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KINDER HABEN RECHT(E)!

A. Winter

Bachelor-Thesis SP (Teilzeit)

Fachbereich: Sozialwesen/AMM

Saxion Enschede

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KINDER HABEN RECHT(E)!

Welche Meinungen und Wünsche die Grundschüler

an der GS und OGS Scheidter Straße zur Schule

haben und wo sie mitbestimmen wollen

Name: Anna Winter

Studentennummer: 342951

Fachdozent: Brian Rengers

Studiengang: Sozialpädagogik Teilzeit

Fachbereich: Sozialwesen/AMM

Saxion Enschede

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5 Zusammenfassung (Abstract) 6 Einleitung 7 1. Einführung 8 1.1. Anlass 8 1.2 Forschungsziele 9 1.2.1 Kurzfristiges Forschungsziel 9 1.2.2 Mittelfristiges Forschungsziel 10

1.2.3 Langfristige Forschungsziel- Vision 10

1.3 Präzisierung der Forschungshauptfragen und Forschungsteilfragen 10

1.3.1 Erste Forschungshauptfrage 10

1.3.2 Zweite Forschungshauptfrage 11

1.3.3 Dritte Forschungshauptfrage 11

1.4 Zusammenfassung des Kapitels 11

2. Theoretischer Rahmen 12

2.1 (Offene) Ganztagsschule- Definition und Entwicklung seit 2002 12

2.2 Gesetzliche Grundlagen der OGS in Nordrhein-Westfalen 13

2.3 Träger der Ganztagsschulen/Verantwortlichkeit der Schulleitung 13

2.4 Zwischenfazit 14

2.5 Entwicklungspsychologische Grundlagen und Bedürfnistheorie 14

2.5.1 Entwicklungspsychologische Grundlagen 15

2.5.2 Bedürfnisse 17

2.6 Partizipation von Kindern an Ganztagsgrundschulen 18

2.6.1 Definition von Partizipation 18

2.6.2 Gründe für die Partizipation von Grundschulkindern/ 18

Gesetzliche Grundlagen 2.7 OGS aus Sicht der Kinder 20

2.8 Relevanz für die Entwicklung der Sozialen Arbeit und Schule 22

2.9 Zusammenfassung des Kapitels 24

3. Forschungsmethodik 26 3.1 Forschungsart und Forschungstyp 26 3.2 Forschungsstrategie und Forschungsdesign 26 3.3 Forschungsmethode 30 3.4 Erläuterung und Operationalisierung von Begriffen 33 3.5 Forschungsinstrument 35 3.6 Ethische Überlegungen 35

(4)

3.7 Zusammenfassung des Kapitels 36

4. Auswertung der Interviews 37

4.1 Qualitative Inhaltsanalyse und verwendete Techniken der Auswertung 37

4.2 Entwicklung des Kategoriensystems 37

4.3 Kodierung der Interviews 41

4.4 Darstellung der Ergebnisse 47

4.5 Zusammenfassung des Kapitels 52

5. Schlussfolgerungen 53

5.1 Schlussfolgerungen zu den Forschungshauptfragen und Forschungsteilfragen 53

5.1.1 Erste Hauptrage 53

5.1.2 Zweite Hauptfrage 54

5.1.3 Dritte Hauptfrage 55

5.2 Stärken und Schwächen der Untersuchung 56

5.3 Diskussion der Ergebnisse 57

5.4 Empfehlungen 59

5.4.1 Mikroebene 60

5.4.2 Mesoebene 60

5.4.3 Makroebene 60

5.4.4 Mögliche Folgestudien 61

5.5 Zusammenfassung des Kapitels 62

Fazit 63

Literaturverzeichnis 64

Anlagen 66

Anlage 1: Interviewleitfaden 66

Anlage 2: Transkriptionen der durchgeführten Interviews (chronologisch) 67 Anlage 3: Zu Punkt 2.2: Gesetzliche Grundlagen der OGS in NRW 93

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Vorwort

Diese Bachelor-Thesis greift ein Herzensthema der Autorin auf. Seit 7 Jahren arbeitet sie mit Kindern und im Laufe der Zeit ist ihr immer bewusster geworden, wie wichtig es ist, Kinder ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören, und zwar mit reger Neugier und echtem Interesse. War sie zu Anfang ihrer Tätigkeit mit Kindern davon überzeugt, dass diese erzogen werden

mussten und man ihnen als Erwachsener überlegen sei, wurde ihr nach und nach klar, wie trügerisch und überheblich diese Sichtweise doch ist. Kinder haben einen

unvoreingenommeren, positiveren und liebevolleren Blick auf die Welt als Erwachsene, denen dieser Blick in den meisten Fällen verloren gegangen zu sein scheint. Sie machen sich auf eine fantasievollere und offenere Weise Gedanken über die Dinge und kommen demnach auf ganz andere und häufig kreativere Ideen als Erwachsene. Denken Erwachsene in ihren jahrelang „trainierten“ Denkschemata und Schubladen, haben Kinder diese eben noch nicht so stark ausgeprägt.

In der pädagogischen Praxis kommt hinzu, dass die Arbeit mit Kindern schon aus ihrem Selbstverständnis heraus die Kinder, ihre Wünsche und Bedürfnisse im Mittelpunkt haben sollte. Das klingt zwar selbstverständlich, doch in vielen Fällen bekam die Autorin den Eindruck, dass es in der pädagogischen Praxis bei Lehrern, Erziehern und allgemein

pädagogischen Personal eher um die eigene Sicht auf die Welt und die eigenen Bedürfnisse zu gehen schien, als um die der Kinder.

Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. In den meisten Fällen werden sie uns Erwachsene überleben und wir werden die Welt in ihre Hände legen. Es ist also nie früh genug, sie nach ihrer Meinung zu fragen, ihnen Raum zu lassen, eine Haltung zu entwickeln, und ihnen zumindest möglich zu machen, die Bereiche, die sie betreffen, mitzugestalten. Sie haben ein Recht darauf. Dieses Recht haben sie nicht nur aus der idealistischen Sicht der Autorin, sondern sogar in der von der Weltpolitik weitgehend ignorierten und kaum umgesetzten UN-Kinderrechtskonvention von 1989. Wir Erwachsenen sind in der Verantwortung, den Kindern zu ermöglichen, diese Rechte kennenzulernen und

wahrzunehmen. Mit dieser Bachelor-Thesis probiert die Autorin dahingehend zumindest einen ersten Schritt zu tun.

Wuppertal, 31. Mai 2018 Anna Winter

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Zusammenfassung (Abstract)

Anhand von Leitfadeninterviews werden sechs Schüler der Grundschule Scheidter Straße zu ihren Wünschen, Meinungen und Partizipationswünschen befragt. Die Forschungshauptfragen hierbei lauten: „Wie bewerten die Grundschulkinder aus der 3. und 4. Klasse an der GS Scheidter Straße die Offene Ganztagsschule und das schulische Ganztagskonzept?“, „Welche Vorschläge haben die Grundschulkinder aus der 3. und 4. Klasse an der GS Scheidter Straße das Konzept zu ihren Bedürfnissen und Wünschen zu verbessern?“ und „Welche Formen von Partizipation nehmen die Kinder an der GGS/OGS Scheidter Straße wahr und in welchen Bereichen wünschen sich die Kinder mehr Mitspracherecht?“. Kurzfristige Zielsetzung hierbei ist die Exploration der Meinung der Kinder zu ihrer Schule und ihrer

Verbesserungsvorschläge, um Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten, wie die Schule diese Wünsche und Bedürfnisse ernstnehmen und in der Praxis umsetzen kann. Mittelfristig sollen Formen der Partizipation an der Schule umgesetzt werden und langfristig auf das Thema auch öffentlich aufmerksam gemacht werden.

Die Ergebnisse der Studie sind praxistauglich und umsetzbar. Sie können alle bis auf eine Idee eines Kindes in der Praxis Eingang finden. Das kurzfristige Ziel ist damit erreicht worden und das mittelfristige Ziel wird im Anschluss an diese Thesis verfolgt werden.

Langfristig muss ein Weg gefunden werden, wie das Mitbestimmungsrecht von Kindern auch politisch wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt. Die Professionals in der Sozialen Arbeit mit Kindern sind hierfür zu einem großen Teil in der Verantwortung, da sie ihr Selbstverständnis aus dem Trippelmandat ziehen und dieses ihnen eine gesellschaftliche Verantwortung für den Einsatz für Menschenrechte überträgt.

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Einleitung

Die vorliegende Bachelor-Thesis beschreibt eine Studie zu den Wünschen und Meinungen von Grundschulkindern an der Grundschule Scheidter Straße in Solingen zu ihrer Schule und der Offenen Ganztagsbestreuung. Ein weiterer Teil der Studie ist die Abfrage von bisherigen Partizipationserfahrungen und zukünftigen Partizipationswünschen. Ziel der Studie ist dementsprechend die Exploration der Wünsche, Meinungen und Partizipationserfahrungen der Kinder, um ihre Wünsche bezogen auf die Mitbestimmung an der Schule umzusetzen und Instrumente der Partizipation einzuführen.

Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Das erste Kapitel beinhaltet eine Einführung in die

Thematik. Der Anlass wird beschrieben, Forschungsziele festgelegt und die Forschungshaupt- und teilfragen präzisiert. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen

Hintergrund der Bachelor-Thesis. Die Entwicklung (Offener) Ganztagsschulen und die Rahmenbedingungen werden vorgestellt, Grundlagen der Entwicklungspsychologie und Bedürfnistheorie erörtert und der Begriff der „Partizipation“ erläutert. Die Relevanz für die Entwicklung der Sozialen Arbeit und der Schule wird dargestellt. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Methodik der Forschung. Neben Forschungsart, -typ, -strategie und –design wird das Forschungsinstrument, ein Interviewleitfaden, entwickelt und ethische Überlegungen zur hier durchgeführten Forschung angestellt. Das vierte Kapitel beinhaltet schließlich die

Auswertung der Ergebnisse. Ein Kategoriensystem wird deduktiv und induktiv entwickelt, im Anschluss die durchgeführten Interviews kodiert und die Ergebnisse dargestellt. Das fünfte Kapitel umfasst die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Studie. Die im Laufe des Forschungsprozesses festgestellten Stärken und Schwächen werden analysiert, die Ergebnisse kritisch und praxisnah diskutiert und anschließend Handlungsempfehlungen auf

verschiedenen Ebenen ausgesprochen. Zudem werden Vorschläge für Folgestudien aufgelistet. Zuletzt wird ein Fazit gezogen.

