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Eine Untersuchung nach dem übermittelten DDR-Bild im Film GOOD BYE LENIN!

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WAS WÄRE, WENN…

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WAS WÄRE, WENN…

WAS WÄRE, WENN…

Eine Untersuchung nach dem

übermittelten DDR-Bild im Film

GOOD BYE LENIN!

Renate Veldhuis

S. 1268287

Masterarbeit Deutsche Sprache und Kultur

Fachkode: LDX999M20

1. Gutacher: Prof. Dr. W. Wende

2. Gutachter: Dr. P. Groenewold

(2)

Inhalt

Vorwort

Einleitung 3

Ziel – und Fragestellung

Vorgehensweise der Masterarbeit

1. Der Film GOOD BYE LENIN! 6

2. Wie war das Leben in der DDR, vor allem in Bezug auf Wohnen, 8 Kleidung und Lebensmittel in der DDR zwischen 1978 und 1989?

2.1 In der Realität 8 2.1.1 Wohnen in der DDR 8 2.1.2 Arbeit 9 2.1.3 Frauen/Familie 11 2.1.4 Lebensmittel 12 2.1.5 Kleidung 13 2.1.6 Freizeit 15

2.2 Im Film Good Bye Lenin! 17

2.3 Schlussfolgerung 23

3. Wie waren die Reaktionen auf den Fall der Mauer am 9. 24 November 1989 und in der Zeit danach?

3.1 In der Realität 24

3.2 Im Film Good Bye Lenin! 28

3.2.1 Wie sind die Reaktionen der Älteren 28 auf den Fall der Mauer?

3.2.2 Wie sind die Reaktionen der Jüngeren 34 auf den Fall der Mauer?

3.3 Schlussfolgerung 38

4. Ist der Film Good Bye Lenin! ein Ostalgiefilm, eine Komödie, 39 eine Tragödie oder eine Tragikomödie ?

4.1 Begriffsbestimmung ‘Ostalgie’ 39

4.2 Ostalgie im Film Good Bye Lenin! ? 46

4.3 Begriffsbestimmung einer Komödie 50

4.4 Begriffsbestimmung einer Tragödie 53

4.5 Begriffsbestimmung einer Tragikomödie 55

4.6 Komik, Tragik oder Tragikomik im Film Good bye Lenin! ? 56

4.6.1 Komik im Film 56

4.6.2 Tragik im Film 59

(3)

5. Welche Rolle spielt die Macht der Medien als Thema im Film 65

Good Bye Lenin! ?

5.1 In der Realität 65

5.1.1 Begriffsbestimmung einer Lüge 65

5.1.2 Die Macht der Medien in der ehemaligen DDR 68

5.2 Im Film Good Bye Lenin! 72

5.2.1 Spielen mit der Wahrheit?! 72

6. Schlussfolgerung 78

7. Literaturverzeichnis 80

Einleitung

Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer, unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald.

Unsre Heimat ist das Gras auf der Wiese, das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde

und die Fische im Fluß sind die Heimat. Und wir lieben die Heimat, die schöne und wir schützen sie,

weil sie dem Volke gehört, weil sie unserem Volke gehört.1

Die deutsch-deutsche Geschichte ist ein spannendes und interessantes Thema. Sie ist auch ein sehr umfangreiches Thema. Dieses Thema umfasst viele Subthemen. Im Laufe der Zeit haben sich viele Schriftsteller, Historiker und Filmemacher mit Themen zur deutsch-deutschen Geschichte auseinandergesetzt. Vor allem die Ex- DDR ist ein interessantes Thema.

Die ehemalige DDR (Deutsche Demokratische Republik) kann in mehreren Bereichen thematisiert, analysiert und kritisiert werden. Das Thema DDR und damit die

deutsch-deutsche Geschichte wurden unter anderem in Filmen wie Sonnenallee (1999), Der

Zimmerspringbrunnen (2001), Berlin is in Germany (2001), und Der Rote Kakadu (2004) repräsentiert.

Im Jahre 2006 erschien der Film Das Leben der Anderen vom Florian Henckel von Donnersmarck in den Kinos. Dieser Film wurde einer der erfolgreichsten Filme über die DDR. Er bekam sehr positive Kritik in den Medien. Dieser Film schien, im Gegensatz zum Film Good Bye Lenin! (2003) von Regisseur Wolfgang Becker, das Bild der ‘wahren’ DDR zu übermitteln. Dieser Film, laut den Kritiken, rechnete mit dem Ostalgiefilm á la Good Bye

(4)

Lenin! ab.

In dieser Hinsicht wurde mein Interesse für den Film Good Bye Lenin! angeregt und ich fand es ein interessantes Thema für eine Masterarbeit. Meiner Meinung nach ist der Film

Good Bye Lenin! viel mehr als nur ein Ostalgiefilm. Er lässt den Zuschauer mehrere Gesichtspunkte sehen, als bloβ den Überwachungsstaat bzw. Stasi-Staat wie im Film Das

Leben der Anderen. Der Film Good Bye Lenin! übermittelt sogar vielleicht ein

differenzierteres und realistischeres Bild des Lebens in der DDR als der genannte bejubelte Film.

Ziel- und Fragestellung

Die Zielsetzung meiner Masterarbeit ist es, anhand verschiedener Teilfragen zu widerlegen, dass der Film Good Bye Lenin! ein Bild übermittelt, in dem die DDR bloβ als eine

‘Spaβgesellschaft’ gezeigt wird. Es wird in den Kapiteln einen Vergleich zwischen der Wirklichkeit und der Realität des Films erläutert, indem das übermittelte Bild der DDR im Film vor allem die Aufmerksamkeit bekommt und nicht zum Beispiel die Mutter- Sohn- Beziehung. Die Hauptfrage meiner Masterarbeit lautet deswegen:

Was ist das übermittelte DDR-Bild im Film Good Bye Lenin!?

Um auf diese Hauptfrage eine Antwort geben zu können, habe ich diese in Teilfragen aufgeteilt, welche zusammen eine vollständige Antwort auf die Hauptfrage geben sollen.

Vorgehensweise der Masterarbeit

Die vier Teilfragen, die eine Antwort auf die Hauptfrage geben sollen, lauten:

1. Wie war das Leben, vor allem in Bezug auf Wohnen, Kleidung und Lebensmittel in der DDR zwischen 1978 und 1989 in der Realität und im Film?

2. Wie waren die Reaktionen auf den Fall der Mauer am 9. November 1989 und in der Zeit danach in der Realität und im Film?

3. Ist der Film Good Bye Lenin! ein Ostalgiefilm, eine Komödie, eine Tragödie oder eine Tragikomödie?

4. Welche Rolle spielt die Macht der Medien als Thema im Film Good Bye Lenin?

Die Vorgehensweise meiner Masterarbeit ist folgendermaβen: Im ersten Kapitel wird eine kurze Zusammenfassung des Filmes und des Regisseurs gegeben.

(5)

Welche Veränderungen gibt es nach der Wende? Welche Lebensmittel spielen eine wichtige Rolle und welche Funktion haben sie?

Der Fall der Berliner Mauer war ein groβes Ereignis in der deutsch-deutschen

Geschichte. Die Wende hat viele Veränderungen mit sich gebracht. In der Realität machte die Euphorie schnell Ernüchterung und Enttäuschung Platz. Im Dritten Kapitel wird deshalb ein Vergleich in Bezug auf die Reaktionen auf den Fall der Mauer in der Realität und im Film gezogen. Gibt es Unterschiede zwischen der jüngeren und älteren Generation in Bezug auf die Wende und die Zeit danach? Welche Gründe gibt es für den Stimmungswechsel?

In den Kritiken wurde der Film Good Bye Lenin! vor allem als ein Ostalgiefilm und als eine Komödie bewertet. Doch was ist eigentlich Ostalgie? Woher kommt dieser Begriff und welche Funktion hat er? Welche Rolle spielt der Kulturschock in Bezug auf die Ostalgie? Gibt es Ostalgie im Film? Und was macht eine Komödie, Tragödie oderTragikomödie aus? Welche Rolle spielt Satire in diesem Kontext? Was sind die komischen bzw. tragischen Elemente im Film? Im vierten Kapitel wird also analysiert, ob der Film ein Ostalgiefilm, eine Komödie, eine Tragödie oder eine Tragikomödie ist.

Im fünften Kapitel spielt die Macht der Medien eine wichtige Rolle. Der Film Good

Bye Lenin! handelt von Manipulation, vom Spielen mit der Wahrheit, von

Geschichtsumschreibung, von Lügen und Liebe. Wie leicht sind Bilder zu manipulieren? Welche Rolle spielen Lügen und Manipulation? Wie waren die DDR-Medien gestaltet? Was möchte Alex mit seiner Inszenierung dem Zuschauer deutlich machen?

Im sechsten und letzten Kapitel wird dann eine Schlussfolgerung auf die Hauptfrage ‘Was ist das übermittelte DDR-Bild des Films Good Bye Lenin!’ gegeben.

1.

Der Film GOOD BYE LENIN!

Im Jahr 1978 wird aus der glücklichen Familie Kerner eine gebrochene Familie. Der Vater ist wegen einer anderen Frau ins kapitalitische Ausland gegangen und Christiane, die Mutter, findet einen Ersatz für ihren Mann: das sozialistische Vaterland.

Der Film spielt im Jahr 1989, kurz vor dem Fall der Berliner Mauer. Alex’ Mutter fällt nach einem Herzinfarkt ins Koma. Sie verschläft die Wende und damit auch den Siegeszug des Kapitalismus. Vieles ändert sich. Nach acht Monaten wacht Christiane wieder auf, doch die DDR gibt es nicht mehr. Da fangen für Alex die Probleme an, weil seine Mutter einen zweiten Herzinfarkt wahrscheinlich nicht überleben wird. Alex muss die DDR auf 79 qm wieder auferstehen lassen. Er schreibt mit seiner DDR-Inszenierung einen neuen Verlauf der DDR-Geschichte, aber die Einflüsse von außerhalb sind ständig eine Bedrohung “seiner” DDR.

