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Kämpfe um die Zukunft Die Technik im niederländischen und deutschen Zukunftsroman der Zwischenkriegszeit

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Kämpfe um die Zukunft

Die Technik im niederländischen und deutschen Zukunftsroman der Zwischenkriegszeit

Masterarbeit

ReMa Literary and Cultural Studies

Student: G.W.M. Altena

S2523841

Damstersingel 2, Zimmer 4 9713 EV, Groningen, Niederlande

+31 6 30083829 g.w.m.altena@student.rug.nl

Betreuer: Prof. dr. M.P.J. Sanders

Faculteit der Letteren

Moderne niederländische Literaturwissenschaft m.p.j.sanders@rug.nl

Dr. F.J. Lippert Faculteit der Letteren

Europäische Sprachen und Kulturen: Kultur & Literatur f.j.lippert@rug.nl

Abgegeben am: 24.06.2020

Wortzahl: 32.203

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ... 5

I.a. Zukunftsdenken ... 5

I.b. Entstehung der Zukunftsliteratur ... 7

I.c. Forschungsstand ... 10

I.d. Methode: Technik und Diskursanalyse ... 12

II. Zukunftsliteratur: Definition und Korpus ... 16

II.a. Zukunftsliteratur: formalistische und thematische Definition ... 16

II.a.1. Kees van Bruggens Het verstoorde mierennest (1916) ... 18

II.a.2. F.F. van der Vens De groote vinding (1925) ... 22

II.a.3. Leserorientiertes Modell ... 24

II.b. Zukunftsliteratur, Utopie und Science Fiction ... 25

II.c. Korpus ... 29

III. Der Ingenieur zwischen prometheischer Hoffnung und faustischer Arroganz ... 31

III.a. Der Ingenieur im deutschen Zukunftsroman ... 33

III.a.1. Die Merkmale des Ingenieurs. Bialkowskis Der Radiumkrieg (1937) ... 33

III.a.2. Der Ingenieur als Beherrscher der Technik in Von Hansteins Elektropolis (1928) ... 36

III.a.3. Der Ingenieur als Autokrat. Dominiks und Daumanns Ingenieure ... 38

III.b. Der Ingenieur im niederländischen Zukunftsroman ... 47

III.b.1. Ingenieure in F.F. van der Vens De groote vinding (1925) ... 47

III.b.2. Die Gefahr des unpolitischen Ingenieurs in den Zukunftsromanen Maurits Dekkers .... 51

III.b.3. Bernard Canters und Ferdinand Bordewijks Kritik der Rationalität ... 58

III.c. Technokratie und Synthese. Der Ingenieurdiskurs der Zwischenkriegszeit ... 67

IV. Geopolitik und Rohstoffproblematik: Technik und Gesellschaft ... 73

IV.a. Das Versprechen der Technik für die Gesellschaft im deutschen Zukunftsroman ... 73

IV.a.1. Technik und Lebensraum: Kampf um Australien ... 74

IV.a.2. Technik, Energie und Macht ... 80

IV.b. Die Gefahr der Technik für die Gesellschaft im niederländischen Zukunftsroman ... 83

IV.b.1. Die Lösung des Energieproblems in Maurits Dekkers C.R. 133 (1926) ... 85

IV.b.2. Neues Land in Hendrik Cannegieters Achter den Afsluitdijk (1929) ... 89

IV.c. Technik und die Untergänge des Abendlandes ... 95

V. Schluss ... 103

VI. Anhang ... 108

VI.a. Kurzbiographien der Autoren ... 108

VI.a.1. Deutsche Autoren ... 108

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VI.a.1.ii. Rudolf Heinrich Daumann (1896-1957) ... 108

VI.a.1.iii. Stanislaus Bialkowski (1897-1959) ... 109

VI.a.1.iv. Otfrid von Hanstein (1869-1959) ... 109

VI.a.1.v. Friedrich Reck-Malleczewen (1884-1945) ... 109

VI.a.2. Niederländische Autoren ... 109

VI.a.2.i. Bernard Canter (1871-1956) ... 109

VI.a.2.ii. F.F. van der Ven (1877-1960) ... 110

VI.a.2.iii. Maurits Dekker (1896-1962) ... 110

VI.a.2.iv. Hendrik Gerrit Cannegieter (1880-1966) ... 110

VI.a.2.v. Ferdinand Bordewijk (1884-1965) ... 111

VII. Literaturverzeichnis ... 111

VII.a. Primärliteratur ... 111

VII.a.1. Zukunftsliteratur ... 111

VII.a.2. Andere Literatur ... 112

VII.a.3. Sachbücher ... 113

VII.a.4. Zeitungen ... 113

VII.a.5. Film ... 114

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I. Einleitung

I.a. Zukunftsdenken

Am 24. September 2019 sprach Boris Johnson, der Premierminister des Vereinigten Königreichs, zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. Johnson setzte sich in seiner Rede mit der Entwicklung der Technik auseinander und skizzierte ein dystopisches Bild der Zukunft. Bezüglich künstlicher Intelligenz und synthetischer Biologie sagte er zum Beispiel:

AI - what will it mean? Helpful robots washing and caring for an ageing population? or pink eyed terminators sent back from the future to cull the human race? What will synthetic biology stand for - restoring our livers and our eyes with miracle regeneration of the tissues, like some fantastic hangover cure? Or will it bring terrifying limbless chickens to our tables.1

Obwohl die Zukunftsbilder Johnsons hyperbolisch wirken, zeigen sie die zwei von Riemer Reinsma identifizierten Haupttendenzen bei Zukunftsbildern: Hoffnung und Warnung.2

Diese Tendenzen können eine politische Funktion oder Wirkung haben. In George Orwells Nineteen Eighty-Four wird mehrmals behauptet: „Who controls the past controls the future: who controls the present controls the past.“3 Interessant ist es hier zu beobachten, dass die Vergangenheit in diesem Zitat nicht die tatsächliche Vergangenheit, sondern die Konstruktion der Vergangenheit in der Geschichtsschreibung bedeutet. Die Zukunft in Orwells Zitat ist aber nicht konstruiert, sondern die tatsächliche Zukunft.

Es gibt aber auch eine konstruierte, imaginierte, geschriebene Zukunft. Lucian Hölscher, einer der Pioniere der historischen Zukunftsforschung, betont, dass „the future, like the past, is not a static event. Both are continually moving targets, relative to where we stand in the present.“4 Die historische Zukunftsforschung lehrt uns, dass diese historischen Zukunftsbilder oft nicht einer realen Zukunft entsprochen haben; dass diese Bilder aber für die Gesellschaft in der Zeit, in der sie konzipiert wurden, von großer Bedeutung waren.5

1 BorisJOHNSON. PM speech to the UN General Assembly: 24 September 2019. Gov.uk. Letzter Zugriff am

24.06.2020 über https://www.gov.uk/government/speeches/pm-speech-to-the-un-general-assembly-24-september-2019. Die Abkürzung AI steht für „artificial intelligence“, d.h. „künstliche Intelligenz“.

2 Vgl. RiemerREINSMA. Van hoop naar waarschuwing. Toekomstbeelden in en vlak buiten de literatuur in de Nederlanden. Amsterdam: Academic Service, 1970: S. 5-6.

3 GeorgeORWELL. Nineteen Eighty-Four. London: Penguin, 2008: S. 37.

4 LucianHÖLSCHER. „Future Thinking: A Historical Perspective.“ In Gabriele OETTINGEN, A. Timur SEVINCER,

and Peter M. GOLLWITZER (ed.). The Psychology of Thinking about the Future. New York & London: Guilford Press, 2018: S. 15.

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Die oben schon genannte Dissertation Reinsmas entspricht dem heutigen akademischen Standard nicht mehr.6 Außerdem zwingt die Betonung von Hoffnung und Warnung als Haupttendenzen im Zukunftsdenken dieses Denken zu stark in die Dichotomie Eutopie-Dystopie,7 was dazu führt, dass die spekulative Funktion des Zukunftsdenkens vernachlässigt wird. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass diese Tendenzen, sowie andere, spekulative Erwartungsmuster zu Zukunftsbildern gehören und dass diese Zukünfte Produkte der Zeit sind, in der sie entstanden, und deshalb zumindest Teile des damaligen Diskurses repräsentieren.8

Die verschiedenen Zukunftsbilder, die es, wie das Beispiel Johnsons zeigt, nicht nur in der Literatur, sondern in allen Facetten der Gesellschaft gibt, bilden, so Hölscher, den „Erwartungshorizont einer Gesellschaft“.9 Dieser Horizont ist wichtig für das Verständnis einer

Zeit. Einerseits repräsentiert der Erwartungshorizont oft eine extrapolierte Version der Zeit, zu der er als Horizont fungiert. Andererseits zeigen diese Bilder nicht immer das, was als wahrscheinlich oder sogar realistisch erschien, aber schon was zur Zeit des Entstehens denkbar war. Außerdem werden gerade in diesen Zukunftsbildern die Themen behandelt, die zur Zeit des Entstehens von großer diskursiver Bedeutung waren. Der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch hat deshalb behauptet, dass, „wenn wir eine Zeit kennen lernen möchten, dann müssen wir ihre Zukunftsbilder studieren.“10

In Hölschers Zukunftsgeschichte Die Entdeckung der Zukunft zeigt er, wie sich diese Zukunftsbilder im Laufe der Geschichte entwickelten. Hölscher behauptet, „dass die gesellschaftliche Beschäftigung mit der Zukunft nicht zu allen Zeiten und auf allen Feldern des Wissens mit gleicher Intensität betrieben wurde.“11 Vor allem zu Zeiten des Umbruchs oder

großer gesellschaftlicher Entwicklung erweitert sich der Erwartungshorizont. In einer Zeit schneller, manchmal sogar revolutionärer Entwicklung ermöglicht Extrapolation die Einbildung einer radikal geänderten Nahzukunft, während zu Zeiten des Stillstandes die Zukunft vor allem als eine Fortsetzung des Heutigen verstanden wird. Die quantitativen

6 Vgl. Luk de VOS & Ludo STYNEN. Maatschappij tussen hervorming en nachtmerrie in het Zuidnederlandse

utopische schrijven. Ons Erfdeel. 24 (1981): S. 690.

