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Titel : Der Papstesel und das Mönchkalb: Eine verkappte Fortsetzung der Leipziger Disputationen.

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Academic year: 2021

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Masterarbeit

Student : Eddy Mul; s1106791 Fach : Deutsche Literatur

Titel : Der Papstesel und das Mönchkalb: Eine verkappte Fortsetzung der Leipziger Disputationen.

Erstbegleiter : Dr. F.J. Lippert Zweitbegleiter : Dr. K. Mierau Wortanzahl : 14.087

Rijksuniversiteit Groningen

20. Juni 2017

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Inhaltsverzeichnis S.

1. EINLEITUNG……….. 1

2. MISSGEBILDETE TIERE ALS ZEICHEN DES WELTENDES ……… 8

3. DAS REICHSREGIMENT AUF DEM REICHSTAG ZU NÜRNBERG 1522-1523………. 15

4. DIE POLITISCHE INTRIGE 1523……… 18

5. TIERE IN DER HEILSGESCHICHTE……….. 24

6. BILD-TEXT-BEZIEHUNG……… 29

7. DIE ANGRIFFSFUNKTION DER MISSGEBILDETEN TIERE ……… 34

8. FOLGERUNGEN UND ZUSAMMENFASSUNG……… 37

BIBLIOGRAPHIE………... 39

ANLAGEN……….. 44

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1 1. EINLEITUNG

Martin Luther und Philippus Melanchton publizierten 1523 ein Dokument, dem sie den Titel Deuttung der zwo greulichen Figuren, Bapstesels zu Rom und Munchkalbs zu Freijberg inn Meijssen funden/ mit anzaygung des jungstentags 1523 gaben (siehe Abbildung 1). In dieser Arbeit wird das Dokument

1

erforscht. Den ersten Teil widmet Melanchton einem

missgebildeten Esel und der zweite Teil ist anlässlich der Missgeburt eines Kalbes von Luther geschrieben worden. In beiden Teilen des Dokuments wird von den Autoren deutlich gemacht, dass die Tiere auf die päpstliche und scholastisch-theologische Gewalt hinweisen.

Es liegt nahe, dass das Bild auf der Titelseite eine Karikatur ist: Beide Tiere sind nämlich als Menschen am Ufer des Tibers (siehe Abbildung 2) vor der Stadt Rom, dem damaligen Machtzentrum der christlichen Welt, positioniert worden. Die Worte „Papstesel“ und

„Mönchkalb“ zeigen, dass die Autoren typische Eigenschaften der damaligen Geistlichkeit mit tierischen Merkmalen verbinden. Hausrath hat darauf hingewiesen, dass diese Schrift mit Luthers Enttäuschung in Verbindung zu bringen ist:

Wie bitter Luthers Stimmung gegen das Papsttum während des Pontifikats Hadrians VI. war, zeigt eine der seltsamsten Schriften, die im Jahre 1523 aus seiner und Melanchtons Feder

hervorgegangen sind und zu denen Gevatter Kranach, wie wir wohl annehmen dürfen, die Holzschnitte geliefert hat (Hausrath, 1905, S. 570).

Die Schrift wurde bisher noch nicht systematisch erforscht. Es lohnt sich, ihr nachzugehen, denn sie kann einen guten Einblick in die Werkstatt der Reformatoren verschaffen, vor allem hinsichtlich der Frage, wie sie die öffentliche Diskussion damals führten. Nach einer ersten genaueren Betrachtung des Dokuments ergeben sich folgende Fragen:

1. Die Beschreibung der Regimente war kurz zuvor, Anfang 1523, von Luther sehr

ausführlich in seiner Schrift Von weltlicher Oberkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei veröffentlicht worden (WA 11, 239-282). Warum hat Melanchton und nicht Luther den ersten Teil des Dokuments geschrieben?

1 Im Folgenden zitiert als Deutung.

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2

2. Wie verhalten sich einerseits die Bilder und andererseits der Text des Dokuments zueinander? In diesem Rahmen stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen der Intention und der Rezeption des Dokuments.

3. Im Titel wird das Thema des Jüngsten Gerichts aufgenommen (siehe Abbildung 1). Was verbindet einen Esel, ein Kalb, die Regimente und das Ende der Welt miteinander?

Aus diesen Fragen ergibt sich die Forschungsfrage, nämlich, welche Funktion das Dokument in Bezug auf die frühe Reformationszeit einnimmt. Die These ist:

Das im Sommer 1523 erschienene Dokument ist eine Antwort auf das Dokument „De

Purgatorio Johan Eckii contra Ludderum Libr I.IIII., das im Juni 1523 veröffentlicht wurde.

Beide Dokumente sind eine verkappte Fortsetzung der Leipziger Disputationen 1519. Hier kommt Luthers Polemik mit Eck zum Abschluss.

Ausgangspunkt dieser These sind folgende Beobachtungen:

1. In De Purgatorio (Titelblatt siehe Abbildung 12) wird direkt auf die Leipziger

Disputation hingewiesen: „Initio ergo oppugnemus diuersarii castra, in eo quod negat ex sacris litteris probari purgatorium. Immo in disputatione lipsica Anno gratie. MDXIX.die viii Julii in hanc temeritatis uocem prorupit. Divina scriptura tota prorfus nihil habet de purgatorio“ (Kap. I)

2

. Die Namen Johann Ecks, des großen Luthergegners, und Papst

Adrians VI stehen am Ende dieses Dokuments beieinander (siehe Abbildung 13). Luther und Melanchton, dessen Name ebenfalls in De Purgatorio genannt wird, antworten einerseits mit der Karikatur, die Johann Eck (das Kalb) und Adrian VI (der Esel) darstellt, andererseits mit ihren Erläuterungen des Karikaturbildes. Diese Erläuterungen („Deutungen“) beziehen sich vor allem auf die kurz zuvor (1. Januar 1523) veröffentliche Schrift Von weltlicher

Obrigkeit, in der die Gliederung des irdischen Lebens im Reich Gottes und im Reich der Welt ausführlich beschrieben wird. Es heißt, dass die Verwaltung im Reich der Welt mithilfe eines geistlichen und weltlichen Regiments stattfinden soll, während das Reich Gottes nur von Christus regiert wird. Diese Regimente und die Existenz des Reichs Gottes ersetzen bei den Reformatoren das mittelalterliche Purgatorium.

2 „ Zum Anfang werden wir, unterschiedlich wie wir denken, streiten über das, was die heiligen Briefe nicht über diejenigen, die im Purgatorium verbleiben, zeigen. Ja, selbst in der Leipziger Disputation AD 1519, den 8.

Juli wurde eine aufrührerische Stimme gehört: Die Heilige Schrift enthält gar nichts über das Purgatorium.“

Übersetzung von mir.

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3

2. Das mittelalterliche Fegefeuer, wie es die katholische Kirche propagierte, stand im Spannungsfeld zwischen dem Jüngsten Tag einerseits und der Existenz des Himmels und der Hölle andererseits, siehe Text von Eck in Abbildung 14. Vor allem war das Fegefeuer ein aktuelles Thema in Verbindung mit dem Ablasshandel: Durch das Kaufen von Ablässen konnten die Seelen der Gestorbenen angeblich in den Himmel kommen, weil ihre Sünden durch Ablassscheine abbezahlt und somit getilgt wurden. Wegen dieser fragwürdigen Praxis hatte Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 veröffentlicht. Die Reformatoren lehnen nicht nur den Ablasshandel ab, sondern auch die Existenz des Purgatoriums überhaupt;

Luther sagt in Vom Mißbrauch der Messe darüber:

Deshalb ist es viel sicherer, gar nichts vom Fegefeuer zu halten, als St.

Gregor zu glauben (Luther, 1521, S.151).

Es gibt nach dem Sterben keine Vorhölle zur Reinigung der restlichen Sünden. Die Bibel spricht nicht davon; nur im zweiten Buch der Makkabeen Kapitel 12 liest man etwas darüber; für die Reformatoren war dies allerdings kein göttliches Buch. Während der Leipziger Disputationen 1519 hat Luther in den Auseinandersetzungen mit Johann Eck die Existenz des Purgatoriums in Verbindung mit dem Ablasshandel abgelehnt. Das Primat des Papstes in Verbindung mit der Auslegung der Bibel wurde von Luther in Leipzig bezweifelt.

Jeder Christ konnte laut Luther selbst die Bibel auslegen. Eck veröffentlicht darauf 1521 ein Buch über das Primat des Papstes; anschließend wird 1523 eine Verhandlung über das Fegefeuer, De Purgatorio, ausgegeben. Luther und Melanchton antworten Eck und Papst Adrian darauf in der Deutung.

In diesem Rahmen funktionieren Bibeltexte in Deutung als Belegstellen; deswegen ist es wichtig, Voraussetzungen wiederzugeben, von denen die Autoren in der Bibelauslegung ausgehen. Prinzipien, von denen Luther bei seinen Psalmenauslegungen ausgeht, die aber auch Melanchton zugeschrieben werden können und die für das zu erforschende Dokument als gültig anzunehmen sind, sind Folgende:

a. Gott regiert die Welt (Burger, 2013, 44,45).

b. Nur der ‚geistliche Mensch’ kann angemessen verstehen, wie Gott auf verborgene Weise handelt (Ibid.).

c. Man darf Belegstellen aus anderen Bibelbüchern heranziehen, um eine Aussage der Bibel

besser verstehen zu können (Ibid.).

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d. Die Heilige Schrift enthält kein unnötiges Wort. Wird ein Sachverhalt doppelt ausgesagt, liegt dem ein tiefer Sinn zugrunde (Ibid.).