(6)

eine Baustelle zu einem groβen Erfolg. Er hat unter anderem bei folgenden Filmen Regie geführt:

Schmetterlinge (1987)

Blutwurstwalzer (1991)

Kinderspiele (1992)

Das Leben ist eine Baustelle (1997)

Good Bye, Lenin! (2002)

Ballero (2005) (Kurzfilm zur FIFA WM 2006)2

Der Film Good Bye Lenin! wurde zwischen 2001 und 2002 gedreht und kam 2003 in die Kinos. Dieser Film wurde sowohl in Deutschland als auch im Ausland ein Riesenerfolg. Good

Bye Lenin! wurde unter anderem mit den folgenden Preisen ausgezeichnet:

DEUTSCHER DREHBUCHPREIS 2002

BLAUER ENGEL 2003 (Best European Film, Filmfestspiele Berlin)

DEUTSCHER FILMPREIS 2003 in Gold jeweils für Bester Film, Beste Regie (Wolfgang Becker), Bester Hauptdarsteller (Daniel Brühl), Bester Nebendarsteller (Florian Lukas), Bester Schnitt (Peter R. Adam), Bestes Szenenbild (Lothar Holler), Beste Musik (Yann Tiersen), Publikumspreis Bester Film und Bester Schauspieler (Daniel Brühl)

BAMBI für die schauspielerische Leistung von Katrin Sass, Daniel Brühl und Florian

Lukas

EUROPEAN FILM AWARD 2003 jeweils für Europäischer Film, Europäischer

Darsteller (Daniel Brühl), Europäischer Drehbuchpreis (Bernd Lichtenberg),

Publikumspreis Beste Regie, Beste Darstellerin (Katrin Saß), Bester Darsteller (Daniel Brühl)3

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Becker_%28Regisseur%2C_1954%29

(7)

Kinostart GOOD BYE, LENIN!

Verleihung des "Blauen Engel" (Bester Europäischer Fi

2.

Wie war das Leben, vor allem in Bezug auf Wohnen,

Kleidung und Lebensmittel in der DDR zwischen 1978 und

1989?

2.1 In der Realität

2.1.1 Wohnen

Jeder Bürger hatte Anspruch auf eine Wohnung, doch es war nicht leicht, eine Wohnung zu bekommen. Stefan Wolle sagt folgendes dazu:

“Wohnungsprobleme waren im DDR-Alltag stets das “Thema Nummer eins”-etwa so wie seit der Wende Arbeitslosigkeit und Jobsuche.”4

Erstens waren die Wohnungen im Vergleich zu den BRD -Wohnungen klein und es gab täglich Schwierigkeiten. Im Jahre 1989 hatten 16% der DDR-Bevölkerung ein Telefon, im Jahre 1971 war es 8%. Es dauerte oft mehr als 25 Jahre bevor man ein Telefon erhielt.

Zweitens waren viele Wohnungen Altbauten, die nach dem zweiten Weltkrieg vernachlässigt worden waren. Die Wohnverhältnisse blieben in Bezug auf die BRD zurück, trotz der niedrigen Mieten in der DDR:

“Wohnen war billig in der DDR. Zwischen 80 Pfennigen und 1,25 Mark kostete der Quadratmeter Wohnfläche.”5

Die Bevölkerung hatte keine andere Wahl als selber die kaputten Sachen in der Wohnung zu reparieren und die Wohnung bewohnbar zu machen, weil es meistens kein Material und keine

Fachleute gab. Rob Meines fasst dies gut zusammen:

“Het verschil was dat de Oostduitser, ook al had hij het geld ervoor beschikbaar, niet aan materiaal kwam. Hij moest een en ander maar weer zo goed en zo kwaad als het ging repareren.”6

4

Wolle, Stefan (1998). Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971 - 1989. Berlin: Ch.Links. S. 182

(8)

Drittens warteten viele jahrelang auf eine Wohnung die Wartezeiten schienen eher länger als kürzer zu werden. Das Wohnungsproblem war eine der Gründe der Reiseanträge. Honecker schien die Lösung zu den Wohnproblemen zu haben. Im Jahre 1973 wurde das

Wohnungsbauprogramm eingeführt und hatte zum Ziel bis 1990 die Wohnungsnachfrage der Bevölkerung zu befriedigen. Da jeder ein Recht auf eine Wohnung hatte, investierte der Staat viel Geld in Wohnungen. Doch der Mangel an Wohnungen blieb und die Schulden der DDR wuchsen und “was paradiesisch auf Erden sein sollte, stellte sich als komfortabler

Selbstbetrug heraus.”7

Die Landschaft der DDR wurde vom Plattenbau gekenzeichnet. Da es Familien leichter hatten, eine Wohnung zu bekommen, musste man schnell heiraten und Kinder bekommen, damit man auch schneller ein Wohnung bekam. Die Gestaltung der Wohnungen in den 80er Jahren wurde von lappigen “Gardinen, goldglänzenden Blümchentapeten und Biedermeiermotiven in Pastellfarben”8 gekenzeichnet. “Das wohnen in der “Platte”wurde so zum eigentlichen Signum des DDR-Lebens.”9, weil man sich viel Zeit lieβ, die Wohnung schön zu gestalten. Stefan Wolle beschreibt den Alltag in der DDR wie folgt:

“Der Alltag erschien dem Auβenstehenden liebenswert altmodisch, anheimelnd deutsch und biedermeierlich gemütlich.”10

2.1.2 Arbeit

Die DDR schien das Land ohne Obdachlosigkeit, ohne Ausländer und ohne Arbeitslosen zu sein. Stattdessen schien es Arbeit, Geborgenheit und Ruhe im Arbeiter- und Bauernstaat zu geben, in dem jeder Mensch Anspruch auf Arbeit, Berufsausbildung und kostenfreie Schulbildung hatte. Es gab in der DDR nicht verschiedene Schulformen, sondern nur eine. Alle Schüler gingen von der 1. bis zur 10. Klasse in die Polytechnische Oberschule (POS).11 Mitglieder der SED hatten mehr Berufsmöglichkeiten und fast alle Jugendlichen waren auch ‘freiwillig’ Mitglied der FDJ, da es die Aufstiegsmöglichkeiten im Berufsleben ermöglichte.

Der Lebensmittelpunkt der Bevölkerung in der DDR war die Arbeit. Die SED propagierte die Arbeit als das Wichtigste im DDR-Alltagsleben. In der DDR war die

Industriegesellschaft organisiert und strukturiert. Mählert sagt folgendes zu der Rolle der SED in der Wirtschaft:

“Weder in Politik noch in der Wirtschaft war die SED bereit, ihre “führende Rolle”einzuschränken, um auf diese Weise Spielraum für kreative Energie, eigenständiges Denken und vor allem Handeln zu bieten.”12

6

Meines, Rob (1990). Duitsland Duitsland. Kracht en zwakte van een volk. Amsterdam: Uitgeverij Balans. S. 169

7 http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/lexikon/1540422.html, <3-12-2007> 8 Wolle (1998). Die Heile Welt der Diktatur. S. 220

9

Ebenda, S. 187

10

Ebenda, S. 221

11 Wolle

(9)

Wenn man in den Betrieben arbeitete, wurde man mit kostenfreier gesundheitlicher

Versorgung belohnt und mit Essen versorgt und da es in der DDR offiziell keine Arbeitslosen gab, gab es auch keine Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld.

Betriebe hatten viele Funktionen, sie waren zum Beispiel auch wie Bildungs- und Gesellungsort. Auβerdem war die Arbeitsstelle das Zentrum des politisches Lebens. Nicht nur die gesellschaftliche, sondern auch die soziale Bedeutung der Betriebe war sehr wichtig, weil man während der Arbeit ‘Genossen’ traf und sich Freudschaften entwickelten:

“Die LPG war alles. Die war Arbeitsstelle. Die war kulturelles Zentrum. Die war soziales Zentrum und soziale Einrichtung. Wir haben Krippen finanziert,

Kindergärten, kulturelle Einstellungen. Also die LPG war eine Heimstadt für die Bewohner.”13

Doch wie schön all die Versorgungen auch schienen, für die Arbeiter in den Betrieben war es vor allem in den 80er Jahren nicht leicht, die Produktion aufrecht zu halten. Maschinen waren verschlissen, es gab einen Mangel an Rohstoffen und Material. Auβerdem war der Einfluβ der SED so groβ, dass man sich eigentlich nie sicher sein konnte, ob der Kollege, Freund oder Bekannte nicht Mitglied der Stasi war. Trotzdem waren Kollegen wichtig, genau wie Freunde und Bekannte, um die DDR überleben zu könen. Wolle äuβert sich folgenderweise:

“Die Tatsache, daβ man überall mit der Gegenwart der Staatssicherheit rechnen

muβte, führte wiederum zudem weitverbreiteten Gesellschaftsspiel, Kollegen, Freunde und Nachbarn als Spitzel zu verdächtigen.”14

2.1.3 Frauen/Familie

Frauen waren in der DDR mehrfach belastet, da sie sich zugleich um den Haushalt, die Kinder und Arbeit kümmern muβten. Frauen bekamen auch relativ jung Kinder:

“Geliebt wurde im Osten ganz offenbar früher, öfter und intensiver als im Westen.”15

Der Staat machte es aber möglich, dass Frauen Beruf und Familie vereinbaren konnten. Frauen hatten auch keine andere Wahl als arbeiten zu gehen, da der Staat keine arbeitslosen Frauen akzeptierte, weil jeder in der DDR die ‘Pflicht zur Arbeit’ hatte und zweitens erhöhte es den Lebenstandard. Frauen bekamen weniger Gehalt als Männer und keiner Frau ist es in 40 Jahren DDR gelungen, in das Zentrum der Macht durchzukommen, obwohl

Gleichberechtigung der Frau eines der Ziele des Sozialismus war.