7 Vgl. J.A. DAUTZENBERG. Toekomstliteratuur en politieke ideologie; science fiction, utopie en anti-utopie. In P.

SMITS et al. (ed.). Met het oog op de toekomst. Visies op het toekomstige vanuit verschillende disciplines. Muiderberg: Coutinho, 1984: S. 89. Im Artikel problematisiert Dautzenberg die damals üblichen Termini im Bereich der Utopieforschung. Zu Recht behauptet er, dass ‚Anti-Utopie‘ sowohl ein Abneigung gegen das utopische Denken, als auch eine Dystopie bedeuten könnte. Dautzenberg unterscheidet im utopischen Genre Eutopie, die Beschreibung eines idealen Staates, und Dystopie, die Beschreibung eines Schreckensstaates.

8 Vgl. ThomasPIERRART. Van Blokken tot brokken. Ideologisch bouwen in Nederlandstalige toekomstliteratuur. Extaze. Literair tijdschrift. 8 (2019), 1: S. 5.

9 HÖLSCHER. Die Entdeckung der Zukunft. S. 7-9.

10 HarryMULISCH. De Toekomst van Gisteren. Amsterdam: De Bezige Bij, 1972: S. 110. Niederländisch: „wanneer

men een tijd wil leren kennen, dan moet men haar toekomstvisioenen bestuderen.“

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Höhepunkte der Zukunftsliteraturproduktion können deshalb auch zu solchen Zeiten schneller Entwicklung gefunden werden.

Die Zukunftsliteratur einer dieser Zeiten, und zwar der Zwischenkriegszeit, wird in dieser Arbeit analysiert. Dabei wird hauptsächlich die erwartete Entwicklung der Technik, des Bereiches, in dem es zu dieser Zeit große Entwicklungen gab, betrachtet. Außerdem sollten die Tendenzen in den Niederlanden und Deutschland mit einander verglichen werden. Diese Arbeit besteht deshalb aus einer komparatistischen Diskursanalyse der Erwartungshorizontbildung im Bereich der Technik innerhalb der deutschen und niederländischen Zukunftsliteratur zur Zeit der Zwischenkriegszeit.

I.b. Entstehung der Zukunftsliteratur

Die Geschichte der niederländischen Zukunftsliteratur fängt am Ende des 18. Jahrhunderts an, zu einer Zeit gesellschaftlicher, vor allem politischer Unruhe, die in der Batavischen Revolution und der Gründung der Batavischen Republik kulminierte. Beeinflusst von den Erfolgen der Amerikanischen und Französischen Revolutionen hatte sich die Zukunft nämlich als machbar gezeigt.12 Teilweise beeinflusst vom Aufklärungsdenken13 und dem Zukunftsroman L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fut jamais (1771; übersetzt ins Deutsche als Das Jahr 2440: ein Traum aller Träume) des französischen Schriftstellers Louis-Sébastien Mercier (1740-1814) erscheinen Holland in het jaar 2440 (1777), wahrscheinlich von der Schriftstellerin Betje Wolff (1738-1804) geschrieben,14 Het toekomend jaar 2630 (1788) von

Alexander Benjamin Fardon (1749-1794), Het toekomend jaar drie duizend (1792) von Arend Fokke Simonsz (1755-1812) und schließlich De Bataafsche Republiek (1798) von Gerrit Paape (1752-1803).15

In Deutschland entsteht das Genre auch unter französischem Einfluss, doch erst 100 Jahre später am Ende des 19. Jahrhunderts. Von großer Bedeutung war dabei die Publikation von Übersetzungen der Bücher des französischen Schriftstellers Jules Verne (1828-1905). Roland Innerhofer behauptet, dass Jules Verne „im Entstehungsprozeß der deutschen Science Fiction eine Schlüsselstellung“ einnimmt,16 dass die Entstehung der Gattung jedoch „nicht als

12 Vgl. Inger LEEMANS & Gert-Jan JOHANNES. Worm en Donder. Geschiedenis van de Nederlandse literatuur. 1700-1800: de Republiek. Amsterdam: Bert Bakker, 2013 (Geschiedenis van de Nederlandse literatuur. Hrsg. von

A.J. GELDERBLOM und A.M. MUSSCHOOT): S. 591.

13 Vgl. J.A. DAUTZENBERG. A Survey of Dutch and Flemish Science Fiction. Science Fiction Studies. 8 (1981), 2:

S. 178.

14 Dautzenberg nennt das Buch fälschlicherweise Holland in het jaar 2940. Richtig ist aber 2440. Der Roman ist

eng mit dem Buch Merciers verbunden.

15 Vgl. LEEMANS & JOHANNES. Worm en Donder. S. 592.

16 RolandINNERHOFER. Deutsche Science Fiction, 1870-1914: Rekonstruktion und Analyse der Anfänge einer Gattung. Wien: Böhlau, 1996: S. 13.

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Phänomen innerliterarischer Innovation, sondern im Kontext eines alle Bereiche der Gesellschaft erfassenden Modernisierungsprozesses zu verstehen“ ist.17 Bei den zu dieser Zeit entstandenen Romanen spielt Technik oft eine wichtige Rolle, während zu gleicher Zeit den Mustern des Abenteuerromans gefolgt werden, weshalb manchmal auch über den ‚technischen Abenteuerroman‘ gesprochen wird.18

Auch in den Niederlanden ist zu dieser Zeit eine Steigerung der Produktion von Zukunftsliteratur zu bemerken. Die niederländische Literatur tendiert aber zur Behandlung wirtschaftlicher Entwicklung und Theoriebildung, bzw. Gesellschaftsgestaltung. Vor allem der Kommunismus scheint viele niederländische Autoren unterschiedlicher politischer Positionen zum Verfassen von Zukunftsbildern motiviert zu haben.19

In dieser Arbeit wird aber eine andere Zeit des Umbruchs zentral stehen: die Zwischenkriegszeit. Der Erste Weltkrieg hatte Europa erschüttert und die Menschheit mit Zerstörung vorher unmöglich geahnter Größe konfrontiert. Der Krieg führte zu radikaler Erneuerung auf verschiedenen Ebenen. Die technische Entwicklung – vor allem, aber nicht ausschließlich im Bereich der Waffenindustrie – war gigantisch, aber auch gesellschaftlich und geopolitisch änderte sich vieles. Die Pariser Friedensverträge, stark beeinflusst vom 14-Punkteplan des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, führte zum Zusammenbruch vieler großen Reiche, wie des deutschen Kaiserreiches, der österreich-ungarischen Doppelmonarchie und des osmanischen Reiches, und zu der Gründung neuer, bzw. Wiedergründung alter Staaten, wie Polen, der Türkei und Jugoslawien. Die Kraftverhältnisse Europas hatten sich so völlig geändert. Außerdem entstand der Völkerbund, der Frieden und internationale Zusammenarbeit fördern sollte.

Das demokratische System wurde stark von Wilson propagiert und so in verschiedenen vorher noch nicht demokratischen Staaten Europas verbreitet. Auch in Deutschland passierte das mit der Gründung der Weimarer Republik. Die neu und in Verbindung mit dem Versailler Friedensvertrag entstandene Republik war aber nicht auf einem stabilen Boden gegründet. Ohne große und einflussreiche demokratische Bewegung entstand sie.20 Die meisten zu dieser Zeit entstandenen Demokratien erwiesen sich als instabil. In den 1930-er Jahren zerfielen die Demokratien in Deutschland, Österreich, Estland, Lettland, Griechenland und Rumänien. Das

17 Vgl. INNERHOFER. Deutsche Science Fiction, 1870-1914. S. 14.

18 Vgl. Dina BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945. Gattungstypologie und sozialgeschichtliche Verortung. Tübingen: Max Niemeyer, 2007: S. 10.

19 Vgl. REINSMA. Van hoop naar waarschuwing. S. 29-44.

20 Vgl. Eberhard KOLB & Dirk SCHUMANN. Die Weimarer Republik. 8. Auflage. München: Oldenbourg, 2013

(Oldenbourger Grundriss der Geschichte. Hrsg. von Lothar GALL, Karl-Joachim HÖLKESKAMP & Steffen PATZOLD. Bd. 16): S. 1.

