• No results found

Mauer am 9. November 1989 und in der Zeit danach?

4. Ist der Film Good Bye Lenin! ein Ostalgiefilm, eine Komödie oder eine Tragödie?

4.2 Ostalgie im Film Good Bye Lenin! ?

“Ook de Ostalgie zelf is alweer het onderwerp van zelfspot geworden. In de rolprent Goodbye Lenin! (2003) schetst regisseur Wolfgang Becker de moeizame overgang van Coca-Cola en markteconomie.”125

In den Medien wird der Film Good Bye Lenin! überwiegend als ein Film dargestellt, der sowohl den Ostdeutschen als auch den Westdeutschen die Möglichkeit böte, sich die ‘gute alte DDR’ genau anzuschauen und zu genieβen. Der Fernsehsender ZDF, der im Übrigen nach dem Erfolg des Films Good Bye Lenin! die erste Ostalgie-Show ausgestrahlt hat, gibt folgenden Kommentar zum Film:

“Ostalgiker werden auf ihre Kosten kommen, Wiedererkennungseffekte sind garantiert: sei es die geblümte Tapete im Schlafzimmer der Mutter oder die

Erinnerung an die eigene (meist gehasste) Pionierzeit, als man mit seinem Halstuch vor die Aktivisten treten und schaurige Heimatlieder singen musste.”126

Der Film wird nicht wie die Ostalgie-Shows auf Spreewaldgurken, Trabi und

Rotkäppchensekt reduziert. Doch gerade der “Wessi” Rainer, der Freund von Christiane, kauft sich einen Trabant und entwickelt auf diese Art und Weise eine Art von Ostalgie:

Ariane: Hast du nocht nichts gemerkt. Wir sind hier im sozialistischen Veteranenclub. Guten Abend.

Rainer: Guten Abend.

Ariane: Wie wäre es denn, wenn du Eintritt nimmst. He! Rainer: Genau, wir verlangen jetzt Eintritt.

Ariane: Na, du sei bloβ still! Der hat sich einen Trabbi gekauft.

123

Melching, Willem (2004). Van het socialisme, de dingen die voorbijgaan . S. 287

124

http://www.thueringen.de/imperia/md/content/lzt/ostalgie_internet.pdf, S. 66 <14-01-2008>

125 Melching, Willem. Van het socialisme, de dingen die voorbij gaan. S. 287

Alex: Echt?

Rainer: Einen Kombi.127

Ostalgie spielt im Film zwar eine Rolle, aber es geht um “ein differenzierteres Verständnis von Ostalgie.”128 Am Anfang des Films werden die negative Seiten der DDR nicht

ausgeblendet. Erstens wird Alex’ Mutter von zwei Stasi-Mitarbeitern nach der ‘Republikflucht’ ihres Mannes gefragt. Zweitens werden Alex und die anderen

Demonstranten von Stasi-Mitarbeitern verprügelt. Diese zwei Beispiele scheinen gar nichts mit dem Begriff Ostalgie zu tun zu haben, weil keiner der Ostdeutschen sich nach der SED, der Überwachung und dem Mangel an Konsumprodukten sehnt oder sich auch nur daran erinnern möchte, obwohl diese Aspekte ebenso einen Teil der DDR-Identität ausmachen.

Im Film ist Alex auf der Suche nach seiner Identität. In der Scheinwelt wird in der Vergangenheit getaucht, in der Erinnerungen und Geschichte eine wichtige Rolle spielen. Alex’Voice-Over hat den Effekt, dass der Zuschauer nichts anderes sieht als seine Erinnerung an die DDR. Diese inszenierte Vergangenheit von Alex gibt es allerdings nicht mehr. Die Identitätssuche von Alex wird von Erinnerungen und der Geschichte beeinflusst und wird deshalb analysiert. In dieser Hinsicht setzt sich der Film mit dem Begriff Ostalgie kritisch auseinander.129