13

Kenntmich, Wolfgang u.a (2003). Das war die DDR. Eine Geschichte des anderen Deutschland. Berlin: Rowohlt. S.108 (Fritz Dallman)

(10)

Ende der 80er Jahre standen fast alle Frauen im Berufsleben. Der Staat investierte in die Gründung von Kindergärten, Kinderkrippen und Horten. Frauen erledigten trotzdem meistens alleine den Haushalt und die traditionelle Familie gehörte zum Bild der DDR, in dem alternative Lebensformen keinen Platz hatten:

“Die Frauen lebten in ständigem Spagat zwischen Beruf und Familie. Daraus

resultierte das Gefühl, weder der einen noch der anderen Anforderung zu genügen.”16

Die Familie spielte im DDR- Alltag eine sehr wichtige Rolle, weil man sich mit der Familie zurückziehen und erholen konnte:

“Die Institution Familie spielte hingegen in der DDR- Gesellschaft als eine kleine, private Insel eine wichtige Rolle, um die Schwierigkeiten, die man ansonsten in und mit der Gesellschaft hatte, zu kompensieren. Konnte man doch zumindestens

innerhalb der eigenen vier Wände frei sprechen.”17

2.1.4 Lebensmittel

“Angesichts eines Übergebots an Waren und Dienstleistungen ist der Kunde König, bei permanenten Mangel dagegen der Anbieter.”18

Die DDR-Bürger waren ständig mit der Jagd nach Lebensmitteln und Gebrauchsgütern beschäftigt. Diese Jagd führte oft zur Frustation. Im Warenangebot gab es groβe Lücken, da verschiedene Lebensmittel begrenzt vorhanden waren und bei Luxusgütern gab es eine willkürliche Preisgestaltung. Die Auswahl an Lebensmitteln war im Westen viel gröβer als in der DDR. Es war für die DDR Bürger nicht leicht, sich diese Güter zu leisten und zweitens waren sie auch nicht leicht zu bekommen. Entweder gab es Güter, die im Überfluβ waren oder anderseits beschränkt zur Verfügung standen. Rob Meines sagt folgendes dazu:

“De supermarkten in het centrum van Oost-Berlijn boden een kleurrijke aanblik. Bij nadere beschouwing bleek het meeste aan eetbare waren slechts in blik of in vacuüm potten beschikbaar te zijn. Het vers houden van etenswaren was een te grote prestatie voor de Oostduitse planeconomie. En als het eens lukte, waren de spullen direct uitverkocht.”19

Mocca-Fix Gold, Tempo Bohnen, Rottkäppchen Sekt und Spreewaldgurken waren typische Ostprodukte und jeder in der DDR kannte sie auch, aber sie waren nur schwer zu bekommen. Der Staat befriedigte zwar die elemantaren Grundbedürfnisse der Bevölkerung wie Brot und Kartoffeln, doch exklusive Lebensmittel wie Bananen, Schokolade, Kaffee konnten viele sich nicht leisten und sie waren auch schwer zu bekommen:

“Probleme gab es mit “Hart und Schnittkäse”, aber auch das Angebot an Reis, Speiseöl, Knäckebrot, Kakaoerzeugnissen, Wein, Sekt, Marmelade und Konfiture, WC-Sitzen, Zahnbürsten, Schnürenkelen, Kinderhosen und Dosenöffern lieβ über.”20

16 Ebenda, S. 177

17 http://kielikompassi.jyu.fi/opetus/saksa/wirtschaftsdeutsch/XSA623_arbeitsamt_frauen_ddr.shtml,

<20-12-2007>

18

Wolle (1998). Die heile Welt der Diktatur. S. 213

(11)

Auβerdem waren frisches Gemüse und exotische Früchte wie Banane in der DDR nicht erhältlich. Für viele Bürger war der Lebensstil als einfach zu beschreiben, da vieles nicht zu bekommen war:

“Versorgungsschwierigkeiten begleiteten die DDR ein Leben lang. Das prägte. Mit "Haben Sie...?" begannen die meisten Verkaufsgespräche. Und sie endeten meist mit der wenig überraschenden Antwort der Verkäuferinnen: "Ham' wa nich!"21

Die Bevölkerung hat sich jahrelang nach hochwertigen Konsumgütern gesehnt und der Bedarf stieg. Die gegründeten Intershops, Delikat- und Exquisitläden schienen wie ein Geschenk aus dem Himmel. Vor allem in den 70er Jahren war der Aufschwung der Intershops rasant, in denen konnte man zum Beispiel Lampen von Ikea und westliche Kleidung kaufen. Interhops hatten einen kulturprägenden Charakter. In den Delikatläden konnte man zum Beispiel exotische Produkte kaufen, doch da muβte man tief in den Geldbeutel greifen:

“Das Besondere im "Deli" hatte seinen Preis: Die Büchse Pfirsiche kostete 7,50 Mark, eine Tafel Westschokolade gab es ab sieben Mark.”22

2.1.5 Kleidung

Genau wie der Wunsch nach hochwertigen Lebenmitteln, war der Wunschn nach

hochwertiger Kleidung. Mode wurde vor allem in den ersten Jahren der Gründung der DDR als ‘eine rein kapitalistische Erscheinung’ angesehen und muβte durch neue Kleidung ersetzt werden.23

“Bekleidungskultur hieß es fortan, und sie sollte zur Entwicklung der ‘sozialistischen Persönlichkeit’ beitragen. Also war der sozialistische Dresscode funktional, praktisch und dauerhaft. ‘Dekadenter’ Luxus: ein Tabu.”24

Die Bevölkerung trug einfache und preisgünstige Kleidung, die meistens grau und eintönig aussah. Trotzdem gab es farbige, bunte, schöne Kleidung, aber die war für den Export bestimmt. Fehlendes Geld machte es nicht möglich, die Textilindustrie der DDR zu

modernisieren. Deswegen nähten viele selbst ihre Kleidung. Die Politiker der DDR waren der Meinung, dass die Quantität wichtiger als die Qualität war.

Die Planwirtschaft schrieb vor, dass von einem Entwurf tausende gleichaussehende Stücke produziert wurden. Dies war ein Problem, weil nicht alle Menschen die gleiche Gröβe hatten. Wenn man Kritik äuβern wollte, konnte man Eingaben machen. Auβerdem ist auch zu bemerken, dass Massenproduktion keinen Raum für die Individualität der Menschen bot, weil Individualität nicht zum Sozialismus gehörte:

“Mode in der DDR war Schick für die Massen”25

(12)

Kleidung. Da nicht alle mit der Kleidung aus dem eigenem Land zufrieden war, konnte man in den Exquisitläden mit westlichem Geld die gewünschte Westkleidung kaufen.

In den 70er Jahren sorgte Erich Honecker für eine kleine Liberalisierung; man durfte wieder die ‘westlichen’ langen Haare und kurzen Röcke tragen. Sogar der Jeansverkauf wurde zum ‘Happening’. Menschen standen Schlange vor den Warenhäusern, in denen die ersten orginalen ‘Levis’ zu kaufen waren:

“Binnen nur vier Tagen verkaufte der staatliche Handel im November 1971 fast 150 000 Levi’s “Blue Jeans”, nachdem die “Nietenhosen” jahrelang von der Propaganda als Symbol der westlichen Dekadenz gegeiβelt worden waren.”26

Jeans waren ein Symbol für Freiheit und Rebellion. Mode im Allgemeinen war eine Möglichkeit ‘sich vom Staat abzugrenzen.’27 Doch die Mini-Liberalisierung hatte seinen Preis:

“Seit 1971 gab es eine kulturpolitische Lockerung, mehr Toleranz, gröβere Freiheit im Alltag, vor allem mehr materiellen Wohlstand. Bezahlt wurde dies alles mit erhöhter Kontrolle, stärkerer Disziplinierung und mit dem Ausbau des gesamten

Sicherheitsapparates.”28

2.1.6 Freizeit

Die Bevölkerung der DDR verbrachte ihre Freizeit zum Beispiel mit Kinobesuchen, mit Kollegen in den Kneipen oder am Wochenende im Garten. Schon seit den 60er Jahren

entwickelte sich in der DDR eine Freizeitkultur. Für die Bürger war die ‘Datsche’ von groβer Bedeutung. Die Datsche war ein Sommerhaus mit einem Garten, sie wurde auch Laube, Bungalow oder Grundstück genannt und war eine “kleine Freiheit im Grünen.”29 Die

Freizeitgestaltung der DDR war vor allem von Datsche und Schrebergarten gekennzeichnet. In den 70er Jahren war auch die DDR ein Land des Massentourismus geworden. Freizeit, Urlaub und Reisen waren wichtig im Alltag und viele Menschen erholten sich an der Ostsee. Man durfte ja nur innerhalb der sozialistischen Länder reisen. Es gab also

Eischränkungen und fehlende Reisemöglichkeiten, weil zum Beispiel viele Menschen nicht über ein Auto verfügten, da die Wartezeiten auf einen Trabant oder Wartburg von 12,5 bis 17 Jahren betrugen:

26

Mählert, Ulrich (1998). Kleine Geschichte der DDR. München: Beck. S. 119

27

http://www.mynetcologne.de/~nc-waltergu4/wal_film/sience/KannDenModeRotSein.htm, <06-12-2007>

28 Wolle,Stefan (1998). Die heile Welt der Diktatur. S. 343

(13)

“Neben der Wohnungssuche, der Jagd nach Baumaterialen und den üblichen

Versorgungsschwierigkeiten bildete der Kauf oder die Bestellung eines Kraftfahrzeugs stets ein wichtiges Gesprächsthema.”30

Die Menschen, die doch über ein Auto verfügten sahen ihr Auto als ‘Reich der Freiheit’, weil ein Auto Bewegungsfreiheit ermöglichte.

“Der Renner auf den Straβen der DDR war also ohne Zweifel der legendäre “Trabi”, Kult-und Haβobjekt zugleich, vielfach bespöttelt, mit Kosenamen bedacht,

Gegenstand unzähliger Witze, vor allem aber verwoben mit der Kulturgeschichte dieses Landes.”31

(14)

2. Wie war das Leben, vor allem in Bezug auf Wohnen,

Kleidung und Lebensmittel in der DDR zwischen 1978 und

1989

?