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zum größten Teil demokratischen Europa am Anfang der Zwischenkriegszeit hatte sich entwickelt zu einem zum größten Teil autoritären Europa.21

Die Unruhe und die große Dynamik dieser Zeit hatte ganz Europa im Griff. Außerdem sollte die traumatische Wirkung und Erinnerung des Ersten Weltkrieges nicht unterschätzt werden. Auch im Falle der im Krieg neutralen Niederlande war der Einfluss dieses Krieges sehr groß, unter anderem aufgrund der britischen Blockadepolitik22 und der hunderttausenden belgischen Flüchtlingen,23 die gemäß den Protokollen der Haager Konferenzen der Jahre 1899 und 1907 kreierten Lagern für ausländische Soldaten interniert wurden.24

Gerade in dieser Unruhe nahm die Produktion von Zukunftsliteratur sehr zu. Dina Brandt hat im Rahmen ihrer Dissertation für die Periode von 1918 bis 1945 sogar 434 unterschiedliche Zukunftsromane identifiziert.25 Auch in den Niederlanden können zu dieser Zeit relativ viele Zukunftsromane gefunden werden, so zeigt Reinsmas Dissertation, obwohl nicht in so großen Zahlen wie in Deutschland. Dies wird nicht nur von den unterschiedlichen Größen der Sprachgebiete und ihrer Büchermärkte verursacht, sondern auch, so behaupten Reinsma und Dautzenberg, von der „Droogstoppel-ähnlichen“ Haltung des niederländischen Publikums26 und von der Abwesenheit einer wirklichen Tradition phantastischer Literatur.27 Reinsma betont aber, dass die Zukunftsliteratur im Gegensatz zu anderen Arten der phantastischen Literatur in den Niederlanden erfolgreich wurde.28 Diese Popularität wurde auch von den Literaturkritikern konstatiert, weshalb ein Rezensent von De Locomotief seine Besprechung von Maurits Dekkers C.R. 133 sogar mit dieser Beobachtung anfängt: „Der Zukunftsroman ist in Mode.“29

21 Vgl. Eric DorneBROSE. A History of Europe in the Twentieth Century. Oxford: Oxford University Press, 2005:

S. 184-185.

22 Vgl. C. SMIT. Nederland in de Eerste Wereldoorlog. 3. Bände. Groningen: Wolters-Noordhoff, 1971-1973. 23 Vgl. Evelyn deROOD. Oorlogsgasten. Vluchtelingen en krijgsgevangenen in Nederland tijdens de Eerste Wereldoorlog. Zaltbommel: Europese Bibliotheek, 2000.

24 Vgl. Menno WIELINGA. Het Engelse Kamp. Groningen 1914-1918. De geschiedenis van 1.500 Engelse militairen tijdens de Eerste Wereldoorlog. Bedum: Profiel, 2014.

25 Vgl. BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945. S. 59.

26 Vgl. RiemerREINSMA. De toekomst is bijna volgeboekt. Profetische literatuur in Nederland. De Revisor. 8

(1981), 5: S. 73. Droogstoppel ist eine Figur aus dem bekannten niederländischen Roman Max Havelaar von Multatuli, dessen Erzählstil als sehr trocken gekennzeichnet wird und dessen Abneigung gegen jede Art von ‚Lüge‘ – d.h. Phantasie oder Literatur – sowohl eine Parodie auf realistische Literatur, als auch auf den stereotypen Niederländer ist.

27 Vgl. REINSMA. De toekomst is bijna volgeboekt: S. 67; DAUTZENBERG. A Survey of Dutch and Flemish Science

Fiction. S. 178.

28 Vgl. REINSMA. De toekomst is bijna volgeboekt. S. 67.

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10 I.c. Forschungsstand

Trotz der relativen Popularität der Zukunftsliteratur ist ihre Erforschung in den Niederlanden, vor allem in Bezug auf die Zukunftsliteratur der Zwischenkriegszeit, sehr beschränkt. Es gibt einige Literaturwissenschaftler, die mehrere Male über das Genre publiziert haben. Riemer Reinsma gilt als Wegbereiter im Forschungsgebiet. Seine oben schon genannte Dissertation Van Hoop naar Waarschuwing. Toekomstbeelden in en vlak buiten de literatuur in de Nederlanden30 ist ein Versuch, einen Überblick über die Entwicklung der niederländischen Zukunftsliteratur zu verschaffen. In der Geschichte der niederländischen Zukunftsliteratur unterscheidet Reinsma vier Epochen: 1. 1775-1875; 2. 1875-1910; 3. 1910-1920; 4. 1920-1970. Reinsma zeigt, wie diese Epochen abwechselnd hoffnungsvolle und warnende Zukunftsbilder erschaffen. Tiefgreifend sind die Analysen Reinsmas nicht, weshalb die Dissertation oft nicht mehr als eine Überblickssammlung von Zusammenfassungen ist, in der noch viele Zukunftsromane fehlen. Außerdem sind die Schlussfolgerungen, dass die Zukunftsbilder in zwei Epochen hoffnungsvoll und in zwei anderen Epochen warnend sind – offensichtlich ein Beispiel von Kreisargumentation, da gerade diese Tendenzen grundlegend für die sonst völlig arbiträre Epocheneinteilung sind –, dass hoffnungsvolle Zukunftsbilder eher progressiv sind, während Warnung vor allem aus konservativen Kreisen kommt, und dass viele Autoren ein Pseudonym verwenden, relativ bedeutungslos. Reinsmas Dissertation ist dennoch wichtig, da viele Pionierarbeit von ihm gemacht worden ist. Außerdem hat Reinsma in anderen Artikeln immer versucht, gerade Zukunftsliteratur als Forschungsgebiet zu popularisieren. Diese Literatur sei zwar nicht wertvoll, so Reinsma, dennoch fiktional und deshalb geeignet für literaturwissenschaftliche Forschung.31

Diese Abwertung des Genres findet man auch bei J.A. Dautzenberg, obwohl durchaus weniger explizit und vor allem in abwertenden Nebenbemerkungen.32 Dautzenberg ignoriert die Zukunftsliteratur vor dem Zweiten Weltkrieg fast völlig und richtet sich außerdem sehr stark auf amerikanische Science Fiction als Standard für alle Zukunftsliteratur.33 Vor den 1960’er Jahren wäre die Zukunftsliteratur, so behauptet Dautzenberg zu Unrecht, fast ausschließlich Kinderliteratur.34 Bordewijks Blokken und Belcampos Kurzgeschichten seien

30 REINSMA. Van hoop naar waarschuwing.

31 Vgl. RiemerREINSMA. Berichten uit de toekomst als literair genre. Hollands Maandblad. 15 (1974), 314: S. 25. 32 Vgl. J.A. DAUTZENBERG. Science fiction en literatuurwetenschap: geschiedenis, problemen, bibliografie. Forum der Letteren. 21 (1980), 1: S. 3-5.

33 Vgl. DAUTZENBERG. Toekomstliteratuur en politieke ideologie. S. 74-91. 34 Vgl. DAUTZENBERG. A Survey of Dutch and Flemish Science Fiction. S. 175.

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ihm zufolge nur Ausnahmen. Am interessantesten sind Dautzenbergs Reflexionen über die utopische, bzw. anti-utopische Funktion von Zukunftsbildern.35

Zum Schluss hat sich der belgische Literaturwissenschaftler Thomas Pierrart die letzten Jahre ausführlich mit Zukunftsliteratur beschäftigt. Pierrart nimmt die Gattung mehr Ernst und bietet neue Perspektiven. Er analysiert Blokken und andere Zukunftsromane im Rahmen von architektonischem Utopismus,36 betrachtet das textimmanente Zukunftsdenken in Romanen als eigenes Gebiet37 und versucht eine bessere Genredefinition zu entwickeln.38 Pierrart neigt aber zu einer manchmal zu strukturalistischen Vorgehensweise, die sich zum Beispiel eine absolute, allumfassende Definition zum Ziel setzt. Zu gleicher Zeit zeigt er, genauso wie die anderen niederländischen Zukunftsliteraturforscher, eine starke Blindheit für zum Beispiel die Entwicklungen innerhalb der deutschen Zukunftsliteraturforschung. Die komparatistische Dimension dieser Arbeit wird diese Leere füllen.

In Deutschland ist die Zukunftsliteratur schon besser erforscht. J.A. Dautzenberg zufolge, ist es leicht zu verstehen, „dass aus Deutschland, wo die marxistisch orientierte Literaturwissenschaft am meisten in den Vordergrund trat, die ausführlichsten wissenschaftlichen Analysen von Science Fiction kommen“.39 Diese Auffassung ist trotz der groben Generalisierung im Rahmen der Publikationen Manfred Nagls über Zukunftsliteratur verständlich. Auch Dina Brandt kritisiert die Bücher Nagls gerade deswegen. Nagl ist „Opfer seines eigenen Mißtrauens. Gewillt, ideologische Funktionsweisen zu entlarven, entdeckt er auch nur solche. Alle Romane aus den 1920er Jahren avancieren so zu aktiven Mithelfern der Machtübernahme Hitlers.“40 Nagls Science Fiction in Deutschland besteht vor allem aus einer Analyse der Science Fiction als „Konformliteratur“, die als „die direkte oder latente Propagierung von Ideologie zur Legitimation bestehender Herrschaftsverhältnisse“ interpretiert wird.41 Seine spätere Untersuchung Science Fiction. Ein Segment populärer Kultur im Medien- und Produktverbund ist schon beschreibender und weniger entlarvend. Doch im Zentrum dieses

35 Vgl. DAUTZENBERG. Toekomstliteratuur en politieke ideologie. In Fußnote 7 befindet sich diesbezüglich mehr

Information.

36 Vgl. PIERRART. Van Blokken tot brokken.

37 Vgl. Thomas PIERRART. Nooit nu. Over toekomstverbeelding in hedendaagse toekomstliteratuur. Gpunt. Literair tijdschrift. 138 (2018): S. 7-17.

