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Hitler und der Holocaust: dem Lachen preisgegeben? Hitler und die Holocaustdarstellung in den komischen Spielfilmen

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Rijksuniversiteit Groningen Duitslandstudies

Hitler und der Holocaust: dem Lachen preisgegeben?

Hitler und die Holocaustdarstellung in den komischen Spielfilmen Mein Führer, die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler und Zug des Lebens

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Inhaltsangabe

Einleitung 3

1. Medialisierung des Holocaust 6

1.1 Phasen der Erinnerung an den Holocaust 6

1.1.1 Vergangenheitsbewältigung im Film 8

2. Das 'Undarstellbare' dargestellt: Holocaust-Spielfilme 11 2.1 Diskurs zur die Fiktionalisierung der Shoah 11

2.1.1 Bilderverbot 11

2.1.2 Formfragen: Das Authentizitätsprinzip 12 2.1.3 Der Holocaust: zwischen Hoch- und Massenkultur 15

3. Spielfilme über Hitler 18

3.1 Hitler als Popfigur 24

4. Komik, Humor und Lachen 26

4.1 Das unkomische des Komischen 26

4.2 Die Funktion von Lachen und Humor 29

4.2.1 Die Satire: grotesk und absurd 32

4.3 Die Figur des Clowns im Holocaust-Spielfilm 34 5. Mein Führer: die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler 36

5.1 Komik in Mein Führer 38

5.1.1 Lachen über Hitler 41

6. Zug des Lebens 44

6.1 Handlung und Erzählrahmen 45

6.2 Komik und Absurdität in Zug des Lebens 49

7. Fazit 51

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Einleitung

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4 zugleich bot er Anlass zur Diskussion über die filmische Darstellung des Holocaust. Einige Jahre zuvor hatte es um den Kinohit Schindlers Liste (Steven Spielberg, 1993) einen derartigen Diskurs gegeben: Damals hieß es noch “Darf der Holocaust dargestellt werden?”, Ende der neunziger Jahre wurde die Frage neu formuliert: “Darf man über den Holocaust lachen?”. Kritiker wie Holocaustüberlebender und Schriftsteller Elie Wiesel und Claude Lanzmann, Regisseur des Dokumentarfilms Shoah (1985) erkannten zwar, dass über den Holocaust gelacht werden kann, meinten aber, dass man darüber nicht lachen darf. Nach ihrer Meinung sollte es überhaupt keine -fiktive- schriftliche und bildliche Repräsentationen des Holocaust geben. Lanzmann: “Die Fiktion ist eine Übertretung, und es ist meine tiefste Überzeugung, daβ jede Darstellung [der Shoah] verboten ist.”1 Man könnte begründen, dass die Fiktionalisierung und Darstellung dessen gerade heutzutage bedeutend ist: Die Zeitzeugengeneration ist fast ausgestorben und deswegen können wir in der nahen Zukunft nicht mehr über Erinnerungen an die nationalsozialistische Zeit aus erster Hand verfügen. Da das Bilder- und Fiktionalisierungsverbot etliche Male gebrochen worden ist, gibt es eine unzählbare Menge Bücher, Filme, Dokumentationen, Augenzeugenberichte usw. über den Holocaust. All diese Medien tragen zu der Art und Weise worauf die heutige Generationen den Holocaust erinnern bei; ohne diese -entweder fiktiven oder non-fiktiven- Medien würde die jüngere Generation weltweit vielleicht kaum was wissen über die Judenvernichtung. Filme wie Schindlers Liste sind Teil ihres Alltagswissens geworden. “Die[se] Vermischung von Kulturindustrie und Holocaust ist für die moralischen Holocaust-Puristen unerträglich. Dabei wird weder auf den Inhalt solcher Filme noch auf ihre Wirkung eingegangen. Das Bilderverbot steht über allem.”2, so Levy und Sznaider, die begründen, dass Filme wie Schindlers Liste und Das Leben ist schön gerade einen Beitrag an das kosmopolitische Gedächtnis leisten.

Ebenso wie Levy und Sznaider bin ich der Meinung, dass die Kulturindustrie bei der -emotionalen- Beschäftigung des Holocaust eine positive Rolle spielt: Sie kann weltweit ein großes und diverses Publikum bedienen. Dadurch wird dieses Thema für

1 Kramer, Sven, Auschwitz im Widerstreit, Zur Darstellung der Shoah in Film, Philosophie und Literatur, 1999, S. 22, zitiert nach: Claude Lanzmann, Ihr sollt nicht weinen

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5 jeden mit einem Fernseher 'leicht' zugängig3. Fast jeden Tag lässt sich über irgendwelche Sender ein Programm oder Film finden, der etwas mit dem Zweiten Weltkrieg, Hitler oder dem Holocaust zu tun hat. Und jedes Jahr werden Filme, die die nationalsozialistische Zeit thematisieren, herausgegeben. 1998 erschien der komische Film Zug des Lebens (Radu Mihaileaunu), der über die Selbstdeportation der Einwohner eines ost-europäischen jiddischen Schtetls handelt, Dorftrottel Schlomo hat -quasi- die Führung über dieses Unterfangen. Vor einigen Jahren erschien Mein Führer- Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (Dani Levy, 2007), ebenfalls ein komischer Film, aber diesmal ist Adolf Hitler die Figur, über die gelacht werden kann. Körperlich und seelisch ist er übel dran und für die Vorbereitung seiner Neujahrsansprache braucht er dringend Hilfe. Der jüdische Schauspiellehrer Adolf Grünbaum personifiziert diese Hilfe: Er sieht sich nun moralisch herausgefordert, über das Leben -oder den Tod- des Führers zu entscheiden.

Im Obigen habe ich schon kurz den Hintergrund des Diskurses über die Fiktionalisierung des Holocaust -pointierter der Holocaust-Spielfilme- skizziert. Auf die die Komik und Absurdität der Holocaust-Inszenierung und der historischen und inszenierten Figur Adolf Hitler komme ich im Folgenden zurück. Die Untersuchung der -komischen- Holocaust- und Hitler-Filme und die Wirkung von Komik und Humor führt schließlich zur Analyse der oben erwähnten Filme Zug des Lebens und Mein Führer; ich will untersuchen weshalb die Filme komisch wirken -können- und wie der Holocaust beziehungsweise Hitler dargestellt werden.

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1. Medialisierung des Holocaust

1.1 Phasen der Erinnerung an den Holocaust

Unmittelbar nach dem Krieg war die deutsche Bevölkerung erschöpft, traurig und verunsichert. Oder in den Worten der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmanns: “Die Deutschen, die überlebt haben, waren vor die Aufgabe gestellt, sich gänzlich neu zu erfinden.”4 Dreizehn Jahre in denen der Nationalsozialismus und die nationalistische

rassistische Glaubenslehre im Mittelpunkt standen, schienen im Nachkriegslicht sinnlos. Die Millionen Toten, die das Naziregime und die deutsche Bevölkerung auf dem Gewissen hatten, waren schwer zu verdauen. Das einfachste schien wohl zu vergessen was im Krieg passiert war und sich auf das Alltagsleben und die Zukunft zu richten. Das Trauma stand frisch in der Erinnerung, aber die zeitliche Distanz war -noch- zu kurz, die Vergangenheit zu bewältigen. Dass Deutschland sich nicht als Gewinner sondern als Verlierer ergeben hatte, war auch ein Teil des Traumas. “Trauma ist [...] die Störung, ja Zerstörung von Identität.”5 Obwohl Assmann glaubt, “dass eine traumatische Erfahrung erst nachträglich [...] zu gesellschaftlicher Anerkennung und symbolischer Artikulation findet.”6, meint sie, dass nur die wirklichen Opfer des Krieges, die Opfer des Völkermordes und Überlebenden der Todeslager also, Recht haben auf die Verwendung des Begriffs Trauma für ihre Vergangenheit. Es war dieses Trauma, diese lähmende Erinnerung an die Vergangenheit, die auch bei den Opfern für ein Stillschweigen sorgte.