“Ostalgie beendet eine Enteignung. Sie beharrt auf persönlicher Geschichte, auf unverkürzter Biografie. Den Doktrinen der Großhistorie ruft sie ein heiteres Aber zu. Dumm wird Ostalgie, wenn sie Ironie und Individualität verliert, wenn sie selber doktrinär wird, lügt und tüncht und Kollektiv-Identität behauptet, wo das

einzelmenschliche Gewissen sprechen musste.”130

(N)ostalgie ist wie man mit der Vergangenheit umgeht. Alex macht es möglich, die Erinnerung zuzulassen, weil aus den Ruïnen die Erinnerung aufersteht. Auf diese Art und Weise gibt es eine Neukodierung dessen, was zu der eigenen Identität gehört. Sowohl kollektive als auch individuelle Erinnerungen sind notwending, wenn eine gesamtdeutsche Identität Wirklichkeit werden soll.131 Ostalgie setzt sich also nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit der Gegenwart und der Zukunft auseinander.

“Irgendwie musste ich zugeben, dass sich mein Spiel verselbstständigte. Die DDR, die ich für meine Mutter schuf, wurde immer mehr die DDR, die ich mir vielleicht gewünscht hätte.”132

Nach Maurice Halbwachs sind Erinnerungen subjektiv. Es handelt sich bei Erinnerungen um Konstruktionen der Vergangenheit.133

“Die inszenierte Welt nimmt einen utopischen Karakter an, indem er von der reinen Rekonstruktion der Vergangenheit […..] zu der visionären Version einer wahrhaft sozialistischen DDR übergeht.”134

127 Töteberg, Michael (hrsg.) (2003). Good bye Lenin! Ein Film von Wolfgang Becker. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf. S. 88 128 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <21-12-2007> 129 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <21-12-2007> 130 http://images.zeit.de/text/2003/36/Ostalgie_<16-12-2007> 131 http://www.gfl-journal.de/1-2006/allan.pdf, <21-12-2007> 132

Töteberg, Michael. Good bye Lenin! S.104

133 Halbwachs, Maurice (1991). Het collectief geheugen. Leuven: Amersfoort: Acco. S. 7

Erinnerungen an die Vergangenheit werden von Menschen an ihren heutigen ‘Wirklichkeiten’ angepasst. Die Erinnerung an die DDR wird auf diese Art und Weise ein wenig romantisiert. Die Ostdeutschen, die zum Beispiel heutzutage arbeitslos sind, werden sich wahrscheinlich positiver an die DDR erinnern, als jene Ostdeutsche, die einen Job haben.

Im Film sind überwiegend die ältere Rollen des Herrn Ganske, Herrn Mehlert und der Frau Schäfer negativer eingestellt in Bezug auf die Wende als die Jüngeren wie Ariane und Rainer. Harald Welzer sagt folgendes zur Glaubwürdigkeit von Erinnerungen.

“Hinsichtlich der Authentizität bzw. vorsichtiger gesagt: der Realitätshaltigkeit von Erinnertem ist weiterhin einschränkend einerseits zu sagen, dass es lebensalter- und entwicklungsspezifisch unterschiedliche Dichten von Erinnerung gibt.”135

Obwohl der Film durch den Zuschauer durchaus als ostalgisch empfunden werden könnte, warnt Alex am Ende des Films den Zuschauer vor Ostalgie. Alex erinnert den Zuschauer daran, dass das Bild der DDR ein idealisiertes Wunschbild ist, dass nicht der Wirklichkeit entspricht. Alex weist den Zuschauer auf die Tatsache hin, dass die Ostalgie durch die unterschiedliche Erinnerungen, viele Gesichter hat:

Das Land, das meine Muter verlieβ, war ein Land, an das sie geglaubt hatte. Und das wir bis zu ihrer letzten Sekunde überleben lieβen. Ein Land, das es in Wirklichkeit nie so gegeben hat. [....] Ein Land, das in meiner Erinnerung immer mit meiner Mutter verbunden sein wird.136

.

135 Welzer, Harald (2002). Das kommunikative Gedächtnis: eine Theorie der Erinnerung: München: Beck. S. 42