38 Vgl. Thomas PIERRART. Lezen over morgen. Nederlandstalige toekomstliteratuur door de ogen van de lezer. Spiegel der Letteren. 58 (2016), 3: 351-375.

39 DAUTZENBERG. Science fiction en literatuurwetenschap. S. 2. Niederländisch: „dat uit Duitsland, waar de

marxistisch georiënteerde literatuurwetenschap het meest op de voorgrond trad, de uitvoerigste wetenschappelijke analyses van science fiction kwamen.“

40 BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945. S. 26.

41 ManfredNAGL. Science Fiction in Deutschland. Untersuchungen zur Genese, Soziographie und Ideologie der phantastischen Massenliteratur. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde, 1972 (Untersuchungen des

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Buches steht nicht die deutsche Zukunftsliteratur, sondern die Amerikanische Science Fiction, auch in anderen Medienformen, wie Musik, Film und Hörspiele. Ein verblendendes Misstrauen der deutschen Populärkultur gegenüber bleibt aber anwesend.42

Dennoch kann Nagls manchmal schon provokative Verurteilung der Zukunftsliteratur als Anfang einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit Zukunftsliteratur innerhalb der Germanistik betrachtet werden. Seitdem sind mehrere Monographien über dieses Thema publiziert worden. Roland Innerhofers Deutsche Science Fiction 1870-1914. Rekonstruktion und Analyse der Anfänge einer Gattung behandelt die Anfänge des Genres in Deutschland, die deutsche Verne-Rezeption und die zukunftsliterarischen Haupttendenzen jener Zeit.43 Dina Brandt hat sich im Rahmen ihrer Dissertation gerade mit der Zukunftsliteratur der Zwischenkriegszeit beschäftigt, was zum Standardwerk dieses Themas geführt hat: Der Deutsche Zukunftsroman. 1918-1945. Gattungstypologie und sozialgeschichtliche Verortung.44

Auch sollte noch Andy Hahnemanns als Dissertation geschriebene Texturen des Globalen. Geopolitik und populäre Literatur in der Zwischenkriegszeit genannt werden. Hahnemann bespricht hier ausführlich die Verbindung von der geopolitischen Bewegung und Sachliteratur mit vor allem Zukunftsliteratur.45 Dennoch gibt es auch Hiaten in der Zukunftsliteraturforschung. Brandt betont zum Beispiel die Notwendigkeit von vergleichenden Analysen, die dazu beitragen, die deutsche Tradition in einem breiteren Kontext zu verstehen.46 Diese Arbeit sollte hiermit anfangen.

I.d. Methode: Technik und Diskursanalyse

In dieser Arbeit steht die Frage zentral, wie die Technik und ihre Zukunft in der deutschen und niederländischen Zukunftsliteratur der Zwischenkriegszeit repräsentiert werden. Vorher wurde schon erklärt, dass die Zwischenkriegszeit eine dynamische Zeit war. Diese Konstatierung kann auch zum Bereich der Technik erweitert werden. Um die Jahrhundertwende wurden viele technische Entwicklungen introduziert, was zu der Industrialisierung der Gesellschaft beitrug.47 Der Erste Weltkrieg hat mit neuen Waffen, wie Gas, Panzern und Kriegsflugzeugen, das zerstörende Potenzial der Waffentechnik erwiesen. Die Jahre nach dem Krieg zeigten jedoch

42 ManfredNAGL. Science Fiction. Ein Segment populärer Kultur im Medien- und Produktverbund. Tübingen:

Gunter Narr Verlag, 1981 (Literaturwissenschaft im Grundstudium. Hrsg. von Werner FAULSTICH & Hans-Werner LUDWIG: Bd. 5).

43 Vgl. INNERHOFER. Deutsche Science Fiction, 1870-1914. 44 Vgl. BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945.

45 Vgl. AndyHAHNEMANN. Texturen des Globalen. Geopolitik und populäre Literatur in der Zwischenkriegszeit 1918-1939. Heidelberg: Winter, 2010.

46 Vgl. BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945. S. 2-3.

47 Vgl. Dick vanLENTE. Techniek en Ideologie. Opvattingen over de maatschappelijke betekenis van technische vernieuwingen in Nederland, 1850-1920. Groningen: Wolters-Noordhoff, 1988: S. 1-13.

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gerade die konstruktiven Möglichkeiten der Technik. Viele gigantische Bauprojekte wurden zu dieser Zeit angefangen. In Amerika baute man im Rahmen von Roosevelts New Deal den Hoover Dam. In den Niederlanden fingen die Zuiderzeewerke an, bei denen die Zuiderzee von der Nordsee getrennt wurde und neues Land, später die Provinz Flevoland genannt, aus der Zuiderzee gewonnen wurde. Diese betonte Anwesenheit von Technik in der Gesellschaft führte dazu, dass die Gesellschaft gezwungen wurde, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen.

Obwohl die Wissenschaften – vor allem die Naturwissenschaften, zu deren praktischen Äußerungen die Technik gehört – oft einen Anspruch auf Objektivität und Neutralität machen, können sie nicht unabhängig von der Gesellschaft, in der sie entstanden sind und in der sie wirken, verstanden werden. Die Wissenschaften sind also auch ein kulturelles Phänomen, weshalb eine Analyse der Repräsentierung dieser Thematik wichtig ist.48

Für die Beantwortung der Frage, wie die Technik zu jener Zeit repräsentiert wurde, wird eine Diskursanalyse gemacht. Andere Forschungsprojekte im Bereich der Verhältnisse zwischen einerseits Literatur und andererseits den Naturwissenschaften haben nämlich gezeigt, dass diese Methode fruchtbar ist.49 Die Analyse, wie ein Phänomen wie Technik in den Rahmen

der Kultur (im breiten Sinne des Wortes) integriert wird und wie diese Integrierung das Verständnis dieses Phänomens beeinflusst, ist eine Form der Diskursanalyse. Gabriele Griffin schreibt, dass so eine Analyse „assumes from the outset that language is invested, meaning that language is not a neutral tool for transmitting a message“.50 Es ist also durch Sprache, durch

Texte, dass eine bestimmte Art der Integrierung, also ein bestimmtes Diskurs, verwirklicht wird.

Der Diskurs kann, so Griffin, zwei Erscheinungsformen haben. Einerseits kann von einem Diskurs die Rede sein, bei dem die Strukturen schon so sehr in Stein gemeißelt sind, dass „discourse ‘normalizes’ and ‘naturalizes’ certain discursive conventions through their iterative performance to the extent that only at the point of violations may we become aware of the existence of those norms“,51 dass es also eine gewisse Blindheit für die Diskursivität des Diskurses gibt. Andererseits kann von einem noch umkämpften Gebiet die Rede sein, bei dem entweder keine diskursive Position dominant ist oder der dominanten diskursiven Position eine

48 Vgl. MaryKEMPERINK, Ben PEPERKAMP & Paul WACKERS. Literatuur en Natuurwetenschap. Ter inleiding. Nederlandse Letterkunde. 9 (2004), 3: S. 205-209.

49 Vgl. MaryKEMPERINK. Thermodynamica in de Nederlandse literatuur van het Fin de Siècle. Nederlandse Letterkunde. 9 (2004), 3: S. 274-295; LeoniekeVERMEER. Geestelijke lenigheid. De relatie tussen literatuur en

natuurwetenschap in het werk van Frederik van Eeden en Felix Ortt, 1880-1930. Dissertation. Groningen: s.n.,

2010.

50 GabrieleGRIFFIN. „Discourse Analysis“. In Gabriele GRIFFIN (Hrsg.). Research Methods for English Studies. 2.

Ausgabe. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2013: S. 93.

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in Bedeutung ernst zu nehmende Alternative gegenübersteht, weshalb Änderungen in diesem Diskurs noch möglich sind und die dominante Position nicht immer als selbstverständlich akzeptiert wird.52

Aufgrund der vielen technischen Entwicklungen ist es wahrscheinlich, dass der Technikdiskurs zumindest in den zu jener Zeit völlig neuen, bzw. mit revolutionären Entwicklungen konfrontierten Bereichen noch umkämpft wurde. Die Literatur, die Zukunftsliteratur im spezifischen, war ein geeignetes Feld, in dem man sich positionieren konnte. Andererseits können die Texte auch von einer bestimmten, vielleicht schon hegemonischen, bzw. dominanten Position beeinflusst sein. In beiden Fällen repräsentieren die Texte jene diskursive Position. Die behandelten Texte können deshalb als passive Repräsentanten einer diskursiven Position analysiert werden. Andererseits sollten sie auch als aktive Beiträge zu einer Debatte, bzw. einem Kampf um die diskursive Dominanz gelesen werden. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass, wie Hölscher betont, Zukunftsvorstellungen „die unendliche Offenheit des prinzipiell Möglichen auf wenige (manchmal nur zwei) politisch relevante Möglichkeiten ein[engen].“53

Bezüglich der Ziele der Diskursanalyse meint Griffin, dass „discourse analysis should be concerned with a critical examination of language in order to promote change“.54 Die historische Dimension dieser Arbeit macht eine tatsächliche Änderung der wirklich passierten Vergangenheit nicht möglich; eine kritische Analyse, die zu einem besseren Verständnis und in gewissem Maße einer Rekonstruktion des damaligen Diskurses, vor allem der damaligen diskursiven Positionen, führt, ist aber auch wertvoll und bei einer historischen Diskursanalyse das Ziel. Hier wird deutlich, dass das was als New Historicism, bzw. Poetics of Culture55 konzipiert wurde, eigentlich hauptsächlich eine historische Art von Diskursanalyse ist. Gerade New Historicism, so schreiben Catharine Gallagher und Stephen Greenblatt, hat zum Ziel „to imagine that the writers we love did not spring up from nowhere and that their achievements must draw upon a whole life-world and that this life-world has undoubtedly left other traces of itself.“56 Die analysierten Texte sollten also nicht als transzendierte, über der Gesellschaft stehende, bzw. autonome Kunstwerke, sondern als historische Dokumente und Teilnehmer am

52 Vgl. GRIFFIN. „Discourse Analysis“. S. 95. 53 HÖLSCHER. Die Entdeckung der Zukunft. S. 10. 54 GRIFFIN. „Discourse Analysis“. S. 98.