2.2 Im Film Good Bye Lenin!

Da es sich hier um einen Film handelt, muss beachtet werden, dass es sich um eine als-ob- Welt handelt:

“Filme sind keinesweges bloss ‘technische Reproduktionen von natürlichen

Wahrnehmungen’, so wie oft gesagt wird. Sondern sie zeigen das, was sie zeigen, auf eine bestimmte Weise, mit bestimmten Mitteln und….in einer bestimmten Absicht.”32

Der Film Good Bye Lenin! fängt mit einem Rückblick an. Es handelt sich hier um einen 8-mm Amateurfilm.33 Die Schrift unter dem Amateurfilm lautet: “Unsere Datsche, Sommer ’78” und die 8-mm Aufnahmen werden von einer Off-Stimme des Vaters mit der Aussage: “Guckt mal her-hier in die Kamera!” unterlegt. Der Zuschauer wird auf diese Art und Weise mit der privaten Welt der Familie Kerner, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Kindern bekannt gemacht. Diese privaten Aufnahmen wirken auf den Zuschauer harmonisch, da die Kinder spielen und lachen. Die übermittelten Bilder werden von frohen, doch körnigen Farben unterstützt. Hier muss auch beachtet werden, dass es sich nicht um eine kollektive Erinnerung, sondern um eine private Erinnerung von Alex handelt.34

Wie schon erwähnt, sind die privaten Aufnahmen in einer Datsche aufgenommen worden. Die Datsche war in der DDR ein Sommerhaus mit einem Garten, in dem man mit der Familie Urlaub machte und war deswegen ein wichtiger Teil der Freizeit:

“Urlaub ganz privat - das konnte aber auch ein Sommer im Garten sein. Viele

Familien hatten sich ihr Gartenhäuschen so ausgebaut, dass man bequem den ganzen Sommer über mit der Familie hier leben konnte.”35

Diese Szene in der Datsche scheint dem Zuschauer ein idyllisches Bild der DDR zu

übermitteln. Doch die folgende Szene zeigtein ganz anderes Bild der DDR, indem im Film zwei ganz normal gekleidete Männer, sie tragen keine Uniform, Christiane nach der

32 Faulstich, Werner (1976). Einführung in die Filmanalyse. Literaturwissenschaft im Grundstudium. Tübingen:

Gunter Narr. S.23

33

Monaco, James (2007). Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Rowohlt. S. 112

34 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <10-12-2007>

(15)

Republikflucht ihres Mannes fragen. Diese Männer scheinen von der Stasi zu sein und machen dies auch deutlich, indem sie Wendungen wie ‘kapitalistisches Ausland’ und ‘Westkontakte ihres Mannes’ benutzen.36

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte als Aufgabe, die Bürger und

Bürgerinnen aus der DDR zu kontrollieren und zu überwachen. Vor allem Kontakte der DDR-Bürger mit dem ‘kapitalistischem Ausland’ wurden stark von der Stasi überwacht. In den 80er Jahren wurden alle Bereichen überwacht, sowohl von offiziellen Mitarbeitern, wie auch von inoffiziellen Mitarbeitern (IMs).37 Im Film wird zwar keine Gewalt gegen Frau Kerner ausgeübt, doch die beiden Stasimitarbeitern versuchen sie emotional einzuschüchtern, indem sie nach ihrer Ehe und ihrem Mann fragen.

Damit wird eine erste negative Seite der DDR dargestellt und die Macht und Kontrolle der Stasi wird während der Demonstration am 7. Oktober 1989 sogar noch deutlicher. Der mittlerweile erwachsen gewordene Alex läuft in dieser Demonstration mit.38

Am Anfang wirkt die Atmosphäre ganz normal und angenehm, doch die Situation ändert sich. Die Atmosphäre wirkt bedrückend und beängstigend. Aus der Ferne und der Totalen wird die Demonstration von oben gefilmt, der Zuschauer sieht Demonstranten, die von Volkspolizisten verprügelt werden. Schreiende Stimmen und Sirenen unterstützen die bedrohliche Situation. Auch in dieser Szene verprügeln ganz normal gekleidete Männer die Demonstranten und auch in der Realität wurden Demonstranten kontrolliert und verprügelt.

Aus der subjektiven Kamera, also aus Alex’ Perspektive sieht man Christiane mitten auf der Straβe stehen, die Mutter sieht wie ihr Sohn festgenommen wird. Christiane kippt um, aber Alex bekommt keine Chance seiner Mutter zu helfen und wird brutal auf die Ladenfläche eines LKWs geschmissen und verprügelt.

Das Stasigefängnis sieht nicht angenehm aus, weil das Gefängnis schmal wirkt. Die Verhafteten stehen in Reihen und haben die Hände im Nacken, was diese Szene gespentisch und beängstigend wirken lässt. Das blaue Auge von Alex sagt mehr als tausend Worte, weil die Stasi alles tat, um ihre Bürger und Bürgerinnen zu ‘beschützen’, besser gesagt gegen die ‘faschistische’ Welt zu unterdrücken. Wolle umschreibt die Realität der DDR so:

“Auf der einen Seite steht die DDR als Paradies der menschlichen Wärme, der

Nachbarschaftshilfe und Kollegialität am Arbeitsplatz, der garantierten Krippenplätze und der ungehinderten Berufstätigkeit der Frau. Auf der anderen Seite steht die publizistische Darstellung von Stasi, Unterdrückung, Mauer und Stacheldraht als die prägenden Faktoren des ostdeutschen Staatswesens.”39

Die Ohnmacht von Christiane und deren Koma scheint Alex keine andere Wahl zu lassen als die alte DDR nach der Wende in der Wohnung auf 79 Quadratmeter im ‘Orginalzustand’ weiterleben zu lassen. Für Alex ist das keine leichte Aufgabe, doch dies bietet dem Zuschauer einen Einblick in den Alltag der DDR.

Die Familie Kerner wohnt vor und nach dem Fall der Mauer in einer

(16)

Bücherschrank gestellt, genau wie das Perestojka-Buch von Gorbatschow.40 Diese Sachen geben dem Zuschauer einen kleinen Einblick in das DDR-Leben. Der Freund von Ariane streitet sich mit Alex und als Zuschauer erfährt man wieder etwas über die DDR:

Rainer: Entschuldigung, ich zahl hier ja die Miete, ja? Und zwar seit fünf Monaten! Alex: Groβzügig, Rainer.

Rainer: Übrigens für die ganze Wohnung.

Alex: 47 Mark 80. Dafür kannste im Westen noch nicht mal’ne Telefonrechnung bezahlen.

Rainer: Dafür kannst dus im Osten zehn Jahre auf einem Telefonanschluss warten.41

In der Realität konnte man tatsächlich billig wohnen, aber meistens muβte man lang auf einem Telefonanschluβ warten und Sachen selber reparieren, die kaputt waren.

Die Wende bringt viele Veränderungen. Alex macht seine ‘ersten kulturellen Entdeckungen in einem neuen Land’. Pornos und Peepshows scheinen für Alex und die anderen Menschen ganz neu zu sein, da sie alle voller Bewunderung auf den Schirm schauen. In der Realität waren Pornos und Peepshows, und auch der Straβenstrich in der DDR

verboten. Trotzdem wurd in der DDR früh geliebt und geheiratet. Die meisten Frauen bekamen ihr erstes Kind im Alter von 25 Jahren. Ariane ist auch knapp 22 Jahren alt und hat schon ihr erstes Kind.

Die DDR-Produkte spielen im Film eine bedeutende Rolle. Nach der Wende scheinen die leeren Regale der Vergangenheit anzugehören. Sowohl in der Realität als auch im Film hat der Kunde eine Riesenauswahl an westlichen Produkten. Moccafix Gold Kaffee, Filinchen Knäcke und Spreewaldgurken findet Alex nicht mehr in den Regalen. Stattdessen kauft er die Westprodukte und sucht im Müll nach alten Flaschen und Gläsern, in die er die Westprodukte umfüllt. Die Gurken aus dem ‘westlichen Paradies’ sind nicht aus Moskau, wie das Etiket behauptet, sondern aus Holland. Alex spielt das Spiel weiter, indem er aus den

Hollandgurken, Spreewaldgurken macht. Frisches Gemüse und Obst waren in der DDR rar. Im Krankenhaus gibt es dagegen eine Schale mit Bananen und Trauben. Und während Alex im Müll nach Spreewaldgurken- Gläsern sucht, kommt Herr Ganske mit einer Tüte voll Orangen und Banane vorbei.

In der DDR hingegen gab es einen Mangel an frischen Produkten und man musste auch lange auf einen Trabant warten. Dies wird im Film auch deutlich gemacht, indem die Mutter überrascht auf die Nachricht aus Zwickau reagiert:

Alex: Na gut. Es sollte eigentlich eine Überrasschung werden, aber….wir haben ‘ne Benachrichtigung bekommen. Aus Zwickau. Wir können unseren Trabant abholen. Mutter: Schon? Nach drei Jahren?42

Die DDR-Produkte sind sehr wichtig für die Erzählung, weil sie die Authenzität des Films sichern:

“Produkte wie Mocca Fix Gold, Tempo Bohnen usw haben als Funktion um einerseits die verschwundene Alltagskultur zu thematisieren und anderseits wird das Vergessen von einstiger Werte und Lebenseinstellungen thematisiert.” 43

40 Töteberg, Michael (hrsg.) (2003). Good bye Lenin! Ein Film von Wolfgang Becker. Berlin: Schwarzkopf &

Schwarzkopf. S. 49

41

Ebenda, S. 47

42 Ebenda, S. 58

(17)

Die Westprodukten scheinen für die Authentizität eine Bedrohung zu werden. Werbeplakate aus dem Westen, Möbel, Fernsehen, Lebensmittel und Kleider werden als Störungen der Gegenwart empfunden. Am deutlichsten wird diese Bedrohung während der Geburtstagsfeier der Mutter, bei der Christiane zwar DDR-Produkte wie Mokkafix Gold, Globus Grüne Erbsen und Rosenthaler Kadarka geschenkt bekommt, aber dann plötzlich drauβen an einem

Plattenbau ein riesiges Werbeplakat für Coca-Cola sieht. Die Gegenwart ist auf diese Art und Weise eine Störung und eine Einmischung im DDR-Schlafzimmer.44

In der Realität wollten die Menschen gerne Produkte aus dem Westen haben. Viele kauften ihre Westprodukte in sogenannten Intershops, Delikat- und Exquistläden. Annette Kaminsky beschreibt, wie wichtig die Westprodukten für die DDR-Bevölkerung waren:

“Nicht nur der Besitz, Ver-und Gebrauch dieser Waren hatte Wert, auch die leeren Verpackungen, die davon zeugten, dass ihr Besitzer irgendwa einmal im Besitz von Westwaren, wenn nicht gar Westgeld gewesen war, wurden zu Prestigeobjekten. Die Küchen, Badezimmer und Wohnstuben in der DDR waren vielerorts mit leeren Seifenverpackungen und Kaffeedosen geschmückt, in die DDR-Kaffee gefüllt wurde, um die Besucher glauben zu machen, man trinke “Westkaffee”. Bunte Plastikbeutel mit Werbung für westdeutsche Ketten oder Produkte symbolisierten die Privilegierung ihrer Besitzer.”45

Da die Mutter nicht erfahren darf, dass die Mauer gefallen ist, haben Alex, Ariane, Rainer und alle anderen keine andere Wahl, als sich wieder DDR-Kleidung anzuziehen. Sogar die kleine Tochter von Ariane, Paula, wird in Windeln aus Plastik gesteckt. Farbenfrohe Kleidung, was zum Beispiel Frau Schäfer kurz nach der Wende trägt, wird von alter, grauer Kleidung ersetzt.