Das Schweigen von beiden Seiten wurde erst in den sechziger Jahren allmählich gebrochen, als der Frankfurter Auschwitz Prozess (1963-1965) stattfand. Die Verbrechen der SS-Aufseher in Auschwitz wurden durch Überlebende an die Weltöffentlichkeit gebracht. Das Ende des Schweigens und Verdrängen der eigenen Schuld war endlich durchbrochen. Auch die Nachkriegsgeneration wollte das Schweigen ihrer (Groβ-)Eltern durchbrechen, indem sie sie zur Rechenschaft zogen. Die vielen Fragen nach den Erfahrungen der Vorfahren wurden unter anderem in der sogenannten Väterliteratur

4 Assmann, Aleida, Frevert, Ute, Geschichtsvergessenheit Geschichtsverssenheit, Vom Umgang mit deutschen

Vergangenheiten nach 1945, 1999 S. 100

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7 geäuβert. Die Kultur wurde als (Hilfs-)Mittel bei der Verarbeitung der Vergangenheit benutzt und würde später immer wichtiger bei dem Umgang mit dem Holocaust, obwohl die Massenvernichtung erst Ende der siebziger Jahre den Namen 'Holocaust' bekam. Dank der amerikanischen Fernsehserie Holocaust (1978) hatte der Genozid einen Namen bekommen, der universal verbreitet war. Die Benennung sorgte dafür, dass es für die Opfer (und Täter) einfacher würde, über ihre traumatischen Kriegserfahrungen zu kommunizieren; das Wort Holocaust und der Inhalt des Begriffs waren in der Gesellschaft geläufig geworden. Diese Namengebung bewirkte überdies, dass das Trauma der -jüdischen- Opfer nun zum Trauma der Gesellschaft wurde. Die Holocaust-Serie gab der Vergangenheit ein Gesicht, wodurch es für Zuschauer möglich wurde, sich den Krieg und den Holocaust vorstellen zu können und mit dem Vorstellungsvermögen wuchs auch das Verständnis für die Opfer. Diese Periode, worin Justiz, Kultur und schlieβlich die Gesellschaft Kritik an der Vergangenheitsbewältigung ausüben, gilt für Assmann als die zweite Phase der deutschen Erinnerungsgeschichte, sie begrenzt sie von 1958 bis 1984. Die letzte Phase steht für sie im Zeichen der Erinnerung: die Zeit von 1985 bis heute ist geprägt von Kommemoration.7

Daniel Levy und Nathan Sznaider dagegen gliedern die Erinnerungsphasen anders. Ebenso wie Assmann gilt das Nachkriegsjahrzehnt als erste Periode der Erinnerung, oder besser gesagt des Vergessens, Verdrängens und Verschweigens. Auch die Zeit der Prozesse, quasi eine Aufklärungszeit, läuft bei den Autoren gleichzeitig. Levy und Sznaider klassifizieren die achtziger Jahre als Erinnerungsjahrzehnt und unterscheiden die Periode danach als eine Zeit von “Universalisierung und Kosmopolitalisierung”8. In dieser Zeit werden, wie bekannt, viele Filme mit dem Thema Holocaust und oder Krieg gedreht. Schindlers Liste und Das Leben ist schön sind weltweit wohl die bekanntesten Beispiele, die das Holocaustbild vieler Menschen geprägt haben.

7 Vgl. Assmann, Aleida, Frevert, Ute, Geschichtsvergessenheit Geschichtsversessenheit, Vom Umgang mit

deutschen Vergangenheiten nach 1945, 1999, S.144

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1.1.1 Vergangenheitsbewältigung im Film

Die Bewältigung der Kriegsvergangenheit im Film lief fast parallel zu der Verarbeitung in der Gesellschaft. Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung ist, dass Spielfilme nicht immer nur neue Wege einschlagen, sondern, dass sie auch eine Spiegelfunktion haben: sie zeigen dem Publikum die aktuellen Trends und Stimmung der Gesellschaft. Unmittelbar nach dem Krieg wurden in der Bundesrepublik keine Filme über Hitler und den verlorenen Krieg veröffentlicht, und schon gar nicht über die damals noch namenlose Massenvernichtung. In den Vereinigten Staatsen, der CSSR und später auch in der DDR wurden mehrere Filme über die nationalsozialistische Zeit gedreht. Erst 1960 wurde in der BRD die Kriegsvergangenheit in der fünfteiligen Fernsehadaption desgleichnamigen 1955 veröffentlichten Romans von Hans Scholz Am grünen Strand der Spree (Umgelter) erstmals seriös thematisiert. Die Geschichte handelt von einem Freundeskreis, der sich seit dem Kriegsausbruch kaum gesehen hat, sich dann 1954 in einer Bar in West-Berlin trifft um die späte Heimkehr von Major Lepsius zu feiern. Während dieses Treffens erzählen die Männer, was sie in und nach dem Krieg durchgemacht haben. Der erste Teil dieser Serie Das Tagebuch des Jürgen Wilms bot dem deutschen Publikum zum ersten Mal in der Fernsehgeschichte der Bundesrepublik Bilder von Judenerschießungen9. Wie der Titel dieser Episode schon vermuten lässst, ist die Erzählung auf dem -fiktiven- Kriegstagebuch des Obergefreiten Jürgen Wilms basiert. Lepsius kennt ihn und hat bei einer zufälligen Begegnung sein Tagebuch bekommen, an dem Abend in der Bar liest er seinen Freunden Ausschnitte vor.

“Umgelter [hatte] mit seinem massenmedial visualisierten Tabubruch in der in Bezug auf den Holocaust zunehmend bilderlosen Adennauerzeit [...]10” viele Reaktionen ausgelöst, Kritiker waren sich einig, dass der Film, der “[...] die furchtbare, grauenhafte, zu

9 Vgl. “In dem TV-Film »Das Tagebuch des Jürgen Wilms« wurden 1960 erstmals Massenerschießungen von Jüdinnen und Juden gezeigt [...]” http://www.d-a-s-h.org/dossier/11/08_medien.html, 3. Dezember 2010

10 Koch, Lars, Das Fernsehbild der Wehrmacht am Ende der fünfziger Jahre, Zu Fritz Umgelters Fernsehmehrteiler

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9 schnell vergessene Wahrheit [...]11 zeigte, eine aufklärerische Wirkung hatte. Koch zufolge gibt Das Tagebuch des Jürgen Wilms den Zeitgeist der späten fünfziger Jahre wieder: “die Radikalität der filmischen Darstellung [ist] inhaltlich [zurückgenommen], um so die Auseinandersetzung mit dem Vernichtungskrieg an der Ostfront für den direkt oder indirekt betroffenen Fernsehzuschauer letztlich doch moderat zu gestalten.12” Obwohl dies seinerzeit nicht der einzige bundesdeutsche Film war, der sich auf den Krieg bezog, unterscheidet der Film sich von denen, indem er nach der Verantwortung der deutschen Soldaten fragt.

Im Gegensatz zu Das Tagebuch des Jürgen Wilms ist der ostdeutsche Spielfilm Jakob der Lügner (Beyer, 1974), nach dem gleichnamigen Roman von Jurek Becker, aus der Perspektive des jüdischen Protagonisten Jakob Heim gefilmt worden. In dieser Zeit waren die Auschwitz-Prozesse schon vorbei und die deutsche Bevölkerung ging anders mit ihrer Vergangenheit um als in den Nachkriegsjahren. Nun wurden den Kriegsopfern mehr Aufmerksamkeit gewidmet als vorhin: unmittelbar nach Kriegsende hatte das deutsche Volk vor allem Auge für eigenes Leid. Durch die Kapitulation fühlte es sich nicht nur gedemütigt, sondern vor allem herrschte das Gefühl Verlierer zu sein. Man wollte vorwärts gehen, statt zurückzublicken auf das Leid anderer: mit dem Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre war es der Bundesrepublik gelungen, den Sprung vorwärts zu machen. In der DDR hatte die SED-Leitung mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, durch den Braindrain entschied die Führung sich dafür, eine Mauer zu bauen. In beiden Ländern schien es als ob man sich nur mit der eigenen Zukunft beschäftigte. Doch betont Assmann, dass es wichtig ist sich -auch- mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: “Das Ziel der Vergangenheitsbewältigung ist die Überwindung einer schmerzhaften Erinnerung um einer gemeinsamen und freien Zukunft willen.”13