55 Vgl. Catherine GALLAGHER & Stephen GREENBLATT. Practicing New Historicism. Chicago & London: Chicago

University Press, 2000: S. 1-19; StephenGREENBLATT. Towards a Poetics of Culture. Southern Review. 20 (1987), 1: S. 3-15.

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historischen Diskurs gelesen werden. Außerdem sollten sie in Verbindung mit dem breiteren Diskurs gebracht werden.

Dennoch stellt auf einer Meta-Ebene die Erforschung von den Verhältnissen zwischen Naturwissenschaften und Literatur und damit die Betonung von Naturwissenschaften als kulturelles Phänomen einen klaren Bruch mit der immer noch anwesenden und wiederkehrenden Tendenz zum „scientism“ dar.57

Die konkrete Diskursanalyse dieser Arbeit wird folgendermaßen stattfinden. Zuerst sollte ein bestimmtes Korpus von Texten introduziert werden. Dafür ist als Voraussetzung für die Auswahl der Texte dieses Korpus eine Positionierung im Rahmen der Genredebatte notwendig. Danach werden die ausgewählten Texte anhand zwei Hauptthemen analysiert: 1. die Position des Ingenieurs und 2. das Verhältnis von Technik und Gesellschaft. Bei dieser Analyse geht es darum, die diskursiven Positionen zu rekonstruieren. Dabei wird in den zum Korpus gehörenden Texten nachgeschaut, wie die Thematik einerseits sprachlich dargestellt wird und wie sie andererseits in der Geschichte behandelt wird, vor allem wie sie gewertet wird.

In Rudolf Heinrich Daumanns Protuberanzen wird beispielsweise die Natur und das menschliche Verhältnis dazu wiederholt mit militärischen Worten beschrieben. Es geht den – positiv bewerteten, so sollte betont werden – Hauptfiguren darum, „einen Krieg gegen die Sonnen [zu] entfesseln!“58 Aus einer solchen sprachlichen Bewertung der Sonne und, mit ihr,

der Natur kann eine Weltauffassung herauskristallisiert werden. Es geht darum, diese wertenden, sprachlichen Elemente als Symptome des am Text grundlegenden Diskurses zu verstehen. Deshalb wird in dieser Arbeit relativ viel zitiert, sodass die Sprache der analysierten Texte in dieser Arbeit auch tatsächlich zum Ausdruck kommen wird. Bei dieser Analyse der wird es für Textanalyse und close reading auch eine Rolle geben, da diese Romane nicht nur implizit durch sprachliche Wertung bestimmte diskursive Positionen repräsentieren, sondern auch durch die aktive Thematisierung der Technik.

Für die zwei oben schon genannten Themen ist gewählt, weil die Ingenieure gewissermaßen die Beherrscher der Technik sind und fast in allen Romanen eine Rolle haben, oft sogar als eine der Hauptfiguren. Dazu kommt, dass einige für die damalige Gesellschaft relevanten Themen, wie die Gewinnung von neuem Land und die Suche nach neuen Energiequellen, auch in verschiedenen Zukunftsromanen behandelt wurden. Anhand davon sollte das Verhältnis von Technik und Gesellschaft gedeutet werden.

57 Vgl. NathanielCOMFORT. How science has shifted our sense of identity. Nature. 574 (2019): S. 167-170. 58 Rudolf HeinrichDAUMANN. Protuberanzen. Ein utopischer Roman. Berlin: Schützen-Verlag, 1940: S. 91.

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Die Analyse dieser Themen wird jeweils in Verbindung mit dem breiteren, sich außerhalb der Zukunftsliteratur befindenden Diskurs gebracht. Hierbei werden auch die damaligen nicht-literarischen Auseinandersetzungen mit der Technik und der Zukunft von beispielsweise Oswald Spengler59 und Louis Hoyack60 berücksichtigt. Zum Schluss können die Haupttendenzen des Diskurses in den Niederlanden mit jenen Deutschlands verglichen werden.

II. Zukunftsliteratur: Definition und Korpus

Bevor eine tatsächliche Analyse von Zukunftsliteratur möglich ist, sollte zuerst verdeutlicht werden, was Zukunftsliteratur eigentlich ist und wie sich Zukunftsliteratur zu anderen Genres, wie dem utopischen Roman und Science Fiction, verhält. Die Positionen, die Forscher diesbezüglich wählen, beeinflussen das erforschte Korpus. Eine definitive Antwort hat es bis jetzt noch nicht gegeben; eine definitive Um- und Abgrenzung des Korpus deshalb auch nicht. In diesem Kapitel wird zuerst einen kritischen Überblick über die Positionen der vorherigen Erforschungen gegeben. Danach wird eine Position gewählt, auf der sich die Auswahl des Korpus basiert. Dabei werde ich auch erklären, wie ich zu meiner Auswahl gekommen bin. Da auch ein Forscher sich nicht völlig außerhalb der Welt des Erforschten stellen kann und die deshalb unmöglicherweise völlig neutrale Auswahl des Korpus die Ergebnisse der Forschung beeinflusst, ist eine Beschreibung der diesbezüglichen Vorgehensweise wichtig. „Explicitness, transparency and reflexivity are the key words here“, so Gabriele Griffin.61

II.a. Zukunftsliteratur: formalistische und thematische Definition

Es wäre fast überflüssig zu betonen, dass Zukunftsliteratur in der Zukunft situiert wird. Dennoch genügt diese Auffassung nicht. Es gibt nämlich auch Romane, die zwar in der Zukunft situiert sind, bei denen die Zukunft sich jedoch nicht wesentlich von der Gegenwart unterscheidet. Beispiele hiervon werden von Thomas Pierrart gegeben. So findet die Geschichte aus 70 (2013) des niederländischen Autors Daan Heerma van Voss zwar im Jahr 2058 statt, dennoch ist „die zeiträumliche Situierung des Romans (…) von geringer Bedeutung für die narrative Struktur der Geschichte“. Auch A.F.Th. van der Heijdens Drijfzand koloniseren (2006) findet in einer nicht-zukünftigen Zukunft statt.62

59 OswaldSPENGLER. Der Mensch und die Technik. München: C.H. Beck, 1931.

60 LouisHOYACK. De toekomst der machine. Von Louis HOYACK aus dem Französischen übersetzt. Deventer:

Kulwer, 1932.

61 GRIFFIN. „Discourse Analysis“. S. 101.

62 PIERRART. Lezen over morgen. S. 353-354. Niederländisch: „De tijdruimtelijke setting van de roman is evenwel

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Pierrart zufolge sind diese Romane dennoch Zukunftsliteratur, so zeigt das von ihm konzipierte Genremodell. Pierrart versucht das grundlegende Problem der Debatte bezüglich der Gegenüberstellung von den Genres ‚Zukunftsliteratur‘, ‚utopische Literatur‘ und ‚Science Fiction‘ mit diesem Modell zu lösen. Er macht aus diesen drei Begriffen drei einander teilweise überlappende Domänen, wie hier abgebildet:63

Auch bei Dina Brandt ist diese formalistische Auffassung von Zukunftsliteratur führend, weshalb unter anderem Die japanische Pest (1922)64 von Ludwig Anton ausgeschlossen wird. Am Ende dieses Romans stellt sich nämlich heraus, dass die beschriebene Zukunft eigentlich nur ein Traum der Hauptfigur war.65 Es ist aber fraglich, inwieweit diese Ausschließung berechtigt ist. Inwieweit unterscheidet sich die von einer Figur geträumte Zukunft nämlich wesentlich von einer vom implizierten Autor kreierten Zukunft?

Dieser formalistischen Auffassung steht aber eine eher thematische gegenüber. So behauptet Dautzenberg, dass nur von Zukunftsliteratur die Rede ist, wenn die Situierung in der Zukunft auch tatsächlich zu einer Thematisierung der Zukunft führt.66 Bei ihm wären die Romane von Heerma van Voss und Van der Heijden also keine Zukunftsliteratur, während Ludwig Antons Roman schon zu dieser Kategorie gehören würde.

Lucian Hölschers Begriff der ‚Zukunft‘ unterstützt diese Auffassung. Hölscher beschreibt, dass die Vorstellung einer Zukunft, wie man das heute verstehen würde, nicht allen

63 PIERRART. Lezen over morgen. S. 368.

64 Brandt meint zu Unrecht, das Buch sei im Jahr 1925 herausgegeben. Im Katalog der Deutschen

Nationalbibliothek befinden sich aber schon zwei frühere Ausgaben des Romans, und zwar aus den Jahren 1922 und 1924.