Schon am Anfang des Filmes wird, vor dem Fall der Mauer, wird deutlich, dass es mit der Kleidung einigen Ärger gab. Christiane und die Nachbarin Hanna Schäfer schreiben Eingaben an den Staat. In diesen Eingaben stehen Beschwerden über die Kleidung. Wahrscheinlich ist das Schreiben dieser Eingaben für Christiane eine Notwendigkeit, um weiter an ihr Traumbild glauben zu können. Der Zuschauer erhält druch diese Eingaben Informationen über die Bürger und Bürgerinnen der DDR. ‘Junge Eisprinzessinnen und exquisit schlanke Genossinnen’ sollen offenbar das Idealbild für die DDR sein und die

Aufmerksamkeit auf die ‘echten’ Arbeiter und Bauern scheint nicht da zu sein. Christiane und Frau Schäfer scheinen mit ihren Eingaben zeigen zu wollen, dass es nicht leicht war, in der DDR zu leben, obwohl vom Staat das Gegenteil behauptet wurde. Christiane macht sich mit ihren Eingaben über den Staat lustig, indem sie die Regeln der Partei lächerlich macht. In Wirklichkeit war die Kleidung aus der DDR hässlich und meistens wurden von einem Entwurf Tausende Stück gemacht.

44

https://bora.uib.no/bitstream/1956/2043/1/Masteroppgave_Wang_Fjoertoft.pdf, <11-01-2008>

45Kaminsky, Annette (2001). Wohlstand, Schönheit, Glück. Kleine Konsumgeschichte der DDR. München:Beck.

(18)

2.3 Schlussfolgerung

Die filmische Als-Ob-Welt entspricht der realgeschichtlichen Situation in der Ex-DDR. Es gibt eine realistische Darstellung der Komödie, die allerdings eine Geschichte erzählt, die so nie Realität geworden ist.

3.

Wie waren die Reaktionen auf den Fall der Mauer am 9.

November 1989 und in der Zeit danach?

(19)

In der Nacht des 9. November auf dem 10. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Die Stimmung der DDR-Bevölkerung war euphorisch, es herrschte gleichzeitig Chaos und Zufriedenheit. Der Slogan „Wir sind das Volk“ machte für „Wir sind ein Volk“ Platz. Willy Brandt schien dies zu bestätigen, indem er am Abend des 10. November 1989 im Rathaus Schöneberg sagt: “Jetzt, wächst zusammen, was zusammengehört.” Er meinte mit dieser Aussage, dass die beiden deutschen Staaten eine neue Beziehung aufbauen konnten.

Tatsächlich wuchsen die beiden deutschen Staaten zusammen; am 3. Oktober 1989 findet die Wiedervereinigung der beiden Staaten statt. Die DDR tritt freiwillig zum

Gesellschaft-, Wirtschafts- und Rechtssystem der BRD bei. Hier fällt auf, dass es sich um einen Beitritt der DDR und nicht um einen Beitritt der BRD handelte. Der Politiker Wolfgang Schäuble beschrieb diesen Beitritt wie folgt.

“Es handelt sich um einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, nicht um die umgekehrte Veranstaltung. Wir haben ein gutes Grundgesetz, das sich bewährt hat. Wir tun alles für Euch. Ihr seid willkommen. Wir sollten nicht kaltschnäuzig über Eure Wünsche und Interessen hinweggehen. Aber hier findet nicht die Vereinigung zweier gleichberechtigten Ausgangspositionen an. Es gibt das Grundgesetz, und es gibt die Bundesrepublik Deutschland. Laβt uns von der Voraussetzung ausgehen, daβ ihr 40 Jahre lang von beiden ausgeschlossen war. Jetzt habt Ihr einen Anspruch auf Teilnahme, und wir nehmen darauf Rücksicht.”46

Nach der Wende änderte sich vieles, vor allem im Osten. Frits Boterman bezeichnet die Geschehnisse im Jahre 1989 nicht nur als eine „Wende“, sondern auch als einen

„Zusammenbruch.“47 Die Stimmung war kurz nach der Wende euphorisch und man freute sich auf die Änderungen, aber die Stimmung unter der Bevölkerung schlug nach einer Weile um.

„De euforie van 1989-1990 heeft bij velen plaats gemaakt voor gevoelens van teleurstelling, angst en depressie […] De beide Duitslanden waren na veertig jaar scheiding in velerlei opzicht volledig uit elkaar gegroeid.“48

Nach der Wende muβten sich nicht nur die Elterngeneration ein total anderes

gesellschaftliches System anpassen, sondern auch die Jugendlichen. Der Übergang zu einem neuen gesellschaftlichen System hatte zu Folge, dass sich auch die soziale Umwelt der

Jugendlichen, dass Mikrosystem komplett veränderte.49 Karin Fobe beschreibt der Einfluss der Wende für die Jugendlichen.

„Die Lebensweltbereiche der Jugendlichen, die bisher gesetzt waren, wurden mehr oder weniger entwertet. Dies zwingt die Jugendlichen zu einer Neubestimmung ihrer Lebenssituation und ihrer Lebensziele.“50

Nicht nur die Jugendlichen wurden zu einer ‚Neubestimmung ihrer Lebenssituation und ihrer Lebensziele’ gezwungen, sondern auch ihre Eltern.

46

Mählert, Ulrich (1998). Kleine Geschichte der DDR. München: Beck. S. 131

47 Boterman, Frits (1996). Moderne geschiedenis van Duitsland 1800-1990. Amsterdam: Uitgeverij de

Arbeiderspers. S. 513

48

Ebenda, S. 518

49

Fobe, Karin (1994). “Wende” im Osten Deutschlands-gewendete Jugend? Zum Wandel der Lebensentwürfe DDR-Jugendlicher vor, während und nach der “Wende”. Leipzig: Zarof. S. 4

(20)

Die Jugendlichen und Erwachsenen sehnten sich vor und nach der Wende nach

‚Freiheit’ und ‚Wohlstand’ in vielen Bereichen. Die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung schien groβ zu sein, weil sie neue Chancen zu bieten schien. Hans-Joachim Veen fasst dies folgendermaβen zusammen:

“Mit der Einheit verband sich bei den jungen Ostdeutschen der Gewinn von Freiheiten, Bürgerrechten und Konsummöglichkeiten, mit anderen Worten die Befreiung von Herrschafts- und Kontrollapparat des SED-Regimes.”51

Freiheit spielte für die Ostdeutschen vor und nach der Wende eine bedeutende Rolle, weil weil es vor der Wende ‚Freizeitsberaubungen’ gab. Im Jahre 1989 gab es eine

„Freizeitsberaubung durch mangelnden Reisemöglichkeiten, Versorgungsengpässe und politische Bevormundung.“52 Die Sehnsucht nach Demokratie und Freiheit war also sehr ausgeprägt, doch die Wirklichkeit schien die Wünsche nicht erfüllen zu können. Nach Wende und Wiedervereinung gab es eine neu „Freizeitsberaubung durch Lehrstellenmangel,

Arbeitslosigkeit und Machtlosigkeit.“53

Vor allem die Arbeitslosigkeit, Gewalt und andere Unsicherheiten über die Zukunft machten sowohl der älteren als auch der jüngeren Generation Angst. Die Jugendlichen aus dem Osten hatten sehr viel Angst, arbeitslos zu werden, da die Situation auf dem

Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern nicht besonders positiv für sie aussah. Dreiviertel der ostdeutschen Jugendlichen bezeichnete zwischen 1989 und 1991 die Wirtschaftslage im Osten als ‚schlecht’ oder ‚ sehr schlecht’. Dennoch die Grundstimmung der ostdeutschen Jugendlichen über die wirtschaftlichen Entwicklungen war postiv.54

Unter der älteren Generation ist der Skepsis und die Enttäuschung nach der Wende und der Wiedervereinigung hoch. Skepsis und Enttäuschung haben vor allem mit der Steigerung der Arbeitslosigkeit zu tun. Heutzutage sind ca. 20 Prozent der Bevölkerung in Ostdeutschland arbeitslos. Zwar hat sich die die wirtschaftliche Lage schon gebessert, doch die Arbeitslosigkeit ist noch immer höher als in den alten Bundesländern.55

Nach der Wende wurden viele Betriebe geschlossen, weil diese der Marktwirtschaft und deren Konkurrenz nicht gewachsen waren. Die sogenannten ‚Helden der Arbeit’ wurden arbeitslos. Arbeit spielte in der Staatsideologie der DDR eine wichtige Rolle und jeder hatte ein Recht auf Arbeit. Arbeitslosigkeit gab es nicht, Arbeitslosengeld war unnötig. Erst nach der Wende erfuhr man was Arbeitslosigkeit bedeutet und was Arbeitslosengeld ist.

Für die ältere Generation scheint das Finden ihres Weges nach Wende schwieriger zu sein als für die Jugendlichen. Hier soll auch bemerkt werden, dass es für Jugendliche leichter ist, einen neuen Job zu finden und eine neue Existenz, eine neue Identität aufzubauen. Die ältere Generation hat 40 Jahre lang in einem System gelebt, in deren Werte, Normen und Sicherheiten wie Arbeit, Kinderkrippen usw. sie kannten. Plötzlich war alles anders geworden.

