von 1601 bis 1616, die sprachlich und stilistisch besonders interessant sind, muß einer kritischen Ausgabe vorbehalten bleiben. Einige wichtige Änderungen, wie zur ‘Elegie, ofte Nachtklachte’ (siehe unten) wurden angemerkt.

24 A.G.C. de Vries,De Nederlandsche emblemata. Geschiedenis en bibliographie tot de 18e eeuw (Amsterdam, 1899), Reprint 1976.

25 J. Landwehr,Emblem Books in the Low Countries 1554-1949. A Bibliography (Utrecht, 1970). Da Landwehr die unter dem Pseudonym Theocritus à Ganda erschienenen Emblembücher des Heinsius Jacob de Vivere zuschreibt, muß die Berichtigung R.

BreugelmansQuaerendo, 5 (1975), S. 265-68 für Heinsius mit herangezogen werden.

- Der Textvergleich der Emblemgedichte bei Landwehr zeigt Glättungen in 1616 gegenüber der Erstausgabe 1601.

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Benutzte Exemplare: UB Amsterdam 974 H6; UB Utrecht Z. qu. 120 (2); Utrecht Iconologisch Inst. A VI A3 (viii) und Moltzer 1 C 15; KB Den Haag 767 C 19;

Rijksprentenkabinet 326 H 11 und 12; UB Leiden 707 C 8; University of Minnesota Library, Minneapolis, Minn., Z 839.32H 365; UB Göttingen 8oPoet. Belg. 3000 (benutzt für den Nachdruck); Privatexemplar Prof. G. Schulz-Behrend (Austin, Texas). Für den Inhalt siehe die vorliegende Ausgabe.

B1. (1616): Titelblatt identisch mit A.

4o: (*)4(**)6A - P4Q6R - X4= 96 B1.

Sellin, Checklist 41.

Benutzte Exemplare: UB Amsterdam 1302 B 32; UB Leiden 1183 B 20. Die Signaturen der letzten fünf Bogen wurden in R - X geändert.26Wesentliche Veränderungen gegenüber A: Widmungsvorrede und -gedicht an van Dyck sind neu gesetzt (S. 3-20), ebenfalls die Gedichte, aber hier sind Zeilen- und

Seitenumbrüche genau erhalten geblieben. Zierbuchstaben am Anfang sind anders und etwas kleiner, Kürzel in der Regel aufgelöst, Textverbesserungen sind

vorgenommen wie sie Scri-

26 Diese Änderung wurde im Leidener Exemplar mit Tinte vorgenommen. Es wurde jeweils nur die erste Signatur der Bogen D - H überdruckt (R - X), um dem Binder die richtige Folge der Bogen anzuzeigen. Vielleicht waren diese Bogen, die die Anmerkungen des Scriverius zur Bacchushymne enthalten, für einen Einzeldruck der Hymne oder ein anderes Werk bestimmt, was jedoch nicht zustande kam, jedenfalls nicht nachweisbar ist.

(22)

verius in A (‘Aen den Leser,’ S. 23 und ‘Waerschouwinge,’ S. 26 angemerkt hatte.

Scriverius' Bemerkungen entfallen. Die Emblemserien sind mit den Untertiteln ‘Het Ambacht van Cupido’ (S. 67) und ‘Emblemata amatoria’ (S. 83) versehen und werden getrennt gezählt. S. 82 bringt wieder Scriverius' wichtige Bemerkung über die Entstehung derEmblemata amatoria: ‘Dese naevolgende 24 Emblemata zijn te vooren meer-maels ende op verscheyden plaetsen ghedruckt, dees hadde eertijdts een seecker Liefhebber soo uyt den hooghgheleerden Mr. Hadriaen de Ionghe, als andere Schryvers, by een vergadert, ende in koper doen snijden, om door den druck gemeen te maken, dan alsoo dit maer stomme beelden waren, soo is de

soetvloeyende tong van onse Poëet daer toe gheleent, die de selfde over veel jaren Nederlandts heeft doen spreken.’ Für die Bacchushymne ist die Paginierung fortgesetzt und die Verszählung auf 664 korrigiert worden. Scriverius' Anmerkungen, die gesondert paginiert (S. 29-67) sind, wurden leicht erweitert.

B 2. (1618): Titelblatt wie A mit Datum 1618. Kollation wie B 1.

Sellin, Checklist 42; de Vries, 30; Smit, S. 267.27

Benutzte Exemplare: Wolfenbüttel Lp 56; UB Amsterdam 973 G 30; UB Leiden 39 E 14.

27 W.A.P. Smit,De dichter Revius (Amsterdam, 1928), S. 263-76, enthält eine Bibliographie der holländischen Werke von Heinsius.

(23)

C (1621): Titelblatt wie A mit dem Datum 1618.

4o: A - S4= 72 B1.