Zurück zum Film: Jakob der Lügner hat eine märchenhafte und manchmal komische Handlung, in der Jakob seinen Gettomitbewohnern eine Lüge über das

11 Ebd.

12 Koch, Lars, Das Fernsehbild der Wehrmacht am Ende der fünfziger Jahre, Zu Fritz Umgelters Fernsehmehrteiler

'Am grünen Strand der Spree', S. 73 in: Hrs. Wende, Wara, Der Holocaust im Film, Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis

13 Assmann, Aleida, Der lange Schatten der Vergangenheit, Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, , München

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10 Herannahen der Roten Armee erzählt. Er soll diese Information von einem Rundfunkprogramm bekommen haben, der Besitz so eines Gerätes ist im Getto jedoch verboten: Er täuscht den Bewohnern vor, dass er ein Radio hat und gibt ihnen gelegentlich neue hoffnungsvolle Berichte über ihre -vermeintliche- kommende Befreiung. Nach dieser Vorlage -einer Handlung, die auf einer Lüge stützt- werden später die Filme Das Leben ist schön und Zug des Lebens modelliert. “Significantly, all three films [Das Leben ist schön, Jakob der Lügner, Zug des Lebens] are centered on a lie that allows the threatened Jews to survive their ordeal.”14 Gerade diese Lüge, die den Protagonisten bei ihrer Überwindung und Überlebung des schrecklichen NS-Alltags hilft, schafft Žižek zufolge neue Dimensionen bei der Holocaust-Darstellung: “The key to this trend is provided by the obvious failure of its opposite, the holocaust tragedy.”15

14 Žižek, Slavoj, Laugh Yourself to Death: the new wave of Holocaust comedies

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2. Das 'Undarstellbare' dargestellt: Holocaust-Spielfilme 2.1 Diskurs um die Fiktionalisierung der Shoah

Wie auf den vorhergehenden Seiten schon erwähnt wurde, ist die filmische -und damit die visuelle- Darstellung des Holocaust von verschiedenen Argumentationen getragen. Salopp gesagt beharren Gegner der Verfilmung der Zeit des Massenmords auf der Einzigartigkeit der Shoah, und Befürworter treten dafür ein, dass Holocaust-Spielfilme gerade einen aufklärerischen Charakter haben -können-. Anhand des Textes Der Holocaust als Filmkomödie, Komik als Mittel der Darstellung des Undarstellbaren von Anja Oster und Walter Uka will ich den Diskurs zur visuellen Darstellung des Holocaust kurz wiedergeben.

2.1.1 Bilderverbot

Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno sah die Massenvernichtung an Millionen Menschen schon 1944 als Zivilisationsbruch beziehungsweise als Bruch der Moderne: “[...] 'Der Gedanke, daβ nach diesem Krieg das Leben 'normal' weitergehen oder gar die Kultur 'wiederaufgebaut' werden könnte [...] ist idiotisch. Millionen Juden sind ermordet worden, und das soll ein Zwischenspiel sein und nicht die Katastrophe selbst?”16 Bekannt geworden ist vor allem seine spätere Äußerung zu jener Form von Kunst und Kultur nach dem Krieg:“[...] nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch [...].”17 Denn meint er “Auschwitz [...] hat die Kultur aufgelöst, es hat das Miβlingen der Kultur unwiderleglich bewiesen”18 und “[...] Alle Kultur nach Auschwitz samt der dringlichen Kritik daran, ist Müll.”19 Ihm zufolge kann es also keinerlei Repräsentationen des Holocaust geben: Prominente in dem Diskurs um die visuelle Darstellbarkeit, Elie Wiesel, Holocaustüberlebender und Schriftsteller und der Regisseur des Dokumentarfilms Shoah (1985) Claude Lanzmann beharren auf dem Bilderverbot “[...], wonach jede Imagination zwangsläufig eine Banalisierung und Verfälschung des historischen Geschehens zur Folge 16 Zitiert nach Theodor W. Adorno in: Auschwitz im Widerstreit, Zur Darstellung der Shoah in Film, Philosophie

und Literatur, S.102

17 Zitiert nach Theodor W. Adorno in: Auschtwitz im Widerstreit, Zur Darstellung der Shoah in Film, Philosophie

und Literatur, S.73

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12 haben muss.”20 Genau wie bei dem filmischen Imaginationsverbot Hitlers weist das Bilderverbot Parallelen auf mit dem Zweiten Gebot des Alten Testaments, wonach Gott nicht bildlich repräsentiert werden darf. Obwohl Lanzmann findet, dass “die Fiktion [...] eine Übertretung [ist], und es [...] [s]eine tiefste Überzeugung ist, daβ jede Darstellung [der Shoah] verboten ist”21 und er selbst einen Dokumentarfilm [Shoah] gedreht hat, worin er Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, gibt er, genauso wie Wiesel, keine Hinweise dafür, was eine angemessene Form der Holocausterinnerung sein könnte. Offensichtlich hält er Augenzeugenberichte für die einzige richtige Art der Kommemoration, so dass das historische Ereignis 'Eigentum' bleibt von denjenigen, die während der Kriegszeiten gelebt haben. Auf diese Weise wird quasi den Nachkriegsgenerationen das Recht auf ihre eigene Holocausterinnerung verweigert, weil der Argumentation Lanzmanns zufolge dieses Recht nur exklusiv der Kriegsgeneration selbst gehört.

Die drei genannten Befürworter des Bilderverbots haben nicht verhindern können, dass es seit den neunziger Jahren -das heißt seit dem Massenerfolg von Schindlers Liste und Das Leben ist schön- immer mehr visuelle Repräsentationen des Kriegs und des Holocaust gibt.

2.1.2 Formfragen: Das Authentizitätsprinzip

Der oben genannte Philosoph und Kulturkritiker Žižek meint also, dass die Tragödie keine angemessene Form für die filmische Darstellung des Holocaust sei. Kritiker der Holocaust-Verfilmung sind mit ihm nicht einverstanden, sie meinen eben, dass gerade eine realistische -also tragische- Darstellung dem Grauen des zwanzigsten Jahrhunderts gerecht wird: “Das wichtigste Argument der 'Holocaust-Veritas'-Schule für ihre Forderung nach 'Realismus' lautet, andernfalls würden wir die Ereignisse des blutigen 20. Jahrhunderts immer abstrakter werden lassen, sie falsch darstellen, vergessen, schließlich sogar leugnen. Die genaue, unverfälschte Darstellung der wahren Geschichte der Shoah, so die Implikation, wird politisches Engagement und demokratische Orientierungen 20 Oster Anja, Uka, Walter, Der Holocaust als Filmkomödie, Komik als Mittel der Darstellung des Undarstellbaren,

in: Die Shoah im Bild, S.251

21 Zitiert nach Claude Lanzmann in: Auschwitz im Widerstreit, Zur Darstellung der Shoah in Film, Philosophie

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13 unterstützen und so dazu beitragen, dass sich Derartiges nicht wiederholen kann.”22 Bei der Holocaust-Darstellung jedoch gibt es noch andere Herausforderungen außer der Genrewahl. Jede Frage nach der filmischen -oder literarischen- Gestaltung des Holocaust ist ja eine Frage der Form. Die Filmerzählung kann als Dokumentation, mit Zeitzeugeninterviews, als Komödie, als Drama usw. präsentiert werden. Jede dieser Formen beziehungsweise Genres bietet für den Regisseur verschiedene Darstellungsherausforderungen, aber sie haben -abgesehen von dem Diskurs um das Darstellungsverbot und von der Frage ob die Thematik um den Holocaust zur Unterhaltung dienen darf- eines gemeinsam, nämlich: “[...] die Frage nach der Authentizität und mit ihr die Grundfrage nach der Wahrhaftigkeit und der Moral von Geschichtsschreibung.”23

Seit Kriegsende sind mittlerweile gute fünfundsechzig Jahre vergangen und die Zeitzeugengeneration des Nationalsozialismus wird immer kleiner. Manche Menschen haben Angst, dass mit dem Sterben des letzten Zeitzeugen auch die Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung Millionen Juden verloren geht. Zwar stimmt es, dass es demnächst keine Kriegsüberlebende und damit keine Menschen mehr gibt, die den Krieg durchgemacht haben und deswegen “gelebte Erfahrung”24 aus erster Hand haben. Doch, derjenige, der denkt, dass nach dem Aussterben der Zeitzeugen langsam, aber sicher auch die Erinnerung an den Holocaust stirbt, kann sich täuschen. In den vorigen Jahrzehnten haben Tausende Holocaustüberlebende ihre Geschichte erzählt und oder aufgeschrieben. Manche dieser Geschichten sind veröffentlicht oder verfilmt25 worden und haben durch die moderne Massenmedien ein breites Publikum erreichen können. Diese Erinnerungen an die nationalsozialistische Zeit werden, solange sie gelesen, gehört oder gesehen werden, nie verloren gehen und damit auch die -individuelle und oder kollektive- Erinnerung an den Holocaust nicht.