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1. Einführung

Das erste Kapitel umfasst eine Einführung in das Thema dieser Bachelor-Thesis. Die zwei Aspekte, die den Anlass für die durchgeführte Forschung gegeben haben, werden erläutert (1.1), Forschungsziele festgelegt (1.2), Forschungshaupt- und –teilfragen daraus abgeleitet (1.3) und zuletzt wird eine Zusammenfassung des Kapitels gegeben (1.4).

1.1 Anlass

Die Forschungsidee zu der vorliegenden Bachelor-Thesis entstand durch Beobachtungen in der Praxis der Autorin. Die Autorin arbeitet in einer Offenen Ganztagsgrundschule in

Solingen Mitte als Leitung und Gruppenleitung in einer sechsgruppigen OGS. Zuvor hatte sie als Gruppenleitung in einer OGS in Düsseldorf gearbeitet.

Zwei Aspekte veranlassten sie dazu, das Thema dieser Arbeit zu wählen: Der erste Aspekt war, dass sie wahrzunehmen meinte, dass die Kinder an der Grundschule in Düsseldorf die Gegebenheiten in der Schule kritischer hinterfragten bzw. gewöhnter waren, ihre Meinung zu äußern. Regeln wurden häufiger gut argumentiert in Frage gestellt, die Kinder äußerten Ideen zur Veränderung und fragten nach, weshalb bestimmte Dinge verändert wurden, wie

beispielsweise die damalige Entwicklung vom geschlossenen zum offenen Konzept in der OGS. Zudem existierte seit geraumer Zeit ein Schülerparlament, das sich zwar unregelmäßig traf und eher in kleinerem Rahmen Entscheidungen traf, aber dennoch von den teilnehmenden Klassensprechern ab und zu erwähnt wurde. Im Gegensatz dazu machte die Autorin bei den Kindern an der Grundschule in Solingen die Beobachtung, dass diese beispielsweise auch größere konzeptuelle Veränderungen hinnahmen, ohne diese zu hinterfragen, Regeln als gegeben ansahen und generell wenig gewöhnt waren, sich eine eigene Meinung zu bilden bzw. diese Erwachsenen gegenüber zu äußern. Ob diese Wahrnehmung tatsächlich empirisch zu untermauern wäre und wenn ja, welche Ursachen hinter dem Unterschied stehen, lässt sich im Rahmen dieser Bachelor-Thesis nicht herausfinden. Der beobachtete Unterschied

beschäftigte die Autorin jedoch und es entstand die Idee, die Kinder an der Grundschule in Solingen zu ihrer Meinung hinsichtlich der Ganztagsschule zu befragen, um herauszufinden, was diese dazu denken, wie es ihnen in der Schule geht und was sie für Bedürfnisse und Wünsche haben.

Der zweite, allgemeinere Aspekt war der, dass die Autorin seit letztem Sommer als Leitung der OGS in Solingen arbeitet und dort freien Spielraum hat, was das Konzept der OGS angeht. In Absprache und Zusammenarbeit mit der Schule und ihrem Team veränderte die Autorin so bereits einige Wochen nach der Übernahme der Leitung die Zusammensetzung der Gruppen, indem diese klassenstufenhomogen wurden, die zeitlichen Abläufe hinsichtlich Mittagessen, Lernzeiten und Bildungsangebote verschoben sich und sie veranlasste, dass die Lehrerstunden in den Lernzeiten eingesetzt wurden, während Ehrenamtliche, Mitarbeiter der OGS und Kooperationspartner die Bildungsangebote übernahmen. Die Gruppenleitungen

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9 fingen an, ein Regelkonzept angelehnt an die Schule zu entwickeln, und die Zusammenarbeit mit dem Lehrerkollegium wurde auf verschiedenen Wegen intensiviert.

Viele weitere Ideen, die das Konzept und die Gestaltung der OGS und die Verzahnung mit Schule angehen, stehen derzeit noch im Raum. Doch im Laufe der bisherigen

Veränderungsprozesse, während der Arbeit in übergeordneten Arbeitskreisen und der Beschäftigung mit dem Thema „Ganztagsschule“ im Allgemeinen wurde der Autorin zunehmend bewusst, dass diejenigen, die im Mittelpunkt des Konzeptes stehen, die es am meisten betrifft und die dieses Konzept am Ende tragen müssen, nie in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden: Die Kinder.

„Studien zum Bildungswesen sind selten Studien aus der Perspektive des Kindes. […] Was aber das Gute, oder gar das Beste für das Kind sei, wird meistens aus der Perspektive der Gesellschaft und damit der Erwachsenen bestimmt.“ (Seidenfaden & Körner, 1992, S. 1 zit. nach Doerfel-Baasen & Baitinger, 2015, S. 11).

Die Kinder mit in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, ist sogar nicht nur eine

Möglichkeit, sondern vielmehr eine Pflicht. In Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention, die seit über 20 Jahren in Deutschland geltendes Recht ist, heißt es, dass dem Kind zugesichert wird, seine Meinung „in allen das Kind berührende Angelegenheiten frei zu äußern“ und diese Meinung angemessen zu berücksichtigen. Gerade die Ganztagsschule als eine Institution, in der das Kind einen Großteil seines Tages verbringt und die damit einen

erheblichen Teil seiner Lebenswelt ausmacht, ist somit in der Pflicht, dieses Recht der Kinder zu achten. Zudem finden dort Bildungsprozesse auf allen Ebenen statt, sowohl im Bereich der schulischen Bildung, als auch des sozialen Lernens und der Identitätsentwicklung. Alle

Angelegenheiten, die eine Ganztagsschule betreffen, sind somit Angelegenheiten, die auch die Kinder dort betreffen, und bei denen sie laut Kinderrechtskonvention mitreden dürfen und sollen.

So entstand vor diesem Hintergrund die Forschungsidee. Ist die Vision einer Offenen Ganztagsschule, die die Bedürfnisse der Kinder hört, sie ernst nimmt und sie partizipieren lässt, innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen umsetzbar? Wenn ja, wie?

1.2 Forschungsziele

Nach Schaffer (2009) muss vor der Untersuchung geklärt sein, welche Ziele die Untersuchung verfolgt und welche Forschungsfrage(n) im Mittelpunkt stehen. Diese bestimmen die

Auswahl des Forschungsdesigns, der Methode und der Instrumente (vgl. Schaffer, S. 58 und S. 161). Aus dem soeben beschriebenen Forschungsanlass ergeben sich ein kurzfristiges, ein mittelfristiges und ein langfristiges Forschungsziel.

1.2.1 Kurzfristiges Forschungsziel

(Das Ziel konkret bezogen auf die Forschungshauptfragen)

Kurzfristig verfolgte die Forschung das Ziel, zu explorieren wie Grundschulkinder die Offene Ganztagsschule und das Ganztagsschulkonzept bewerten, welche Vorschläge zur

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10 Verbesserung sie haben und daraus Handlungsvorschläge abzuleiten, wie die Offene

Ganztagsschule die geäußerten Bedürfnisse von Kindern ernst nehmen und umsetzen kann. Die Verfolgung dieses Ziels wird in der Thesis dargelegt.

1.2.2 Mittelfristiges Forschungsziel

(Im Anschluss an die Auswertung und Evaluation der Forschungsergebnisse)

Mittelfristig ist das Ziel, die Forschungsergebnisse in der Praxis umzusetzen und Formen der Partizipation von Kindern an der Schule, in der die Untersuchung stattgefunden hat, in den Fokus zu rücken und zu fördern.

Das mittelfristige Forschungsziel wird im Anschluss an die Bachelor-Thesis verfolgt werden.

1.2.3 Langfristiges Forschungsziel- Vision

Langfristig ist vorgesehen, auch an anderen Schulen die Forschungsergebnisse zu verbreiten und sie öffentlich zu machen. Das Ziel ist, dass die Akteure im Kontext Schule ein

Bewusstsein für die Wichtigkeit und den Mehrwert der Partizipation von Grundschulkindern bekommen.

Je nach Erfolg bei der Verfolgung der ersten beiden Ziele wird die Vision, die als langfristiges Forschungsziel formuliert ist, angegangen werden.

1.3 Präzisierung der Forschungshauptfragen und Forschungsteilfragen

Aus den drei benannten Forschungszielen wurden drei Forschungshauptfragen abgeleitet, die sich wiederum in Teilfragen untergliedern. Die Teilfragen erleichtern die Konstruktion des Forschungsinstrumentes im Forschungsprozess.

1.3.1 Erste Hauptfrage

Wie bewerten die Grundschulkinder aus der 3. und 4. Klasse an der GS Scheidter Straße die Offene Ganztagsschule und das schulische Ganztagskonzept?

Teilfragen (Begründung in Klammern):

1. Wie bewerten die Kinder allgemein die Offene Ganztagsschule? (Teil der Hauptfrage) 2. Wie bewerten die Kinder das derzeitige Konzept der Ganztagsschule? (Teil der

Hauptfrage)

3. Wo finden die Kinder sich im vorhandenen Konzept wieder und wo nicht? (Meinung zum Konzept)

4. Was ist den Kindern wichtig, wenn es um das Thema Schule geht? (Grundsätzliche, offene Frage zu Einstellungen und Werten der Kinder bezogen auf Schule)

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1.3.2 Zweite Hauptfrage

Welche Vorschläge haben die Grundschulkinder aus der 3. und 4. Klasse an der GS Scheidter Straße, um das Konzept zu ihren Bedürfnissen und Wünschen zu verbessern?