Sellin, Checklist 44; de Vries, 31; Smit, S. 267-68; Landwehr, 198.

Benutzte Exemplare: UB Amsterdam 753 A 24; Duke University Library, Durham, N.C., TR 879.1 H471; KB Den Haag 3129 B3. Nachdruck von B mit kleineren Buchstaben, daher insgesamt nur 144 Seiten. Keine Zierbuchstaben am Anfang.

Das Druckprivileg fehlt. Auf Seite 64 findet sich der wichtige Vermerk: ‘Versus Latinos in XXIV priora Emblemata, P. Scriverius ludibundus adjecit. Reliqua sunt incertorum.’

Alle Embleme sind erstmalig in denNederduytschen Poemata mit einem lateinischen Distichon versehen. Auf Seite 77 trägt der Untertitel den Vermerk: ‘Emblemata Amatoria, Op het versoek van een drucker, van den auteur in zyne kintsheyt met veersen verciert, onder den naem van Theocritvs a Ganda.’ Auf S. 92-96 erscheint zum erstenmal derSpiegel vande doorluchtige vrouwen. Die Anmerkungen zur Bacchushymne sind nicht mehr getrennt sondern jeweils unten auf die Seite gesetzt.

Auf der letzten Seite (143) findet sich ‘Ter eeren van de Moffeschans, ende den Auteur van de selve’, ein Widmungsgedicht für das Werk seines flämischen Freundes Petrus Hondius.

Zwei Gründe sprechen für die Datierung dieser Ausgabe für 1621. 1) Das Widmungsgedicht ‘Ter eeren van de Moffeschans’ ist nur in einigen Ausgaben von Petrus Hondius'Dapes inemptae, Of de Moufe-schans ... (Leiden, 1621) enthalten und dort nachträglich eingebunden (in den Exemplaren der KB Den Haag 30 G 35 und 839

(24)

F 33) oder eingeklebt (im Exemplar der UB Leiden 1199 G 5). Das Gedicht dürfte also erst nach dem Druck dieses Werkes gegen Ende des Jahres 1621 entstanden sein. 2) Das Druckprivileg des Jansz für dieNederduytschen Poemata, das am 28.

Oktober 1621 abgelaufen war, ist in dieser Ausgabenicht mehr enthalten. Deshalb dürfte diese Ausgabe trotz des alten Titelkupfers von 1618 erst Ende 1621 vielleicht als Antwort auf den Nachdruck des Leidener Buchdruckers Westerhuisen

herausgebracht worden sein.

D (1621): DAN: HEINSII | Nederduytsche | POEMATA; | By een Vergardert

| en uytgegeven |Door | P.[etrus] S.[criverius] | Tot Leyden | By Hermien van | Westerhuisen Ao1621.

Miniatur 8oquer (10cm × 7,1cm): A - L8M8(M2 + ***3) N - Z82A4,2A - R8= 327 B1. [2A4abund2R8absind leer].

Sellin, Checklist 45; Smit, S. 268; Landwehr, 199; Praz, S. 36628.

Benutzte Exemplare: Utrecht Iconologisch Inst. A VI A3 (viii) (die Signatur ist identisch mit der des Exemplars unter A);29KB Den Haag 174 F 33 (defektiv: O-Lage der ersten Zählung fehlt); British Library 11557.a.63 (***3fehlen). Sellin und Smit beziehen sich auf das

28 Mario Praz,Studies in Seventeenth Century Imagery, 2. Auflage (Rom, 1964).

29 Herr Dr. Jochen Becker hat freundlicherweise dieses Exemplar noch einmal mit meinen Angaben verglichen.

(25)

Exemplar in Den Haag, Landwehr beschreibt ein Exemplar in Privatbesitz in Amsterdam, das mir nicht zugänglich war, mit unklarer Bogenzählung (A2- Z5[Z8], Aa - Aa3). Wahrscheinlich fehlen in diesem Exemplar das Einschübsel ***-***3:

‘Voorreden van de doorluchtige Vrouwen’ und derLof-sanck van Jesus Christus:

2A - R8. Mit dem von Landwehr angegebenem Format ‘oblong 24 mo’ dürfte das Miniaturoktav gemeint sein.

De la Fontaine Verwey30erwähnt zwei Ausgaben durch van Westerhuisen von 1621 in kleinoktav quer, die erst zusammen den gesamten Inhalt der holländischen Gedichte des Heinsius ausmachen sollen. Er bezieht sich dabei einmal auf das Exemplar in Den Haag, das jedoch - wie unten aufgeführt - schon alles enthält. Zum anderen verweist de la Fontaine Verwey auf den Auktionskatalog der Bibliothek von Vincent van Gogh (Amsterdam 1918), Nr. 187, auf ein Exemplar mit dem Titel Lof-sanck van Jesus Christus. Met de noodelicke uytleggingen. Diese Ausgabe enthält nur die Christushymne (Exemplar in der KB Den Haag; Sellin, Checklist 54).