Dass Gott die Welt regiert, ist ein wesentlicher Gedanke in Bezug auf die Unterteilung der Welt in zwei Reiche, ein Kernpunkt in Deutung. Es gibt kein Gebiet, in dem Gott nicht anwesend ist, um seine Macht zu entfalten. Diejenigen, die nicht an Gott glauben, können laut Luther Gottes Hand in der Weltgeschichte und im menschlichen Handeln nicht deutlich wahrnehmen. Der Heilige Geist sorgt dafür, dass ein Gläubiger das stille, verborgene Handeln Gottes erkennen kann. Ein Nicht-Christ spürt nur die leicht zugängliche

Oberfläche. Luther liest das Alte Testament, vor allem die Psalmen, vom Neuen Testament aus. Durch Vergleiche unterschiedlicher Bibelstellen kommt eine Exegese zustande, sie verstärkt und bestätigt die Texte.

Wort- und Ausdruckverdoppelungen in der Bibel sind laut Luther nicht bedeutungslos. Ein Beispiel. Gottes Handeln und Gottes ‚rechter Hand‘ bedeuten laut ihm nicht dasselbe.

Solche Unterschiede gilt es zu entschlüsseln (Burger, 2013, 46). Mithilfe dieser

methodischen Bibelexegese sind auch Luthers Gedanken über die Regimente zustande gekommen. Auf diese Weise wird in Deutung eine bildliche Antwort auf das Denken und Regieren aus Rom gegeben.

Deutung ist 1523 in den folgenden Ausgaben erschienen:

VD 16 M 2987 Johann Rhau-Grunenberg; Wittenberg 1523 VD 16 M 2988 Johann Rhau-Grunenberg; Wittenberg 1523 VD 16 M 2989 Johann Rhau-Grunenberg; Wittenberg 1523 VD 16 M 2979 Jörg Nadler; Augsburg 1523 VD 16 M 2980 Heinrich von Steiner; Augsburg 1523 VD 16 M 2981 Heinrich von Steiner; Augsburg 1523 VD 16 M 2985 Johann Stuchs; Nürnberg 1523 VD 16 L 4424 Wolfgang Stürmer Erfurt 1523 VD 16 M 2995 Johann Loersfeld Erfurt 1523

VD 16 M 2982 Valentin Curio Basel 1523

VD 16 L 4426 Jakob Köbel; Oppenheim 1523 VD 16 M 2986 Jakob Köbel; Oppenheim 1523

VD 16 M 2983 Adam Dyon Breslau 1523

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Die vielen Herausgaben innerhalb eines Jahres in einem großen Gebiet weisen auf die damalige Aktualität des Dokuments hin. In dieser Arbeit wird die Ausgabe Johann Stuchs, Nürnberg 1523 zum Ausgangspunkt genommen, weil vorausgesetzt wird, dass das Bild auf der Titelseite dieses Dokuments (siehe Abbildung 1) und die Unterschrift des Buches De Purgatorio (siehe Abbildung 13) zueinander gehören: Der Esel ist eine Karikatur des Papstes Adrian VI und das Kalb ist ein satirisches Bild Johannes Ecks. Die Stadt Rom, sowohl im Titel als in der Unterschrift erwähnt, ist im Hintergrund des Bildes zu sehen, ebenso eine Fahne mit zwei gekreuzten Schlüsseln, die über der Stadt Rom weht. Durch diese Voraussetzung kann die Ausgabe Stuchs als eine Antwort auf Ecks De Purgatorio aufgefasst werden. Sie bildet neben den genannten Beobachtungen einen Ausgangspunkt für die oben aufgestellte These.

Das Dokument Deutung hat in der wissenschaftlichen Diskussion wenig Aufmerksamkeit erhalten. Am ausführlichsten schreibt Grisar über diese Schrift. Der Autor sagt, dass dem Aberglauben von Melanchton und Luther in Bezug auf das Dokument eine relevante Funktion zugeschrieben werden kann, aufgrund von Luthers Aussage, dass ein angespülter Walfisch am Strand bei Harlem in den Niederlanden ein Zeichen sei, Buße zu tun (Grisar, 1923, S. 5). Fraglich ist, ob auf diese Weise die zu untersuchende Schrift zu verstehen ist;

der erläuternde dokumentarische Text in Bezug auf das Bild zeigt nichts, was auf den Aberglauben oder auf die Astrologie hinweist. Kooiman hat die Schrift astrologisch eingeordnet und mit den Worten „de publikatie siert de auteurs bepaald niet“ versehen (Kooiman, 2012, S. 39). Roper erwähnt sie in der großen Biographie über Luther nicht (Roper, 2016), Selderhuis in seiner Biographie Luthers ebensowenig (Selderhuis, 2016) und im aktuellen lutherischen Bilderbuch von Hiebsch und Van Wijngaarden wird das

Dokument ebenfalls nicht zitiert (Hiebsch, 2007). Das ist merkwürdig, da es sich um eine besondere Ausgabe handelt: die einzige, die Melanchton und Luther zusammen geschrieben und veröffentlicht haben (siehe Abbildung 1). Mit anderen Worten, es zeigt sich in Bezug auf das Dokument eine Forschungslücke. Stupperich äußert sich dazu wie folgt:

Viel Kopfzerbrechen bereitet den Forschern die Frage, wie es kommt,

daß ein so feinsinniger Gelehrter wie Melanchton sich bereitfand,

zusammen mit Luther die Schrift „Vom Papstesel zu Rom und vom

Mönchskalb zu Freiberg“ zu schreiben (Stupperich, 1961, S. 63).

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Stupperich beschreibt kurz den Inhalt des Dokuments, löst aber nicht die von ihm selbst gestellte Frage. Es ist eine Herausforderung zu erforschen, warum Melanchton und Luther das Dokument geschrieben haben. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass bis heute den Lutherforschern das Einzigartige dieser Zusammenarbeit nicht aufgefallen ist: die beiden Wittenberger Reformatoren haben nur diese Ausgabe gemeinsam veröffentlicht, nicht mehr. Hat 1523 ein besonderes Ereignis in Deutschland stattgefunden, worauf Melanchton und Luther mittels des Tiere-Dokuments reagierten?

Grisar und Kooiman gehen im Voraus davon aus, dass es sich um eine Auseinandersetzung mit Astrologie und Aberglauben handelt. Ist das die einzige mögliche Erklärung? Ist es vielleicht denkbar, dass es sich um eine damals relevante Bibelexegese handelt? Die Bibel erhält im Dokument eine wichtige Funktion, sie ist nämlich die Begründung der

Erläuterung; der im Text genannte Antichrist zum Beispiel ist nicht eine Erfindung der Autoren, basiert aber auf dem ersten Brief des Johannes, Kap.2, Verse 8-18 und wird auf diese Weise mit dem Buch Daniel, Kap. 8, über das die Autoren schreiben, in Verbindung gebracht. Im Mittelalter wurde von Predigern aus dem Franziskanerorden über den

Antichrist gepredigt und von Wicliff wurde der Papst mit ihm gleichgesetzt (Klueting, 2011, S. 47). Der Antichrist ist ein Typ, der auch zur reformatorischen Dogmatik gehört;

Melanchton schreibt in den Loci communes 1521 über ihn als eine Person, deren Auftritt dem Jüngsten Tag vorangeht. Alexander der Große (siehe Abbildung 6) war 1523 aufgrund des Buches Daniel, Kap. 8 Vers 21, ein Antichrist.

Selderhuis zufolge war Melanchton am 28. August 1518 zum Professor an der Universität in Wittenberg ernannt worden, wo er viele Kontakte mit Luther hatte, da er auch als Dozent an dieser Universität tätig war (Selderhuis, 2016, S. 112, 113). Laut Selderhuis äußerte Luther sich über den Papst als Antichrist seit den Leipziger Disputationen 1519, wo Melanchton auch anwesend war und ihn unterstützte (Selderhuis, 2016, S. 123). Melanchton

veröffentlicht 1521 in Bezug auf den Antichrist seinen Bildtext Passional Christi –

Antichrist, mit von Lucas Cranach gemalten Bildern. In Deutung wird vor dem Antichrist

gewarnt. Sowohl Melanchton als auch Luther legen die Tiere allegorisch aus; diesen

Auslegungen gehen Einleitungen voran (siehe Abbildungen 2, 6 und 7), sie enthalten

Abschlüsse am Ende (siehe Abbildungen 6 und 11). Die Einleitungen und Abschlüsse

weisen darauf hin, dass es sich möglicherweise um eine heilsgeschichtliche Auslegung der

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Tiere handelt; das wurde noch nicht erforscht. Die heilshistorische Methode ist eine reformatorisch-dogmatische Exegese der Bibel, in der die göttliche Offenbarung durch die Gliederung: Schöpfung - Sündenfall - Erlösung den Kerngedanken wiedergibt. Das göttliche Heil zur Rettung des Menschen umfasst das Erscheinen Christi in der Welt und das Handeln Gottes durch Christo, zum Sieg über den Teufel. Weihnachten, das Sterben am Kreuz, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und die Wiederkunft sind die wichtigsten Ereignisse, die zusammen die Kernpunkte der Heilsgeschichte bilden. Literarisch gesehen, ist Christus der Held und der Teufel der Anti-Held in dieser Geschichte. Diese Methode wurde ausführlich von Johannes Calvin in seiner Institution 1539 begründet, sie war unter anderem im Zweiten Weltkrieg in der niederländisch-altreformierten Kirche aktuell. An der Theologischen Universität in Kampen empfahlen die Professoren S. Greijdanus und K. Schilder in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts diese Methode ihren Studenten als Leitfaden für die Predigt. Bekannt wurde die Predigtreihe Een levende hoop (Holwerda, 1954). Sie

interpretierte den Zweiten Weltkrieg mithilfe der heilshistorischen Auslegung der Bücher Daniel und Offenbarung des Johannes als Zeichen des Weltendes. Der babylonische König Nebukadnezar, der Antichrist und die deutsche Nazi-Diktatur wurden gleichgesetzt:

Nebukadnezar vormt het wereldrijk van ongeloof en

ongehoorzaamheid; de geweldige antichristelijke staatsmacht. En nu zegt God tot hem: uw rijk zal niet bestaan; straks komt er een ander, en daarna weer, en weer! Telkens een ander rijk. Maar toch het ene beeld.