Teilfragen (Begründungen in Klammern)

1. Welche Verbesserungsvorschläge haben die Kinder zur Ganztagskonzept? (Teil der Hauptfrage)

2. Wünschen sich die Kinder mehr Unterstützung? Wenn ja, in welchem Bereich? (Verbesserungsmöglichkeit aus Sicht der Kinder)

3. Haben die Kinder Wünsche, die sie speziell an eine oder mehrere der Erwachsenen richten wollen? (Wünsche, die an bestimmte Personengruppen gerichtet werden)

1.3.3 Dritte Hauptfrage

Welche Formen von Partizipation nehmen die Kinder an der GGS/OGS Scheidter Straße wahr und in welchen Bereichen wünschen sich die Kinder mehr Mitspracherecht?

Teilfragen (Begründungen in Klammern)

1. Welche Formen der Partizipation in welchen schulischen Bereichen bestehen bereits, die die Kinder auch als solche wahrnehmen? (Teil der Hauptfrage)

2. In welchen Bereichen wünschen sich die Kinder mehr Mitspracherecht? (Teil der Hauptfrage)

3. Auf welchem Wege wollen die Kinder dieses Mitspracherecht wahrnehmen? (Weiterführende Frage zu Frage 2)

1.4 Zusammenfassung des Kapitels

Zwei Aspekte veranlassten die Forschungsidee: Der von der Autorin wahrgenommene Unterschied zwischen den Kindern an der Schule in Düsseldorf und Solingen in der

Meinungsbildung bzw. –äußerung und die Feststellung, dass Kinder sowohl in der Schule in Solingen als auch im Allgemeinen kaum oder gar nicht in Entscheidungsprozesse, die die Ganztagsschulen betreffen, einbezogen werden.

Die daraus enstandenen Forschungsziele lauteten folgendermaßen: Die Meinungen der Kinder über die Ganztagsschule in Solingen zu explorieren, Handlungsempfehlungen aus den

Forschungsergebnissen abzuleiten und diese an der Schule umzusetzen und die

Bewusstmachung der Wichtigkeit, Kinder in Entscheidungsprozessen, die die Ganztagsschule betreffen, partizipieren zu lassen.

Drei Forschungshauptfragen mit entsprechenden Teilfragen leiteten sich aus diesen Zielen ab: Die erste Hauptfrage bezog sich auf die Meinung der Kinder zur Ganztagsschule, die zweite Hauptfrage eruierte Vorschläge zur Verbesserung und die dritte Hauptfrage ermittelte bestehende und als solche wahrgenommene sowie gewünschte Partizipationsformen.

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2. Theoretischer Rahmen

Das Kapitel umreißt den theoretischen Rahmen des Forschungsthemas. Der Begriff der „(Offenen) Ganztagsschule“ wird definiert und die Entwicklung seit 2002 beschrieben (2.1). Die gesetzlichen Grundlagen der (offenen und gebundenen) Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen finden sich im Anhang der Bachelor-Thesis (2.2). Die Trägerschaft und

Verantwortlichkeiten werden kurz erörtert (2.3). Es folgt ein Zwischenfazit (2.4). Desweiteren werden zum Verständnis, an welchem Punkt ihrer Entwicklung Grundschulkinder stehen, entwicklungspsychologische Grundlagen und die Bedürfnistheorie dargestellt (2.5). Ein Teilkapitel zur „Partizipation“ folgt (2.6) sowie Ergebnisse einer der wenigen Studien beschrieben werden, die OGS aus Kindessicht exploriert hat (2.7). Zuletzt wird die Relevanz des Forschungsthemas dieser Bachelor-Thesis für die Soziale Arbeit und Schule dargelegt (2.8). Zum Abschluss folgt eine Zusammenfassung des Kapitels.

2.1 (Offene) Ganztagsschule- Definition und Entwicklung seit 2002

Nach dem schlechten Abschneiden der deutschen Schüler/innen bei der PISA-Studie im Jahr 2000 beschloss die Kultusministerkonferenz 2001 u.a. den „Ausbau schulischer und

außerschulischer Ganztagsangebote“ (Tillmann, 2005, S.52). „Zwei Jahre später legte das Bundesministerium für Bildung und Forschung das „Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) auf. Im Rahmen des Programmes stellte die Bundesregierung zwischen 2003 und 2009 insgesamt vier Milliarden Euro für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland zur Verfügung“ (Kielblock & Stecher, 2014, S. 14). Da Schulpolitik Ländersache ist und damit die Länder über die Verteilung der Fördergelder entschieden, einigte sich die Kultusministerkonferenz auf eine „einheitliche

länderübergreifende Definition von Ganztagsschule“ (ebd., S. 14), um einen Konsens zu haben, für welche Art von Schule diese Gelder eingesetzt werden sollten. Folgende Aspekte wurden als Merkmale einer Ganztagsschule festgelegt: „„Über den vormittäglichen

Unterricht hinaus [wird] an mindestens drei Tagen in der Woche ein ganztägiges Angebot für die Schüler/innen bereitgestellt, das täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst [;] an allen Tagen des Ganzschulbetriebes [wird] den teilnehmenden Schüler/innen ein Mittagessen bereitgestellt [;] die nachmittäglichen Angebote [werden] unter Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung organisiert, in enger Kooperation mit der Schulleitung durchgeführt und [stehen] in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem vormittäglichen Unterricht“ (KMK, Kommission für Statistik 2006, S 7f.).“ (ebd. S. 14).

Betrachtet man diese Merkmale, wird vornehmlich die strukturelle Dimension angesprochen, die pädagogische Dimension bleibt daneben offen. Das hatte zur Folge, dass „sich in den Bundesländern im Zuge des rasanten Ausbaus eine Vielzahl von unterschiedlichen Formen von Ganztagsschulen entwickelt [hat], d.h. der Ausbau zu einer zahlenmäßigen Zunahme sowie auch zu einer Diversifikation der Ganztagsschule geführt [hat] (ebd., S. 17). Nicht nur zwischen den Ländern bestehen hier Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung der

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13 unterschiedlichster Formen (vgl. Appel/Rutz, 2009)“ (ebd., S. 17). „Gemäß der jüngsten Statistik des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder stieg allein die Zahl der Schulen mit „Ganztagsschulbetrieb“ zwischen 2002 und 2012 […] von 10,3 auf 49,5 Prozent. […] Hinzu kommt, dass der weit überwiegende Teil der neu eingerichteten „Ganztagsschulen“ offene Ganztagsangebote sind“ (Hagemann, 2015, S. 364). Da wie oben beschrieben, die Formen der Ganztagsschule zwischen und innerhalb der Länder

unterschiedlich sind, hat sich durchgesetzt, diese nach dem Verpflichtungsgrad der Teilnahme der Schüler/innen zu unterscheiden (vgl. Kielblock & Stecher, 2014, S. 18). Als gängige Begrifflichkeiten der Unterscheidung haben sich die „offene Ganztagsschule“ (Teil der Schülerschaft mit Betreuungsbedarf nimmt teil) und die „gebundene Ganztagsschule“ (verpflichtend für alle Schüler) durchgesetzt.

2.2 Gesetzliche Grundlagen der OGS in Nordrhein-Westfalen

Die Ausgestaltung der (gebundenen und offenen) Ganztagsschulen wird in Nordrhein-Westfalen näher durch das Schulgesetz (§9 Abs. 1 und 3 SchulG) und durch den Grundlagenerlass BASS 12-63 Nr. 2: „Gebundene und offene Ganztagsschulen sowie

außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote in Primarbereich und Sekundarstufe I“ (Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 23.12.2010) geregelt. Die Gesetze finden sich in Anlage 3 der Bachelor-Thesis.

2.3 Träger der Ganztagsschulen/Verantwortlichkeit der Schulleitung

Die verantwortlichen Schulleitungen kooperieren mit den Trägern der OGS, wobei diese entweder Träger der öffentlichen oder freien Jugendhilfe sind oder aber andere Einrichtungen, die Bildung und Erziehung fördern. Grundlage dieser Kooperation ist eine

Kooperationsvereinbarung, die im „BASS“ (Bereinigte Amtliche Sammlung von

Schulvorschriften) in Kapitel 6.8 geregelt wird. Die Vereinbarung hält insbesondere Rechte und Pflichten der Beteiligten fest und regelt die gegenseitigen Leistungen der

Kooperationspartner sowie u.a. die Verfahren zur Erstellung und Umsetzung des

pädagogischen Konzepts, den Zeitrahmen, den Personaleinsatz, darunter u.a. die Verwendung von Lehrerstellenanteilen, Vertretungs- und Aufsichtsregelungen, Regelungen für den

Umgang bei Konflikten, erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten des Personals außerschulischer Träger sowie Regelungen zur Beteiligung der Eltern und der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler.

Die Schulleitungen müssen zudem die Beschlüsse der Schulkonferenz berücksichtigen und, wie im Punkt 6.5 der BASS geregelt, wird auch das Konzept das Ganztagskonzept in der Schulkonferenz beschlossen. Die Schulkonferenz ist das oberste Mitwirkungs- und

Beteiligungsgremium einer Schule. Die Zusammensetzung richtet sich nach der Größe der Schule. In einer Grundschule, die zwischen 200 und 500 Schüler besuchen, hat die

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14 aus 6 Elternvertretern und 6 Lehrervertretern. In der Primarstufe ist kein Schüler als

Interessensvertretung vorgesehen, während ab der Sekundarstufe I auch Schüler an der Schulkonferenz teilnehmen (Zusammensetzung vgl. §66 SchulG NRW, Aufgaben der Schulkonferenz vgl. §65 SchulG NRW).