Unsere vorliegende Ausgabe D enthält dieNederduytschen Poemata (S. 1-170, Anordnung wie in Ausgabe A); dann folgen das Gedicht für seine eigene Hochzeit,

‘Ex persona sponsi’ (S. 171-78), und derSpiegel van de doorluchtige Vrouwen (S.

179-84; die Paginierung S. 179-84 erscheint zweimal, das erstemal [***-***3] enthalten die drei Blätter das Gedicht ‘Voorreden van

30 Vgl. H. de la Fontaine Verwey, ‘Notes on the début of Daniel Heinsius as a Dutch poet,’

Quaerendo, 3 (1973), S. 307.

(26)

de doorluchtige Vrouwen,’ das schon vorher auf S. 157-63 enthalten war. Dieser Einschübsel in die erste M-Lage ist in zwei der mir bekannten Exemplare enthalten).

Die folgenden 48 Blätter enthalten die beiden Emblemserien; jedes Emblem ist mit lateinischem Zweizeiler, den holländischen Versen und einem französischen Vierzeiler versehen. Die Bacchushymne mit nicht paginierter Vorrede aber ohne die Anmerkungen folgt mit gesonderter Paginierung S. 1-58. Nach einem Leerblatt (2A4; [fehlt im Utrechter Exemplar, welches jedoch restauriert ist]) schließt sich die Christushymne mit Vorrede und mit Anmerkungen (S. 1-226; A - R8; R8 ist ein Leerblatt, das im Utrechter Exemplar fehlt) an.

Für diese Ausgabe wurde das Titelblatt neu gestochen und sämtliche Kupfer getreu nachgestochen, wobei die 12 Kupfer für die Bacchushymne in kleinerem Format hergestellt werden mußten, um auf die Seite zu passen. Diese Ausgabe dürfte nach dem Ablauf von Jansz' Druckprivileg (28. Oktober 1621) auf den Markt gekommen sein, somit kein Raubdruck sondern ein Nachdruck von Janssens Ausgabe sein. Westerhuisen hatte schon 1619 die Embleme des Heinsius mit einer Anzahl seiner holländischen Gedichte im Anhang herausgegeben. 1622

veröffentlichte er noch einmal diese alte Sammlung mit neuem Titelblatt, wohl um den Anschein einer Ausgabe derNederduytschen Poemata zu erwecken. Mir lag davon ein Exemplar der Folger Shakespeare Library, Washington, D.C., mit der Signatur PN 6349 H38 1622 Cage vor:

(27)

DANIEL HEINSII | NEDERDUYTSCHE | POEMATA. | By een vergadert en uytgegeven | DOOR P.[etrus] S.[criverius] | TOT LEYDEN, | BY HERMAN WESTERHVYSEN ANNO 162[2]

4oquer: A4(als * signiert) B - O4o4P - V4= 84 B1.

Diese Ausgabe ist, abgesehen vom Titelblatt, identisch mit der zwei Jahre zuvor bei van Westerhuisen erschienenenAfbeelding van minne, emblemata amatoria, emblemes d'amour. Met de Spiegel van de doorluchtige vrouwen op een nyen overzien door Theocritum a Ganda. Met noch veel schone poetische ghedichten seer vermaeckelijck voor alle liefhebbers. Tot Leyden, by Harman van Westerhuysen, ano1619,31von dem mir ein Exemplar der Lehigh University Library, Bethlehem, Pa., 246.5 H 471e vorlag. Hier sind die Emblemserien, derSpiegel und 12 Gedichte enthalten, von denen ‘Op zijn eygen Bruyloft. Ex persona sponsi’ erst 1622 (Ausgabe V) in dieNederduytschen Poemata aufgenommen wird. Die folgenden Gedichte wurden Heinsius zugeschrieben, erschienen aber nicht in denNederduytschen Poemata: ‘Lentes Claghghedicht,’ ‘Cupidos School ganck,’ ‘Epigramma,’ ‘Elegie, of Clacht dicht,’ ‘De lacht van Cupido.’ Die ersten vier Gedichte waren inDen Bloem-hof (1610) enthalten und dort mit D.H. gezeichnet.

Da dieser Druck nur einen Teil derNederduytschen Poemata enthält, kann er nicht als echte Ausgabe bezeichnet werden. Die Nachdrucke des Westerhuisen zeugen

31 Aufgeführt als II.c in der Beschreibung der Emblemserien des Heinsius von R. Breugelmans, Quaerendo, 3 (1973), S. 289.

(28)

von dem kommerziellen Erfolg der holländischen Gedichte des Heinsius besonders zwischen 1616 und 1622.