Die Zeitzeugenschaft bietet anderen Generationen eine Möglichkeit sich mit dem

22 Laster, Kathy, Steinert, Heinz, Eine neue Moral in der Darstellung der Shoah? Zur Rezeption von 'La Vita è

bella' in: Lachen über Hitler, Auschwitz-Gelächter? S.194

23 Benz, Wolfgang, Bilder statt Fuβnoten, www..zeit.de

24 Levy, Daniel, Sznaider, Natan, Erinnerungen im globalen Zeitalter: Der Holocaust, S.42

25 “Die Krönung der Zeitzeugenschaft besteht in der Niederschrift und Publikation der Erinnerung.” Hg.

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14 Leben der Kriegsopfer -und manchmal auch mit dem Leben der Täter auseinanderzusetzen-, doch ein groβes Problem bei dieser Form der Erinnerung ist die Authentizität.26 Ein Zeitzeuge hat seine Geschichte zwar -real- erlebt, jeder Versuch jedoch, seine eigene Erlebnisse in Worte zu fassen, ist eine Form der Inszenierung und damit ist auch eine Erinnerung nie hundertprozentig authentisch. Obwohl eine Zeitzeugenschaft -meistens- authentisch und 'real' erlebt ist, ist sie zugleich immer ein Konstrukt beziehungsweise eine Inszenierung. Daneben gibt es auch falsche Zeugenschaften wie die von dem Schweizer Bruno Dösekker: er hatte 1995 unter den Pseudonym Binjamin Wilkomirski das Buch -Bruchstücke. Aus einer Kindheit 1939–1948- mit seinen Kindheitserinnerungen an den Holocaust veröffentlicht. Keiner wusste, dass Wilkomirski ein Pseudonym war und er die Erlebnisse, die er im Buch schildert, nicht erlebt, sondern erfunden hat. Die Masse fühlte mit dem Autor mit, sein Buch wurde sehr geschätzt und auch als Anlass benutzt über den Holocaust zu diskutieren. 1998 wurde Dösekker als Betrüger entlarvt und das Mitleid wurde durch scharfe Kritik entsetzt. Dösekker hatte dem Publikum jahrelang vorgeführt, er wäre Wilkomirski, der Holocaustüberlebende. Als sich herausgestellt hatte, dass das Ganze erfunden war, wurde Bruckstücke nicht länger gelobt, sondern wurde es als unwertvoll betrachtet. Das Buch galt nicht mehr als Repräsentation für den Holocaust und die Erinnerung daran, nur weil es -verallgemeinert gesagt- nicht authentisch war, sondern fiktiv. Vielleicht hätte Bruchstücke auch gute Kritiken bekommen, wenn Dösekker vom Anfang an betont hatte, dass seine Geschichte fiktiv war. Aber wie gesagt, ist die fiktive Einrahmung keine Garantie für milde Rezeption.

Auch die Benutzung von authentischen filmischen Bildern ist problematisch: Joachim C. Fest und Christian Herrendörfen zum Beispiel haben für ihren Film Hitler– eine Karriere (1977) Originalaufnahmen verwendet. Anhand dieses Materials skizzierten sie die Entwicklung des Nationalsozialismus und den Aufstieg Hitlers politischer Karriere. Doch

26 Vgl. “Ein zweiter Diskurs um die Frage nach der Darstellbarkeit des Holocaust oszilliert zwischen den Polen Dokumentation und Fiktion. Obwohl der Dokumentarfilm, der die Opfer und Zeitzeugen der Shoah zu Wort kommen lässt, das angemessene Medium zu sein scheint, authentisch von dem Geschehenen zu berichten, sind in letzter Zeit Zweifel laut geworden, ob bei dokumentarischem

Filmmaterial tatsächlich ein größerer Wirklichkeitsbezug vorhanden ist.” in: Oster Anja, Uka, Walter, Der

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15 die Verwendung von Materialien, die einst für die Propagandazwecke der Nazis eingesetzt wurden, ist nicht ganz ohne Gefahr. Die Bilder vermitteln nämlich noch immer die Perspektive des Filmemachers, des Nazis. Zweites Problem ist “die nicht mitgezeigte Lücke dessen, wovon filmisch nichts überliefert ist.”27 Zwar sind die Bilder authentisch,

der propagandistische Blick bleibt. Originales beziehungsweise authentisches Material, ob es Zeitzeugenschaften, Tagesbücher, Rundfunkreden, Filmmaterialen usw. sind, bergen immer die Perspektive der jeweiligen Macher und wie oben gesagt, kann die Verwendung davon problematisch sein. Wäre es daher nicht einfacher mit inszeniertem beziehungsweise 'unauthentischem' Material zu arbeiten? Daniel Levy und Nathan Sznaider zufolge haben solche Repräsentationen des Holocaust gewisse Vorteile: “Repräsentationen [sind kein] oberflächlicher Ersatz für authentische Erlebnisse im Zeitalter des Globalen, sondern als integraler Bestandteil derjenigen modernen Nation zu verstehen [...]. Ganz im Gegenteil: Repräsentationen sind die Basis für diese konstruierte Authentizität.”28 In dieser Zeit, wo die meisten unter uns keine eigenen Erfahrungen mit dem Holocaust haben, sind wir auf solche Repräsentationen angewiesen. Massenmedien wie das Fernsehen bieten eine exquisite Chance, möglichst viele Menschen an das Thema des Genozids im Zweiten Weltkrieges heranzuführen. Entweder durch einen Dokumentarfilm -mit 'authentischen' Bildern- oder durch einen Spielfilm. Auf diese Weise kann der Holocaust Teil des Weltwissens, der Alltagswelt, ja, sogar des Erinnerns des Fernsehzuschauers werden.

2.1.3 Der Holocaust: zwischen Hoch- und Massenkultur

Obwohl Massenmedien ein großes Publikum erreichen und damit irgendwelche Botschaften oder Informationen übertragen können, ist “Die Vermischung von Kulturindustrie und Holocaust [...] für die moralischen Holocaust-Puristen unerträglich. Dabei wird weder auf den Inhalt solcher Filme noch auf ihre Wirkung eingegangen. Das Bilderverbot steht über allem.”29 Wie schon erwähnt, sehen die Gegner der Visualisierung des Holocaust mit ihren festen Meinungen nicht, welche potentielle Wirkung Holocaust-27 Kramer, Sven, Auschwitz im Widerstreit, Zur Darstellung der Shoah in Film, Philosophie und Literatur, S.30 28 Levy, Daniel, Sznaider, Natan, Erinnerungen im globalen Zeitalter: Der Holocaust, S. 45

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16 Spielfilmen haben -können-. Gerade die Reichweite der Massenmedien kann dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen an das Thema Holocaust herangeführt werden, oder wie Levy und Sznaider formulieren: “Es sind nun gerade diese Massenprodukte, die emotionale Reaktionen hervorrufen können und die beim Publikum Interesse und Mitgefühl für das Leid anderer erzeugen.”30 Auch Oster und Uka sind von der positiven Wirkung von auf den Holocaust bezogenen Spielfilmen überzeugt: „Es ist zu betonen, dass insbesondere der Film zu den Massenmedien gehört, der mit seinen neu erschaffenen Bildern, die er aus dem Vergangenen schöpft, unser kulturelles Gedächtnis bereichert und modifiziert.“31 Aleida Assmann hält die moderne Medien gleichfalls für unentbehrlich für unsere Erinnerungspraxis: “Die Massenmedien [...] sind heute die wahren Medien des kulturellen Gedächtnisses. In der Tat bilden sie die kulturelle Umwelt für individuelles und soziales Erinnern.”32