D.w.z. de geest van Babel blijft. (…). En dat is dus het eerste, wat de Schrift ons hier zegt: tot in de toppen van de tenen is dit beeld Babel.

Tot in de laatste uitlopers van het Romeinse rijk, tot in al de staten van de moderne wereld toe, zal altijd die oude geest krachtig zijn; die geest van de antichrist. (…). En dàt hebben we in 1939 gezien: dat

antichristelijke (Holwerda, 1954, IV, S. 47, 48).

3

Mit anderen Worten, sind sich Luther, Melanchton, Calvin, Greijdanus, Schilder und Holwerda nicht alle einig in der Erwartung des Jüngsten Gerichts?

In Kapitel 2 wird untersucht, wie missgebildete Tiere von den Reformatoren als Zeichen des Weltendes aufgefasst wurden. Die Kapitel 3 und 4 geben wieder, wie das damalige

3 Predigt, gehalten am Sonntag den 31. Dezember 1939.

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politische Establishment in Bezug auf die Reformation funktionierte. Im fünften Kapitel wird untersucht, welche Funktion Tiere in der biblischen Heilsgeschichte einnehmen. Es wird erforscht, wie die missgebildeten Tiere von den Reformatoren in dieser Heilsgeschichte positioniert und mit der deutschen Politik verbunden werden. Kapitel 6 erforscht die Bild- Text-Beziehung zwischen den missgebildeten Tieren und deren textuellen Erläuterungen.

Andere Bilder desselben Künstlers mit demselben Thema werden miteinander und mit den missgebildeten Tieren verglichen, sodass geklärt werden kann, wie das zu untersuchende Dokument damals entstand und wie die Autoren in Bezug auf Bilder dachten. Im siebten Kapitel wird die Angriffsfunktion des Bildes gezeigt und es wird mit einem Bild verglichen, auf dem der Wittenberger Pfarrer Johannes Bugenhagen eine adlige Person sinnbildlich angreift. Auf diese Weise kann die Funktion des ganzen Dokuments besser verstanden werden. Kapitel 8 fasst die Folgerungen der Untersuchung zusammen.

In einem weiteren gesellschaftlichen Kontext zeigt die Arbeit, auf welche Weise Konflikte zwischen Politik und Religion entstehen können. Im 21. Jahrhundert ist eine historisch- literaturwissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet sinnvoll, da weltweit die

angespannten Verhältnisse zwischen einerseits Religionen und andererseits Regierungen aktuell sind. Studien aus den letzten Jahren zeigen, wie empfindsam Menschen auf satirische Bilder in der heutigen Öffentlichkeit in Bezug auf den Islam reagieren können. Beispiele werden von Geerligs (Geerligs, 2012) und Cammelbeeck (Cammelbeeck, 2010) geliefert.

Wie wurde die öffentliche Polemik zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der lutherischen Reformation am Anfang des 16. Jahrhunderts genau geführt? Davon handelt diese Arbeit, sie kann einen sinnvollen Beitrag zu der heutigen Diskussion über die

Beziehungen zwischen Politik und Religion liefern. Von Kanzlerin Merkel gibt es zahllose Karikaturen: mit der türkischen Fahne, mit einem Haupttuch, mit nackten Brüsten, usw.

Dieses Phänomen ist nicht neu: Schon am Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der Papst als eine Prostituierte mit nackten Brüsten und zudem einem Eselskopf abgebildet. Dieses Phänomen wird hier erforscht.

2. MISSGEBILDETE TIERE ALS ZEICHEN DES WELTENDES

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In diesem Kapitel wird untersucht, auf welche Weise die missgebildeten Tiere von den Reformatoren in einer Debatte eingesetzt und mit der damaligen Gesellschaft einerseits und mit dem Weltende andererseits in Zusammenhang gebracht wurden. Der zentrale Gedanke ist, dass die missgebildeten Tiere das Missgebildete des Heiligen Römischen Reichs

Deutscher Nation repräsentieren; das Verwaltungssystem des damaligen Deutschen Reiches und der ganzen christlichen Welt wurde als Reich des Antichristen aufgefasst, die Tiere repräsentieren dieses Reich.

Der literarische Kontext des Dokuments Deutung umfasst mehrere wichtige Publikationen und einige zentrale Ereignisse. Erstens gibt es das vom 7. November 1522 datierte Verbot in Sachsen und Bayern zur Verbreitung und Verkauf des deutschen Neuen Testaments in der Übersetzung von Martin Luther. Zweitens ist das Büchlein Von weltlicher Obrigkeit, das von Martin Luther geschrieben und Anfang 1523 veröffentlicht wurde, wichtig zum

Verständnis des zu untersuchenden Dokuments. Ein drittes wichtiges Ereignis ist das schon genannte Buch De Purgatorio contra Ludderum von Johannes Eck, das im Juni 1523 zu Rom veröffentlicht wurde.

Martin Luther übersetzte während seines Aufenthalts auf der Wartburg (1521-1522) das Neue Testament in die deutsche Sprache. September 1522 wurde die Übersetzung zu Wittenberg von Melchior Lotter gedruckt und ausgegeben. Der Wittenberger Künstler, Maler, Drucker und Geschäftsführer Lucas Cranach verfertigte 23 ganzseitig große Bilder für jedes Kapitel der Offenbarungen des Johannes und fügte sie zusammen mit Lotter der Ausgabe des Neuen Testaments hinzu. Dieses Septembertestament wurde schnell verkauft und in mehreren Auflagen weit verbreitet. Bald kamen aber Gegenkräfte zum Zuge: Der Römisch-Katholische Herzog Georg von Sachsen erließ zusammen mit dem Kurfürsten von Bayern, Joachim von Brandenburg, ein Verbot zur Verbreitung und Verkauf des

lutherischen Neuen Testaments (Luther, 1523, 1982, S. 36). Das Verbot, das sich auch auf andere reformatorische Schriften bezog, war für Luther der direkte Anlass zum Schreiben des Büchleins Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei. Schon am Anfang schreibt er, wie erstaunt er über diese Maßnahme ist:

Denn Gott der Allmächtige hat unsere Fürsten toll gemacht, daß

sie meinen, sie könnten ihren Untertanen tun und gebieten, was

sie nur wollen (und die Untertanen irren auch und glauben, sie

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seien schuldig, dem allen zu folgen), so sehr und ganz, daß sie nun angefangen haben, den Leuten zu gebieten, Bücher

abzuliefern, zu glauben und zu halten, was sie vorgeben (Luther, 1523, 1982, S. 38).

Die anlässlich des Verbots gestellte Frage war, wie Besitzer der Lutherbibel sich den feindlichen Behörden gegenüber verhalten sollten. Muss man die Bibel abgeben, da man laut St. Paulus im Römerbrief Kapitel 13 der Obrigkeit Gehorsam schuldet, oder darf man sie verstecken und behalten? Für Luther ist diese Frage sehr wichtig und prinzipiell:

In Meißen, Bayern und in der Mark Brandenburg und an anderen Orten haben die Tyrannen ein Gebot ausgehen lassen, man solle die Neuen Testamente an die Amtsstellen im Lande übergehen. Hier sollen ihre Untertanen so tun: Nicht ein Blättlein, nicht einen Buchstaben sollen sie übergeben, bei Verlust ihrer Seligkeit. Denn wer es tut, der übergibt Christus dem Herodes in die Hände. Denn sie handeln als Christusmörder wie Herodes. Sondern das sollen sie leiden: Wenn man befiehlt, ihnen durch die Häuser zu laufen und mit Gewalt zu nehmen, es seien Bücher oder Güter. Dem Frevel soll man nicht widerstehen, sondern ihn leiden; man soll ihn aber nicht billigen, noch dazu dienen oder folgen oder mit einem Schritt oder mit einem Finger gehorchen (Luther, 1523, 1982, S. 67,68).

Das Buch De Purgatorio contra Ludderum war kein verbotenes Buch; für Luther war es aber verboten, in der Öffentlichkeit zu reagieren. Aufgrund dieser Fakten, und verbunden mit der Beschlagnahme der Bibelübersetzung, kann das von Melanchton und Luther geschriebene Dokument Deutung als Protestschrift gegen das damalige Establishment gedeutet werden.