E (1622): DAN. HEINSII | LOF-SANCK | van | IESVS CHRISTVS | den eenigen ende eeuwigen | SONE GODES: | Ende zyne andere |

NEDERDUYTSE | POEMATA. |Nieuwelicx oversien, vermeerdert, ende

|verbetert. | Met de Vytleggingen. | [Signet mit ‘INDEFESSVS AGENDO’].

t' AMSTELREDAM, | By Willem Iansz. Blaeuw, inde vergul- | de Sonnewyser. Anno 1622. |

Klein 8o: A - T8[T8 ist leer] = 152 Bl.

Sellin, Checklist 55; de Vries, 32; Landwehr, 200.

Benutzte Exemplare: UB Leiden 1200 G 24 (defektiv: 03-06 fehlen); UB Utrechts Bk Moltzer 6 C 30; das Privatexemplar von Prof. G. Schulz-Behrend (Austin, Texas).

Bemerkungen: Neusatz im kleineren Format der Ausgabe B von 1616; auf die Vorreden des Scriverius (S. 3-20) folgt zunächst der ‘Lof-sanck van Iesus Christus’

(S. 21-111) mit ‘Den xlij Psalm op de vois van den cxxix’ (S. 112-13), dann erst kommen dieNederduytschen Poemata (S. 115-70). In diese Sammlung ist im Anschluß an die anderen Hochzeitsgedichte ‘Op zijn eygen Bruyloft. Ex Persona Sponsi’ (S. 162-65) eingefügt; die ‘Elegie’ trägt den Untertitel ‘ofte Vryagie.’ Das Widmungsgedicht ‘Aen de Ionckvrouwen van Hollandt’ (S. 199-203) steht vor den Emblemata amatoria die ‘Voor-reden van de doorluchtige Vrouwen’ (S. 231-33) vor demSpiegel. Die Embleme sind außerdem mit französischen Vierzeilern versehen.

Die Bacchushymne mit dem Moffe-schans-Gedicht (S. [301]; T7) be-

(29)

schließt den durchgehend von [1] bis [301] paginierten Band. Für die Emblemserien und Gedichte wurden dieselben Platten wie für A und B benutzt, die gut in das kleinere Format passen. Für die Bacchushymne wurden kleinere Illustrationen (alles seitenverkehrte, getreue Nachbildungen) hergestellt.

F (1622): DAN. HEINSII | LOF-SANCK | van | IESVS CHRISTVS, | ende zyne andere | NEDERDUYTSE POEMATA, | Nieuwelickx oversien, verbetert | ende vermeerdert. | [Signet] | t'AMSTELREDAM | By Willem Iansz Blaeuw, inde Sonnewyser. 1622. | Miniatur 8oquer (9cm × 7cm):

A - Z82A - G8= 240 Bl.

[2G7abund 2G8absind leer]

Mit ‘Heinsii Lofsangh en poemata by een sonder uytleggingen, in 16’32bezeichnete der Drucker Willem Jansz Blaeu in seinem Katalog von 1633 eine Heinsius-Ausgabe.

Hier muß es sich um eine zweite Ausgabe aus dem Jahre 1622 im Format miniatur 8ohandeln, vielleicht eine Antwort des Jansz auf die Miniaturausgabe des

Westerhuisen (D). Das einzige bekannte Exemplar dieser Ausgabe wurde am 7.

Januar 1947 von J.F.M. Scheepers (Katalog, Utrecht, 1947, Nr. 355) versteigert,33 und es war mir nicht möglich, dieses jetzt in

32 Cornelis Koeman, ‘Willem Blaeu's Catalogus Librorum of 1633. Analysis of the Cartographic Books’,Quaerendo, 3 (1973), S. 139.

33 Der Hinweis von Fontaine Verwey (Quaerendo, 3, 1973, S. 307 Anm. 7) wurde

freundlicherweise von Herrn John Landwehr, Voorschoten, ergänzt, der das Exemplar in der ersten Ausgabe seinesDutch Emblem Books (1962) unter Nr. 82b anführt. Dieser Titel fehlt jedoch in der zweiten Ausgabe (1970) der Bibliographie. Meine Angaben zur Ausgabe F beruhen auf der freundlichen Mitteilung des Besitzers, Dr. Luza, Amsterdam.

(30)

Amsterdamer Privatbesitz befindliche Exemplar einzusehen. Inhalt der Ausgabe:

die Christushymne, der XLii. Psalm, die ‘Nederduytschen Poemata’, ‘Het ambacht van Cupido’, die ‘Emblemata amatoria’, der ‘Spiegel’ und die Bacchushymne.

G (1650): DAN. HEINSII | LOF-SANCK | Van | IESUS CHRISTUS | den eenigen ende eeuwigen | SONE GODES: | Ende zyne andere |

NEDERDUYTSE | POEMATA. |Nieuwelijcks oversien, vermeerdert, ende

|verbetert. | Met de Uytlegginghen. | t' AMSTELREDAM, | By Ioost Hartgers, op den Dam by 't | Stadthuys Anno 1650.34

8o: A - T8= 152 B1.