Der Holocaust-Wissenschaftler Terrence Des Pres hingegen teilt diese Auffassung nicht, er hat 1988 mehrere Konventionen zur Darstellung der Shoah aufgestellt. Konvention Vier handelt über das Spannungsfeld zwischen Hochkultur und der populären beziehungsweise Massenkultur: “Darstellungen des Holocaust sollen im Bereich der 'Hochkultur' stattfinden. Populäre Produkte sind automatisch verdächtig und jedenfalls weniger bedeutend. Komödien sprechen meist ein Publikum an, das nicht zwangsläufig gut gebildet ist, und haben es daher schwerer, zur Hochkultur gerechnet zu werden.”33 Obwohl die Diskurslandschaft über den Holocaust in den achtziger Jahren anders aussah wie heute, vergisst er, dass die modernen Massenmedien die beste Möglichkeit bieten möglichst viele Menschen zu erreichen. Dass die Produkte qualitativ sehr unterschiedlich sind, muss er in Kauf nehmen. Die Vielzahl an Holocaust-Repräsentationen und „[...]Geschichten aus der Geschichte“34 jedoch bietet jedem die 30 Ebd..

31 Oster Anja, Uka, Walter, Der Holocaust als Filmkomödie, Komik als Mittel der Darstellung des Undarstellbaren, in Die Shoah im Bild, S.253

32 Assmann, Aleida, Der lange Schatten der Vergangenheit, Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, S.242 33 Zitiert nach Terrence Des Pres in: Laster, Kathy, Steinert, Heinz, Eine neue Moral in der Darstellung der

Shoah? Zur Rezeption von 'La Vita e bella' in: Lachen über Hitler, Auschwitz-Gelächter?S.186

34 Vgl. “Die Totalität geschichtlicher Ereignisse kann in ihrer Komplexität nur annäherungsweise

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17 Chance, sich auf irgendeine Weise mit der düsteren Nazi-Zeit auseinanderzusetzen. Auch Oster und Uka konstatieren, dass es keinen Maßstab für die visuelle Auseinandersetzung des Holocaust gibt, noch geben soll.

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3. Spielfilme über Hitler

Nicht nur inszenierten Hitler und sein Propaganda-Minister Goebbels die Figur Hitler filmisch, schon während seiner Lebzeiten faszinierte und inspirierte der Diktator mit dem Schnurrbart andere Filmemacher. Der bekannteste Spielfilm über Hitler ist wohl der witzige The Great Dictator (1940), worin der Regisseur Charles Chaplin sowohl die Rolle von Adenoid Hynkel, Diktator in Tomania, -eine satirische Entsprechung des deutschen Führers- als die eines jüdischen Frisörs verkörpert. Der Frisör und Adenoid sehen sich äußerlich sehr ähnlich und am Ende der Geschichte findet der unvermeidbare Rollenwechsel statt, der natürlich für einige Missverständnisse sorgt. Im Film wird nicht nur auf der politischen Verbindung zwischen Tomania und Bacteria (Italien) und die jüdische Gettos verwiesen, sondern auch auf das Lagerleben. In seiner 1964 erschienenen Autobiografie betonte Chaplin, dass er es bereute den Film gedreht zu haben: „Hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewußt, ich hätte (den Film) nicht zustandebringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.“35 Für ihn fühlte sich das Lachen über die Naziperiode augenscheinlich als Verspotten der Opfer an, zugleicherzeit tabuisiert er mit dieser Aussage das Lachen über Hitler und den Holocaust, das nicht a priori heißt, die Opfer zu verlachen. Dennoch ist The Great Dictator auch heute -dank Chaplins unglaublicher Parodie auf Hitler- noch aktuell: er wirkt keinen Moment altmodisch oder langweilig.

Auch der Anti-Nazi-Film Sein oder Nichtsein (1942) von Lubitsch hat eine komische Handlung, worin der Handel und Wandel eines Warschauer Theaterensembles vor und während der polnischen Besatzung im Mittelpunkt steht. Als Probe für ein neues Stück läuft der Schauspieler Bronski als Hitler verkleidet durch Warschau: Seine Tarnung und Darstellung sind aber nicht überzeugend, er wird noch als Bronski erkennt. Später in der Handlung wird dieses Spiel mit der Wirklichkeit auf die Spitze getrieben, indem der Führer selbst eine Aufführung des Ensembles besucht. Indem er und Bronski von ihrer Umgebung nicht -immer- als sie selbst erkannt werden, entsteht -genauso wie in The Great 35 Zitiert nach Charles Chaplin in: Lindner, Burkhardt, Die Spuren von Auschwitz in der Maske des

Komischen,Chaplins 'The Great Dictator' und 'Monsieur Verdoux' heute in: (Hg.) Frölich, Margrit, Loewy,

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19 Dictator- eine komische Situation. Das Spielen mit Identitäten, Wirklichkeit und Phantasie durch Vermummung und Tarnung wird in komischen Filmen oft gemacht, auch in Zug des Lebens wird diese Strategie benutzt.

In den vierziger Jahren wurde auch in den Vereinigten Staaten gerne mit der Figur des 'Führers' gespielt. Das Walt Disney Studio machte den kurzen Zeichentrickfilm Der Führers Face (1943) worin Donald Duck im Nazi-Alltag von einer Blaskapelle geweckt wird. Tagsüber arbeitet er in einer Munitionsfabrik, wo er am Fließband die Zünder von Granaten einschrauben muss, doch es kommen nicht nur Bomben vorbei, auch Bilder von Hitler rollen über das Band und jedes mal muss er die mit dem Führergruß grüßen. Abends hat Donald einen absurden Albtraum, worin Granaten und andere Waffen und auch Hitler vorbeiziehen. Als er wach wird, sehen die Zuschauer, dass seine Wohnung mit amerikanischen Symbolen wie den 'stars and stripes' und der Freiheitsstatue dekoriert ist. Donald aber erkennt die Schatten der Statue als einen Mann, der den Führergruß macht und er will ordnungsgemäß grüßen, bemerkt dann zu seiner Erleichterung, dass er sich nicht in Nazideutschland, sondern in den Vereinigten Staaten befindet. 1943 veröffentlicht Disneys Konkurrenz MGM auch einen -propagandistischen- Kurzfilm über Hitler, Blitz wolf, worin die Handlung auf der Geschichte der drei kleinen Schweinchen basiert. Trotz eines Nichtangriffpakts attackiert Adolf Wolf die Schweinchen, wonach beide Parteien sich bekriegen. Der Krieg endet damit, dass Adolf im tiefsten Höllenfeuer landet.