2.4 Zwischenfazit

Die gesetzlichen Grundlagen und strukturellen Rahmenbedingungen der Ganztagsschule in NRW sind in den letzten Abschnitten beschrieben worden. Diese Rahmenbedingungen sind festgelegt und nur im politischen Kontext zu verändern. Schaut man sich diese

Rahmenbedingungen jedoch genauer an und unter dem Blickwinkel, wie viel Spielraum sie in der Auslegung der Praxis der Schule lassen, ist festzustellen, dass viele der Vorgaben eher abstrakter und allgemeiner Natur sind und Raum für individuelle konkrete Umsetzungen und kreative Lösungen lassen.

Wenn also weiterführend die Verbindung zur Partizipation der Kinder geschlagen wird und letztlich das Forschungsvorhaben ist, die Bedürfnisse, Interessen und Wünsche und

Vorstellungen der Kinder zu explorieren, dann ist es, je nachdem, wie diese ausfallen, durchaus möglich, diesen Spielraum zu nutzen.

Ebenfalls ist festzustellen, dass die Schulleitung hierbei eine zentrale Rolle spielt. Bei ihr liegt die Hauptverantwortung, wie das Konzept Ganztagsschule an der jeweiligen Schule

umgesetzt wird. Im Fall der GS Scheidter Straße ist es so, dass die Schulleitung diese Verantwortlichkeit zu einem großen Teil an die Autorin und an eine Lehrkraft delegiert hat, welche als Team ein entsprechendes Konzept gestalten und in der Praxis verwirklichen. Denn ihr ist bewusst, dass sie zwar ein Konzept in der Theorie und auf dem Papier erstellen könnte, aber letztlich nicht diejenige ist, die es in der Praxis verankert, trägt und durchführt. Dass die Schulleitung die Verantwortung delegiert hat, bietet der Autorin Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des oben genannten Spielraums, die nicht selbstverständlich sind.

Aus der Sicht der Autorin bringt gerade die multiprofessionelle Zusammenarbeit von Schule mit Jugendhilfe (OGS und Schulsozialarbeit) und anderen Bildungsanbietern im Kontext Ganztagsschule vielfältige Chancen hinsichtlich eines Konzeptes mit sich, das nicht nur auf schulische Bildung im ursprünglichen Sinne ausgerichtet ist, sondern eine ganzheitliche und nachhaltige Bildung und Erziehung der Kinder anstrebt.

2.5 Entwicklungspsychologische Grundlagen und Bedürfnistheorie

Um ein Verständnis dafür zu bekommen, wo Kinder in ihrer Entwicklung stehen, wenn sie die Grundschule besuchen, und welche Bedürfnisse sie haben laut Theorie, an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung dieser Aspekte. In der Schlussfolgerung bietet das Wissen darum ein Fundament für die Überlegungen, was Kinder laut Wissenschaft in dem Alter beschäftigt, vor welchen Herausforderungen sie stehen, was sie brauchen und inwiefern

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15 Partizipation und Autonomie in der Co-Steuerung von Bildungs- und Erziehungsprozessen in dem Alter Sinn machen bzw. auch entwicklungsfördernd sein können.

Zudem ist ein Grundwissen über den Stand der Entwicklung wichtig, um sich im Forschungsprozess auf die Zielgruppe einstellen zu können.

2.5.1 Entwicklungspsychologische Grundlagen

Entwicklungsaufgaben nach Havighurst

„Entwicklungsaufgaben in der Phase der mittleren Kindheit nach Havighurst: Erwerb der Kulturtechniken (Lesen, Rechnen, Schreiben), Erwerb von gesellschaftstypischen Konzepten und Denkschemata, positive Einstellung zu sich selbst, Moral- und Werteentwicklung, vermehrte Selbstständigkeit/Autonomie, zunehmende körperliche Geschicklichkeit,

Zurechtfinden in der Gruppe, angemessenes Geschlechtsrollenverhalten, Entwicklung von Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen“ (Kramer, Bovenschen & Sprangler, 2007, S. 175).

Havighursts Entwicklungsaufgaben lassen sich so zusammenfassen, dass das Kind von einem Kind im Kindergartenalter, das sich primär um sich selbst dreht, dessen Hauptankerpunkt die Familie ist und dessen Entwicklung vorwiegend auf eigene Fähigkeiten und Kompetenzen gerichtet ist, zu einem Kind wird, dass zu einem Mitglied der Gesellschaft in seinem

Kulturkreis wird. Dazu gehören der Erwerb der Kulturtechniken, die Entwicklung typischer Denkmuster, einen Standpunkt bezüglich gesellschaftlicher Werte zu entwickeln und die anfängliche Ablösung vom Elternhaus hin zur Peergruppe.

Kognitive Entwicklung nach Piaget

„Piaget entwickelte eine der bekanntesten altersabhängigen Stufentheorien der menschlichen Entwicklung […]“ (Wagener, 2013, S. 25). Piaget sieht das Kind wie ein Wissenschaftler, der sich weiterentwickelt, indem er sich ständig mit seiner Umwelt auseinandersetzt und so sein Wissen konstruiert. „Für die kindliche Förderung bedeutet dies, dass Kinder aktiv, durch ihre eigenen Erfahrungen, Wissen erwerben sollten, sie also selber den sogenannten Aha-Prozess durchlaufen müssen, der durch eine bloße Wissensübermittlung nur selten ausgelöst werden kann“ (Pinquart, Schwarzer, Zimmermann, 2011, S.85).

Kinder zwischen 7 und 12 Jahren, also ungefähr im Grundschulalter, befinden sich laut Piaget im „Konkret-operationalem Stadium“. Dieses Stadium macht aus, dass die Kinder einerseits Wissen nun übertragen können auf unterschiedliche Situationen bzw. Sachverhalte, wie beispielsweise mathematische Kenntnisse auf unterschiedliche Aufgaben oder die Übertragung physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Hierfür brauchen sie aber noch konkret beobachtbare Sachverhalte, das abstrakte Denken, nur in der Vorstellung diese Übertragung zu leisten, ist noch nicht ausgeprägt (vgl. ebd., S. 91). „Weitere Fortschritte der Kinder in diesem Stadium bestehen darin, dass sie den Egozentrismus überwinden, keine animistischen Deutungen mehr anwenden und auch über die Logik der Klassenhierarchisierung verfügen“ (ebd. S. 91).

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16 Prosoziales Verhalten und moralische Entwicklung

Kinder im Grundschulalter haben bereits eine Vielzahl sozialer Normen verinnerlicht. „8-jährige können das Verhalten anderer an moralischen Normen messen und diese Normen anderen erklären“ (Wicki, 2015, S. 91). Zudem haben Kinder eine Vorstellung davon, dass Verhalten, das nicht diesen moralischen Normen entspricht, für den jeweiligen Akteur „negativ emotionale Folgen“ hat (vgl. ebd., S. 91). Doch um dieses internalisierte Wissen auch in die Tat umzusetzen, müssen weitere Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss das Kind die Bedürfnisse des Gegenübers wahrnehmen und interpretieren können. Zweitens muss das Kind sich in der Lage und kompetent genug fühlen, zu helfen bzw. auf das

Bedürfnis des anderen einzugehen. Außerdem ist bei zu hohen Kosten prosoziales Verhalten unwahrscheinlicher als bei annehmbaren Kosten.

Kulturvergleichende Studien sagen aus, dass prosoziales Verhalten dadurch gefördert werden kann, dass Kindern Aufgaben übertragen werden und sie Verantwortung übernehmen (vgl. ebd., S. 92).

Emotionsregulierung und soziale Kompetenz

Im Bereich der Emotionsregulierung und der sozialen Kompetenz entwickeln sich Kinder im Grundschulalter bedeutend. „Nach Selman (1976, zitiert nach Berk, 2005) [kommen sie in die] […] „Selbstreflexive Perspektivenübernahme (6 bis 12 Jahre): Die Kinder können eigenes Handeln aus der Perspektive des Gegenübers reflektieren und dessen Reaktion auf das eigene Handeln antizipieren“ (Kramer, Bovenschen, Sprangler, 2007, S.183). Kinder entwickeln Empathie für andere und lernen, dass Emotionen bis zu einem gewissen Grad reguliert werden können, z.B. in sozialen Interaktionen oder in Situationen, in denen sie Frustrationen erleben. „Mit ungefähr 10 Jahren haben viele Kinder kognitive

Emotionsregulationen entwickelt, sie können z.B. über ihre Ziele oder die Bedeutung von Ereignissen nachdenken und ihnen so unterschiedliches Gewicht verleihen (vgl. Saarni, Campos, Camras & Witheringtion, 2006)“ (ebd., S. 183).

Neuere entwicklungspsychologische Kindheitsforschung bezogen auf Partizipation: Oerter, Mussel, Wagener

„[Der deutsche Entwicklungspsychologe Rolf] Oerter beschäftigt sich bei seiner

Einschätzung über die Mitbestimmungskompetenz von Kindern vor allem damit, ob Kinder die nötige Reife für rationale Entscheidungen besitzen. Er bezeichnet sie als „Gestalter der eigenen Entwicklung“ (vgl. Oerter, 1992, S. 84) und zeigt dies anhand empirischer Belege auf“ (Wagener, 2013, S. 26). Laut Oerters Forschungsergebnissen besitzen Kinder im Kindergartenalter schon Entscheidungskompetenzen und die Fähigkeit mit Erwachsenen Diskussionen zu führen. Sie seien in der Lage, bereits ab dem Alter von drei Jahren

mitbestimmen zu können, im Rahmen ihres Verständnisniveaus (vgl. Wagener, S. 26). „Mit sechs bis sieben Jahren sind sie bereits ernstzunehmende Partner. Ab nun gibt es keine Entschuldigung mehr dafür, sie nicht an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, mitwirken zu lassen“ (Oerter, 1992, zitiert nach Wagener, 2013, S. 26).