Sellin, Checklist 58; de Vries, 34; Landwehr, 201.

Benutzte Exemplare: Duke University Library. Durham, N.C., B RBR H 471LO; KB Den Haag 297 M 15 und M 111 H 21; Privatexemplar Dr. Breugelmans, Leiden.

Neusatz der Ausgabe von 1622 (E). Das Moffe-schans-Gedicht befindet sich auf S. [302] (T8b).

34 Eine identische Ausgabe hat auf der Titelseite den Vermerk ‘Bij I.I. Schipper, op de Prince Gracht in de Historie van Titus Livius’ anstatt ‘Ioost Hartgers ...;’ de Vries, 34.

Die beiden Drucker teilten sich das Geschäftsrisiko der Ausgabe, von der die Hälfte der Titelblätter für Schipper, die andere für Hartgers hergestellt wurde.

(31)

III Die Vorreden

Scriverius' an Jacob van Dyck gerichtete Vorrede und Empfehlungsgedicht sowie Heinsius' Antwort an Scriverius in der Form einer Prosaeinleitung zur Bacchushymne werden thematisch in der (hier nicht abgedruckten) Vorrede zur Christushymne fortgesetzt. Diese Vorreden vermitteln einen Einblick in das literarische Leben und die literarische Werteinschätzung im Leidener Späthumanistenkreis, der großen Einfluß auf die holländische und nordeuropäische Literatur ausgeübt hat. Der Adressat Jacob van Dyck (1564-1631),35den Scriverius als ‘voesterheer ende vader der gheleertheyt’ (S. 10) bezeichnet, war ein wohlhabender Advokat im Dienste des schwedischen Königs in Den Haag, wo sein Haus der Mittelpunkt von literarisch interessierten Kreisen aus dem reichen Bügertum und Adel war. In van Dycks Haus las Heinsius am Neujahrstag 1616 seinenLof-sanck van Jesus Christus vor. Das Gedicht wurde ebenfalls van Dyck gewidmet und erschien als Einzeldruck im Mai 1616,36dann wurde es wiederholt aufgelegt, bis es 1621 und 1650 den anderen holländischen

35 Über Jacob van Dyck und seinen Kreis s.D. Hoek,Haags leven bij de inzet van de Gouden eeuw (Assen, 1966), S. 116-267.

36 Das Druckprivileg datiert vom 7. Mai 1676. Ein Exemplar des Einzeldruckes befindet sich in der UB Leiden (1205 A 3); verschiedentlich ist er denNederduytschen Poemata (später?) angebunden, so dem Exemplar der UB Leiden (707 C 8, Ausgabe A), dem Privatexemplar Dr. Roose, Leuven, (Ausgabe A) nach freundlicher Mitteilung von Prof. Roose.

(32)

Gedichten vorangestellt und in den Titel einbezogen wurde. Auch darin wird die Akzentverlagerung von den weltlichen Gedichten derNederduytschen Poemata zum religiösen Hymnus deutlich.

Scriverius' Werben für die Muttersprache und muttersprachliche Literatur

ausgerechnet im Zentrum der neulateinischen Literatur ist oft hervorgehoben worden.

Indem Scriverius seinen Zeitgenossen einen Spiegel vorhält und sie geschickt mit den Römern vergleicht, die über die griechische Sprache und Literatur zunächst ihre eigene vergessen haben, plädiert er für die Schaffung einer Nationalliteratur, wie die Römer und die romanischen Völker sie besitzen. Der Blick ist auf die Klassik und mehr noch auf die Romania gerichtet, denn es werden Petrarca, Sannazaro, Ronsard und Du Bartas und sogar Spanien, dessen Literatur einen grossen, kaum erforschten Einfluß in den Niederlanden hatte, genannt, England jedoch nicht. Dabei ist Scriverius' Hinweis auf die neue Verskunst, auf ‘toon ende maate’ (S. 6, Akzent und Metrum), wichtig. Den regelmäßigen, nach romanischem Vorbild

akzentuierenden Vers beherrschte zwar schon van der Noot. Dann gibt es Einzelproben aus dem Dousa-Kreis in den nicht zur Veröffentlichung bestimmten Stammbüchern und in den Liedersammlungen, die seit der Jahrhundertwende meistens anonym erscheinen, doch sind die Übergänge undeutlich und wenig erforscht.37In Scriverius' knapper Charakteristik des

37 L. Forster, ‘Iets over nederlandse renaissancelyriek vóór Heinsius en Hooft,’Tijdschrift voor Nederlandse taal-en letterkunde, 83 (1967), S. 247-302, und Th. Weevers, ‘New Light on the Continuity of Dutch Literature in the Sixteenth Century,’Modern Language Review, 65 (1970), S. 558-61.