Im Hintergrund spielt aber vor allem das Funktionieren des damaligen deutschen

Reichsregiments sowohl in Luthers Von weltlicher Obrigkeit wie auch in Melanchtons und

Luthers Ausgabe des Dokuments Deutung eine wichtige Rolle. Die linke Hand des Esels

bedeutet nämlich das weltliche Regiment des Papstes und der linke Fuß symbolisiert die

Diener dieses Regiments. Die Fischschuppen des Esels weisen auf die weltlichen Fürsten

hin und daneben sind die rechte Hand und der linke Fuß mit dem geistlichen Regiment

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verbunden (siehe Abbildungen 2, 3 und 4). Das geistliche und das weltliche

Verwaltungssystem müssten laut den Reformatoren sehr unterschiedlich sein, sind aber im päpstlichen Verwaltungssystem eng miteinander verbunden. Genau das wird von den Reformatoren kritisiert. Das Reichsregiment war eine Erfindung der Reichsstände auf den Reichstag zu Augsburg 1500 (Brandi, S. 159,160). Dieses Regiment war ein

Vorstandsausschuss des Kaisers für die deutschen Länder und bestand aus mehreren Fürsten und Abgeordneten von Städten

4

. Anfänglich hatte das Regiment kaum funktioniert, bekam aber nach dem Reichstag zu Worms 1521 große Aufmerksamkeit, da Kaiser Karl V. ihm viele Entscheidungen überließ, weil er nicht mehr in den deutschen Ländern verblieb. Der deutsche Adel erhielt durch das Reichsregiment mehr Macht; zugleich war aber undeutlich, worüber es genau entscheiden konnte und wie sich diese Entscheidungen zur kaiserlichen Macht verhielten. Die Nürnberger Reichstage von 1522-1523 und 1524 sind mit dieser nichtfestgelegten Macht des Reichsregiments zu erklären. Luthers Zwei-Regimenten-Lehre, die er in Von weltlicher Obrigkeit beschreibt, kann mithilfe des Begriffes „Reichsregiment“

sehr präzise analysiert werden: Luther ersetzt das Wort durch drei andere Begriffe, die von diesem Wort abgeleitet sind: 1. Das Reich Gottes. 2. Das weltliche Regiment 3. Das geistliche Regiment. Das Reich Gottes ist laut Luther das Reich der Gläubigen und das Grundgesetz des Reichs Gottes ist die Bergpredigt, beschrieben im Evangelium des

Matthäus, Kapitel 5 und 6. Das weltliche Regiment ist die politische Verwaltung, gültig für sowohl Christen als auch Nicht-Christen, das sich um Steuerzahlungen, Kriegshandlungen und bürgerliche Gesetze kümmert. Das geistliche Regiment ist die Verwaltung, die religiöse Veranstaltungen organisiert, das göttliche Wort predigt, Kirchenordnungen verabschiedet und Häresie offiziell verurteilen kann. Durch das adlige Bücherverbot hatte laut Luther der Adel die Grenze zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Regiment überschritten.

Luther ruft deswegen in Von weltlicher Obrigkeit den Adel auf, diese Verwaltungssysteme deutlich zu unterscheiden; dem Adel stehe nur das weltliche Regiment zu, und die Frage, welche religiösen Bücher legal bzw. illegal sind, sei eine Frage des geistlichen Regiments.

Melanchtons allegorische Auslegung des Papstesels im Dokument Deutung bezieht sich auf Luthers Regimente-Auslegung in Von weltlicher Obrigkeit. Luther warnt und ermahnt am Ende des Dokuments Deutung aus einer eschatologischen Perspektive den Adel, richtige Entscheidungen zu treffen. Wenn der deutsche Adel in Bezug auf die Grenze zwischen dem weltlichen und geistlichen Regiment nicht richtig entscheidet, steht die Seligkeit sowohl für

4 Das damalige Reichsregiment ist in gewisser Weise mit der heutigen Europäischen Kommission vergleichbar, da in beiden Gremien über Landesgrenzen Probleme gemeinschaftlich zu lösen versucht wird.

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ihn, den Adel, als auch für ihre Untertanen auf dem Spiel, denn der Jüngste Tag ist nahe und wenn die Gläubigen die Bibel kurz zuvor den Behörden abgeben, verleugnen sie Christus;

das war der Kernpunkt zum Schreiben des Dokuments Von weltlicher Obrigkeit und das Dokument Deutung folgt dieser Linie. Aufgrund des adligen Bücherverbots kann die editio princeps des Dokuments Deutung auch schon Frühjahr 1523 entstanden sein. Die

Wittenberger Ausgaben des Dokuments Deutung, in der die Tiere als Einzelfiguren mit einer Überschrift abgebildet wurden (siehe Abbildungen 16 und 17), entstanden ein paar Monate vor Ecks De Purgatorio-Ausgabe. Nach dieser Ausgabe zu Rom wurden die Tiere dann, als eine Antwort an Eck und den Papst Adrian VI., in einer Ausgabe in einem Bild vor der Stadt Rom zusammengetragen (siehe Abbildung 1).

Melanchton und Luther rücken die Themen des Jüngsten Tages und des Antichristen in Deutung in den Vordergrund. Zwei missgebildete Tiere sind darin abgebildet (siehe

Abbildungen 1,16, 17). Es handelt sich um Missgeburten, die auf den Jüngsten Tag bezogen wurden: „mit anzaygung des jungstentags“ (siehe Abbildung 1). Eine wichtige Quelle, in der der missgebildete Esel genannt wird, ist Luthers Predigt über das Lukasevangelium, Kapitel 21, Verse 25-33, gehalten am 7. Dezember 1522. In dieser Predigt über das

Weltende und den Jüngsten Tag spricht Luther über die Zeichen, die kennzeichnend für das Weltende sind, nämlich Himmelserscheinungen und Naturkatastrophen. In diesem Rahmen sagt der Autor:

So haben wir auch daneben Cometen gesehen (…). So wird auch kein Sternkündiger dürfen sagen, daß des Himmels Lauf habe verkündiget das schreckliche Thier, das die Tiber zu Rom todt auswarf vor kurzen Jahren, welches hatte einen Eselskopf, eine Frauenbrust und Bauch, einen Elephantenfuß an der rechten Hand und Fischschuppen an den Beinen, und einen Drachenkopf am Hintersten usw. darinnen das Papstthum bedeutet ist, der große Gottes Zörn und Strafe. Solcher Haufen Zeichen will etwas größeres bringen, denn alle Vernunft denken. (Luther, 1522, S.50).

Die Meinung der Sterndeuter, über die Luther spricht, bezieht sich auf die aristotelische

Auffassung, dass der Lauf der Planeten und Begebenheiten auf der Erde auf natürliche

Weise erklärt werden können. Luther dagegen betont hier das Außerordentliche der biblisch

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vorhergesagten Zeichen, die sich auf das Weltende beziehen; sie können nicht von Astrologen vorhersagt werden, da sie nur mit den Augen des Glaubens gesehen werden können: diese Zeichen werden direkt von Gott verursacht und kommen unerwartet. Der missgebildete Esel ist laut Luther ein Zeichen des Weltendes, räumt der Autor im Lukasevangelium, Kapitel 21 ein.

Buck weist darauf hin, dass der Esel anfänglich nicht als eine Unheil vorhersagende Erscheinung interpretiert wurde; der Venetianische Botschafter zu Rom hatte damals eine Notiz über den Eselsfund gemacht, schreibt davon aber nichts; für die Kathedrale zu Como entwarfen 1498 die Brüder Tommasso und Jacopo Rodari ein Bas-Relief, auf dem ein Esel abgebildet wurde (Buck, 2014, S. 14).

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Wichtig ist es festzustellen, dass Melanchton und Luther die Tiere auf das Weltende bezogen und zugleich mit der Rolle des deutschen Adels verbanden.

In diesem Rahmen ist es sinnvoll, dem im 4. Jahrhundert regierenden Römischen Kaiser Konstantin auf der einen Seite und Kaiser Karl V. zusammen mit dem Papst Adrian VI. auf der anderen Seite in einer Zeitlinie zu positionieren. General Konstantin besiegte 312, laut Kirchenvater Eusebius, Kaiser Maxentius, nachdem er am Himmel ein Kreuz mit den Worten „Hoc Vince“ gesehen hatte (Lehr, 1981, S.1). Dieses außerordentliche Zeichen steht am Beginn des christlich-römischen Reichs, das im 5. Jahrhundert unterging. Trotzdem wurde es später, im 11. Jahrhundert, offiziell als Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation fortgesetzt. Auf der anderen Seite steht 1200 Jahre später das außerordentliche Zeichen des missgebildeten Esels, des getarnten teuflischen Drachens, der laut Melanchtons und Luthers Auffassung den endgültigen Untergang des Heiligen Römischen Reichs

Deutscher Nation durch den Jüngsten Tag symbolisiert. Luther spricht in seiner oben genannten Adventspredigt nicht nur über Kometen, sondern auch über Sterne und Kreuze die am Himmel standen und nach unten fielen:

Denn unsere Zeit, die stehet zugleich Sonn- und Mondschein verlieren, Sterne fallen, Menschen bange werden, große Winde und Wasser brausen, und was mehr gesagt ist. Es kommet alles auf einem Haufen.

5 Luther und Melanchton haben die Auslegung in Bezug auf das Weltende möglicherweise unter Einfluss der Böhmischen Brüder übernommen, bleibt aber in dieser Arbeit außer Betracht, weil hier die Frage erforscht wird, aus welchen direkten Gründen das Dokument Deutung entstand

.

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14

So haben wir auch daneben viel Cometen gesehen, und neulich sind viel Kreuze vom Himmel gefallen und ist mit unter auch aufkommen die neue unerhörte Krankheit, die Franzosen. (Luther, 1522, S. 50).

Danach fängt Luther an, über den Esel zu sprechen (siehe oben). Das himmlische

Kreuzzeichen mit den Worten „Hoc Vince“ am Anfang des Konstantinischen Reichs und die irdischen Drachenzeichen in der Form des Esels und des Kalbes am Anfang des 16.

Jahrhunderts stehen einander als Gegenpole gegenüber; Luthers Predigt liefert eine

Begründung für die Annahme, dass Luther und Melanchton es auf diese Weise auffassten.