Dr. Christine Mussel sieht anhand ihrer Projekte und Forschungen zur Partizipation von Kindern bei der Stadtplanung vielfältige Chancen in der Partizipation von Kindern, die auch auf den schulischen Kontext zu übertragen seien: „„Kinder erarbeiten keine planungsfertigen

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17 Ausführungen. Die Stärken ihrer Beiträge liegt in der freigesetzten Fantasie, ihren Ideen, den entwickelten Visionen“ (Mussel, 1993, S. 20, zit. n. Schröder, 1995). Diese Aussage macht deutlich, dass Kinder zwar partizipieren können, jedoch im Prozess von Erwachsenen begleitet und unterstützt werden sollten“ (Wagener, 2013, S. 26).

2.5.2 Bedürfnisse

Eng verbunden mit der Entwicklung der Kinder sind ihre Bedürfnisse. Alle Menschen haben die gleichen Grundbedürfnisse, aber diese passen sich in ihrer Form an die jeweilige

Entwicklungsstufe an. Hier werden zwei Theorien zu menschlichen Bedürfnissen dargestellt, einmal Maslows Hierarchie der Bedürfnisse und ein neuerer Ansatz der

Motivationspsychologie: Die Selbstbestimmungstheorie. Maslows Hierarchie der Bedürfnisse

Abraham Maslow stellte eine Bedürfnishierarchie auf, die häufig als Pyramide dargestellt wird. Eine Pyramide deswegen, weil jedes der niedrigeren Bedürfnisse zunächst erfüllt sein muss bevor das nächst höhere relevant wird.

Die Stufen der Pyramide lauten folgendermaßen: Unten sind die physiologischen Bedürfnisse (z.B. Hunger, Durst), darüber die Sicherheitsbedürfnisse (z.B. Schutz), Stufe 3 bilden die sozialen Bedürfnisse (z.B. Zugehörigkeit und Liebe) und Stufe 4 fasst die Bedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung zusammen. Diese vier Stufen werden auch

„Mangelbedürfnisse“ genannt (vgl. Woolfolk, 2014, S. 391f). „Wenn die mit den Bedürfnissen verbundenen Mängel beseitigt sind, ist das Bedürfnis (meist zeitweise) befriedigt“ (Woolfolk, 2014, S. 392). Die Bedürfnisse auf der obersten Stufe der Pyramide werden mit dem Begriff „Selbstverwirklichung“ zusammengefasst. Hierunter fallen die Bedürfnisse nach Kreativität, Ästhetik und intellektueller Leistung beispielsweise. Es sind Daseinsbedürfnisse, die nicht gesättigt werden können, sondern sich bei der Erreichung weiter steigern (vgl. ebd., S. 392).

Übertragen wir diese Bedürfnisse auf Kinder im Grundschulalter sind vor allem die

Bedürfnisse auf Stufe 3-5 relevant für den schulischen Kontext. Während die physiologischen Bedürfnisse und die Sicherheitsbedürfnisse natürlich auch eine Rolle spielen, aber (im

optimalen Sinne) gut vom Elternhaus versorgt werden, verlagern sich die Erfüllung

Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstverwirklichung zunehmend auch in den schulischen Kontext. Gerade in der Ganztagsschule werden diese Bedürfnisse noch bedeutender, da dort in der Regel acht Stunden täglich verbracht werden. Da die Kinder, wie bei den Entwicklungsaufgaben nach Havighurst erläutert, zu Personen des öffentlichen Lebens werden, suchen sie ihre Bedürfnisbefriedigung in der Konsequenz dann auch im öffentlichen Raum, wie in der Schule und der Ganztagsbetreuung.

Die Selbstbestimmungstheorie

„Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass alle Menschen sich kompetent und fähig in ihrem Umgang mit anderen Menschen fühlen, über einen gewissen

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18 zu anderen Menschen aufnehmen und aufrechterhalten, kurz sich einer Gruppe zugehörig fühlen können“ (Woolfolk, 2014, S. 392).

Überträgt man das Bedürfnis nach Autonomie auf die Grundschule, bedeutet das, dass Kindern der Raum für eigene Entscheidungen gegeben werden sollte. „Wenn Schüler Entscheidungen selbst fällen können, erscheint ihnen etwas als wichtiger, auch wenn es keinen Spaß macht. Auf diese Weise internalisieren sie Erziehungsziele und eignen sie sich an“ (ebd., S. 393).

Im Hinblick auf Partizipation ist dies ebenfalls ein bedeutender Punkt. Partizipation heißt, Kindern Selbstbestimmungsmöglichkeiten einzuräumen und ihnen ein Beteiligungsrecht an Prozessen zu geben, von denen sie Teil sind. So erscheinen ihnen die gefällten

Entscheidungen wichtiger, da sie eben selbst entschieden haben oder Teil des Entscheidungsprozesses waren.

2.6 Partizipation von Kindern an (Ganztags-)Grundschulen

2.6.1 Definition von Partizipation

Der Begriff „Partizipation“ ist weit und muss für Forschungszwecke klar definiert sein. Für die theoretische Grundlage hier eine einfach gehaltene Definition der Bertelsmann Stiftung, die diese im Rahmen ihres Projektes „Mit Wirkung!“ verwendet hat: „Kinder- und

Jugendpartizipation ist das aktive und nachhaltiges Mitwirken und Mitbestimmen von Kindern und Jugendlichen an Planungen und Entscheidungen, die ihre Lebenswelt betreffen sowie an deren Verwirklichungen“ (Bertelsmann Stiftung, 2008, S.12).

2.6.2 Gründe für die Partizipation von Grundschulkindern/Gesetzliche Grundlagen

Neben den oben rausgestellten Begründungen für Partizipation im Sinne der Entwicklung von Kindern und ihren Bedürfnissen werden hier weitere Gründe dargestellt, die sich auf Kinder als Teil und Zukunft unserer Gesellschaft berufen.

Wagener fasst in ihrem Buch „Partizipation von Kindern an (Ganztags-) Grundschulen“ (2013) zusammen, dass Kinder in den meisten Fällen unterschätzt würden, was ihre

Kompetenzen und Fähigkeiten der Meinungsvertretung anginge. In der Grundschule solle von den Erwachsenen neu nachgedacht werden, wie man reelle Beteiligungsangebote für Kinder schaffen könne (vgl. Wagener, S. 27f). „Es gibt zahlreiche systematische und funktionale Begründungen für die Partizipation von Kindern, die aus unterschiedlichen Zusammenhängen und Perspektiven hergeleitet werden“ (Wagener, S. 29).

Es folgt eine Darstellung der zwei wichtigsten Begründungslinien, die nach Wagener für die Partizipation von Kindern in der Grundschule sprechen: Die „demokratiepädagogische Begründungslinie“ (vgl. ebd., S. 29ff) und die „(Kinder-)Rechtliche Begründungslinie sowie kinder- und jugendpolitische Diskurse“ (vgl. ebd., S. 33ff).

Die demokratiepädagogische Begründung baut auf den Grundauffassungen des

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19 Politologen Himmelmann (2004) auf. Dewey machte damals schon deutlich, dass eine

Demokratie, die zukunftsweisend und „einen Wandel zum Besseren erstreben will“ nur dadurch bestehen könne, dass bereits Kinder diese im alltäglichen Zusammenleben verankert erleben und leben würden. Dewey und Himmelmann fordern, dass bereits in der Schule „demokratische Methoden“ angewendet, Projekte und allgemein lebensnahe Erfahrungen gemacht würden, damit Demokratie nicht nur eine politische Grundhaltung, sondern eine wahrhaftige Lebensform sein könne. Wagener zitiert Himmelmann (2004) so: „„Demokratie als Lebensform kann insofern als Rückgrat, als Urform, als Keim- oder Vorform, als

Unterfütterung oder sogar als Voraussetzung dafür angesehen werden, dass die Demokratie in ihrer Ganzheit wirklich gelebt werden und dauerhaft stabil bleiben kann“(ebd.,9)“ (Wagener, 2013, S. 30).

In der Schule soll somit neben dem Politikunterricht, der Grundlagen der Demokratie vermittelt, Demokratie gelebt werden und mittels verschiedener Formen der

Schülerpartizipation den Schülern nahe gebracht werden. Dadurch, dass die Schulkultur demokratische Grundzüge hat, werden den Schülern demokratische Werte und Einstellungen vermittelt. „„ Als demokratische Polis im Kleinen kann die Schule potenziell mehr als andere gesellschaftliche Institutionen Erfahrungen mit Demokratie ermöglichen. Dazu muss sie sich allerdings zu einem Erfahrungsraum entwickeln, der dem Prozess des gemeinsamen

Handelns, Erlebens und Lernens mindestens ebenso viel Bedeutung einräumt wie dem Ergebnis.““(Sliwka, 2008, S. 24 in Wagener, 2013, S. 31).

Die rechtliche Begründungslinie gründet sich am allgemeinsten auf den von den Vereinten Nationen 1989 einstimmig verabschiedeten Kinderrechten, die von Deutschland 1992 ratifiziert wurden. Artikel 12 (1) sichert den Kindern freie Meinungsäußerung zu „in allen das Kind berührenden Angelegenheiten“ und die angemessene Berücksichtigung dieser altersentsprechend. Auch Artikel 13 beinhaltet die freie Meinungsäußerung und

Informationsfreiheit der Kinder. Die Ausübung dieses Rechts darf nur begrenzt werden, wenn die Achtung der Rechte anderer dadurch gefährdet ist oder aber der „Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit“. Artikel 29 verpflichtet Bildungsangebote und -einrichtungen, jedes „Kind auf ein

verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten.“

Auf der Ebene der Europäischen Union greift die im Jahre 2000 verabschiedete „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ in Artikel 24 in ähnlich formulierter Weise diese Rechte von Kindern auf.