65 Vgl. BRANDT. Der deutsche Zukunftsroman 1918-1945. S. 7.

66 Vgl. DAUTZENBERG. Toekomstliteratuur en politieke ideologie. S. 74-75.

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Epochen gegeben war. Erst die Neuzeit bringt dem europäischen Kontinent das moderne Verständnis der Zukunft als eines „kohärenten Zeit-Raum[es]“, „in dem sich all diese [zukünftige] Dinge ereignen werden beziehungsweise in dem sie als solche vorgestellt werden“. Außerdem entwickelte sich zu dieser Zeit „das Bewusstsein von der qualitativen Andersartigkeit der Zukunft gegenüber der Vergangenheit.“67

Während nämlich die Ereignisse in den Romanen von Heerma van Voss und Van der Heijden in einem Zeitraum stattfinden, der sich nicht qualitativ von dem Zeitraum des Lesers unterscheidet, und deshalb zur verlängerten Gegenwart degradiert werden, deuten die Traumereignisse Ludwig Antons Spekulation auf mögliche Geschehnisse in einem sich tatsächlich nach der Welt des Lesers befindenden Zeitraum.

So eine thematische Definition von Zukunftsliteratur erlaubt außerdem die Aufnahme von formal und/oder explizit nicht in der Zukunft situierten Romane. Auf zwei Beispiele davon wird jetzt reflektiert:

II.a.1. Kees van Bruggens Het verstoorde mierennest (1916)

Het verstoorde mierennest wurde im Jahr 1916 vom niederländischen Schriftsteller und Journalisten Kees van Bruggen (1874-1960) geschrieben, der heutzutage vor allem als Ehemann der Schriftstellerin Carry van Bruggen (1881-1932) erinnert wird. Der Roman war schon bald ein Bestseller: im Jahr 1933 wurde schon die 11. Ausgabe publiziert.68 Außerdem

wurde der Roman 1920 ins Deutsche übersetzt und in Bern als Teil der Reihe Europäische Bücher beim Züricher Verlag Max Rascher herausgegeben.69

Der Roman scheint sich auf ein historisches Ereignis zu beziehen: den Wiederkehr des bekannten Kometen Halley im Jahr 1910. Die Bekanntheit dieses Kometen kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden. Im naturwissenschaftlichen Kontext hat seine Entdeckung nämlich als eine wichtige Bestätigung der newtonschen Theoriebildung und des kopernikanischen Weltbildes funktioniert. Der englische Astronom Edmond Halley (1656-1742) entdeckte nämlich in den damals existierenden Quellen für historische Kometenbeobachtungen, dass verschiedene, mit regelmäßiger Unterbrechung beobachtete Kometen identische Bahnen hatten. Anhand dieser Daten sagte er vorher, dass dieser Komet am Ende des Jahres 1758 wiederkehren würde. Am 24.12.1758 erschien Halley wieder.70

67 HÖLSCHER. Die Entdeckung der Zukunft. S. 22.

68 Vgl. Kees vanBRUGGEN. Het verstoorde mierennest. 11. Ausgabe. Amsterdam: Wereldbibliotheek, 1933. 69 Kees van BRUGGEN. Das zerstörte Ameisenreich. Von Else von HOLLANDER aus dem Niederländischen

übersetzt. Zürich: Max Rascher Verlag, 1920.

70 Vgl. KlausFRITZE. „Vorwort“. In Klaus FRITZE (Hrsg.). Der Halleysche Komet im Jahre 1910. Eine Sammlung zeitgenössischer Berichte. Leipzig: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, 1985: VIII.

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Im kulturellen Kontext hat der Komet aber auch große Bekanntheit erreicht. Der regelmäßige Wiederkehr gab diesem Kometen einen mythischen Ruf, mit dem verschiedene Autoren sich verbunden und verbunden wurden. Mark Twain (1835-1910) wurde beispielsweise in einem Halleyschen Jahr geboren und soll angeblich behauptet haben, er würde im nächsten Halleyschen Jahr sterben. Das passierte tatsächlich am 21.04.1910.71

Als in diesem Jahr der Komet die Erde erreichte, war Ernst Jünger (1895-1998) erst 15 Jahre alt. Er würde später im Jahr 1986 den Kometen wieder sehen, was für Jünger Anlass zur Verfassung des Buches Zwei Mal Halley (1987) war,72 für den Jünger-Biograph Helmuth Kiesels aber vor allem der Mythisierung des Autors diente: Kiesel beschreibt die zwei Kometenbesuche zu Jüngers Lebenszeit nämlich als Ankündiger des vier Jahre späteren Ersten Weltkrieges, bzw. der vier Jahr späterer Wiedervereinigung Deutschlands, so die Ganzheit des „deutschen Jahrhunderts“ umfassend.73 Obwohl diese Behauptungen übertrieben sind und sich

in einer Tradition problematischer Jünger-Verherrlichung und -Mythisierung befinden,74 wird

die mythische Wirkung und die rationalitätssprengende Potenz von Kometen im Allgemeinen und dem Halleyschen Kometen im Spezifischen von diesen Beispielen verdeutlicht.

In diesem Kontext ist die massive Angst vor dem Weltende in Verbindung mit dem Erscheinen des Halleyschen Kometen im Jahr 1910 zu verstehen. Georg Heyms Gedicht Umbra Vitae (1911)75 und der von August Blom inszenierte, dänische Film Verdens Undergang (1916)76 sind nur einige Beispiele der Verarbeitung dieser Endzeitstimmung. Die übliche Kometenangst wurde nämlich von apokalyptischen Berichten des Französischen Astronomen und Schriftstellers Nicolas Camille Flammarion (1842-1925) gesteigert, da er behauptete, dass Halleys Schweif, der wahrscheinlich die Erde erreichen würde, aus Zyan bestand und so die Atmosphäre vergiften würde.77

Ein ähnliches Ereignis findet in Kees van Bruggens Roman statt: ein Komet besucht die Erde. In einer Zeitung wird berichtet, „daß der dünne Körper, der kaum sichtbare Schweif des

71 Vgl. William H. GLENN. Halley’s Comet Makes a Comeback. The Science Teacher. 51 (1984), 1: S. 38. 72 Vgl. ErnstJÜNGER. Zwei Mal Halley. Stuttgart: Klett-Cotta, 1987.

73 HelmuthKIESEL. Ernst Jünger. Die Biographie. München: Siedler, 2007: S. 11-18.

74 Vgl. EstherMARIAN. „„Ich möchte nur, daß unterbliebe, was zur Minderung meines Ansehens beitragen

könnte“. Ernst Jünger und seine Biographen Karl O. Paetel und Armin Mohler“. In Bernhard FETZ & Hannes SCHWEIGER (Hrsg.). Spiegel und Maske. Konstruktionen biographischer Wahrheit. Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2006: S. 207-225.

75 Georg HEYM. „Umbra Vitae“. In Kurt PINTHUS (Hrsg.). Menschheitsdämmerung. Ein Dokument des Expressionismus. Revidierte Ausgabe. Hamburg: Rowohlt, 2016: S. 39-40.

76 Vgl. AugustBLOM. Verdens Undergang. 1916.

77 Vgl. WilhelmKREBS. „Die Erde im Schweife des Kometen Halley und ein ähnliches Ereignis vor 804 Jahren“.

In Klaus FRITZE (Hrsg.). Der Halleysche Komet im Jahre 1910. Eine Sammlung zeitgenössischer Berichte. Leipzig: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, 1985: S. 41-42.

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Kometen van Jesson vergiftet sei, und zwar mit einem der schlimmsten aller bekannten Gifte, mit Zyankali, dem Laien als Blausäure bekannt“.78 Den Forschern zufolge werden alle sterben, was letztendlich auch passiert. Nur vier Personen überleben: die Hauptfigur Jonathan Strong, der irgendwo in Europa – wahrscheinlich im niederländischen Limburg, aber explizit ist die Situierung niemals – als Bergmann tief im Boden arbeitet und dort aufgrund eines Unfalles eine Weile ohne Luft bleibt, und die Amerikanerin Meggy Braun und zwei von ihr gefundene Kinder, die sich zur Zeit des Kometenbesuches in einem luftdichten Raum befanden. Die beiden Figuren treffen einander und daraus entsteht eine Geschichte im Stil der Robinsonade, in der auf die gerade zerstörte Gesellschaft reflektiert wird und die Möglichkeit sich öffnet, eine neue, bessere Gesellschaft zu kreieren. Das Ende des Romans bietet letztendlich eine dem Buch Genesis ähnelnde Geschichte, in der die Entwicklung der Nachkommen von den vier übrig gebliebenen Menschen über viele Generationen beschrieben wird. Auch das Ende des Romans folgt einer biblischen Geschichte und beendet damit die Hoffnung, dass die Kreierung einer besseren Gesellschaft möglich ist: „Sie waren, wie der Stammvater es gewollt hatte, Brüder und Schwestern. Bis… Bis einer von ihnen, Timoteus Strong, mit einem Axthieb seinen Bruder Aaron tötete, dessen Weib nahm und sich als Feind aller in seinem Besitz befestigte…“79 Die Zukunft verläuft also in einer Kreisbewegung, wie, so zeigt Hölscher, auch während der Mittelalter ein üblicher Gedanke war.80

Es kann schwierig sein, die Zeitkonstruktion dieses Romans zu beurteilen. Eine explizit zeitliche Situierung ist im größten Teil des Romans nicht anwesend. Nur wird deutlich, dass es am Anfang eine Welt gibt, die im technischen Sinne nicht weiter fortgeschritten als zur Zeit der Publikation ist, aber in der es auch keinen Krieg gibt, wie zur Zeit der Publikation. Wenn man deshalb die Geschichte in der Gegenwart oder der nahen Geschichte situieren möchte, dann ist auf jeden Fall das Ende des Romans zukünftig. Die vom Kometen verursachte Katastrophe macht es aber schwierig, die Hauptgeschichte als historisch oder gegenwärtig zu interpretieren. Deshalb gibt es zwei Möglichkeiten: Het verstoorde mierennest beschreibt entweder eine Welt, wie sie gewesen wäre, wenn die von Flammarion angekündigte Katastrophe passiert wäre, oder eine mögliche Zukunft. Der Roman ist also entweder alternative history mit einem kleinen Teil alternative future oder ein Zukunftsroman. Entscheidend ist die Frage, ob die Katastrophe des Romans im Kontext des Halleyschen Kometen verstanden würde.