Eine zweite wichtige Quelle ist das Dokument, in dem Philippus Melanchton das genaue Jahr der Erscheinung des toten Esels zu Rom beschreibt:

Darumb in mittler zeit des selben reichs vil zeichen von Gott geben sind, Und newlich diese grewlich figur, der Bapstesel, welche zu Rom in der Tiber todt funden ist im Jahr 1496 und also eigentlich alles wesen Bepstliches reichs abmalet und furbildet, das nicht muglich were einigem menschenn solchs zuertichten, Sondern man sagen muß, das got selb disen grewel also abcontrofeit habe (Abbildung 2).

Genau wie Luther vertritt Melanchton die Meinung, dass Gott die Ursache des

missgebildeten Esels ist, auf diese Weise kündigt er Unheil für Rom und die Römisch- Katholische Kirche an.

6

Das Entstehen des missgebildeten Kalbes kennt zwei unterschiedliche Erzählungen. Die eine Erzählung, eine Sage, berichtet, dass zu Waltersdorf, in der Nähe von Freiberg im Mark

6 Vermutlich haben Luther und Melanchton anfänglich unabhängig voneinander vom Esel gehört oder gelesen und sich später in Wittenberg darüber ausgetauscht. Möglicherweise hat Luther zu Rom 1510 davon erzählen hören, während Melanchton von Johannes Reuchlin davon gehört haben kann. Reuchlin, ein Bruder von Melanchtons Großmutter und auch Melanchtons Dozent, war mehrere Male in Rom, unter anderem 1498 (Leverenz, 1971, S. 145). Er hatte Melanchtons deutschen Namen „Schwarzerde“ ins Griechische übersetzt und Melanchton bekam von Reuchlin ein griechisches Grammatikbuch (Scheible, 1993, S. 124). Hartfelder weist darauf hin, dass Lange die Hypothese aufstellte, dass die Waldenzer eine Rolle in der Verbreitung der Kenntnis über den Papstesel gespielt haben können (Hartfelder, 1892, S.325). Der Künstler Wenzel von Olmütz aus Mähren, tätig von 1481 bis 1497, hat sicher einen Kupferstich des Esels verfertigt (siehe

Abbildung 15); dieses Bild ist wahrscheinlich eine Nachbildung eines verschwundenen italienischen Originals (Ibid.). Sicherheit darüber, wann und auf welche Weise Melanchton und Luther zum ersten Mal über den missgebildeten Esel hörten oder lasen, gibt es aber nicht.

(17)

15

Meissen, am 29. Juni 1523 eine Kuh geschlachtet wurde und man dann ein missgebildetes Kalb fand.

7

Die andere Erzählung, historisch belegt, ist ein halbes Jahr früher, 8. Dezember 1522, datiert und spielt Pietsch zufolge auch in Waltersdorf (Pietsch, 1900, S. 357). Hier heißt es, dass ein Astronom am Prager Hof anlässlich des Kalbes ein Gedicht über Luther geschrieben hat (Ibid.). Unabhängig davon wusste Luther laut Pietsch vom missgebildeten Kalb, er hat mit Melanchton darüber geredet, wie die missgebildeten Tiere genau

interpretiert werden müssen (Ibid., S. 358, 359). Melanchton hatte schon zuvor das Bild des Esels herausgegeben (Ibid.); es handelte sich um eine Auslegung des Bildes von Wenzel von Olmütz in Bezug auf das Judentum. Das Bild des Esels wurde nach Überlegungen von Luther und Melanchton gemeinsam mit dem Bild des Kalbes 1523 mit Erläuterungen in Deutung publiziert (Ibid.).

In diesem Kapitel wurde untersucht, wie die missgebildeten Tiere von den Reformatoren interpretiert und in einer Debatte eingesetzt wurden und wie sie diese Interpretation mit der damaligen Gesellschaft verbanden. Die Folgerung ist, dass die missgebildeten Tiere das Missgebildete des damaligen Verwaltungssystems des deutschen Reiches repräsentieren und auf diese Weise das Weltende aus einer christlichen Perspektive ankündigen.

3. DAS REICHSREGIMENT AUF DEM REICHSTAG ZU NÜRNBERG 1522-1523

In diesem Kapitel wird untersucht, wie das Reichsregiment sich auf dem Reichstag zu Nürnberg 1522-1523 in Bezug auf die Reformation verhielt. Das Ziel ist, nachzuverfolgen, ob Deutung eine Kritik an den deutschen Fürsten sein kann, bezogen darauf, wie sie sich in der Öffentlichkeit zur Reformation verhielten. Die Voraussetzung in dieser Untersuchung ist, dass Deutung eine Antwort auf das Verhalten der deutschen Fürsten ist; die in Deutung genannte linke Hand und die Fischschuppen des Esels, Symbole des weltlichen Regiments,

7 Es hat aber gedachter Mönchskalb die Autorität der Geistlichen, so dem Papste zugethan gewesen, sehr verringert, also daß auch die Bergleute ein besonders schimpfliches Lied davon gedichtet und dasselbe den Mönchen und Pfaffen zu Spott und Hohn lange Zeit allhier gesungen mit Bezug darauf, dass der Fleischer mit Vorbedacht und Willen das Fleisch von der Kuh, in welcher man das besagte Mönchskalb gefunden,

niemandem als den Canonicis, Mönchen und andern Geistlichen gelassen und solche dasselbe unbewußt versehrt haben (Köhler, 1978, S. 594).

(18)

16

repräsentieren in diesem Fall den deutschen Adel und Landesherren, die abhängig vom Papst auftreten und ihn verteidigen.

Nach Martin Luthers Verurteilung auf dem Reichstag zu Worms 1521 herrschte Unsicherheit darüber, wie die Reichsstände sich zur kaiserlichen und päpstlichen Verwaltung verhalten sollten. Manche Fürsten blieben dem Papst treu, andere wurden Anhänger von Luthers Auffassungen, jedoch hatten die evangelischen Fürsten untereinander auch unterschiedliche Meinungen darüber, welche politischen Folgen die Reformation haben sollte und könnte. Sollten die politischen Verhältnisse weiter polarisieren oder könnten sie im Gegensatz dazu von den Fürsten entschärft werden? Dass der Adel sich in Bezug auf die Reformation kurz nach dem Reichstag zu Worms 1521 nicht geeinigt hatte, zeigt die

Diskussion über die Funktion der kirchlichen Tradition in Bezug auf die Heiligen Schriften der Bibel auf dem Reichstag zu Nürnberg 1522-1523. Diese Polemik lässt sich in fünf Stufen gliedern; es ist wichtig, sie kurz wiederzugeben, da auf diese Weise gezeigt wird, wie das Reichsregiment und die Fürsten in Bezug auf die Reformation funktionierten. Die erste Stufe ist das Mandat des Konvents zu Mühldorf 1522, die zweite der Vorschlag des 15.

Januars 1523, der Abänderungsvorschlag am 23. Januar 1523 folgt als dritte Stufe, das Mandat des Reichstages am 6. März 1523 ist die vierte, während die letzte Stufe die Wiederholung des Mandats auf dem Reichstag zu Nürnberg 1524 ist.

Die erste Stufe: Der Erzbischof zu Salzburg hat nach dem Reichstag zu Worms ausführlich mit seinen Bischöfen zu Mühldorf überlegt, wie die Bibel ausgelegt werden muss. Diese Versammlung bestätigt, was schon während des Fünften Lateranen Konzils (1512-1517) festgestellt wurde, dass die Aussagen und Schriften der Kirchenväter dieselbe Gewalt wie die der Bibelbücher haben; genau wie die Bibelbücher sind die Schriften Augustins’, Hieronymus’, Gregorius’ usw. fehlerlos; die göttliche Offenbarung zeige sich nicht nur in den biblischen Schriften sondern auch in den Büchern der kirchlichen Tradition. Die Frage damals war zusammengefasst: entweder nur die Heiligen Schriften der Bibel „Sola

Scriptura“ oder diese Schriften einschließlich die der Tradition als göttliche Offenbarung

anzunehmen. Das Mandat zu Mühldorf 1522 beauftragt die Geistlichkeit, von diesem letzten

Grundgedanken aus zu predigen. Einerseits ist das Ziel des Konvents Luther entgegen zu

kommen, andererseits soll auch ein Ziel sein, die katholische Kirche gegen häretische

Auffassungen zu schützen. Augustijn schreibt darüber Folgendes:

(19)

17

Enerzijds konden zij het niet zonder meer laten begaan, dat juist Luther en zijn aanhangers het evangelie voor zich usurpeerden. Op de rijksdag van Worms had Luther zich op het Corpus Iuris beroepen om aan te tonen dat het evangelie het hoogste gezag in de kerk bezat.

Dat dit juist was, zou niemand ontkennen. Maar anderzijds was het een onmogelijke situatie, dat onder voorwendsel van de prediking van het evangelie Luther en zijn aanhangers vrijelijk hun ketterijen konden verkondigen. Luther brengt het evangelie, maar dan, aldus Eck, ‘das Luderisch ewangelium’. Een poging om aan beide gevaren het hoofd te bieden, vinden wij in het mandaat van het convent van Mühldorf (1522), waar M. Lang, de aartsbisschop van Salzburg, met zijn bisschoppen had gesproken over noodzakelijke hervormingen binnen hun machtsgebied (Augustijn 1968, S. 26).