Aus den Untersuchungen zur deutsch-deutsch Einheit läβt sich feststellen, dass überwiegend Frauen Angst vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der

Wiedervereinigung hatten. Die Skepsis unter den Frauen basiert auf der Tatsache, dass mehrheitlich Frauen nach der Wende arbeitslos wurden. Auch heutzutage sind die Frauen

51

Veen, Hans-Joachim (1994). Eine Jugend in Deutschland? Orientierungen und Verhaltensweisen der Jugend in Ost und West.Opladen: Leske + budrich. S.75

52 Fobe, S. 15 53 Ebenda 54

Veen, Hans-Joachim (1994). Eine Jugend in Deutschland? Orientierungen und Verhaltensweisen der Jugend in Ost und West.Opladen: Leske + budrich. (Hille)

55 Boterman & Melching (1996). De duitse Phoenix. De geschiedenis van Duitsland in de twintigste eeuw.

(21)

unzufriedener mit ihrer Lage als die Männer. Dennoch muss gesagt werden, dass allgemeine Stimmungslage der Jugendlichen positiv ist- trotz der „Sorge vor Arbeitslosigkeit,

Besorgnisse[n] vor der Zukunft und Skepsis gegenüber den für sie neuen Institutionen und Systemstrukturen.“56

3.

Wie waren die Reaktionen auf den Fall der Berliner

Mauer am 9. November 1989 und in der Zeit danach?

3.2 Im Film Good Bye Lenin!

3.2.1 Wie sind die Reaktionen der Älteren auf den Fall der Mauer?

Im Film werden die Archivbilder der Aktuellen Kamera gezeigt, die dem “Abgang des werten Genossen Erich Honecker, Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik” zeigen. Kurze Zeit später wird die Berliner Mauer fallen.

Archivbilder mit Schlagzeilen aus Zeitungen in verschieden Sprachen zeigen dem Zuschauer, dass die Berliner Mauer gefallen ist. Diese Zeitungsbilder werden mit einer Off-Stimme mit den Worten “Heute Abend ist die Mauer gefallen” kommentiert. Die Archivbilder zeigen Menschen, die vor Freude schreien, Teile der Mauer werden abgerissen. Die

Stimmung ist ausgelassen.

Doch nicht jeder im Film scheint mit dem Fall der Mauer und deren Veränderungen klarzukommen. Herr Klapprath ist ein Mann von etwa 55 Jahren alt. Er war einst der

ehemaligen Schulleiter der ‘POS Werner Seelenbinder’. Den Zuschauern wird deutlich, dass Herr Klapprath offensichtlich nicht mit der Wende zurechtkommt. Seine Wohnung und deren Einrichtung stellen die Gefühlslage von Herrn Klapprath symbolisch dar. Die Wohnung ist

(22)

dunkel und verstaubt. Klapprath wirkt verwirrt, auf dem Tisch stehen halbleere Flaschen Alkohol und in der Wohnung sind sehr viele Bücher zu sehen. Er scheint betrunken zu sein und Alex und Klapprath unterhalten sich über früher:

Klapprath: Wir waren alle wertvolle Menschen. Nicht wahr, Alex? Ich hab deine Mutter bewundert. Sie war eine hervorragende Pädagogin. Und ein hervorragender Mensch.

Alex: Deshalb wurde sie auch kalt gestellt.57

Aus diesem Gespräch wird deutlich, dass Klapprath sich nach der Vergangenheit, also nach der DDR, sehnt. Er fühlt sich offensichtlich nicht mehr wertvoll. Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, dass auch er nach der Wende arbeitslos geworden ist. Wie erläutert war, vor allem die ältere Generation und Frauen waren nach der Wende von der Arbeitslosigkeit betroffen.

Die ältere Generation, der Herr Klapprath angehört, hält an der DDR fest und erinnert sich auch positiver an die DDR, da ihm die Gegenwart keine Möglichkeiten mehr zu bieten scheint. Viele Menschen waren in der DDR zwar nicht mit ihrer Situation zufrieden, doch die Vergangenheit der DDR scheint positiver bewertet zu werden als sie in der Realität gewesen ist, allein weil die Zukunftsperspektiven als weit schlechter empfunden werden als dies vorher vermutet wurde.

Alex und Herr Klapprath machen sich auf dem Weg zu der Geburtstagsfeier von Alex’ Mutter. Doch Herr Klapprath ist offensichtlich stark betrunken und flucht ständig ‘scheiβe’:

Klapprath: Schluck, auch einen Schluck? Alex: Ach du Scheiβe.

Klapprath: Scheiβe, ne? Scheiβe. Scheiβe, Mensch verdammte Scheiβe!58

Dies macht deutlich, dass Herr Klapprath sich durchaus ändern möchte, aber keine andere Wahl hat. Während in der Stadt alle feiern und schreien und sich auf die neue Zukunft freuen, ‘klingen aus dem Zimmer von Alex’ Mutter Klänge von gestern.’

Die Geburtstagsfeier scheint nicht nur für Herr Klapprath eine Gelegenheit zu bieten, in die Vergangenheit zu tauchen, sondern auch für die Nachbarn Herr Ganske, Frau Schäfer und Herr Mehlert. Die Nachbarn scheinen ihre Vergangenheit nicht vergessen zu können und möchten diese am liebsten auch gar nicht hinter sich lassen.59 Die Nachbarn haben die alte DDR- typische Kleidung wieder angezogen und so tun als sei nichts verändert. Herr Ganske äuβert sich folgendermaβen:

Herr Ganske: Liebe Genossein Kerner. Alles erdenklich Gute….und Gesundheit und dass alles wieder so wird, wie es mal war.60

Herr Ganske meint wahrscheinlich nicht die Gesundheit der Mutter, sondern die Vergangenheit, in deren seine Identität nicht in Frage gestellt wurde.61

57 Töteberg, Michael (hrsg.) (2003). Good bye Lenin! Ein Film von Wolfgang Becker.Berlin: Schwarzkopf &

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“De Wende zorgde voor een breuk in de levensbiografie van ouderen; door de ineenstorting van de DDR konden de bestaande sociaal-culturele en politieke structuren geen houvast meer bieden. De vragen 'wie ben ik?' en de daarmee

verbonden vraag 'wie ben ik geweest?', kwamen na de val van de Muur daarom voor veel ouderen op de voorgrond te staan.”62

Das Zimmer der Mutter bietet für die Nachbarn, Herr Klapprath die Möglichkeit, in die Vergangenheit zu flüchten und vor allem den Veränderungen nach der Wende zu entfliehen.63 Auf diesen 79 Quadratmetern scheint die Wende überhaupt nicht stattgefunden zu haben:

“Rechts und Links des Weges passieren so viele, so wichtige Dinge, doch an einem Ort kann man sich seine eigene Welt schaffen, eine Welt in die man sich zurückziehen kann, die einem Schutz bietet und zum Träumen veranlasst. 79 m² in einer

Plattenbausiedlung, ein Zufluchtsort an dem man noch alles unter Kontrolle hat, jedes einzelne Detail.”64

Obwohl sich Gegenwart und Vergangenheit zunehmend vermischen, scheint es noch immer eine Möglichkeit zu geben so zu tun, als habe man nichts von der Invasion der Coca- Cola mit bekommen oder aber man zieht wie Herr Klapprath einfach die Gardinen zu, dann braucht man auch nicht in die Zukunft zu schauen, oder man singt einfach wie Hanna Schäfer alte Lieder (Bau auf, Bau auf):

Herr Mehlert: Ja, was soll den das?

Klapprath: Ja, ich weiβ ja auch nicht, was die Genossen da wieder, also. Alex: Das ist….

Herr Ganske: Das ist….Das ist ja aus dem Westen. Alex: Das ist…..das ist….eh. Tja, das ist….

Frau Schäfer: Das spiegelt, das spiegelt sich doch.65

Herr Mehlert kommt mit einem Ost-Toaster zur Christiane. Sie scheint eine wichtige Person für die Nachbarn zu sein. Frau Schäfer freut sich darauf sich mit Christiane zu unterhalten, weil sie in diesen Gesprächen nicht mit dem Bild der DDR brechen muss und keine neue Identität entwickeln muss. Frau Schäfer lebt sozusagen in einer Welt voller Illusionen- genau wie Herr Ganske und Mehlert.66

Alex: Tag, Frau Schäfer.

Frau Schäfer: Ach, Alex, es ist so schön, sich mit deiner Mutter zu unterhalten. Man hat dann das Gefühl, es ist so wie früher […]67

62 http://www.duitslandweb.nl/dossiers/oost-duitsland/Verwerking/index.html, <28-02-2008> 63 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <22-02-2008> 64 http://www.ciao.de/Good_Bye_Lenin__Test_2580750, 22-02-2008 65

Töteberg, Michael. Good bye Lenin! S. 75

(24)

Im Gemeinschaftsraum des Hauses sitzen Frau Schäfer, Herr Mehlert und Herr Ganske zusammen am Tisch. Die Atmosphäre im Raum ist dunkel, langweilig, altmodisch,

bedrückend, farbenlos und vor allem ist der Raum noch im Originalzustand. Der Raum ist mit hässlichen Plastiktischdecken, einer Sprelacart Küchentheke, Zierkrügen und bedrucktem Geschirr ausgestattet. An der Wand hängen verstaubte Bilder von gemeinschaftlichen Aktionen der Hausgemeinschaft wie ‘Flurrenovierung 1984’, ‘Vorgartenverschönerung 1986’, ‘Verleihung Goldene Hausnummer 1987’.68

Hier scheint sich also nicht viel geändert zu haben. Genau wie die 79 Quadratmeter in der Wohnung der Kerners, bietet der Gemeinschaftsraum, alles von der Bundesrepublik abzulehnen. Die Nachbarn müssen sich nicht ständig mit der Zukunft auseinandersetzen.69 Die ältere Generation scheint die Wende überhaupt nicht positiv zu bewerten oder diese als neuen Startpunkt zu begreifen, stattdessen beklagen sie sich:

Herr Mehlert: Jetzt haben sie meine Tochter auch entlassen. Von einen Tag auf den anderen. Danke., Wiedersehen.

Frau Schäfer: Oh Gott, oh Gott, oh Gott.

Herr Ganske: Und dafür haben wir 40 Jahre…, ach, hört doch bloβ auf. Das Fernsehballett wollen sie jetzt abwickeln.