Auf Bundesebene wiederum wird die Relevanz von Kinder- und Jugendbeteiligung im

SGBVIII §1, 8 und 11 festgeschrieben. Es heißt, dass „jeder junge Mensch […] ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ hat (§1). Zudem hat die öffentliche Jugendhilfe Kinder und Jugendliche an sie betreffende Entscheidungen entsprechend ihres Entwicklungsstandes einzubeziehen (§8) und Jugendarbeit hat junge Menschen zur Selbstbestimmung zu

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20 In Nordrhein-Westfalen sind auf Landesebene sowohl das Schulgesetz zu berücksichtigen, als auch das Dritte Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (3. AG-KJHG – KJFÖG) und das Kinderbildungsgesetz NRW(KiBiz). Das Schulgesetz des Landes NRW (2012) spricht den Kindern in §42 das Recht zu, im Rahmen des Schulgesetzes „an der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mitzuwirken und ihre Interessen wahrzunehmen. Sie sind ihrem Alter entsprechend über die Unterrichtsplanung zu

informieren und an der Gestaltung des Unterrichts und sonstiger schulischer Veranstaltungen zu beteiligen“. Im 3. AG-KJHG –KJFÖG §6 (3 und 4) wird formuliert, dass die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe und andere nach dem Gesetz geförderte Einrichtungen die Belange von Kinder und Jugendliche berücksichtigen sollen und ihnen ein Mitspracherecht einräumen sollen. Dieses Mitspracherecht ist bezogen auf die Gestaltung der Angebote von Kinder- und Jugendhilfe und alle Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen, die das Interesse der Kinder und Jugendlichen berühren (vgl. Landtag NRW, 2004). Im KiBiz (2011) werden diese partizipatorischen Grundsätze in ähnlicher Form ebenfalls im §13 (2 und 4) festgelegt.

2.7 OGS aus Sicht der Kinder

Enderlein stellt in seinem Kapitel „Ganztagsschule im Interesse der Kinder“ (2016) Bedürfnisse der Kinder heraus, die auf Statements der WHO, Unicef und World Vision Deutschland beruhen. Kinder fühlen sich demnach in einer Ganztagsschule wohl, wenn, erstens, das Versprechen, zu lernen, erfüllt wird, und zwar mit genügend Zeit über

Unterrichtsinhalte nachzudenken und interessensorientiert zu lernen. Zweitens wünschen sich Kinder verlässliche Strukturen mit klaren Zuständigkeiten der Erwachsenen und transparenten Regeln, die Sinn ergeben. Drittens wollen Kinder Anerkennung und Wertschätzung, dass sich für sie und ihre Meinung interessiert wird, viertens sind ihnen Selbstwirksamkeitserfahrungen wichtig und fünftens ein „Recht auf Spiel, Freizeit und Erholung und das Recht auf Wahrung der Privatsphäre“ (Enderlein, 2016, S. 76f).

Es gibt bisher wenige Veröffentlichungen und Untersuchungen zu diesem Themenfeld. Daher hier eine Darstellung einer Studie, die zwar schon 2007 abgeschlossen wurde, aber in ihren Ergebnissen bezogen auf die Sicht der Kinder aussagekräftig bleibt. Zudem bietet die Studie Orientierung für die in diesem Forschungsplan geplante Untersuchung.

Beher et al. führten 2005 bis 2007 eine der größten Studien zum Stand und zur Entwicklung der offenen Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen durch. Die Ergebnisse stellen sie in dem Buch „Die offene Ganztagsschule in der Entwicklung“ (2007) dar. Neben der Sicht des Personals und der Eltern explorieren sie mittels quantitativer Fragebögen und qualitativer Interviews die Sicht der Kinder (vgl. Kap. 4, S. 179-307). Hierbei wurden 655 Kinder der ersten bis vierten Klasse von 62 Schulen befragt (vgl. S. 12 u. S. 184). Themenkomplexe stellten hierbei der Tagesablauf, die räumlichen Bedingungen, die einzelnen Handlungsfelder bzw. Angebotselemente, die Partizipationserfahrungen, das soziale Klima und die

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21 Zusammengefasst kam die Untersuchung zu folgenden Ergebnissen: „Abwechslungsreiche Tagesabläufe, die verschiedene Gestaltungselemente des Ganztags integrieren“, also in denen sich Unterricht mit freier Zeit und AGs mischen („rhythmisierter Ganztag“), würden von den Kindern am besten bewertet (vgl. S. 198f). Bezogen auf die Raumsituation wären 63% der Kinder zufrieden. Hierbei differenzieren die Autoren zwischen „eher positiv bewerteten Aspekten“ und „eher negativ bewertete[n] Aspekten der Raumsituation“ (S. 200ff). Zu den positiv bewerteten Aspekten zählten das Außengelände, die Entspannungs- und

Rückzugsmöglichkeiten und die Größe der Spielräume. Diese drei Dimensionen seien den Kindern besonders wichtig und laut Studie jeweils von rund 80% der Kinder als gut bewertet worden. Zwei Aspekte dagegen würden eher negativ wahrgenommen: Die „Attraktivität der Spielsachen“ und das Raumangebot, in dem man sich bewegen und „toben“ darf innerhalb der offenen Ganztagsschulen würden von nur knapp der Hälfte der befragten Kinder als ausreichend bewertet. (vgl. S.202f). Hier wünschten sich die Kinder mehr

Mitbestimmungsrecht. Nur knapp ein Fünftel der Kinder seien der Meinung, dass sie ein Mitspracherecht haben bezogen auf die Anschaffung von Spielsachen und die Nutzung des Räumlichkeiten (vgl. S. 203).

Die Ergebnisse zu den einzelnen Handlungsfeldern bzw. Angebotselementen sehen folgendermaßen aus:

Die Bildungsangebote („AGs“) würden von den Kindern „äußerst positiv“ bewertet. Gründe hierfür sind laut Untersuchung, dass die Kinder entsprechend ihrer Interessen wählen könnten und „die Mitarbeiter(innen) individuell auf die Kinder eingehen und ihnen entsprechend ihrer Möglichkeiten und Interessen gezielt Herausforderungen stellen“

(S. 214). Aber auch hier resümieren die Forscher, dass eine Ausweitung der Teilhabemöglichkeiten das Handlungsfeld weiter optimieren könnte (vgl. S. 215). Die Hausaufgabenbetreuung sei für die Kinder dahingehend zufriedenstellend, dass 71% gerne mit anderen Kindern zusammen Hausaufgaben machen würden (vgl. S. 220). Am optimalsten sei eine Hausaufgabenbetreuung aus Sicht der Kinder, wenn einerseits durch Regeln eine Atmosphäre herrsche, in der konzentriertes Arbeiten möglich sei und individuelle Hilfe seitens der Mitarbeiter gegeben werden könne, andererseits Kooperations- und

Unterstützungsmöglichkeiten zwischen den Kindern bestehen, denn gerade die Dritt- und Viertklässler(innen) äußerten ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich gegenseitig helfen zu wollen. Diesem würde aber häufig nicht nachgegangen werden können, da das Regelwerk dies nicht zuließe (vgl. S. 221f).

Das Mittagessen bezeichneten die Kinder als „zentralen Treffpunkt ihres Tages“ (S. 229). Das soziale Miteinander sei den Kindern wichtig und stärke die soziale

Gemeinschaft. Doch zur entspannten Gestaltung dieser Zeit sei auch hier eine Mitwirkung der Kinder noch ausbaufähig (vgl. S. 229).

„Die gemeinsamen Erfahrungen mit anderen Kindern in der freien Spielzeit sind für die befragten Mädchen und Jungen von besonderer Wichtigkeit und werden von ihnen besonders positiv eingeschätzt.“ (S.234). Da die Kinder in Ganztagsschulen mehr Zeit des Tages

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22 Hinblick auf freie, ungeplante Zeit, die mit Freunden und in selbstgewählten Gruppen

verbracht wird (vgl. S. 234).

Dieses Ergebnis deckt sich mit denen bezogen auf das soziale Klima in der OGS.

„Zusammengenommen wird bei der Betrachtung der Gleichaltrigenbeziehungen die große Bedeutung der Freundschaften für Kinder im Ganztag ersichtlich […] (S. 244). Auf der anderen Seite scheint es ein großes Konfliktpotential im Alltag der OGs zu geben, dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Soziales Lernen sowie Strukturbedingungen, die den

Bedürfnissen der Kinder gerechter wird hinsichtlich Bewegung, Kontakt und Freundschaften böte hier ein „breites Entwicklungspotential“ (vgl. S. 244).

Im Bereich der Partizipationserfahrungen stellen die Forscher der Untersuchung fest, dass es zwar ein paar Ansätze gibt, diese aber in der Regel nicht verankert sind im Gesamtkonzept. „Wird in diesem Zusammenhang nach der zukünftigen Bedeutung von Partizipation für die offene Ganztagsschule gefragt, dann sollte die aktive Mitwirkung der Kinder sowohl im Unterricht als auch im pädagogischen Alltag der außerunterrichtlichen Angebote gestärkt werden. Die angestrebte Ausweitung der Teilhabemöglichkeiten in der OGS stößt auch bei den befragten Schulleitungen, Lehr- und Fachkräften auf positive Resonanz.“ (S. 256f).

2.8 Relevanz für die Entwicklung der sozialen Arbeit und Schule

Die Relevanz der Forschung ist von dem Forschungsanlass und den erläuterten theoretischen Hintergrund ableitbar und durch diese ersichtlich.

Im Folgenden daher nur eine stichpunktartige Zusammenfassung der Relevanz geordnet nach den Kategorien Klienten, beforschte Einrichtung, Ganztagsgrundschulen und sozialer Arbeit im Allgemeinen:

Relevanz für die Klienten bzw. Kinder:

 Möglichkeit der Äußerung von Meinungen und Wünschen hinsichtlich der Schule und OGS Scheidter Straße

 Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, der Selbst- und Sozialkompetenz wie in der BASS als Grundlage einer Ganztagsschule festgelegt, begründet durch die entwicklungspsychologischen Grundlagen (siehe Punkt 2.5.1)

 Förderung der Empathie (Was brauche ich? Gilt das für alle? Was brauchen andere eventuell?)