(33)

Dichters dieser ‘Poësy,’ die ‘hemelsch ende vol viers’ (S. 7) sein soll, klingt das abgenutzte ‘divinus’ der Neulateiner und der Begriff des ‘furor poeticus’ nach. Erst in seinem Empfehlungsgedicht, dessen gereimte Alexandriner natürlich ein Beispiel für diese neue ‘Poësy’ sind, geht er näher auf die niederländische Dichtkunst ein.

Diese Verse sind als das Programm einer nationalen Renaissance bezeichnet worden.38Das hat insofern seine Berechtigung, als Scriverius im Vollgefühl der nationalen Selbständigkeit und Konsolidierung der jungen Republik das kulturelle Leben dieses neuen ‘Athen und Rom’ breit und selbstbewußt darstellt. Den Haag, Leiden, Amsterdam, Haarlem werden als neue Zentren genannt; die berühmten Verse auf die nunmehr unzeitgemäßen ‘Rederijkers’ und ‘Rijmers’ (S. 14) werden fortgesetzt mit dem Lob Hoofts, des Schauspiels in Amsterdam, Dousas, Heinsius und Brederos, der ‘noyt Latijnsche las | Ons Duytsche Mimos geeft, alleen van zijn gewas’ (S. 21). Nachfolge und Überwindung der Antike, Ablehnung der Abhängigkeit von französischen Mustern, das ist das nationale Programm einer ‘duytschen’ (d.h.

eigenständigen, nicht-romanischen) Dichtung für die Niederlande, das ist der Sinn der Herausgabe derNederduytschen Poemata.

Heinsius' Vorrede zum ‘Lof-sanck van Bacchus’ nimmt ein Hauptthema des Scriverius wieder auf, den

38 L. Ph. Rank, J.D.P. Warners, F.L. Zwaan,Bacchus en Christus (Zwolle, 1965), S. 14. Wir zitieren denLof-sanck van Iesus Christus nach diesem Neudruck.

(34)

Wettstreit mit der Antike. Heinsius umreißt die Tradition, aus der seine

Bacchushymne erwachsen ist und die es zu überbieten galt.Aemulatio dieser Tradition von Nonnus'Dionysiaca, den Neulateinern Marcantonius Flaminius (1498-1550), Marullus (gest. 1500), Muretus (1526-1586), Julius Caesar Scaliger bis hin zu Ronsard, ist das erklärte Ziel dieser Hymne. Zugleich will Heinsius auch seine Gelehrtheit als klassischer Philologe bei der Darstellung dieses Mythos zum Ausdruck bringen und glänzend beweisen, daß die Muttersprache sich ebenso für diesen Stoff eignet, wie die für Gelehrsamkeit und Dichtung höher angesehenen klassischen und romanischen Sprachen. Diese Ausführungen des Heinsius als Eitelkeit oder Überheblichkeit zu bezeichnen, geht am Anliegen und Stil dieser Aussage vorbei. Sie ist vielmehr ein Stück zeitgenössischer Poetik, in der der literarische Stellenwert des Hymnus unrissen und das Gedicht verteidigt wird.

Dasselbe gilt für das andere in dieser Vorrede behandelte Thema, die klassische Mythologie. Heinsius geht davon aus, daß die antiken Götter natürlich keinen Glaubensinhalt vorstellen können, sondern nur personifizierte menschliche

Schwächen und keineswegs dem Christentum vergleichbar sind. Dieses scheinbar selbstverständliche Argument - es erfüllt die Funktion dercaptatio benevolentiae des literarisch interessierten Lesers39- wird dann mit Heinsius' These der allegori-

39 Daß diese Vorrede sich vornehmlich als eine Apologie an die calvinistische Leserschaft in Holland wendet, wie Rank-Warner-Zwaan, S. 24 annehmen, scheint mir fraglich. Es ist vielmehr eine Verteidigung von Heinsius' literarischer Auffassung.

(35)

schen Mythenschau differenziert. Die antiken Götter sind als Ausdruck von Weisheit und Philosophie der antiken Welt zu verstehen, die darunter ‘begraven en bedeckt licht’ (S. A3a). Der Bacchusmythos ist in der Darstellung der Poeten wie auch der Maler eine Beschreibung von ‘het gebreck van dronckenschap, ende de nateur vanden dranck’ (A4a). Diese allegorische Mythenauffassung ist noch weitgehend Ronsard und der Pléïade verpflichtet, wie auch Heinsius' Bacchushymne formell und inhaltlich vielfach ein Echo und eine Erwiderung auf Ronsards ‘Hinne de Bacus’

(geschrieben 1554) ist. Während bei Ronsard der Synthese antiker Mythen und christlichen Glaubens die Auffassung eines animierten Universums zugrunde lag, und in der Mythologie sich die Wahrheit unter dem Schleier des Mysteriums verborgen hatte,40fundiert Heinsius dieses poetische Konzept mit

philologisch-historischen Argumenten, mit Hinweisen auf Aristoteles, die Kirchenväter und die gesamte literarische Tradition. Scriverius führt im Anschluß an die