Herr Mehlert: Du hängst wohl nur noch vor der Glotze herum.70

Die Nachbarn finden es “beneidenswert”, dass Christiane nichts von der Wende

mitbekommen hat. Im Gegensatz zum Film, wird die Stimmung direkt nach der Wende im Jahre 1989 als sehr positiv bewertet. Hans-Joachim Maaz hat dies wie folgt zusammengefasst:

“Der Fall der Mauer war der emotionale Höhepunkt der Entladung, ein kathartischer Durchbruch des Unbewuβten: Die Menschen weinten und lachten, trunken vor Extase, taumelten sie sich in die Arme, alle deutsche Scheu, Vorsicht, Distanz,

Zwanghaftigkeit und Kontrollsucht in einem Rausch der schmerzlichen Freude wegschwemmend.” 71

Diese Euphorie wich nach einer Weile der “allgemeine[n] Hektik und Dysphorie.”72 Angst spielt hier eine wichtige Rolle. Viele Menschen hatten Angst wegen des drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes. In der DDR gab es viele Sicherheiten wie Recht auf Arbeit, soziale

Absicherung, niedrige Mieten, materielle Sicherheit, hinreichendes Einkommen, Sicherheiten, die nach 1989 keinen Bestand mehr hatten.73

Viele Menschen, vor allem Frauen, verloren ihren Job nach der Wende- die Ursachen sind in den schnellen Privatisierungen der Betrieben und dem Zustand der Betriebe zu suchen- die Maschinen waren verschlissen und es war schwierig neue Betriebe zu gründen. Die

Wirtschaftslage der DDR erwies sich nach der Wende als dramatisch, sie war der Markwirtschaft nicht gewachsen.

Die ältere Generation wurde sehr hart von der Arbeitslosigkeit getroffen. Im ‘Arbeiter- und Bauernstaat’ wurden Arbeiter hoch geschätzt. Vor allem unter den Älteren herrschte nach der Wende ein Gefühl des Scheiterns und das Gefühl, sozial degradiert zu werden. Auffällig 68 Ebenda, S. 66 69 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <15-02-2008> 70 Töteberg, S. 66 71

Maaz, Hans-Joachim (1990). Der Gefülsstau. Ein Psychogramm der DDR. Berlin: Argon Verlag GmbH. S. 152

(25)

unter den Älteren ist der hohe Alkoholkonsum schon- Herr Klapprath trinkt regelmäβig und auch die Nachbarn Jehnen schlagen ein Glas Alkohol nicht ab. Allerdings wurde in der DDR schon vor der Wende viel Alkohol konsumiert und es war also “kein Wunder das der

Alkoholkonsum in der DDR an eine ‘internationale Spitzenposition’ stand.”74

“So tranken DDR-Bürger 1960 4, 1 Liter, 1989 10,9 Liter reinen Alkohol.

Umgerechnet in handelsübliche Alkoholsorten nahmen sie durchschnittlich 146 Liter Bier und 15, 5 Liter Schnaps in einem Jahr zu sich und hatten hier tatsächlich die Weltspitze erreicht.”75

Herr Ganske bereitet die Wende die gröβte Mühe; sein Lebensgefühl scheint sich nach der Wende drastisch verringert zu haben. Herr Ganske hadert mit dem Verlust seines

gesellschaftlichen Status’.76

Alex: Tag, Herr Gankse

Herr Gankse (laut): So weit haben die uns schon. Dass wir im Müll rumfischen müssen.

Alex: Herr Ganske, haben Sie vielleicht noch Spreewaldgurken? Herr Ganke: Was?

Alex: Spreewaldgurken!

Herr Ganske: Tut mir leid, junger Mann. Ich bin selbst arbeitslos. Alex: ein leeres Glas würde es auch tun!77

Herr Ganske empfindet das Ende der DDR als eine persönliche Niederlage, er sehnt sich nach der Vergangenheit.78 “Allerdings bröckelt auch hier das einstigste Solidaritätsgefühl […] So weit ist es mit uns gekommen […]Erst kommt das Fressen, dann die Moral.”79

Herr Ganske: So weit haben die uns schon! Alex : Schönen Abend Herr Ganske

[..]

Herr Gankse: Die haben uns verraten und verkauft. Und dafür haben wir 40 Jahre…. [..]

Herr Ganske: Verraten und verkauft….80

Herr Ganske fühlt sich desorientiert und weiβ nicht wie er mit der neuen Situation umgehen soll- er muss nun für sich selbst kämpfen. Hans-Joachim Maaz sagt folgendes dazu:

“Vierzig Jahre lang galt unter der Diktatur der Bann: Sei angepaβt, ordne dich unter und du wirst versorgt! Und jetzt heiβt die Nötigung: Kümmere dich selbst um deine Belange, sonst muβt du sehen,wo du bleibst!”81

74

Kaminsky, Annette (2001). Wohlstand, Schönheit, Glück. Kleine Konsumgeschichte der DDR. München: Beck. S. 135

75 Ebenda 76

Kaupp, Christina Moles (2003) Good Bye, Lenin! Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S. 10

77

Töteberg, Michael (hrsg.) (2003) Good bye Lenin! Ein Film von Wolfgang Becker.Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf. S. 56

78 Kaupp, Christina Moles (2003) Good Bye, Lenin! Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S. 10 79

Ebenda

80

Töteberg, Michael. Good bye Lenin! S. 80

81 Maaz, Hans-Joachim (1990). Der Gefülsstau. Ein Psychogramm der DDR. Berlin: Argon Verlag GmbH. S.

(26)

3.2.2 Wie sind die Reaktionen der jüngeren Generation auf den Fall der Mauer?

Im Gegensatz zur älteren Generation scheint die Jugend wie zum Beispiel Ariane weniger Probleme mit der Wende zu haben. Sie sind optimistischer und “erlernen das ABC des Kapitalismus schnell.”82

Alex’ Schwester Ariane ist eine junge alleinerziehende Mutter. Nach der Wende bricht sie ihr Studium der Wirtschaftstheorie ab. Hier soll bemerkt werden, dass ihr am

sozialistischen Weltbild orientiertes Studium nach der Wende im Westen keinen Wert mehr hatte. Aus diesem Grunde hat Ariane vermutlich keine andere Wahl als bei ‘Burger King’ zu arbeiten. Für Ariane scheinen vor allem ihre “finanzielle und emotionale Sicherheit” im Vordergrund zu stehen.83

Ariane scheint keine Probleme damit zu haben in eine neue Traumwelt einzutauchen. Ariane wechselt aus der alten DDR-Kleidung in die neue Westkleidung. Sie ist eine

“praktisch denkende, lebenslustige Person, die die DDR-Vergangenheit möglichst schnell vergessen will und dem Konsumrausch verfällt.”84

Der Wechsel der Kleidung kann symbolisch als das Austauschen des DDR-Systems gegen das BRD-Systems gesehen werden. Ariane scheint so schnell wie möglich ihre Erinnerungen an die DDR vergessen zu wollen. Sie ist auch die erste, die die Wohnung ‘verwestlicht’ und sich mit den westlichen Freizeitbeschäftigungen auseinandersetzt. Es scheint ihr leicht zu fallen, ihr Ostleben an die Normen und Werte des Westen anzupassen. Ariane ist noch jung und für sie ist es wahrscheinlich leichter mit ihrer Vergangenheit zu brechen und die Chancen zu nutzen, eine neue Zukunft, eine neue Identität aufzubauen und zu entwickeln.85

Wie schon gesagt, wurden viele Betriebe nach der Wende angesichts der mangelnden Konkurrenzfähigkeit geschlossen. Die Arbeiter wurden auf einmal arbeitslos.

Ihr Schlaf ignorierte wie Helden der Arbeit arbeitslos wurden. Die PGH

Fernsehreparatur “Adold Hennecke” wurde abgewickelt. Ich war der Letzte und machte das Licht aus.86

Alex war einst ein Held der Arbeit und findet nun nach der Wende einen neuen Job bei der westlichen Firma X-TV. Auch der Film bestätigt, dass es für jüngere Menschen leichter war, nach der Wende einen neuen Job zu bekommen. Alex scheint mit der neuen Situation gut klar zu kommen.

Der Wind der Veränderung blies in die Ruinen unserer Republik. Der Sommer kam und Berlin war der schönste Platz auf Erden. Alles war denkbar. Alles war möglich. Wir hatten das Gefühl im Mittelpunkt der Welt zu stehen. Dort, wo sich endlich etwas bewegte. Und wir bewegten uns mit.87

Alex freundet sich mit seinem neuen Kollegen Denis an, die beiden scheinen keine Probleme miteinander zu haben. Sie werden sogar Freunde und Dennis hilft Alex die DDR für die

82 Kaupp, Christina Moles (2003). Good Bye, Lenin! Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S. 10 83 Ebenda

84

Ebenda

85

http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <19-02-2008>

(27)

Mutter aufrecht zu halten. Hier wird also, dass allgemeine Bild vom arroganten Besserwessi in Frage gestellt.88

Dann kam der Aufschwung. Im schlagkräftigen Ost-West-Team praktizierte ich frühzeitig die Wiedervereinigung. Salittenschlüsseln lieβen unsere Landschaften erblühen.89

Das sich vieles nach der Wende geändert hat, wird im Film filmsprachlich im Sezen gesetzt. Alex und Denis sitzen in einem japanischer Kleintransporter und die Szene wird von einem Zeitraffer beschleunigt. Alex und Denis verkaufen Satellitenschüssel und ihre

Verkaufsmethoden sind aufdringlich. Die rasende Uhr auf dem Alexanderplatz ist ein Symbol für die schnellen und eingreifenden Veränderungen. Ruhe ist druch Hektik ersetzt worden: früher war Alex nicht so müde als er von der Arbeit kam.90 Genau wie die Nachbarn findet Alex im Zimmer der Mutter endlich seine Ruhe. Alex kommentiert aus dem Off:

Doch weit ab von der Hektik der neuen Zeit lag ein Ort der Stille, der Ruhe und der Beschaulichkeit, in dem ich mich endlich mal ausschlafen konnte.91

Nach der Wende gibt es die ersten freien Wahlen in Deutschland, die Menschen rufen ‘Helmut, Helmut’. Diese Jubelschreie machen rasch Platz für die Jubelschreie ‘Mark, D-Mark’. Freiheit und Demokratie scheinen letzendlich keinen Wert zu haben, sondern vor allem das Geld, die Marktwirschaft zählt.92 Sogar die Jugend scheint keine Probleme damit zu haben, ‘een slaatje te slaan uit andermans leed.’ Dies wird deutlich, wenn Alex mit zwei Schülern der POS (polytechnische Oberschule) ‘Werner Seelenbinder’ diskutiert:

Alex: Habt ihr das jetzt wirklich verstanden? Ich will kein falsches Wort hören Schüler 1: Und wie ist das mit den 20 Mark?