 Förderung der kognitiven Entwicklung/Fähigkeiten

(Perspektivenwechsel/Übertragung von Sachverhalten, siehe 2.5.1.2 und 2.5.1.4)

 Förderung des partizipatorischen Denkens

 Verinnerlichung von demokratischen Grundprinzipien/ „learning by doing“ (siehe demokratiepädagogische Begründungslinie im Punkt 3.6.2)

 Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstverwirklichung werden aufgegriffen, ernst genommen und die Möglichkeit geboten, diesen durch

Meinungsäußerung und Partizipation noch mehr gerecht zu werden (siehe Punkt 2.5.2.1)

(23)

23

 Dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Kontrolle über das eigene Leben wird entgegen gekommen (siehe Punkt 2.5.2.2)

 Exploration ggf. weiterer Bedürfnisse (z.B. nach mehr Bewegungsmöglichkeiten, Kooperation während der Hausaufgabenzeit, zeitlicher Freiräume oder andere (wie in Punkt 2.7. OGS aus Sicht der Kinder))

 Kinder sind glücklicher, dadurch dass sie wahrnehmen, dass sich für sie und ihre Bedürfnisse und Meinungen interessiert wird und Ideen dahingehend entwickelt werden, wie es ihnen gut gehen kann in der Schule und OGS

Relevanz für die Einrichtung GS Scheidter Straße:

 Input und Ideen für die weitere Konzeptentwicklung

 Perspektiverweiterung

 Dadurch, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder exploriert werden, ist es ggf. möglich, diese im Konzept umzusetzen bzw. einzubauen

 Konzeptentwicklung orientiert an Bedürfnissen und Wünschen der Kinder wie es auch in den gesetzlichen Grundlagen gefordert wird

 Außenwirkung positiv („Kinder haben dort die Möglichkeit, dass ihre Stimme gehört und ihre Meinung ernst genommen wird“, „Arbeit im Sinne des Kindes“)

 Vermittlung von demokratischen Grundwerten an der Schule mittels Partizipation

 Partizipation als qualitatives Merkmal der Schule

 Kinder fühlen sich ernst genommen und gehört, ihren Bedürfnissen und Wünschen wird versucht nachzukommen  Kinder sind zufriedener und dadurch motivierter, das ist auch für die gute Atmosphäre der Schule und OGS förderlich und motiviert wiederum die Mitarbeiter/innen

 Steigerung der Identifikation der Schüler/innen mit der Schule und GS Scheidter Straße

Relevanz für Ganztagsgrundschulen:

Ähnlich wie die Punkte bezogen auf die GGS und OGS Scheidter Straße, nur allgemeiner:

 Blickwinkel auf Partizipation wird geschärft und die Wichtigkeit hervorgehoben

 Die Kinder bringen eine neue Perspektive in die Arbeit an Grundschulen

 Die heranwachsende Generation wird schon vor der weiterführenden Schule an ihren eigenen Bildungsprozessen beteiligt

 Kreative Problemlösungen und Ideen, die auch funktionieren können, da sie von den Kindern selbst stammen, werden gefördert

 Höhere Identifikation mit der Schule, Stolz und Selbstwertsteigerung

 Die Zusammenarbeit Lehrer-Schüler, Erzieher-Schüler wird verbessert, da sich die Schüler mehr auf Augenhöhe fühlen

Relevanz für die Entwicklung evidenzbasierter sozialer Arbeit:

 Kinder als die nächste Generation bzw. Zukunft der Gesellschaft werden ernst genommen und mittels Ideen und Partizipation an Konzepten wird ihnen ein demokratischer Grundgedanke mitgegeben

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24

 Entwicklung von Konzepten, die an den aktuellen Gegebenheiten der Generation und der Klienten ausgerichtet sind und deren Bedürfnissen und Interessen entsprechen  Das steigert zudem die Effektivität und Effizienz von sozialer Arbeit  Das

wiederum führt zu Kostenreduktion

 Kinderrechte werden weiter verankert, sodass auch das Bild von Kindern in der Gesellschaft aufgewertet wird, Kinder bekommen eine Stimme

 Förderung der politischen Grundhaltung der nächsten Generation und der zukünftigen werteorientierten Demokratie, dadurch dass die nächsten Generation schon früh Beteiligungsmöglichkeiten und, vor allem Mitwirkungsrechte eingeräumt werden

2.9 Zusammenfassung des Kapitels

Eine Definition von (gebundener und offener) Ganztagsschule in Deutschland fällt schwer, da diese innerhalb des Landes und der Bundesländer viele unterschiedliche Formen

angenommen hat. Das kommt daher, dass die Kultusministerkonferenz vornehmlich

strukturelle Merkmale festgelegte, als sie nach dem „Pisa-Schock“ im Jahr 2000 den Ausbau von Schulen mit Ganztagsschulbetrieb beschloss. Bis zum Jahr 2012 wurden fast die Hälfte der Schulen in der Bundesrepublik Ganztagsschulen.

Die gesetzlichen Grundlagen der (offenen) Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen finden sich im §9 Abs. 1 und 3 im Schulgesetz sowie im Grundlagenerlass BASS 12-63 Nr. 2. Die Schulen bzw. die Schulleitung kooperiert mit Trägern der OGS. Diese sind entweder Jugendhilfeträger oder andere Einrichtung, die Bildung und Erziehung fördern. Im Grundlagenerlass werden die notwendigen Vereinbarungen benannt, die eine solche Kooperationsvereinbarung regeln muss.

Insgesamt ist zu festzustellen, dass die Vorgaben, die einer (offenen) Ganztagsschule zugrunde liegen, abstrakter Natur sind und Freiräume für die inhaltliche Struktur und Ausgestaltung lassen.

Entwicklungspsychologisch befinden sich Kinder im Grundschulalter auf der Schwelle vom Egozentrismus zu „Mitgliedern der Gesellschaft“ (Havighurst). Piaget verordnet im

Grundschulalter das „konkret-operationale Stadium“, in dem Kinder lernen, erlernte Sachverhalte auf andere Situationen zu übertragen. Zudem entwickeln Kinder in dem Alter ein moralisches Bewusstsein, prosoziales Verhalten und die Regulierung von Emotionen indem mögliche Folgen eines bestimmten Verhaltens gedanklich antizipiert werden können. Bezogen auf Partizipation besitzen Kinder im Kindergartenalter laut neuerer

entwicklungspsychologischer Forschung bereits Entscheidungskompetenzen und sind im Grundschulalter als ernstzunehmende Partner einzuschätzen. Sie müssen aber dennoch von Erwachsenen im Mitbestimmungsprozess begleitet werden.

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25 Nach der Maslowschen Bedürfnis-Pyramide haben alle Menschen das Bedürfnis nach

Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstverwirklichung, auch Kinder dementsprechend. Schaut man sich die entwicklungspsychologischen Grundlagen an und beachtet man, dass die Kinder einen Großteil des Tages in der Ganztagsschule verbringen, sollten diese Bedürfnisse gerade dort auch wahrgenommen und entsprechend zu einem Teil befriedigt werden.

Die Selbstbestimmungstheorie besagt, dass jeder Mensch zudem ein Bedürfnis nach Autonomie hat. Kinder mitentscheiden zu lassen und ihnen Entscheidungsfreiheiten einzuräumen entspricht diesem Bedürfnis.

Nach Wagener (2013) sind die „demokratiepädagogische Begründungslinie“ und die

„(kinder-)rechtliche Begründungslinie“ zwei der wichtigsten Begründungslinien, die für eine Mitbestimmung der Kinder bei Entscheidungen, die ihre Lebenswelt betreffen, sprechen. Endlerlein (2016) benennt Aspekte, die nach WHO, Unicef und World Vision Deutschland aus Sicht der Kinder besonders wichtig seien an Ganztagsschulen. Neben

interessensorientierte Lernen seien das beispielsweise Wertschätzung, transparente Regeln und ihr Recht auf Spiel und Erholung.

Beher, Haenisch, Hermens, Nordt, Prein und Schulz führten 2005 bis 2007 eine Studie zum Stand der offenen Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen durch. Es ist eine der wenigen Studien, die ebenfalls die Sicht der Kinder mit einbezieht.

Der hier durchgeführte Forschungsprozess und dessen Ergebnisse besitzen sowohl Relevanz für die Kinder, die Schule und die OGS, in der die Studie durchgeführt wurde, sowie für Ganztagsgrundschulen allgemeiner betrachtet und die Entwicklung evidenzbasierter Sozialer Arbeit.

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26

3. Untersuchungsmethodik

Das Kapitel beschreibt die Methodik der hier durchgeführten Forschung. Die Forschungsart und der Forschungstyp werden erläutert (3.1), die Strategie und das Design beschrieben (3.2) und die Forschungsmethode erörtert (3.3). Schlüsselbegriffe werden im Teilkapitel 3.4 definiert und damit operationalisiert. Daran anschließend wird das Forschungsinstrument entwickelt (3.5). Ethische Überlegungen zur Durchführung und den möglichen Ergebnissen runden das Kapitel ab (3.6). Zum Ende folgt eine Zusammenfassung des Kapitels (3.7).

3.1 Forschungsart und Forschungstyp

Die hier durchgeführte Untersuchung ist der empirischen Praxis- bzw. Anwendungsforschung zuzuordnen. Die Begründung hierfür ist folgendermaßen: „Empirisch“ wird vom

„Empirismus“ abgeleitet, eine „philosophische Richtung, die allein von der Erfahrung (und nicht von der Vernunft)als Quelle des Wissens ausgeht“ (Lamnek, 2005, S. 717). Für die Forschung bedeutet das, dass nicht aus vernünftigen Überlegungen heraus Schlüsse gezogen werden, sondern aus der Erfahrung, und zwar in Form von erhobenen Daten. Da nicht nur reine Überlegungen Grundlage für die Antworten auf die aufgeworfenen Fragen aus der Praxis sein sollen, sondern beschlossen wurde, diese Fragen in der Praxis zu beforschen, ist die Forschung empirisch. Das bringt automatisch weitere Schritte mit sich: „Empirische Sozialforschung ist im Regelfall dadurch charakterisiert, dass es Patentrezepte, die für alle Fälle gültig sind, nicht gibt. Von einigen Ausnahmen abgesehen […] ist der Forscher gezwungen, in gründlicher Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand immer wieder neu ein für die jeweilige Fragestellung geeignetes Untersuchungs-„Design“ zu entwerfen, d.h. einen speziellen Untersuchungsplan zu entwickeln“ (Kromrey, 2006, S. 71). Dieser Untersuchungsplan beschrieben.