78 BRUGGEN. Das zerstörte Ameisenreich. S. 30. 79 BRUGGEN. Das zerstörte Ameisenreich. S. 332.

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Es ist schwierig, zu rekonstruieren, wie die damaligen Leser sich in Bezug auf diese Frage positioniert haben. Eine Analyse von Besprechungen in damaligen Zeitungen kann dabei aber behilflich sein. Der Roman wurde in drei Zeitungen ausführlich besprochen.81 Der anonyme Rezensent der friesischen Zeitung Leeuwarder Courant fragt sich, ob Van Bruggen das niederländische Äquivalent des englischen Zukunftsromanautors H.G. Wells wäre, und beschreibt den Roman so: „das Werk eines Fantasten, im Geiste, von dem England schon einige gekannt hat, eine Fantasie, wie es wäre, wenn das große Ameisenreich, das unsere Erde ist, auf dem und in dem die Menschen kribbeln und wühlen, einmal gestört würde, ein Gedanke, den das Vorbeigehen des Halleyschen Kometen, jetzt vor einigen Jahren, geboren werden ließ.“82 Der Ursprung der Idee des Romans befinde, so die Zeitung, sich zwar in der

Vergangenheit, die Handlung des Romans aber in der Zukunft.

Die sozialdemokratische Zeitung Het Volk macht die Verbindung mit Halley nicht. Der auch hier anonyme Rezensent verbindet den Roman nämlich mit anderen literarischen Traditionen, wenn er schreibt über „die Geschichte vom neuen Adam oder vom neuen Robinson Crusoë“.83 Obwohl er dem Roman relativ kritisch gegenübersteht, wird die Rezension doch mit

einer positiven Bemerkung beendet: „Angenehm ist es aufzumerken, wie der ehemalige Sozialdemokrat, der hier spricht, seine alten Ansichten noch nicht ganz preisgegeben hat, obschon sie sich zu einer einigermaßen Van Eeden-ähnliche Kolonieillusion einer sich selbst auf primitive Weise genügende kleine Gemeinschaft verwischt haben.“84 In diesem Schluss bezieht sich der Rezensent auf das utopische Walden-projekt des niederländischen Schriftstellers Frederik van Eeden (1860-1932), der von Ideen aus dem Buch Walden (1854) des amerikanischen Autors Henry David Thoreau (1817-1862) inspiriert wurde. Im Jahr 1898 stiftete Van Eeden in der Nähe von Het Gooi die Kolonie Walden, in der sich die manchmal

81 Methodologisch ist so vorgegangen: Auf Delpher (https://www.delpher.nl/) wurde „Verstoorde mierennest“

gesucht. Dabei wurden die folgenden zeitlichen Abgrenzungen eingeführt: erstens das 20. Jahrhundert, zweitens die Periode 1910-1919. Alle Zeitungsartikel, die hierbei gefunden wurden, nämlich 27, wurden durchgeschaut. Nicht alle Artikel waren nützlich: es gab Werbung für den Roman, Besprechungen anderer Bücher, bei denen Van Bruggens Roman nur kurz genannt wurde, und Artikel, in denen zufälligerweise beide Worte genannt wurden. Von den Besprechungen waren einige doppelt gedruckt und bestanden andere nur aus einer Zusammenfassung des Buches. Übrig blieben drei Besprechungen, von denen Israël Queridos Text über zwei Ausgaben des Algemeen

Handelsblad verteilt wurde.

82 LEEUWARDER COURANT. Het Boek. Leeuwarder Courant. 01.07.1916. S. 13. Niederländisch: “het werk van een

f a n t a s t , in den geest als Engeland er reeds eenige kende, een fantazie van hoe het zijn zou als het groote mierennest, dat onze aarde is, waarop en waarin de menschen krieuwelen en wroeten, eens op eenmaal werd verstoord, gedachte, die het voorbijgaan van Halley's komeet, nu eenige jaren terug, geboren deed worden.”

83 HetVOLK. Boekbespreking. Het Volk. 17.02.1916. S. 8. Niederländisch: “het verhaal van den nieuwen Adam of

den nieuwen Robinson Crusoë”

84 VOLK. Boekbespreking. S. 8. Niederländisch: “Aangenaam doet het intusschen aan, op te merken, hoe de

vroegere sociaal-demokraat, die hier aan het woord is, zijn oude denkbeelden nog niet geheel heeft prijsgegeven, zij het dan dat zij tot een ietwat Van-Eeden-achtige kolonie-illusie van een zich zelve op primitieve wijze genoegzame kleine gemeenschap, verdoezeld zijn.”

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fast luddistischen Zukunftsideen Van Eedens realisieren sollten. Im Jahr 1907 wurde das Projekt jedoch beendet, da die Idealen des Projekts sich nicht mit den in der Kolonie anwesenden Menschen vereinbaren ließen.85 So wird dieser Roman in die Tradition des Zukunftsdenkens gestellt.

Zum Schluss ist der vom Schriftsteller Israël Querido (1872-1932) für das Algemeen Handelsblad verfasste, in zweien geteilte Verriss des Romans noch bemerkenswert. Während der zweite, längere Teil vor allem aus einer Besprechung der erzähltechnischen und stilistischen Schwäche des Romans besteht,86 wird im ersten Teil die zurzeit moderne Phantastik kritisiert. Van Bruggens Roman ähnelt nämlich, so Querido, den Werken Jules Vernes, obschon Van Bruggens Roman ihm zufolge schlechter geschrieben ist, was als Anlass dient, die zukunftsorientierte Phantastik von Verne und Wells zu kritisieren. Dennoch wird auch in diesem Teil Van Bruggens Roman selbst besprochen. Querido richtet sich vor allem auf das Ende und meint, dass die „Vorhersagen (…) bezüglich der Entwicklung des Menschen in die Richtung einer künftigen Brüder- und Schwesternschaft aller Erdbewohner“ als „menschenkenntnislos-utopisch“ sind.87 Obwohl Querido Flammarion schon einmal nennt,

passiert dies jedoch nicht im Kontext des Halleyschen Kometen, sondern innerhalb der Beschreibung der Literatur Jules Vernes. Auf jeden Fall wurde der Roman von Querido in der Zukunft situiert.

Sogar im Falle dass, wie im Leeuwarder Courant, der Komet des Romans mit dem Halleyschen Kometen verbunden wurde, situierte man die Geschichte nicht in einer alternativen Zeitlinie. Da die Geschichte des Romans also in der damaligen Rezeption als künftig statt alternative history verstanden wurde, gehört Het verstoorde mierennest bei einer thematischorientierten Genredefinierung zum Genre des Zukunftsromans.

II.a.2. F.F. van der Vens De groote vinding (1925)

Im Falle von De groote vinding von F.F. van der Ven (1877-1960), dem späteren Bürgermeister von Maurik, ist die Abwesenheit einer formalen, zeitlichen Situierung, wie bei Het verstoorde mierennest, kein Problem. Der zur Geschichte gehörende „Voorbericht“, in dem erklärt wird, wie die Aufzeichnungen der Hauptfigur Jacob van Meerle gefunden wurden, endet nämlich mit

85 Vgl. MarianneMOOIJWEER. Gered van de koele meren des doods. Europese joden in Van Eedens Amerikaanse

Walden. De Parelduiker 3 (1998). 1: S. 55-56.

86 Vgl. IsraëlQUERIDO. Letterkundige Kroniek. C.J.A. van Bruggen II. Algemeen Handelsblad. 16.06.1916. S.

9-10.

87 Israël QUERIDO. Letterkundige Kroniek. C.J.A. van Bruggen I. Algemeen Handelsblad. 31.05.1916. S. 6.

Niederländisch: “voorspellingen (…) omtrent de ontwikkeling der menschheid in de richting van het toekomstige broeder- en zusterschap aller aardlingen” & “onmenschkundig-utopisch”

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der Datierung „Dezember 1924“.88 Da die Ereignisse des Romans vor dem „Voorbericht“

stattgefunden haben, wird es deutlich, dass dieser Roman bei der formalistischen Genredefinierung von Dina Brandt nicht zu der Zukunftsliteratur gehören würde.