Alex: Erst die Arbeit.93

Die zwei Schüler singen während der Geburtstagsfeier der Mutter das Lied ‘Unsere Heimat’, dass sie die Bedeutung des Lied überhaupt nicht kennen, scheint nicht von Bedeutung, Hauptsache man wird für das Singen bezahlt:

Mutter: Tja, Alex, ich hab einen netten Besuch bekommen. Das sind Frank und Christian aus meiner ehemaligen Klasse.

[….]

Alex: So und jetzt verschwindet und lasst euch hier nie mehr blicken! Christian: Und die 20 Mark?

Alex: Was für 20 Mark?

(28)

3.3 Schlussfolgerung

Sowohl in der Wirklichkeit als in der filmsche Als-Ob-Welt scheinen die Jugendlichen mit der Wende besser klarzukommen als ihre Eltern bzw. die Erwachsenen im Allgemeinen. Die Arbeit und deren Arbeitslosigkeit spielt bei beiden Generationen sowohl im Film als auch in der Wirklichkeit eine bedeutende Rolle und bestimmt die Stimmung auf die Zukunft.

(29)

4.

Ist der Film Good Bye Lenin! ein Ostalgiefilm, eine

Komödie oder eine Tragödie?

4.1 Begriffsbestimmung ‘Ostalgie’

Paß auf, Neuland

Du brauchst keinen rechten Weg

Du steckst, Neuland, mitten in der Pubertät Deine Unterschiede sind deine Qualität…….. Komm in die Gänge

Starte den Motor im Kopf

Kein Gleichschritt, keine Zwänge Pack das Schicksal am Schopf………. Halte durch, Haltung

Du bist nicht mehr getrennt Vergeude nicht dein Talent95

In den 70er und 80er Jahren sehnten sich die DDR Bürger nach dem ‘Paradies des Westens’. Das ‘Paradies des Westens’ war vor allem wegen seiner ‘Freiheit’, besserer Wohnungen, höherer Löhnen und den Konsumartikeln beliebt. Die Wende und die Wiedervereinigung erschienen daher als ein ‘Geschenk des Himmels’. Die ehemaligen DDR-Bürger mussten nun nicht mehr kontrolliert leben und konnten ihr Leben in Freiheit genieβen. Die Ostdeutschen nahmen an den ersten freien Wahlen teil und konnten nun frei reisen. Mit der Einführung der Sozial- und Währungsunion wurde die so ersehnte D-Mark zum Bezahlungsmittel.

Es stellte sich aber heraus, dass die Wende und die Wiedervereinigung nicht nur positive Seiten hatten. Viele Ostdeutschen, vor allem Frauen und die ältere Generation, wurden nach der Wende arbeitslos. Die Betreibe aus dem Osten waren der freien Marktwirtschaft und der Konkurrenz nicht gewachsen. Recht auf Arbeit und soziale

Sicherheit, die in der DDR selbstverständlich waren, waren auf einen Schlag verschwunden. Hans-Joachim Maaz beschreibt dies folgendermaβen:

“De gevangenis was onvoorbereid opengezet, en de mensen, die aan duisternis gewend waren, wankelden verblind en zonder oriëntatie het felle schijnsel van het kunstlicht binnen.”96

Die beiden Deutschlanden hatten 40 Jahren lang getrennt voneinander gelebt. In diesen 40 Jahren hatten sich zwei unterschiedliche Kulturen entwickelt. Planwirtschaft, soziale Sicherheit, Recht auf Arbeit und Ausbildung, Club Cola, niedrige Mieten, Mokka Fix Gold

95

http://www.groenemeyer.de/index.php?id=115, <18-03-2008>

96 Maaz, Hans-Joachim (1990). Der Gefülsstau. Ein Psychogramm der DDR. Berlin: Argon Verlag GmbH. S.

(30)

waren Begriffe, die zur ostdeutschen Kultur gehörten - freie Marktwirtschaft, Coca Cola, Sex-Shops, Demokratie, Burger King waren Symbole der westdeutschen Kultur.

Die Ostdeutschen wurden mit neuen Werten und Normen, Arbeitslosigkeit, dem Verschwinden der gewohnten Sender aus dem Radio, neuer Kleidung, Verlust des Eigentums, neuen Konsumartikeln, einem neuen politischen System, neuen Telefonvorwahlen,

Kennzeichnen und der Halbierung des Geldvermögens konfrontiert.97

“Darüber hinaus büßten die DDR-Bürger über Nacht ihre sozialen Kompetenzen ein, mussten sich an eine andere Etikette, andere Gesten gewöhnen. Sogar ihre Sprache, die im Westen nur scheinbar dieselbe war, mussten die Ostler neu lernen.”98

Das “Paradies des Westen’ wurde also zum ‘Paradies des Kultur- und Konsumschocks’. Der Anthropologe Dr. Kalervo Oberg hat in den 60er Jahren den Begriff Kulturshock als erster definiert:

“Kulturschock ist der unvermeidliche Prozess, den wir durchlaufen, wenn wir mit einer fremden Kultur in Kontakt kommen. Wir merken, dass unsere vertrauten

Maβstäbe und Verhaltensmuster nicht mehr gelten, dass unsere alltäglichen Strategien zur Bewältigung der Lebenssituation nicht mehr funktionieren, dass es in der fremden Kultur ein völlig anderes Wertesystem gibt, dass andere Regeln das Dasein

bestimmen”99

Darüber hinaus wurde nach der Volkskammerwahl die ehemalige DDR in den Medien als ein ‘Unrechtsstaat’, Stasi-Staat’, Überwachungsstaat’ dargestellt.100 Die Bezeichnung Stasi-Staat ist erscheint aber unangebracht, da “es die gesamte DDR auf die Stasi reduziert.”101 Die DDR war nicht nur ein Stasi-Staat.

Das Leben von den Ex- DDR Bürgern wurde als ‘wertlos’ und ‘misslungen’

dargestellt. Viele Ostdeutsche fühlen sich in dem neuen ‘Land’ nicht wohl, weil ihr Leben, das sie 40 Jahre lang in der DDR aufgebaut hatten, keine Relevanz mehr hatte. Es entstanden viele Kommunikationsprobleme zwischen Ost- und Westdeutschen, weil man in der alten Bundesrepublik erwartete, dass Ostdeutsche einfach die Lebensweise der Westdeutschen übernehmen würden. Es entstand ein Kampf aufgrund der Mentalitätsunterschiede. Die Wende war zu schnell gekommen, niemand hatte die Chance und die Zeit bekommen, einander besser kennen zu lernen. Es war für die Ostdeutschen nicht möglich, auf einmal 40 Jahre des Lebens der Westdeutschen einzuholen.102

Die Bedrohung der Identität hatte den Effekt, dass die ehemalige DDR für ihre Bürgern zum Abbild eines behüteten Lebens wurde. Die Vergangenheit trat wieder ins Bewusstsein und schien Sicherheit und Geborgenheit zu bieten, weil man sich im neuen ‘Vaterland’ orientierungslos fühlte. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit, in dem

‘Sicherheit und Geborgenheit’ keine Frage war, wurde bei den Ostdeutschen immer gröβer. Der Begriff Ostalgie wurde sozusagen aus Verzweiflung ‘geboren’:

97 http://images.zeit.de/text/2003/41/Einwanderer, <16-02-2008> 98 http://images.zeit.de/text/2003/41/Einwanderer, <16-02-2008> 99 http://www.aaa.uni-karlsruhe.de/download/IntDays_AISEC.pdf, <11-02-2008> 100

Kurz, Harald (1996). Die Wiedervereinigung im Spiegel der "Tagesthemen" Kommentare von 1988 bis 1992 : eine sprachwissenschaftliche Analyse. Frankfurt am Main: Lang. S. 98

101 Ebenda.

(31)

“Einige DDR-Lebensmittelmarken wie beispielsweise Vita-Cola, Club-Cola, Burger Knäckebrot und Röstfein Kaffe überlebten die Wende und wurden damit zu Ikonen der Ostalgie.”103

Im Duden Universalwörterbuch wird folgende Definition für den Begriff Ostalgie gegeben.

1. Os|tal|gie, die; - [geb. aus Ost[deutschland] u. →Nostalgie]:Sehnsucht nach

[bestimmten Lebensformen] der DDR.104

Wenn man die Defintion des Begriffes Ostalgie im Internet im Meyers Lexikon oder im

Brockhaus nachschlägt, wird folgende Definition gegeben:

Ostalgie die, auf den Dresdener Schauspieler und Kabarettisten Uwe Steimle (* 1963) zurückgehende Wortschöpfung, als von ihm gewählter Titel einer Fernsehsendung, die das DDR-Alltagsleben im satirischen Gestern-Heute-Vergleich betrachtete; Mitte der 1990er-Jahre besonders in den neuen Ländern populär geworden, seitdem auch journalistisch verwendet, um vermeintliche oder wirkliche Spezifika des heutigen Alltags in den neuen Ländern zu beschreiben, z. B. ein Kaufverhalten, das bewusst ostdeutsche, von ›früher‹ bekannte (Marken-)Produkte wählt.105

Der Begriff Ostalgie spielt bewusst auf den Begriff der Nostalgie an. Im Duden

Universalwörterbuch wird der Begriff Nostalgie wie folgt defininiert:

1. Nos|tal|gie, die; -, …ien <Pl. selten> [nlat. nostalgia = Heimweh, zu griech. nóstos = Rückkehr (in die Heimat) ...106

Im Meyers Lexikon und im Brockhaus online wird die Defintion Nostalgie wie folgt definiert:

Nostalgie [griechisch] die, sehnsüchtiges Verlangen nach einer vergangenen Zeit,

v. a. nach den darin vorgestellten Lebens- und Erfahrungsräumen.107

Schon in den 90er Jahren kamen die ersten Ostalgie-Partys auf. Diese Partys wurden von dem Thüringer Ralf Heckel organisiert und “wurden zur Grundlage eines Trends der neuen Zeit im Wechselspiel zwischen Identität, Humor und Selbstbewußtsein.”108 Das “Schwelgen in

Erinnerungen an die DDR”109 war allerdings nicht die primäre Intension Heckels:

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