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20 In Deutschland war es zu dieser Zeit undenkbar derartige Witze über den Führer oder überhaupt das nationalsozialistische Regime zu machen. “Denn ein wesentlicher Grundzug des Nazionalsozialismus war das generelle Verbot, das System zu karikieren. [...] Das Lachverbot unter dem Nazionalsozialismus hatte die Funktion, das Regime sakrosankt zu halten.“36 Auch Selbstspott stand den Nazis fern: „Das Lachverbot der Nazis hing eng mit ihrer Propaganda und der faschistischen Ästhetik zusammen. Die propagandische Wirkung von NS-Dokumentarfilmen [...] zielte darauf ab, die NS-Realität als Erfüllung der bestmöglichen aller Welten darzustellen. Der nationalsozialistischen Ästhetisierung des Alltags ging es darum, die Kraft des Imaginären ins Reale zu heben. Eine realitätstranszendierende imaginäre Welt war bedrohlich, da in ihr die ganze verleugnete Schwäche, Abhängigkeit und Verletzbarkeit auftauchen könnte. So wurde mit der Imagination auch das Lachen aus der Welt geschafft, denn ohne die Kraft der Imagination gibt es kein Lachen, keine Ironie, keinen Humor.”37 Aus Zöchmeisters Kritik kann man folgern, dass Verdikte wie Lachverbote im Sinne des propagandistischen nationalsozialistischen Lachverbots handeln. Indem sogar im Nachhinein der nationalsozialistische Staat nicht durch Lachen kritisiert oder verspottet werden darf, bleibt das originale Verbot erhalten. Doch Gegner von Hitler- (und Holocaust-)Komödien behaupten gerade das Gegenteil, derartige Filme würden sich nicht für eine angemessene Reflexion der Shoah eignen und überdies würden sie das Grauen verharmlosen. Das Lachen über die Hitlerfigur wurde noch mit einem weiteren Argument tabuisiert; dieser mörderische Dämon sollte nicht lächerlich gemacht werden, sondern ihm sollte mit angemessener Angst entgegengetreten werden. Und solange nicht ausgearbeitet wird, welche Funktionen das Lachen in diesem Kontext haben kann „[...] unterliegt [den Diskurs des Lächerlichen] demnach immer der Gefahr, den unvorstellbaren Ausmaß der Katastrophe nicht gerecht zu werden , sie zu verharmlosen, eskapistisch zu sein, vor dem Grauen zu fliehen.“38 Erst als sich herausstellt ob und wie derartige Komödien die Debatte um den Holocaust bereichern oder „[...] welche andere Erklärung durch eine 36 Zöchmeister, Markus, Nazismus, Karneval und Perversion, Mediale Reproduktionen der NS-Welt, in: Das Böse

im Blick, Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film, S.33

37 Ebd.

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21 humoristische Perspektive auf den Holocaust gewonnen wäre [...]“39, kann das Tabu aufgehoben werden. Im nächsten Kapitel wird die Funktion des Lachens, Humors und der Komik noch ausführlich behandelt.

Außer obengenanntem Verbot gibt es auch Lanzmanns schon erwähntes Bilderverbot, wonach keine -visuelle- Repräsentationen des Holocaust gemacht werden sollen. Dieses Verbot gilt in gewissem Maße auch für die Darstellung Hitlers im Spielfilm, denn die Erscheinung der Führer-Figur in Filmen verursacht auch heute noch Schlagzeilen. Zugegeben, bevor Der Untergang [Hirschbiegel, 2004) erschien, wurde Hitler in -deutschen- Produktionen fast immer nur von hinten gezeigt oder besetzte die Figur eine Nebenrolle. Im Untergang jedoch ist Hitler von allen Seiten zu bewundern: Das Tabu ihn darzustellen ist endgültig gebrochen. Diese Alltagserscheinung Hitlers im Film scheint etwas ganz normales zu sein und deswegen trägt paradoxerweise gerade das Brechen des Tabus (das Bilderverbot) zur Mystifizierung Hitlers bei. Wo die Nazis -und vor allem Propagandaminister Goebbels- damals ihres Bestes taten, das Bild von ihrem Führer präzise zu inszenieren, tun die Filmemacher heute genau dasselbe. Sie durchbrechen diese Mystifizierung rund um Hitler nicht, sie halten diese instand. Nicht nur das Zeigen der Figur Hitler in all seinen alltäglichen Tätigkeiten trägt zu dieser Mystifizierung bei, gerade das was nicht gezeigt wird, würde den Diktator zum Mythos machen. Stephan Horn: “Würde-und pietätsvoll verschwindet er wie in allen Bunkerfilmen hinter verschlossenen Türen, der letzte Akt des Führers wird ein ewiges Mysterium bleiben. Der Führermythos lebt!”40 Bei der Besprechung des Untergangs in Feuilletons tauchte ein drittes Problem bei der Inszenierung Hitlers auf: Authentizität. Im zweiten Kapitel stellte sich schon heraus, dass manche Kritiker fürchten, dass wenn die Reimagination des Holocaust nicht realistisch geschieht, die Holocaustthematik letztendlich so abstrakt wird, dass sie fast nicht mehr als solche zu erkennen ist. Obwohl 2004 Rezensenten sich häufig über die realistische und vor allem menschliche Darstellung Hitlers (gespielt von Bruno Ganz) monierten, wurde andererseits betont, dass die Geschichte über die letzten Tage im Führerbunker so wahrheitsgetreu wie möglich verfilmt werden musste. Wie und ob das

39 Ebd.

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22 Gespenst der deutschen Geschichte filmisch dargestellt werden soll, ist eher eine Geschmackssache. Kritiker wie Tilman Krause und Peter Zadek jedoch meinen, dass es widerlich sei, Hitler auf der Leinwand reinkarnieren zu lassen. Solche Reaktionen lösen im Diskurs um solche Filme die unvermeidliche Frage aus, ob man das denn darf: Hitler darstellen. Doch, das darf man. “Man darf sogar noch viel mehr, wenn man sich im fiktionalen Raum des Kunstwerks Film bewegt.”41 Eins steht fest: Filme worin Hitler inszeniert wird, lassen viel Staub aufwirbeln.

Für Filmemacher bleibt Hitler deswegen ein dankbares Thema: in verschiedenen filmischen Gattungen ist für ihn die Hauptrolle vorbehalten. In unzählbaren Zombie-, Science-Fiction-, Actionfilmen, Dramen und TV-Serien usw. lebt der Diktator für ewig weiter. Eine kleine Auswahl aus dem unerschöpflichen Archiv der Hitler-Filme beziehungsweise Filme worin die Figur des Diktators eine Rolle hat:

The Great Dictator (Chaplin, 1940) Sein oder Nichtsein (Lubitsch, 1942) Der letzte Akt (Pabst, 1955)

Hitler – Eine Karriere (Fest, Herrendoerfer, 1977) The Bunker (Schaefer, 1981)

100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker (Schlingensief, 1989) Indiana Jones and the last Crusade (Spielberg, 1989)

Conversation with the Beast (Mueller-Stahl, 1996) Little Nicky (Brill, 2000)

Goebbels und Geduldig (Wessel, 2001) Der Untergang (Hirschbiegel, 2004) Speer und er (Breloer, 2004)

Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (Levi, 2007) Inglourious Bastards (Tarantino, 2009)

Obenstehende Titel sind ziemlich bekannt und können fast alle in der Mainstream-Kultur eingeteilt werden. Ein Großteil dieser Filme sind von deutschen oder amerikanischen Regisseuren gedreht worden, es gibt jedoch noch eine Menge an obskuren Hitler-Spielfilmen aus Ost- und Südeuropa. Nicht nur die westliche Herkunft der Filmemacher

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23 ist interessant und auffällig, auch die Thematik ist bemerkenswert. Sowohl Der letzte Akt, The Bunker, Conversation with the Beast als Der Untergang sind seriöse Filme, die von den letzten Tage des Diktators im Bunker handeln. Der Aufstieg des Nationalsozialismus und die Herrschaft Hitlers vor Kriegsanfang hingegen sind für die Kino-Industrie weniger 'appealing'. Weshalb das Kinopublikum sich derartige Filme ansieht, lässt sich schwer erraten, Tatsache ist aber, dass die Thematik Zuschauer hereinlockt: die Zahl der Kinobesucher, die sich Der Untergang angesehen haben, spricht für sich. Hirschbiegels Film lockte 4,5 Millionen Besucher in die Kinos. Mein Führer dagegen wurde von 650 000 Menschen auf der Leinwand gesehen. Keine schlechte Beteilung für diesen Film, aber auch kein großer Box-Office-Erfolg wie Der Untergang.

Es ist interessant, dass die übrigen Filme fast alle keine Realitätsansprüche machen und auch nicht versuchen, die Nazis oder Hitler so realistisch wie möglich darzustellen. Im Gegenteil. In Indiana Jones, Little Nicky, Mein Führer und Inglorious Bastards werden sie so klischeehaft und übertrieben porträtiert, dass sie eher lächerlich wirken. “Es gibt eben mindestens zwei Hitlers und zwei Sorten Nazis in der gegenwärtige Kultur, einerseits den traditionellen, realistischen Nazi der aufklärerischen Fernsehdokumentationen und von Schindlers Liste, andererseits den Unterhaltungs- und Komödiennazi, der, vom Realismus und Pseudorealismus befreit, in Filmen von Walter Moers oder in Indiana Jones als das absolut Böse oder lächerliche Figur herumspukt.”42 Martenstein bemerkt zurecht, dass es mindestens zwei Sorten Hitlers gibt, eine dritte Sorte konnte man in Schlingensiefs 100 Jahre Hitler ausmachen. In diesem Film ist er aus seinem politischen und historischen Kontext geholt, wodurch er weder realistisch noch lächerlich ist, sondern eher absurd.

