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The handle http://hdl.handle.net/1887/49257 holds various files of this Leiden University dissertation
Author: Bötticher, A.
Title: Radikalismus und Extremismus: Konzeptualisierung und Differenzierung zweier umstrittener Begriffe in der deutschen Diskussion
Issue Date: 2017-05-24
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Soest, Anja 102 Solomon, Sheldon 411 Sprache
Alltag 20 Grenzen 17 Sprechhandlung 67 Staatsschutz 451 Stammen, Theo 58 Stenlund, Hans 90 Sternberger, Dolf 20, 299 Stöss, Richard 46, 237, 371 Stråth, Bo 302
Strauss, Gerhard 165 Strauß, Gerhard 102, 103 Strukturmerkmal 266 Suffragetten 128 Symbolwort 24, 214 Synonym 186 Tajfel, Henri 415 Terminologie 22 Terrorismus 45, 92
Kontextualisierung des, 80
Tertium Comparationis 267, 268, 270 Theorieansatz
Definition 58
induktiv, deduktiv 56 Thrift, Nigel 135 Tilch, Horst 217
Topitsch, Ernst 36, 67, 328, 329 Tversky, Amos 235
Unterscheidung
Begriffs- und Konzeptanalyse 20, 64
Extremismus, Radikalismus 40
Verfassungsschutz 149, 239, 240, 243, 339 Verfassungsschutzmentalität 438
Voegelin, Eric 336 Voerman, Gerrit 204 Von Beyme, Klaus 333 Wahrnehmung 16
Waldmann, Peter 140, 191, 227, 244, 322, 381 Walther, Rudolf 318, 319
Warg, Gunter 217, 339, 454 Watzlawick, Paul 347 Weidenfeld, Werner 206 Weltanschauungsanalyse
Ideologiekritik 36 Weltauffassung
Sprache und 67
Weltkongress der Kommunistischen Internationale 431
Wende, Peter 99, 102, 110, 121, 128 Wieland, Christoph Martin 336 Wilfried Schubarth 378
Wilms, Heinrich 430
Wintrobe, Ronald 43, 225, 323 Wissensvorsprung 156
Wittgenstein, Ludwig 17, 20 Wöhrle, Patrick 161, 183 Worpole, Ken 137 Wortbedeutung 95 Wortschatzbereich
Demokratie 426 Wortverständnis 180 Ziercke, Jörg 179
9 ERKLÄRUNG, STATEMENT, VERKLARING
Ich versichere: Es wurden allein die angegebenen Hilfsmittel genutzt.
I assure: Only the mentioned aids were used.
Ik verzeker: Alleen de geregistreerde hulpstoffen gebruikt.
Astrid Bötticher
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10 ABSTRACT 10.1.1 Zusammenfassung
Radikalismus und Extremismus werden zwar oft verwendet, doch sehen sie sich als Konzepte bzw.
Begriffe beide der Kritik ausgesetzt; dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass ihre Grenzen unklar sind.
Da der Extremismusbegriff durch Behörden und Organisationen die mit Sicherheitsaufgaben zu tun haben genutzt wird, um (potenzielle) Verfassungsfeinde zu markieren, sind klare Definitionen gesell- schaftlich wünschenswert und damit auch ein wichtiges wissenschaftliches Unterfangen.
Bisher ist eine Vielzahl an disparaten Definitionen durch Behörden und Wissenschaft entwickelt wor- den. Eine anerkannte juristische Definition existiert in Deutschland nicht. Die geläufigen Definitionen werden in dieser Doktorarbeit gesammelt und analysiert, um so eine konsensfähige Definition erarbei- ten zu können und das Verhältnis zwischen Radikalismus und Extremismus näher zu bestimmen. Zwei wissenschaftliche Methoden werden hierzu benutzt: die Begriffsanalyse nach Koselleck und die Kon- zeptanalyse nach Sartori. Die Analyse wird sich von dieser Basis ausgehend, kritisch mit der Konzep- tualisierung von Radikalismus und Extremismus beschäftigen. Konsensdefinitionen von Extremismus und Radikalismus zu erarbeiten, ist das Ziel dieser Arbeit. Hierbei dient der Schmidsche Ansatz zur Formulierung einer akademischen Konsensdefinition des Terrorismus als Vorbild.
Zunächst wird eine historiographische Analyse der Begriffe vorgenommen, die auf Kosellecks Be- griffsanalyse zurückgeht. Dabei werden die Etymologie und die alltagssprachliche Verwendung unter die Lupe genommen und wird ein Ausflug in die Begriffsgeschichte unternommen. Die etymologische Beschäftigung mit dem Begriff gibt dabei Auskunft über die Wortherkunft. Die Begriffsgeschichte beleuchtet den sozialen und politischen Kontext der Wortbedeutung und dessen zeitlich-historische Verschiebungen. Insbesondere die nach Koselleck arbeitende Begriffsgeschichte kann belegen, dass Begriffe eine sozial-historische Dimension besitzen und ihre Bedeutungen immer in einem engen Kontext zur (historischen) Wirklichkeit stehen.
Die sozial-historische Dimension der Begriffe wird nachgezeichnet. Die historisch sich entwickelnden Wortbedeutungen belegen, dass Begriffe kontingenzabhängig sind, so dass der Wert der Begriffsanaly- se als alternative politische Theoriebildung sich hier bereits andeutet.
Die sich in verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelnden Wortbedeutungen von Radikalismus und Extremismus werden auf soziale und politische Ereignisse rückbezogen, sie formen künftige Ent- wicklungen in ihren Ländern. Begriffsbedeutungen haben demnach ein eigenständiges Potenzial poli- tischer Machtentfaltung. Gerade an England und Deutschland lassen sich die Machtpotenziale der beiden Begriffe und deren Abhängigkeit von der Sozialgeschichte gut aufzeigen. Dabei wird deutlich, dass die Begriffe Radikalismus und Extremismus sich historisch dadurch unterscheiden, dass der Ra- dikalismusbegriff eng an die Geschehnisse der frühen Bürgerrechtsbewegungen und der Entwicklung der Demokratien gekoppelt ist, während der Extremismus ein moderner Begriff des 20 Jahrhunderts und verbunden mit dem Totalitarismus ist. Der Radikalismus wurde schon früh in den englischen Wortschatz aufgenommen und ist insbesondere mit einer monarchiekritischen Haltung und der Ableh- nung absolutistischer Herrschaftsansprüche verknüpft. Erst viele Jahre später wird der Begriff in den Korpus der deutschen politischen Begriffe gelangen. Auch hier wird der Begriff erst durch die Ent- wicklung einer bürgerrechtlichen Bewegung und ihrer Forderung nach Demokratie und mehr Mitspra- che eingeführt. Der Extremismus ist erst sehr spät in den Korpus politischer Begriffe eingegangen. Die Nutzung des Begriffes geht hauptsächlich mit der Entwicklung totalitärer Massenbewegungen einher.
Im Anschluss werden die Instrumentalisierungskontexte der Begriffe aufgezeigt. Die Machtpotenziali- tät von Radikalismus- und Extremismusbegriff wird anhand ihrer meliorativen bzw. pejorativen Nut- zung dargestellt. Die Begriffe entfalten hier ihre Qualitäten im Rahmen des politischen Meinungs- streits als konkurrierende rhetorische Neubeschreibungen. Die von den verschiedenen Wortnutzern gemachten Neubeschreibungen haben einen soziopolitischen Hintergrund, der sich schon in der Sozi-