Diese politische Zwischenposition wird von mehreren evangelischen Fürsten kritisch beurteilt, weil die Tradition zu stark betont wird. Schon während der Öffnung des

Nürnberger Reichstages am 17. November 1522 war das Mandat ein wichtiges Thema. Eine Kommission bekam den Auftrag, die Frage nach dem Verhältnis Bibel – Tradition zu lösen (Augustijn, 1968, S. 27). Am 15. Januar 1523 wurde nach heftigen Diskussionen im Reichstag vorgeschlagen, ein Konzil zu halten und den Text des Mühldörfer Mandats mit den Worten: „allein das heilig evangelium und bewerte schriften nach rechtem cristlichen verstand“ zu ändern (Augustijn, 1968, S. 28). Die „bewerte Schriften“ beziehen sich neben den vier Evangelientexten nur auf die Bibelbücher (Ibid.), sodass in diesem Vorschlag das lutherische Sola Scriptura-Prinzip völlig zum Ausdruck kommt. Das ist die zweite Stufe.

Die dritte Stufe umfasst die Auseinandersetzungen, die danach stattfinden. Das Ergebnis ist ein Änderungsvorschlag des adligen Reichsregiments, das am 23. Januar 1523 im Reichstag vorliegt. Das Regiment schlägt vor, „allein das heilig evangelium nach bewerten schriften und auslegung der vier lerer, nemlichen Ieronimi, Augustini, Gregorii und Ambrosii, bis auf witere declaracion und erkentnus des zukunftigen conciliii, zu predigen und zu leren“

(Augustijn, 1968, S. 32).

8

Manche reformatorischen Fürsten reagieren wütend: „die fursten [des Reichsregiments E.M.] zum theil wollen nit louissen predigen, was sant Paulus

geschriben hait, sonder was Iheronimus, Ambrosius, Gregorius und Augustinus geschriben

8 Im Mittelalter waren diese vier Väter schon vom Papst Bonifatius VIII mit den Aposteln gleichgestellt worden und aufs Neue wird jetzt versucht, Luther in diese Tradition zu positionieren

.

(20)

18

haben“ (Augustijn, 1968, S.33). Und die Reichsstände diskutieren sehr heftig über den neuen Vorschlag. Augustijn schreibt darüber:

Het ontwerp werd op 3 februari in de standenvergadering besproken. Het ging er hard aan toe. De verwachting van de afgevaardigde van Frankfort, dat de standen het ontwerp in zijn gewijzigde vorm niet zouden

aanvaarden, werd bewaarheid. Speciaal Christoph von Stadion [der Bischof von Augsburg E.M.] en de saksische afgevaardigde in het regiment stonden lijnrecht tegenover elkaar. De laatstgenoemde berichtte aan zijn heer: ‚Von welcher wort wegen, und das man die vir doctores nicht bessunder nennen solt, must ich gestern vill sturms leiden, vill poser, hoffertiger und vorechtlicher wort vor gutt nemen und ssunderlich vom bischof von Augspurgk, den gott aus dem kott erhaben‘ (Ibid.)

Diese Streitgespräche führen zur vierten Stufe, zum Mandat des Nürnberger Reichtages am 6. März 1523, das vorschreibt: „das mittler zeit das heilig ewangelium und gottes wort nach rechtem warem verstand und auslegung der von gemeiner kirchen angenomen lerer on aufrur und ergernus gepredigt und gelert wird“ (Augustijn, 1968, S. 25). Wichtig ist, dass diese Worte während des Reichstages 1524 wiederholt und bestätigt werden (Ibid.). Diese Wiederholung, die fünfte Stufe, ist ein Hinweis darauf, dass im Jahr 1523, nach dem Abschluss des Reichstages, die Diskussion zwischen den Fürsten über das Sola Scriptura- Prinzip fortgesetzt wurde, sonst wäre eine Wiederholung des Mandats nicht notwendig. Vor allem der Vorschlag des Reichsregiments, die dritte Stufe, ist kennzeichnend für die

politisch orientierte Haltung der Fürsten, die laut den Reformatoren nicht in Einklang mit der biblischen Botschaft sei.

Diese Haltung kann es sein, vor der Melanchton und Luther im Dokument den Adel warnen,

weil die Fürsten sich dieser Haltung wegen am antichristlichen Papsttum beteiligen. Bildlich

wird das mittels der Fischschuppen am Papstesel gezeigt; die Schuppen repräsentieren die

Fürsten, Melanchtons allegorischer Auslegung zufolge sind sie das weltliche Regiment

(siehe Abbildung 4) und die selbstbewusste Körperhaltung des Esels ist die einer adligen

Figur (siehe Abbildung 1). Das Dokument wurde 1523 veröffentlicht, zwischen beiden

Nürnberger Reichstagen, in der Zeit, in der das Sola Scriptura-Prinzip in politischer Hinsicht

(21)

19

wichtig und aktuell war; aus der Perspektive dieser Auseinandersetzung erhält das

Dokument einschließlich des Bildes eine funktionelle Position. Es bleibt aber fraglich, ob die Heftigkeit und Radikalität des Textes und des Bildes in Deutung nur mit dem

Nürnberger Reichstag erklärt werden kann. Passierte noch etwas anderes in dieser Zeit, worauf die Reformatoren mit Deutung reagierten? Diese Frage wird im nächsten Kapitel beantwortet.

4. DIE POLITISCHE INTRIGE 1523

Während des Nürnberger Reichtages entstand eine politische Intrige zwischen Herzog Georg von Sachsen und Kurfürst Friedrich dem Weisen über Luthers Buch Von weltlicher

Obrigkeit. In diesem Kapitel wird erforscht, ob diese Intrige der Grund für die Entstehung und das Veröffentlichen von Deutung gewesen sein kann.

Anfang 1523 wurde Von weltlicher Obrigkeit veröffentlicht, worin Luther genau eine Ausführung der Trennung der geistlichen und weltlichen Gewalten beschreibt, wie die laut ihm durchgesetzt werden müsste. In der damaligen Praxis war die Macht der Geistlichkeit eng mit der Macht des Adels verbunden. Im Gegensatz zur Einigung des Wormser

Konkordats 1122, wo festgestellt wurde, dass dem Papst die durch den Stab und Ring symbolisierte geistliche Macht und dem Kaiser die durch das Zepter symbolisierte weltliche Macht zukam, waren die Gewalten am Anfang des 16. Jahrhunderts aufs Neue eng

miteinander verknüpft worden. Hinzu kam, dass der Papst als Haupt der Römisch-

Katholischen Kirche eine besondere Macht-Position erhielt, weil das Lateraner Konzil 1215 während des Pontifikats Innocentius III feststellte, dass der Papst ein Mensch mit

übernatürlichen Eigenschaften sei:

Innocentius erkende, dat ‚de stedehouder van Christus op aarde minder is dan God’. Maar daarop volgde dan onmiddellijk, dat de paus ‘meer dan mens was’. Op een algemene synode in zijn paleis het Lateraan, in het jaar 1215, proclameerde hij de positie van de geestelijkheid als bemiddelaarster tussen de christelijke gemeenschap en God (Grimberg, 1972, S. 68).

Das Vermitteln der Kirche zwischen Gott und Mensch kam vor allem in der Lehre der

Sakramente zum Ausdruck, wodurch u.a. die Sünden der Menschen vergeben werden.

(22)

20

Biblisch wurde dieser Gedanke mit dem Text aus dem Evangelium des Matthäus, Kapitel 16, Vers 19 fundiert: „Und ich will dir, [Petrus, E.M.], des Himmelreichs Schlüssel geben:

alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein“. Das Bild der zwei gekreuzten

Schlüssel in der Fahne (siehe Abbildung 1) ist das Symbol dieser Auffassung. Die

Reformation brach fundamental mit diesem Gedanken; die Beziehung zwischen Gott und Mensch kommt laut den Reformatoren aufgrund des Evangeliums und der übrigen

Bibelbücher direkt und ohne Vermittlung zustande. Die Macht der Geistlichkeit kam durch diese reformatorische Auffassung unter Druck; zugleich sah der Adel sich in der Ausführung der Befugnisse bedroht, weil den deutschen Landesherren mehrmals die kirchliche Gewalt übertragen wurde.

9

Die Vermittlungsposition der Kirche, die weltliche Gewalt und die kirchliche Macht zur Ernennung der Bischöfe hielten sich Anfang des 16. Jahrhunderts nicht im Gleichgewicht und sorgten dafür, dass leicht Auseinandersetzungen entstehen konnten.

In diesem Zusammenhang schreibt Luther das Buch Von weltlicher Obrigkeit.

Luther beschreibt, wie die Gewalten praktisch gegliedert werden sollten: Das weltliche Regiment, repräsentiert durch die Fürsten, sorgt für Steuerzahlungen, Kriegshandlungen und bürgerliche Gesetze. Die Geistlichkeit ist verantwortlich für die Predigt des Evangeliums und die Lesung der Messe, während die Gläubigen zum Reich Gottes gehören, deren König Christus ist. Das Reich Gottes ist neben dem weltlichen und geistlichen Regiment ein geistliches Reich. Die Beschlagnahmung der Bibel ist keine Befugnis eines weltlichen Fürsten; wenn es um Häresie ginge, dass nämlich die Gläubigen durch das Lesen der Bibel die kirchliche Lehre verneinen oder ignorieren könnten, muss laut Luther in diesem Buch die Geistlichkeit darüber entscheiden: „Das sollen die Bischöfe tun, denen ist solches Amt befohlen und nicht den Fürsten“ (Luther, 1523, 1982, S. 69).