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3.1 Hitler als Popfigur

Rudolf Worschech beschreibt 2006, das Jahr worin Mein Führer erscheint, folgendermaßen: “2006 war also das Jahr, in dem der Massenmörder Adolf Hitler endgültig zu einer Popfigur wurde.”43 Nun es den Deutschen unbenommen war über eine deutsche Hitler-Parodie zu lachen, waren Worschech zufolge alle Tabus um die Figur Hitler gebrochen worden, so dass er als Mainstream-Figur fungieren konnte. Die Umgestaltung vom Diktator zur Pop-Figur jedoch war meiner Meinung nach schon eher vollendet worden. Obwohl ich nicht so genau wie Worschech eine Jahreszahl und sogar einen Filmtitel nenne, behaupte ich, dass Hitler schon eher nicht nur eine historische Figur war, sondern auch eine Mainstream-Identität 'entwickelt' hatte. Rezensent Harald Martenstein ist einverstanden: “Hitler, hat sich, weltweit, in eine Popfigur verwandelt. Diese Erkenntnis ist nicht originell [...]”44 Die Hitler-Figur tauchte seit Anfang der neunziger Jahre oft in verschiedenen Filmen auf und wurde auch in anderen Medien als dankbares Thema begrüßt. In Zeichentrickserien wie South Park und Family Guy hat 'Hitler' regelmäßig einen Cameo-Auftritt, wobei er wegen seinem Aussehen und Akzent verspottet wird und des Öfteren auch den Tod findet oder zur Hölle geschickt wird. Das Comicheft Maus-Die Geschichte eines Überlebenden -oder besser formuliert; graphic novel- von Art Spiegelman, Sohn eines Holocaustüberlebenden, lädt im Gegensatz zu obengenannten Serien gar nicht zum lachen ein. Im Buch werden sowohl die unheimlichen Erinnerungen des Vaters an den Holocaust, als auch die Shoah selbst thematisiert. Spiegelman hat die Fabel als Form des Erzählens gewählt, wobei er die Juden als Mäuse und die Deutschen als Katzen abgebildet hat, indem Menschen wie Tiere maskiert sind, wird die Geschichte auf eine abstrakte Ebene gehoben, folgemäßig hat Maus wenig Identifizierungspotential. 45

Im Internet sind Webseiten wie catsthatlooklikehitler.com oder hipsterhitler.com, genauso wie verschiedenerlei Clips worin 'Hitler' Protagonist ist, wahnsinnig populär. Vor

43 Worschech, Rudolf Mein Führer -Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, Dani Levys Hitler-Satire in:

Das Böse im Blick, S.205

44 Martenstein, Harald, Adolf auf der Couch, www.zeit.de, 14. Januar 2007

45 Vgl. „I need to show the events and memory of the Holocaust without showing them. I want to show the masking of these events in their representation.“ zitiert nach Art Spiegelman in:

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25 allem Adolf-die Nazisau [Felix Gönnert, Walter Moers], der auf den Comics von Moers basiert, ist mit einer Zuschauerzahl von einigen Millionen ein online Phänomen gewesen. In diesem animierten Kurzfilm ist Adolf Hitler einschließlich seinem Bunker [Bonker] in die heutige Zeit versetzt. Während des Clips planscht er vorwiegend in seiner Badewanne herum, was ihm den Anschein einer albernen Figur gibt. Neben diesem Hit sind noch zahlreiche Hitler-Clips im Internet erschienen, Kampf Claydolf, worin Hitler als Sklave von Sankt Nikolaus endet, gehört zu diesen. Nach dem Erfolg von Der Untergang tauchen online Ausschnitte aus diesem Film auf, wobei Hitler [Bruno Ganz] statt seinem Generalstab, wie im originellen Fragment, böse zu sein, fragt wohin der Betriebsausflug geht oder er sagt, dass er Fan von Michael Jackson ist. Der eine ist absurder als der andere und hat fast gar nichts mehr mit der historischen Figur zu tun.46 Hitler ist also in einen anderen Rahmen gestellt, diese Umkontextualisierung bewerkstelligt, dass er manchmal als eine erbärmliche und lächerliche Figur erscheint, die man in diesem Kontext einfacher auslachen kann als in seinem historischen. Und genau das sollen Hitler-Parodien und Komödien herausfordern: „Der schrecklichste Schmierenkomödiant der Geschichte, den die Deutschen hätten auslachen sollen, anstatt ihn ernst zu nehmen.”47

46 Vgl. “Hitler und die Nazis sind, in der Popkultur, inzwischen eine von den politischen Zusammenhängen weitgehend befreite, abstrakte Personifizierung des 'Bösen', gelegentlich auch des 'lächerlichen

Wüterichs.“ Martenstein, Harald, Adolf auf der Couch, zeit.de 14.01.2007

47 Suchsland, Rüdiger, Überhaupt nicht lustig: Hitler ist komischVon Chaplin bis Levy: Der gröβte Filmstar aller

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4. Komik, Humor und Lachen

4.1 Das unkomische des Komischen

Am Anfang der Arbeit habe ich geschrieben, dass jeder Mensch lacht. Warum aber lachen wir? Und worüber? Klar, wir lachen, wenn wir froh sind oder wir stimmen damit einem guten Witz zu. Die Handlung scheint auf den ersten Blick exklusiv und unlöslich mit der heiteren positiven Seite des Lebens verbunden zu sein. Was ist die Quelle des Humors jedoch? Im Leben ist nicht alles eitel Sonnenschein, es hat auch schlechte Zeiten und auch in diesen Perioden können wir -oft- noch lachen. Der Humor bietet uns die Gelegenheit für einen Moment unsere Sorgen zu vergessen: lachen kann daher befreiend wirken. Gottfried Müller behauptet in seiner Theorie der Kritik, dass der natürliche Zustand eines Menschenlebens Schmerz ist, Babys kommen eben schreiend und weinend zur Welt. Sein Weltbild ist ein negatives: “Aus [der] Unmöglichkeit, dem Leben einen Sinn zu unterschieben, Vernunft oder Moral, müssen wir zugeben, daß das Leben von sich aus wenig zum Lachen und Fröhlichsein bietet.”48 Er ist nicht der einzige, der davon überzeugt ist, dass der wichtigste Grund zum Lachen eher Kummer als Freude ist: Auch Mark Twain hatte diese Einsicht: “The secret source of humor itself is not joy but sorrow.”49 In ihrem Buch Lachen zitieren Mauser und Pfeiffer den deutschen Schriftsteller Otto Julius Bierbaum: “Eine recht verbreitete Definition für Humor ist: 'Humor ist, wenn man trotzdem lacht.”50 Die Autoren sind mit dieser Definition einverstanden: “Im Hintergrund des Humors stehen also die menschlichen Leidensmöglichkeiten [...].”51 Welche Funktion haben Lachen und Humor jedoch im Zusammenhang mit Leiden? Fast jeder hat mal eine Situation erlebt, worin er sich komisch benahm und daher aus Unfähigkeit blöd zu lachen anfing. Gerade in solchen bedrohlichen Umständen liegt die Möglichkeit, sie zu überwinden -um danach erleichtert zu lachen-: „[...] [die] innere Bearbeitung [der 48 Müller, Gottfried, Theorie der Kritik, Über die komische Wirkung im Theater und Film, Konrad Triltsch Verlag

Würzberg, 1964, S.7

49 Zitert nach Mark Twain in: Morreall, John, Humor in the Holocaust: Its Critical, Cohesive and Coping

Functions, www.holocaust-trc.org, 27-10-2010

50 Zitiert nach Otto Julius Bierbaum in: Mauser, Wolfram, Pfeiffer, Joachim, Lachen, http://books.google.nl/,

S.32

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27 Bedrohung] führt zu Bewältigung von Veränderbarem oder einer Akzeptanz des Unveränderbaren und damit zu einer Entspannung, die sich dann in einem befreiten Lachen äußern kann.”52