Chistushymne in gesonderten ‘Vytlegginge van sedere werreltsche historien, woorden, ende manieren van spreken, die in desen Lofsanck gebruyckt worden’

sogar noch sprachliche Beispiele aus Augustin und Ambrosius als Parallelen für den metonymischen Gebrauch antiker Götter an. Scriverius teilt also schon seine Anmerkungen dem Zeitgeschmack entsprechend in religiöse und weltliche, er differenziert

40 Vgl.Pierre de Ronsard. Oeuvres complètes, hrsg. P. Laumonier, Bd. 8 (Paris, 1966), S. xv.

(36)

zwischen christlichem Inhalt und antik-klassischer Gelehrsamkeit in der sprachlichen Ausformung.

Der in Frankreich sich schon im Gefolge der Religionskriege anbahnende Geschmackswandel, in dem christlich-religiöser Thematik der Vorrang vor

antik-mythologischer gegeben wird, vollzieht sich in den Niederlanden während der sich immer mehr zuspitzenden theologischen Debatte des Calvinismus am Vorabend der Synode von Dordrecht. Heinsius' eigene Abkehr von weltlich-renaissancehafter Thematik ist in dem Einleitungsgedicht zum Christushymnus wohl am

eindrucksvollsten gestaltet:

De vruchten van de jeucht, de soetheyt van het minnen Een rechte tovery, van ons en onse sinnen,

Is nu met ons geweest. Ick late Venus gaen, En met het blinde kint zijn blinde wercken staen.

Den hemel eyst het zijn.

(Bacchus en Christus, S. 199)

Damit wird dem weltlich-heidnischen Inhalt abgeschworen, nicht aber das gesamte Kulturgut der Antike abgelehnt. ImAristarchus sacer (1627) versucht Heinsius mit ethymologischen Ableitungen eine Brücke zwischen griechischer Mythologie und alttestamentlichen Stoffen zu schlagen und liefert damit die ersten Ansätze zu einer vergleichenden Mythologie. Heinsius versucht also die antike Welt als eine

Ausformung der gottgewillten Ordnung zu erklären und zu retten. InHerodes infanticida (1632) verkörpern Herodes und die Furien den historischen Ausdruck heidnisch-verdammter Lebensformen, Bethlehem und die Engel die auserwählte erlöste Welt.

(37)

An dem Nebeneinander dieser zwei Welten soll der Gegensatz vonverdammt und erlöst allegorisch dargestellt werden. Heidnisches als Präfiguration des Christentums ist Heinsius' Grundkonzept in derEpistola 1636, der Entgegnung auf Guez de Balzac, der Heinsius' Darstellung der Mariamne und der Furien der historischen Unwahrheit bezichtigt und als moralisches Vergehen gegen die Religion hingestellt hatte. Hier treffen poetisch-historische und religiös-dogmatische Gesichtspunkte aufeinander.

Heinsius vertritt den Standpunkt der philosophischen, synthetischen Weltschau, die Antike und Christentum zu vereinigen sucht, wobei seit der Christushymne die Antike in ihrem Gehalt als verdammte Welt akzeptiert, in ihrer historischen Ausformung als maßgebliches Kulturgut jedoch gerettet werden muß.

IV Die holländischen Gedichte

Die 29 Gedichte derNederduytschen Poemata wurden - höchstwahrscheinlich - vom Herausgeber Scriverius zusammengestellt. Dabei wurde motivisch und stilistisch Verwandtes vereint; dem Anfang und den beiden Schlußgedichten kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie umrahmen das Ganze und zeigen die beiden Pole der Sammlung: patriotische Dichtung und Neuanfang der holländischen Dichtkunst im Kreise Dousas. Frühe Gedichte sind weiter ans Ende der Sammlung geschoben, genau wie Heinsius' Jugendelegien später an das Ende

(38)

der lateinischen Gedichtsammlungen wanderten. Der um etwa 1600-1601 enstandene Austausch mit Dousa beschließt den Band, obwohl er eigentlich thematisch und chronologisch an den Anfang gehört. Doch 1616 hat die patriotische Dichtung mehr Gewicht und Nachfolge. Sammlung und Auswahl weisen nicht in die Richtung der Sonett- oder Gedichtzyklen der Pléïade, wo meistens Gedichte derselben Thematik oder Gattung zusammengefaßt sind, vielmehr stellen sie eine repräsentative Auswahl verschiedener Gedichttypen dar. Die verstreuten oder dem Heinsius zugeschriebenen holländischen Gedichte bringen nichts wesentlich anderes, als was in denNederduytschen Poemata enthalten ist. Liebesgedichte nehmen einen breiten Raum ein, jedoch erscheinen von Anfang an Gedichte oder Verse, die der Gelegenheitsund Gedankenlyrik nahe stehen.