9Ein Beispiel ist das Bistum Meißen, wo die sächsischen Herzöge direkt Einfluss auf die kirchliche

Verwaltung erhielten: „Diese Verbindungen [mit Prag E.M.] endeten historisch allerdings nicht, wie zur Zeit Kaiser Karl IV. beabsichtigt, mit der Unterstellung des Bistums Meißen unter Prag, sondern auf Betreiben der Wettiner mit der Exemtion des Bistums Meißen im Jahre 1399, also mit einem Sieg der wettinischen

Landesherren über die kirchliche Gewalt“ (Magirius, 2001, S. 31). Aufgrund dieser Übertragung beanspruchte Volkmar zufolge ein Jahrhundert später Herzog Georg von Sachsen die alleinige Schutzherrschaft über das Bistum Meißen und konnte diese in der Praxis auch durchsetzen (Volkmar, 2008, S. 192).

(23)

21

Herzog Georg von Sachsen war wütend über den Inhalt dieses Buches (s.u.). Er war schon an mehreren Streitigkeiten mit seinem Neffen, dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen, und dessen Bruder Johann beteiligt und wollte, allerdings ohne Erfolg, auch dieses Buch verbieten lassen.

Aber eine kühle Zurückweisung wurde ihm zuteil. „Er habe sich, so schrieb Friedrich wie allbekannt, der Sache Luthers nie angenommen, könne wegen dieses Büchleins sich auch nicht hineinmengen, was Georg gewiss auch nicht verlangen könne.“

(Becker, 1890 S. 19, 20)

Wichtig ist, dass Georg, nachdem er diese Antwort bekommen hat, Kontakt mit dem Reichsregiment auf dem Reichstag zu Nürnberg aufnimmt. Er bekommt eine Antwort, aus der deutlich wird, dass das Reichsregiment die Auffassung Georgs von Sachsen teilt; diese Antwort behält er anfänglich jedoch für sich, um sie später aus taktischen Überlegungen effektiv einzusetzen:

Georg (…) versuchte noch eine Zeit lang durch Unterhandlung zu seinem Recht zu gelangen. Erst nachdem er Ende März [1523 E.M.] aus Friedrichs Briefe ersehen, dass er auf diese Weise nichts erreichen würde, übersandte er dem Kurfürsten die Kopie des Nürnberger Antwortschreibens. Das hatte Erfolg. Johann, ebenso wie Friedrich, sahen sich durch das Nürnberger Schreiben veranlasst, Georg entgegenzukommen und behufs weiterer Verhandlung eine Zusammenkunft ihrer Räte in Naumburg vorzuschlagen. Nach längeren Hin- und Herschreiben wurde diese Stadt als Ort und der 20. Mai als Termin jener

Zusammenkunft festgesetzt. (Becker, 1890, S. 20, 21)

Mit anderen Worten: Luthers Schirmherr Friedrich der Weise wurde von den übrigen

Fürsten unter Druck gesetzt, Luthers Buch über die Trennung der Gewalten verbieten zu

lassen. Die Achillesferse der Reformation in Bezug auf das Funktionieren der Fürsten

kommt hier deutlich zum Ausdruck:

(24)

22

Mit Luther trat der kursächsische Hof in dieser Angelegenheit ebensowenig wie der herzogliche in Verkehr, und auch Herzog Georg verhandelte mit Luther nicht mehr. Nur Graf Albrecht von Mansfeld bemühte sich zu vermitteln, und wirklich erlangte er auch von Luther einen Brief, der den Herzog Georg versöhnlich stimmen sollte. Neben dem Mansfelder Grafen suchte auch der Schwager des Herzog Johann, Fürst Wolfgang von Anhalt, einen Ausgleich zu stande zu bringen, ebenso beteiligte sich Albrecht von Mainz an den Verhandlungen. Aber die geplante

Zusammenkunft in Naumburg fand nicht statt und über den Verlauf der Sache ist nichts weiter bekannt (Becker, 1890, S. 21).

Im Frühjahr 1523, in dem die Reformatoren Luther und Melanchton, wegen Von weltlicher Obrigkeit wenige Kontakte mit den Fürsten haben, wird das Dokument Deutung entstanden sein. Inhaltlich kann das Dokument nämlich als eine schematische Auslegung und als eine bildliche Darstellung der damaligen Gewalten-Vermischung aufgefasst werden. Das Buch Von weltlicher Obrigkeit gab eine Antwort auf die schon lange existierende Vermischung;

diese Antwort war für das Establishment unerträglich und deswegen wurde versucht, das Buch zu verbieten. Während der Besprechungen, die dazu führen sollten, dass die Schrift Von weltlicher Obrigkeit zum verbotenen Buch angekündigt wird, wurde dann Deutung veröffentlicht.

Melanchton behandelt in diesem Dokument allegorisch die unterschiedlichen Gewalten und ihre Ausführungen und zeigt sie bildlich im Esel. Schon in Von weltlicher Obrigkeit hatte Luther über „Schuppen“ geschrieben:

Weil denn solcher Narren Wüten ausreicht zur Vertilgung

christlichen Glaubens, zur Verleugnung göttlichen Wortes und zur

Lästerung göttlicher Majestät, will und kann ich meinen ungnädigen

Herren und zornigen Junkern nicht länger zusehen, muß ihnen zum

wenigsten mit Worten widerstehen. Und ich habe ihren Götzen, den

Papst, nicht gefürchtet, der mir die Seele und den Himmel zu

nehmen droht, muß ich auch zeigen, daß ich seine Schuppen und

Wasserblasen nicht fürchte (Luther, 1523, 1982, S.39).

(25)

23

Melanchtons mit Schuppen bekleideter Esel zeigt, dass die Gewalten Anfang des 16.

Jahrhunderts in Wirklichkeit gar nicht getrennt sind; sie bilden zusammen den

missgebildeten Esel. Und im Hintergrund flattert die Fahne mit den zwei Schlüsseln über der Stadt Rom (siehe Abbildungen 1, 15, 16); die Schlüsselmacht wird von einem dummen Esel ausgeübt; der Esel ist zugleich auch ein Drachen.

Die Auseinandersetzungen über das Sola Scriptura-Prinzip auf dem Nürnberger Reichstag waren das Vorspiel für das Verbieten des Büchleins Von weltlicher Obrigkeit. Drei Jahre später sagt Luther, wie er den äußerst distanzierten Empfang des Buches bei den Fürsten erfahren hat:

Denn ich könnte mich geradezu rühmen, daß seit der Apostel Zeit das weltliche Schwert und Obrigkeit nie so klar beschrieben und herrlich gepriesen worden ist – was auch meine Feinde

eingestehen müssen, wie durch mich. Dennoch habe ich mir dafür zum Lohn den ehrlichen Dank verdient, daß meine Lehre

gescholten und verdammt wird, als ob sie aufrührerisch sei und sich gegen die Obrigkeit richte – dafür sei Gott gelobt (Luther, 1523, 1982, S. 175, 176).

Das von den Fürsten geplante Gespräch zu Naumburg am 20. Mai 1523 hat vermutlich nie stattgefunden; über diese Veranstaltung ist nichts schriftlich festgelegt worden.

Möglicherweise hat das Dokument Deutung Einfluss auf eine Absage des Treffens gehabt.

In diesem Kapitel wurde festgestellt, dass eine drohende Konfiskation des Buches Von

weltlicher Obrigkeit von den deutschen Fürsten der direkte Grund für das Entstehen und

Veröffentlichen von Deutung gewesen sein muss. Im nächsten Kapitel wird erforscht, auf

welche Weise die missgebildeten Tiere von den Reformatoren als Antwort auf die politische

Intrige eingesetzt wurden.

(26)

24 5. TIERE IN DER HEILSGESCHICHTE

In diesem Kapitel wird erforscht, welche Funktion Tiere in der biblischen Heilsgeschichte erfüllen und wie sie von den Reformatoren mit den abgebildeten Tieren im Dokument in Verbindung gebracht werden. Auf diese Weise wird gezeigt, wie Luther und Melanchton die Debatte führten; biblische Gedanken und groteske Bilder werden in Deutung miteinander verbunden, sodass einerseits Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, durch das Bild angesprochen wurden und andererseits die Bilder der missgebildeten Tiere eine Botschaft vermittelten, die allein mit Worten weniger deutlich erzählt werden konnten.

Die Geschichte der Beziehung zwischen Gott und Mensch wird in der Bibel regelmäßig anhand unterschiedlicher Tiere beschrieben. Im Paradies tritt die Schlange auf.

10

Abraham opfert, statt seines Sohnes Isaak, einen Widder

11

, Aaron schuf das goldene Kalb

12

, Gott ließ eine Eselin zum Babylonischen Propheten Bileam sprechen

13

, der Prophet Daniel empfing zweimal ein Zukunftsgesicht; das erste war das Gesicht von den vier Tieren und dem Menschensohn,

14

das zweite war das Gesicht vom Widder und vom Ziegenbock und dessen Hörnern

15

. Im Neuen Testament findet der Einzug Jesu in Jerusalem mithilfe einer Eselin statt: „Dies geschah aber, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet worden ist, welcher spricht: ‚Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitend auf einer Eselin und auf einem Füllen, dem Jungen des Lasttiers‘“

16

und im Buch der Offenbarung des Johannes sieht St. Johannes mehrere Gesichter: In 12. Kapitel versucht der Drache das Weib zu verschlingen, während in 13. Kapitel ein siebenköpfiges Tier aus dem Meer auftaucht und danach ein Tier mit zwei Hörnen aus der Erde zum Vorschein kommt.

Der Drache aus dem 12. Kapitel wird von St. Johannes mit der Schlange aus dem Paradies verbunden: „Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen“.

17

In diesem Zusammenhang kann den missgebildeten Tieren, die im Dokument Deutung gezeigt und von den Reformatoren Melanchton und

10 1. Mose, Kap.3, Vers 1a.