Schaffer (2009) benutzt für die Form von Forschung, die sich an der Praxis orientiert und dort auch umgesetzt werden soll, den Begriff „Anwendungsforschung“ (vgl. S. 57). „Die Studien innerhalb der Anwendungsforschung gehen in der Regel von einem bestimmten sozialen Problem oder einer spezifischen sozialen Maßnahme aus, die es zu beforschen gilt, weil entweder noch sehr wenige, widersprüchliche oder keine gesicherten Kenntnisse existieren“ (ebd. S. 57). Diese Aspekte trafen auf das zu beforschende Feld zu. Es war noch nicht bekannt, was die Kinder der Grundschule z.B. für Bedürfnisse haben oder was sie sich wünschten.

3.2 Forschungsstrategie und Forschungsdesign

Wie oben bereits mehrfach erwähnt und in den Forschungszielen, -haupt und –teilfragen wiederzufinden, gab es noch keine empirisch überprüften Kenntnisse zum Gegenstand der Forschung. Zwar konnten aus Alltagsbeobachtungen Schlussfolgerungen gezogen werden,

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27 diese sind aber selektiv, ggf. nur unter bestimmten Bedingungen, die nicht genauer benannt werden, gültig und keinesfalls eindeutig. „Weil das Alltagswissen unsicher ist, werden systematische Prüfverfahren benötigt, um den Grad des Vertrauens in die vermuteten Zusammenhänge zu erhöhen oder eventuell deren bedingte Gültigkeit oder gar Ungültigkeit nachzuweisen“ (Diekmann, 2016, S. 31).

Dabei gibt es verschiedene Ziele, die diese systematischen Prüfverfahren bzw. die damit gemeinten wissenschaftlichen Untersuchungen verfolgen können: Die Erkundung

(=Exploration) sozialer Sachverhalte, die Beschreibung (=Deskription) sozialer Sachverhalte, die Prüfung von vorher formulierten Hypothesen und Theorien und die Auswertung

(=Evaluation) von Projekten (vgl. Diekmann, 2016, S. 33). Die hier geplante Untersuchung ist eine explorative Studie. „Explorative Studien wird man durchführen, wenn der soziale

Bereich, den es zu erforschen gilt, relativ unbekannt ist […] Freilich wird auch die

Exploration nicht an einer Tabula-rasa-Situation anknüpfen. Irgendeine Art von Vorwissen, Vermutungen und vage Hypothesen werden den Beobachtungen immer vorangehen […]“ (ebd., S. 32f). In diesem Fall war es beispielsweise die Vermutung, dass die Kinder Wünsche und Bedürfnisse haben könnten, die den Erwachsenen ggf. nicht unbedingt bewusst sind bzw. die Sicht der beteiligten Erwachsenen erweitern könnte.

Das Untersuchungsziel, die Bedürfnisse, Meinungen und Wünsche der Kinder zu explorieren, hing wiederum eng mit der qualitativen Ausrichtung der Forschung zusammen. Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen dem Untersuchungsziel und dem qualitativen Vorgehen, aber auch zur Erklärung der qualitativen Forschungsausrichtung im Allgemeinen, eignen sich die 13 Säulen qualitativen Denkens, die Mayring (2016) in seinem Buch „Einführung in die qualitative Sozialforschung“ vorstellt (vgl. Mayring, 2016, S. 24-39). Hier jeweils mit Bezug zur geplanten Studie erläutert: Erstens die „Einzelfallbezogenheit“: Die individuellen,

ehrlichen, nicht verallgemeinerten Meinungen der Kinder interessieren im Rahmen der Untersuchung, später können ggf. daraus auch allgemeinere Schlüsse gezogen werden. Zweitens die „Offenheit“: Hier hauptsächlich durch den explorativen Charakter der Studie bedingt, sowie zunächst eine methodische Offenheit, die im Rahmen der Forschungsplanung aber konkreter wird. Drittens die „Methodenkontrolle“: Planung, Erklärung, Beschreibung, Begründung und Dokumentation der Forschungsmethode(n), wie auch hier im

Forschungsplan. So ist der qualitative Forschungsprozess auch für Außenstehende

nachvollziehbar und überprüfbar, was sonst eher der quantitativen Forschung zugeschrieben wird. Viertens das „Vorverständnis“: Trotz des erkundenen Charakters der Studie gibt es ein alltagswissenschaftliches und theoretisches Vorverständnis des Forschers vom

Forschungsfeld. Dieses Vorverständnis muss offen gelegt werden und wird dann anhand der Forschung weiterentwickelt. Fünftens die „Introspektion“: Bezogen auf introspektive

Analysen, hier nicht relevant. Sechstens die „Forscher-Gegenstands-Interaktion“: Untersuchungen im Rahmen von Forschungsprozessen sind nicht statisch und objektiv, sondern dynamisch und unterliegen einem wechselseitigen Prozess. Bezogen auf die hier geplante Untersuchung: Die Bedeutung, die dem sozialen Sachverhalt („Gegenstand“) vom Forscher gegeben wird, aber auch die benutzen Begrifflichkeiten, das entwickelte

Forschungsinstrument sowie die Aussagen der Kinder beispielsweise sind alle durch

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28 zudem noch innerhalb des Forschungsprozesses. Forschung ist demzufolge wie eine

Interaktion oder aber wie Kommunikation zu sehen. Siebtens die „Ganzheit“: Diese Säule ist eng mit der „Einzelfallbezogenheit“ verbunden. Es geht im qualitativen Forschungsprozess darum, den Menschen möglichst ganzheitlich zu sehen und nicht Variablen isoliert zu betrachten. Das Kind wird als Individuum, das in sozialen Zusammenhängen agiert, lebt und den Dingen seine Bedeutung verleiht, betrachtet. Achtens die „Historizität“: Die

Kontextbedingungen werden berücksichtigt. Das bedeutet in diesem Falle, dass die befragten Kinder ihre Meinung nicht nur aus der aktuellen Situation heraus formuliert haben, sondern aus ihrer „Geschichte“ heraus und der des interessierenden Gegenstandes. Befragt man Viertklässler zum Konzept, zum Beispiel, haben diese ihre Meinung vor dem Hintergrund der zahlreichen Änderungen, die sie in den vier Jahren bereits erlebt haben, entwickelt, nicht nur vor dem Hintergrund der jetzigen Situation. Neuntens die „Problemorientierung“: Dieser Punkt ist hier im Forschungsplan mit dem praktischen Forschungsanlass und der

Anwendungsforschung verbunden. Qualitative Forschung setzt an „konkrete[n], praktische[n] Problemstellungen im Gegenstandsbereich [an], auf die dann auch die Untersuchungsergebnisse bezogen werden können“ (Mayring, S. 35). Grundlagenforschung ist dagegen häufig theoretischer und quantitativ ausgerichtet.

Zehntens die „argumentative Verallgemeinerung“: Die Ergebnisse der Forschung haben zunächst nur für den Bereich Gültigkeit, in dem sie erhoben wurden. Möchte der Forscher sie verallgemeinern, muss er argumentativ vorgehen. Bei quantitativer Forschung gibt es

festgelegte Verfahren der Verallgemeinerung, diese bestehen bei der qualitativen Forschung nicht. Das ist ebenfalls dadurch begründet, dass für die qualitative Forschung eben die Einzelfallbezogenheit und die Ganzheit wichtig sind. Generalisierungen sind somit

argumentativ so explizit wie möglich zu untermauern und zu begründen und der Bereich der Generalisierungen genau zu benennen. Elftens die „Induktion“: „Aus einzelnen

Beobachtungen setzen sich die ersten Zusammenhangsvermutungen zusammen, die dann durch systematische weitere Beobachtungen zu erhärten versucht werden“ (Mayring, S. 26). Diese Vorgehensweise ist verknüpft damit, dass es sich um eine explorative Untersuchung handelte, die Meinungen der Kinder wurden empirisch exploriert und anschließend Schlüsse daraus gezogen und Hypothesen formuliert. Quantitative Forschung geht dagegen, in der Regel, deduktiv vor. Zwölftens der „Regelbegriff“: Auch diese Säule ist verknüpft mit der Subjektbezogenheit und der Ganzheit des Menschen. Die qualitative Forschung geht davon aus, dass die Forschung im humanwissenschaftlichen Bereich keine allgemein gültigen Gesetze herausfinden kann, sondern allenfalls Regeln, die kontextgebunden sind und für die ggf. „argumentative Verallgemeinerung“ möglich ist. Für die hier durchgeführte Studie galt somit, dass die Ergebnisse, die aus der Untersuchung gezogen werden, erst einmal auf der Ebene der GS und OGS Scheidter Straße für die jeweiligen Schüler gilt, aber anhand von anschließender induktiver Hypothesen-Bildung und argumentativer Verallgemeinerung kann sich das Gültigkeitsspektrum erweitern. Allgemein gültige Gesetze sind daraus aber nicht zu formulieren. Dreizehntens die „Quantifizierbarkeit“: Trotz des Regelbegriffs kann und soll aber auch qualitative Forschung eine Voraussetzung für Quantifizierbarkeit schaffen (vgl. vorheriger Punkt). Denn wenn sich die Forschung nur auf den Bereich beschränken würde, in deren Rahmen sie stattgefunden hat, würde sie ihren Sinn verlieren.

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