Dousa's Gedicht ‘Ionckheer Iohan van der Does, Heere van Noortwijk aen Daniel Heins, eerst gekomen sijnde om te studeren tot Leyden’ (S. 62-63) muß, wie der Titel besagt, aus Heinsius' früher Studentenzeit stammen; der Hinweis auf Prinz Moritz' Sieg ‘niet verre van Westende’ (S. 63, die entscheidende Schlacht bei Nieuwpoort 1601) ermöglicht eine Datierung nach 1601. Ein Lobgedicht Heinsius' auf die Expeditionen nach Übersee und auf den Sieg von Prinz Moritz sind jedoch nicht bekannt; von den lateinischen Jugendwerken, den heroischen Briefen im Stile von OvidsHeroiden, blieben ‘Deidamia an Achill’ und ‘Andromache an Hector’

erhalten.41Wichtig ist die Eingangsmetapher ‘O Heyns

41 Elegiarum libri III (Leiden, 1603), S. 271-87.

(39)

die van den Heynst dijn naem voert, door wiens hoef | Ontsprongen is geweest uyt 't grasig Helicone | De Caballijnsche vloet.’ Sie bezeichnet den in Dousas Kreis gebräuchlichen Dichternamen von Heinsius, der mit ‘Hengst’ in Verbindung gebracht das geflügelte Pferd Pegasus bedeuten sollte. Daher zeigt auch das Titelblatt der Nederduytschen Poemata in der linken unteren Ecke den Pegasus, wie er mit den Hufen gerade die Quelle Hippocrene, das Symbol dichterischer Inspiration,

geschlagen hat. Dieses Gedicht und die darauf folgende Erwiderung von Heinsius wurden schon 1608 inDen Bloemhof und 1610 auch in den Nederduytschen Helicon mit aufgenommen.

Heinsius' Huldigungsgedicht an Dousa, ‘Daniel Heins aen Ioncker Ian van der Does, Heere van Noortwijk’ (S. 64-66) steht einer Gruppe von (lateinischen) Widmungsgedichten an Dousa nahe, die nach dessen Tod 1604 mit einem poetischen Zyklus von Gedenkgedichten, ‘Manes Dousici,’42abgerundet wurden.

Neben den Elegien, die Dousa gewidmet sind (1603: I, 6, und II, 14), ist die Ekloge

‘Nordowicum sive infelix amor,’43eine Imitation von Vergils 10. Ekloge, wichtig.

Während in der Ekloge Dousa und Heinsius sich gemeinsam als Schäfer mit ihrer Dichtung im ländlichen Noordwijk (Dousas Herrensitz) von den Mühen des Alltags erholen,

42 Zuerst veröffentlicht 1605 als Einzeldruck, dann in denPoemata (Leiden, 1604), S. 172-88, sowie in allen späteren Ausgaben.

43 Einzeldruck 1602, dann inElegiarum libri III (Leiden, 1603), S. 197-205 und in den späteren Ausgaben der lateinischen Gedichte.

Referenties

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Ach geen ramp so zweer, Kan nimmer mijn so treffen, Daer ick u heb in mijn sin, Mijn waerde Engelin, Helaes waer ick maer dood, 'k Sou dan niet droevig klagen, Van 't geen ick nu,

Als by 't haer lel ver geeft. 'T lal oock veel lichter val Dan krijgen, 't geen ick hoop, dat ick uytwereken fal. En liet, daer komt hy felfs, gaet om het geit dan heenen. Ick fal

Want tdreygen des doots is een belofte des leuens soet, En dat die dootlijcke quetsueren en wonden root, Niet anders en moghen doen dan gheuen alle goet, Waer deur de

Maer moet mijn Schaepkens gaede slaen, Ick heb hier nogh al menigh boom, Die staen ontrent den waeter stroom, En dat ick daer met u sou doen, Gaen ick verbelden in dit groen,

Waer sacht hoe wert mijn ziel door minne aengedreven, Als ick gedenck op ’t zoet van mijn schoon Egelin Want daer en is dog niet dat haer kan tegenstroeven, So lang ick niet

Maer Doris, hier's crackeel, hier gheef ick mijn gedachten Meer vrijheijt dan mijn woordt, daer ick wel eer om lachten 85 Dat sprinckt mij voor de scheen, als ick gedencken moet..

Wie dat haer weder (treeft gevoelen zal mijn ftraf, Mijn Broeder zelfs fal ick doen dalen in zijn graf, Ick wil mijn liefde voort ontdecken, mijn elenden Daer door verlichten, of

Ick sie ick hoort al teghen mijn herte Maer ick en gheloofde niet wiet my riet Ghy bemint een ander, dus lijde ic smerte Dus comt o Doot, rasch neemt en vliet Heb ick misseyt