11 1. Mose, Kap.22, Vers 13

12 2. Mose, Kap.32

13 4. Mose, Kap.22, Vers 28

14 Daniel, Kap.7

15 Daniel, Kap.8

16 Matthäus, Kap.21, Vers 4

17 Offenbarung, Kap.12, Vers 9

(27)

25

Luther ausgelegt werden, eine Position in der Reihe der oben genannten biblischen Tiere zugewiesen werden, weil die Autoren die Auffassung hatten, dass das damalige Deutsche Reich schon von Daniel als Reich des Endgerichts im Traum Nebukadnezars von den vier Weltreichen vorhergesagt wurde

18

und Daniels Tiergesichter sich auf diesen Traum beziehen. Melanchton sagt darüber Folgendes:

Ja, van het begin af aan zijn de regeringen ten kwade gekeerd, is de slavernij toegenomen, omdat de zonden van de mensen

toegenomen zijn. Het eerste Koninkrijk wordt in het beeld van Daniël getekend als van goud, het tweede van zilver, het derde van koper, het vierde van ijzer. De voeten zijn deels van ijzer, deels van leem, dat is, in de laatste tijd zullen er sommige harde Rijken zijn, zoals het Turkse, sommige zwakke, vol traagheid, zoals de zaak aantoont in vele plaatsen van Duitsland (Melanchton, 1521, S.

327).

Der Autor bezieht das Endgericht und den Auftritt des Antichristen direkt aufeinander:

Evenzo zegt Paulus duidelijk, dat de Antichrist regeren zal tot aan het laatste oordeel, waarin de komende Christus het rijk van de Antichrist zal afbreken; derhalve zal de ware kerk de machtsposities niet bezetten, maar veel meer in de grootste gevaren en

moeilijkheden verkeren. En in 2 Petr. 3 (vs. 3) wordt gezegd, dat er in de laatste tijden spotters zullen komen, die openlijk de godsdienst belachen. Er zullen dus zijn die de kerk zullen vervolgen. En Daniël zegt duidelijk, dat de beesten, dat is de heerschappijen in het vuur geworpen worden, wanneer Christus komt om te oordelen

(Melanchton, 1521, S. 271).

Im Vorwort seiner oben zitierten reformatorischen Dogmatik Loci Communes hat Melanchton wiedergegeben, wie er das Verhältnis der Philosophie zur göttlichen Offenbarung sieht: Sicherheit wird aus der Philosophie mittels Experiment und

Demonstration erhalten; die göttliche Offenbarung dagegen wird mittels des Wortes Gottes gezeigt und liefert auf diese Weise Sicherheit. Im Dokument Deutung werden die

18 Daniel, Kap.2

(28)

26

missgebildeten Tiere mit Daniel, Kap. 8 in Verbindung gebracht (siehe Abbildungen 2 und 6) und Melanchton fängt in seiner Eselsauslegung mit der Nennnung des Antichristen an (siehe Abbildung 2). Luther hatte ab 1519 während der Leipziger Disputationen mit Eck den Gedanken über den Antichristen entwickelt (Selderhuis, 2016, S.123). Im Dokument

kommen die Gedanken darüber, anlässlich der missgebildeten Tiere, deutlich zum Ausdruck; auf diese Weise haben Selge zufolge die Reformatoren die damalige Welt wirklich erfahren:

Zu Ps. 79 spricht Luther von der letzten Verwüstung der Kirche durch den Türken – der in jener Zeit auf das Reich hin vordringt – oder den Antichrist, in der nur wenige Erwählte gerettet werden. Und zu Ps.

125 sagt er kurz, der Antichrist werde nach Daniel 8, 12 „gedeihen und Erfolg haben, aber nicht mit eigenen Kräften“. Das sind wenige Stellen, die aber zeigen, daß gegenwärtige und letzte Verfolgung der Kirche für Luthers Geschichtsbewußtsein zusammenrücken. Luther hat Anteil an den eschatologischen Ängsten und Erwartungen des Spätmittelalters, für die bei ihm die Unkenntnis des richtenden und rettenden göttlichen Urteils bis in die Leitung der Kirche hinein ein Anzeichen sind (Selge, 1990, S. 274).

Im Kontext des Verbots der Bibelverbreitung und der politischen Intrige anlässlich des Buches Von weltlicher Obrigkeit ist gut zu verstehen, dass Melanchton und Luther in der Verbindung des deutschen Adels mit dem Papsttum den Antichrist gesehen und deshalb das Dokument Deutung als Warnung veröffentlicht haben. Sie haben die Schlange im Paradies, die Städte Babylon, Athen, Rom, das damalige Deutsche Reich und den Drachen aus dem Buch Offenbarung, Kap. 12 damit in Zusammenhang gebracht. Im Gesicht des Widders und des Ziegenbocks und in dessen Hörnern sieht der Engel Gabriel die Verbindung zum

Jüngsten Tag: „Da sprach er zu mir: Merke auf, Menschensohn! Das Gesicht geht auf die Endzeit“.

19

Auf diese Weise beziehen Melanchton und Luther den Esel und das Kalb auch auf das Weltende.

In diesem Zusammenhang wird die Amphora in Abbildung 15 bedeutungsvoll; in Abbildung 16 und auch in Abbildung 1 ist sie nämlich getilgt. Die Amphora repräsentiert das Sternbild

19 Daniel, Kap.8, Vers 17

(29)

27

Wassermann; der missgebildete Esel wurde gefunden, als die Sonne im Sternbild

Wassermann (Amphora) stand. Die Astrologie wurde damals als Wissenschaft praktiziert.

Die Reformatoren wussten davon und haben zum Teil daran geglaubt. Wichtig ist aber die Feststellung, dass die Amphora in Deutung verschwand; das astrologische Zeichen mit einer potentiell verbundenen Auslegung des missgebildeten Esels wurde von den Reformatoren als eine biblische Prophezeiung gedeutet. Der Prophet Bileam, dessen Eselin sprach, kam aus dem Gebiet des Babylonischen Reichs, aus dem Land in dem die Astrologie ihren Anfang fand: „Der [König Balak E.M.] sandte Boten an Bileam, den Sohn Beors, nach Pethor, das am Euphrat-Strome liegt, in das Land seiner Volksgenossen, um ihn rufen zu lassen“.

20

Astrologie und biblische Prophezeiung sind in Bileams Geschichte miteinander vermischt und auf diese Weise konnte die Linie: Bileam - Daniel - Melanchton / Luther entstehen. Luthers Bemerkungen in den Abbildungen 6 und 7 sind durch die Tilgung der Amphora im Bild des Papstesels theologisch gut zu verstehen. Melanchton interpretiert den Esel politisch, während Luther eine kurze theologische Exegese schreibt. Sowohl bei Melanchton als auch bei Luther ist das Verschwinden der Amphora der Schlüssel zum Verstehen des ganzen Dokuments: Die Tiere werden nicht astrologisch, sondern biblisch- theologisch ausgelegt.

Deutung wurde während und anlässlich der politischen Intrige über Luthers Ausgabe, in der er die Trennung der Regimente vorschlägt, veröffentlicht; es war die reformatorische Antwort auf die Intrige. Statt der Bemühungen um Verbote reformatorischer Schriften sollte der Adel sich um Nonnen und Mönche, die den Klöstern entfliehen wollten, kümmern und ihnen helfen (siehe Abbildung 11). Dieser Aufruf lässt sich sehr konkret begründen; am 4.

April 1523 hatten durch Vermittlung von Luther und mithilfe des Kutschers Koppe neun Nonnen aus dem Kloster zu Nimbschen entfliehen können (Selderhuis, 2016, S. 187)

21

. Luther versuchte für sie alle eine sichere Bleibe zu finden. Selderhuis schreibt darüber Folgendes:

Van de negen nonnen die in Wittenberg terechtkwamen, kon er niemand terug naar haar familie, want die was er niet of woonde in gebieden waar men katholiek gebleven was en de nonnen niet veilig

20 4. Mose, Kap. 22, Vers 5a

21 Die Nonnen waren: Magdalena von Staupitz, Elsa von Kanitz, Ave Groß, Ave Schönfeld, Margaretha Schönfeld, Laneta von Golis, Margarethe Zeschau, Katharina Zeschau, Katharina von Bora (Selderhuis, 2016, S. 188). Katharina von Bora würde 1525 die Luthers Ehefrau werden.

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zouden zijn. Luther moest echter wel zien dat hij op een nette manier van ze afkwam en zo bracht hij de non die Katharina heette onder in het gezin van de jurist Reichenbach. Ze hielp veel mee in het grote huis van de ook toen al beroemde en vermogende schilder Lucas Cranach en diens vrouw Barbara. De schilder was zowel een prima kunstenaar als een goede handelaar, want behalve schilderijen maken had hij ook nog een eigen drukkerij en een apotheek (Selderhuis, 2016, S. 188).

Für die übrigen Nonnen fand Luther letztendlich auch ein Zuhause, dies dauerte aber einige Zeit. Genau in dieser Zeit, irgendwann Mitte April 1523, kann das Dokument zum ersten Mal veröffentlicht worden sein, da Luther im Dokument den Adel aufruft Mönche und Nonnen, die der abscheulichen Atmosphäre der Klöster entfliehen möchten, zu helfen (siehe Abbildung 11). In Wittenberg waren die Nonnen vorübergehend als Flüchtlinge

aufgenommen worden, so kann deshalb Luthers Aufruf am Ende des Dokuments verstanden werden. Die unfreien Verhältnisse in den Klöstern werden von den Autoren im

missgebildeten Mönchkalb widergespiegelt.

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