Die Ereignisse dieses Romans sind aber futuristisch. Van Meerle ist ein bedeutsamer, in Amsterdam arbeitender Mitarbeiter einer Bank, der außerdem über ein Landgut namens „Bosch en Heide“ im aufgrund des Namens wahrscheinlich ostniederländischen, aber fiktiven Diepelo verfügt.89 Zwei Wissenschaftler, De Lang und Biervliet, haben eine neue Art von Antrieb erfunden, mit dem man schneller als je zuvor fliegen kann, auch außerhalb der Erdatmosphäre. Deshalb möchten sie zum Mond reisen, aber dafür brauchen sie Geld. Van Meerle wird als Finanzier gefragt. Nach langem Zweifel und dem Anschauen von den ersten kleinen Prototypen entscheidet Van Meerle sich dafür, das Projekt nicht nur zu finanzieren, sondern auch selbst mit zum Mond zu fahren. Auf dem Landgut arbeiten die Erfinder am Raumschiff mithilfe verschiedener technischen Hilfskräfte aus der ganzen Welt, ohne dass jedoch eine Person außer dem Triumvirat von Van Meerle, Biervliet und De Lang Einsichten in das Projekt bekommt. Es gibt jedoch immer wieder neue Herausforderungen, wie technische Probleme und Sabotage. Dennoch läuft am Ende alles gut und fliegen die drei zum Mond. Beim Rückkehr verunglückt das Raumschiff jedoch und sterben die drei Weltallreisenden.

Die futuristischen Ereignisse eines Weltallreises geben dem Rezensenten „K“ im Delftsche Courant Anlass, De groote vinding in die Tradition von Jules Verne zu stellen.90 Bei einer Analyse des Werkes von Jules Verne nennt der niederländische Schriftsteller und Literaturkritiker Frits Lapidoth (1861-1932) Van der Vens Werk als das Beispiel der Wirkung Vernes in den Niederlanden.91 In keiner Besprechung92 gibt es Anweisungen bezüglich einer Situierung in der Vergangenheit.

Die Situierung in der Vergangenheit scheint vor allem, als Ausweg zu dienen, den Roman in Form eines Tagebuches zu präsentieren. Für das Problem, dass die futuristischen Ereignisse in der eigenen Zeit weder realistisch scheinen, noch beobachtet worden sind, betont der Verfasser vom „Voorbericht“, dass „die ganze gefahrerfüllte Expedition (…) ganz im Geheimen vorbereitet und ganz im Geheimen ausgeführt wurde“.93 Die Ereignisse dieses

88 Vgl. F.F. van derVEN. De groote vinding. Arnhem: Van Loghum Slaterus, 1925: S. 0. 89 Vgl. VEN. De groote vinding. S. 56.

90 Vgl. K. Boeken. Delftsche Courant. 01.08.1925. S. 9.

91 Vgl. Frits LAPIDOTH. Het debuut van Jules Verne. Het Vaderland. 07.02.1928. S. 11.

92 Auf Delpher wurde, genauso wie im Falle Van Bruggens, gesucht. Nur zwei Rezensionen und die schon

genannte Auseinandersetzung mit dem Werk Vernes wurden gefunden. Die noch nicht genannte Rezension erschien im Bredasche Courant. Vgl. BREDASCHE COURANT. Boekentafel. Bredasche Courant. 14.07.1925. S. 4.

93 VEN. De groote vinding. S. -1. Niederländisch: „de geheele gevaarvolle expeditie (…) volkomen in geheim

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Romans gehören deshalb nicht zu der vergangenen oder gegenwärtigen Welt des Lesers. Sie können aber bald wieder stattfinden, so wird betont. Es gibt nämlich „alle Hoffnung zu erwarten, dass bald das verlorene Geheimnis wieder entdeckt werden wird“.94 Die Ereignisse

finden formal statt in der Vergangenheit; für den Leser findet das Buch jedoch statt in einem Zeitraum, der sich aufgrund der futuristischen Erfindungen und der Mondreise nach dem Zeitraum des Lesers befindet und deshalb zukünftig ist. Dieses Zeitraum gehört zum Erwartungshorizont des Lesers. So ist dieser Roman trotz der formalen Situierung in der Vergangenheit dennoch antizipierend und zukunftsorientiert.

II.a.3. Leserorientiertes Modell

Aus diesen zwei Beispielen kristallisiert sich ein leserorientiertes Modell der Genredefinition heraus. Thomas Pierrart schreibt in seinem Artikel über das Genre der Zukunftsliteratur, er verwende ein ähnliches Modell, bei dem es ihm um „den Leser, der zum ursprünglichen Leserpublikum gehört“, gehe.95 Deshalb sollte ihm zufolge betrachtet werden, inwieweit der „Zukunftseffekt“ verursacht wird. Die explizite Erwähnung einer Situierung in der Zukunft gilt hierbei als erste mögliche Ursache dieses Effektes.96 Erst danach, wenn dieser erste Schritt nicht ausreicht, wird das Modell starker leserorientiert. Texte ohne explizite Situierung in der Zukunft sollten auf Beispiele von Extrapolation erforscht werden. Extrapolation wird von Pierrart als „das Verlängern oder Ausbreiten von bestimmten Elementen, Ideen… aus der ursprünglichen Leserperiode in eine eingebildete Zukunft“ definiert.97 Hierbei geht es nicht um verlängerte

Gegenwart, was die Projektion der Gegenwart auf der Zukunft wäre, sondern um die Weiterführung gegenwärtiger Prozesse in die Zukunft, die sich deshalb qualitativ von der Gegenwart unterscheiden.

Zum Schluss kann der Zukunftseffekt, so Pierrart, noch von Naturalisierung verursacht werden. Pierrart definiert Naturalisierung als „den Prozess, bei dem ein Leser das, was in der erzählten Welt von der sozialen Realität abweicht, mit einer Situierung in der Zukunft naturalisiert“.98 Naturalisierung findet also statt, wenn Ereignisse nicht in der Vergangenheit oder Gegenwart stattgefunden haben können. Offensichtlich gilt dies für Extrapolation, aber

94 VEN. De groote vinding. S. 0. Niederländisch: „alle hoop om te verwachten, dat weldra het verloren geheim

opnieuw gevonden zal worden“

95 PIERRART. Lezen over morgen. S. 356. Niederländisch: „die lezer die behoort tot het oorspronkelijke lezerspubliek“.

96 Vgl. PIERRART. Lezen over morgen. S. 357.

97 PIERRART. Lezen over morgen. S. 359-360. Niederländisch: „het verlengen, intensiveren of uitbreiden van

bepaalde elementen, ideeën… uit de OLP naar een denkbeeldige toekomst“. OLP ist eine Abkürzung für

Oorspronkelijke lezersperiode.

98 PIERRART. Lezen over morgen. S. 364. Niederländisch: “het proces waarbij een lezer datgene wat in de

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Naturalisierung ermöglicht es auch nicht extrapolierte, aber offensichtlich künftige Ereignisse miteinzubeziehen.

Hölscher betont nämlich, dass:

Der Begriff der ›Zukunft‹ schon immer doppeldeutig gewesen ist, indem er zwei äußerst heterogene, ja geradezu widersprüchliche Vorstellungen mit einander verknüpft: einerseits die Vorstellung, dass sich die Dinge, die wir erwarten, aus der Vergangenheit und Gegenwart ableiten lassen, andererseits die gerade umgekehrte Vorstellung, dass diese, wie schon das Wort selbst sagt, aus der Zukunft auf uns »zukommen«.99

In diesem Kontext wird deutlich, dass Extrapolation sich nur auf die erste Bedeutung der Zukunft richtet und blind für die Möglichkeit von nicht aus der Vergangenheit oder Gegenwart herkommenden Ereignissen – Katastrophen, neuen Entdeckungen und Invasionen aus dem Weltall – bleibt. Für den Leser sind solche Ereignisse aber als zukünftig naturalisierbar.

Pierrarts Modell ist im Allgemeinen sehr nützlich, sollte aber geschärft werden. Erstens gibt es im Modell, zumindest wie es von Pierrart präsentiert wird, eine gewisse Hierarchie, in der die explizite Meldung einer zeitlichen Situierung schon reicht. Dennoch zeigt das Beispiel von F.F. van der Vens De groote vinding, dass dies nicht ganz stimmt. Eine Dehierarchisierung der drei Zukunftsmerkmale – expliziter Situierung, Extrapolation und Naturalisierung – würde zu einem Bruch mit der schon vorher kritisierten formalistischen Genredefinition beitragen.

Außerdem mangelt es Pierrarts Modell, wie übrigens der Fall ist in den meisten Versuchen, Zukunftsliteratur zu definieren, an einer deutlichen Positionierung bezüglich des Begriffes „Zukunft“. Dies wäre vor allem wichtig bei der Verwendung des Naturalisierungsmerkmales, da Naturalisierung sonst auch Beispiele verlängerter Gegenwart als zukunftsliterarisch betrachten würde. Hölschers schon vorher behandelte Zukunftsbegriff als ein sich qualitativ von der Gegenwart unterscheidender, kohärenter Zeitraum wäre hierbei nützlich.

II.b. Zukunftsliteratur, Utopie und Science Fiction

Das Verhältnis von Zukunftsliteratur zu utopischer Literatur und Science Fiction ist ein oft diskutiertes Thema, bezüglich dessen eine Positionierung notwendig ist. Eine mögliche Ursache der Problematik und der Diskussion könnte sein, dass die Erforschung von Science Fiction und Zukunftsliteratur, auch in den Niederlanden und Deutschland, sich lange sehr stark auf die erfolgreiche Science Fiction-Literatur aus Amerika der 1960’er Jahre konzentrierte, manchmal noch mit Einbezug der Literatur des polnischen Schriftstellers Stanisław Lem.100 Hierbei galt die englischsprachige Literaturwissenschaft als wichtige Quelle für die

99 HÖLSCHER. Die Entdeckung der Zukunft. S. 15.

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