Damit wird eine Funktion des Lachens deutlich: es kann eine befreiende Wirkung haben.53 Überdies kann Humor eine neue Perspektive bieten: “[...] comedy is not 'time out' from the real world; rather it provides another perspective on that world. And that other perspective is no less valuable than the tragic perspective.”54 Diese Einsicht ist vor allem im über Holocaust- und Hitler-Komödien von wesentlicher Bedeutung: Solange der allgemeine Konsens nicht von dieser Idee, dass Humor eine andere -neue- Perspektive bieten kann, überzeugt ist, werden diese Filme nie ganz enttabuisiert. Wie schon erwähnt enthalten Verdikte wie Lanzmanns Lachtabu durchaus legitime Gründe was die filmische Repräsentation des Holocaust anbelangt; nämlich, dass in diesem Kontext immer die Gefahr besteht, der Shoah nicht gerecht zu werden. Doch können diese Komödien -außer ihrer befreienden Wirkung- zum Diskurs einen weiteren positiven Beitrag leisten. Die Konstatierung, dass man nicht immer vor Freude lacht, ist wichtig für die weitere Analyse des Lachens, Humors und der Komik.

Die Komödie und Tragödie haben, obwohl sie gleichzeitig auch Gegenpole sind, eine wichtige Übereinstimmung: “Not only do tragedy and comedy look at the same world, but they both focus on its problematic side. [...] Most problems involve evils of some kind, and a major function of religion, comedy and tragedy is to help us deal with evil.” 55 Obwohl sowohl die Tragödie als die Komödie eine Hilfeleistung sein können wie man mit dem Bösen umgehen kann, bietet letztgenanntes Genre eine bessere Möglichkeit bei der kulturellen Verarbeitung des Holocaust. Nicht nur können Komik und Humor ein befreiendes Gefühl hervorrufen, „[...] Humor hilft [auch] bei der Meisterung von Leiden. Er kann sowohl der Abwehr von Angst dienen (Abwehrfunktion), als auch der

52 Mauser, Wolfram, Pfeiffer, Joachim, Lachen, http://books.google.nl/, S.34

53 Vgl. “Bekanntlich eignet sich der Humor gerade in extremen Situationen zur Bewältigung, ja sogar im Wortsinne als Mittel zum Überleben.”in: Laster, Kathy und Steinert, Heinz, Eine neue Moral in der

Darstellung der Shoah? Zur Rezeption von 'La Vita e bella' In: Lachen über Hitler, Auschwitz-Gelächter?S.182

54 Morreal, John, Humor in the Holocaust: Its Critical, Cohesive and Coping Functions, www.holocaust-trc.org, 27. Oktober 2010

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28 Bearbeitung und Bewältigung von Angst (Anpassungsfunktion).”56 Da der Holocaust in der Mainstreamkultur und der populären Historiografie -wie Guido Knopps Dokumentarfilme- mittlerweile fast synonym ist mit dem Bösen und Hitler oft und gerne mit dem Teufel verglichen wird, hat der Diskurs eine sakrosankte Färbung bekommen, die offenbar nicht ausreicht. Der schon erwähnte Philosoph Žižek findet die Tragödie ebenso wenig ein geschicktes Medium um den Holocaust gerecht zu werden57, übrig bleibt also nur die Komödie.

Es sollte mittlerweile deutlich sein, dass -paradoxerweise- eine Komödie nicht unbedingt witzig oder komisch zu sein braucht58. In diesem Genre dreht es sich -wie oben auch konstatiert wurde- um eine Besiegung oder Überwindung, um das Bemühen die Normalsituation wiederherzustellen. Hierin unterscheidet die Komödie sich von ihrem Gegenpol; der Tragödie: „Während [...] die Tragödie die Unversöhnlichkeit des Schicksals thematisiert, den Preis, den es unweigerlich fordert, endet die Komödie notwendigerweise mit einer Versöhnung.“59 Es ist logisch, dass die Gattung sich nicht einfach definieren lässt, da sie keine statische Form betrifft: eine Komödie kann zugleich auch ironische und satirische Aspekte enthalten: Sie kann sich also in anderen Begriffsebenen bewegen. „[...] [die] Erweiterung des traditionellen Begriffspaars von Tragödie und Komödie um die Gattungen der Romanze und der Satire ermöglicht es erst, traditionelle Erzählformen und deren Spuren in der mimetischen Literatur und im fiktionalen Film zu beschreiben.“60

56 Mauser, Wolfram, Pfeiffer, Joachim, Lachen, http://books.google.nl/, S.34

57 Bemerkung: Obwohl Žižek die Komödie eine angemessenere Gattung für die filmische Holocaust-Verarbeitung als die Tragödie findet, achtet er dieses Genre letztendlich auch unzureichend für diese Aufgabe. Vielmehr soll es ein bestimmter Null-Punkt geben, ein Neu-Anfang, ein neues Genre sogar für die filmische Thematisierung des Holocaust. „[...] the zero-point at which the very opposition between tragedy and comedy, between the sublime and the ridiculous, between dignity and derision, is suspended, the point at which one pole directly passes into its opposite.“ in: Žižek, Slavoj, Laugh Yourself to Death: the

new wave of Holocaust comedies http://www.lacan.com/zizekholocaust.htm

58 Vgl. “Komödien zeichnen sich bekanntlich nicht etwa durch besondere Witzigkeit aus, sondern durch das gestalterische Prinzip, scheinbar unauflösbare Verstrickungen schockartig zu entflechten, sie im Wortsinn zu zerschlagen.” in: Schneider, Christian, Wer lacht wann? in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.146

59 Loewy, Hanno, Fiktion und Mimesis, Holocaust und Genre im Film, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.42

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4.2 Die Funktion von Lachen und Humor

Eine Komödie ruft also nicht immer unbedingt Gelächter hervor, was passiert jedoch wenn das wohl passiert? Worüber wird gelacht? Und warum lacht man? Die erste Frage lässt sich nicht einfach beantworten, denn das Lachen ist eine Art reflexive Reaktion des menschlichen Körpers. Im Nachhinein nachzuvollziehen warum und worüber gelacht wurde, ist mühsam. “Es gibt [...] einen nachträglichen Widerstand gegen das Komische, gerade weil die Hemmungen des Realitätsprinzips vorübergehend vermindert und außer Kraft gesetzt werden. Deshalb ist das Komische im substanziellen Sinne so schwer definierbar.”61 Dieser Augenblick, worin alle Hemmungen kurz aufgehoben werden, verursacht manchmal Schamgefühle. Denn das Komische mit seinem 'Überrumpelungscharakter'62 sorgt dafür, dass man zeitweise die Kontrolle verliert und über etwas lacht, worüber wir gar nicht lachen wollten.63 Überdies heißt das Lachen den Witz gut; wie Freud schon umschrieben hat ist „[j]edes Lachen über einen Witz ist ein Akt der Zustimmung [...]“64 Auch Burkhardt Lindner kann dem nur beipflichten, dass das Lachen nicht schamlos ist: „[...] Man kann sich im gemeinsamen Lachen 'sauwohl' fühlen, aber sich des Lachens im Nachhinein auch schämen, es kann einem im Halse stecken bleiben und, wenn man selbst der Ausgelachte ist, hilflos machen.“65 Er meint auch, dass das Komische „keine Grenze [hat], weil es Grenzen und das Gegenständliche auflöst.“66 Dazu behauptet er, dass theoretisch über alles gelacht werden kann beziehungsweise, dass 61 Lindner, Burckhardt, Die Spuren von Auschwitz in der Maske des Komischen, Chaplins 'The Great

Dictator'und 'Monsieur Verdoux'heute, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.86

62 Lindner, Burckhardt, Die Spuren von Auschwitz in der Maske des Komischen, Chaplins 'The Great Dictator'

und 'Monsieur Verdoux'heute, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.85

63 Vgl. “Wie wenn man eine Tat unter hypnotischem Einfluβ begeht, darf man beim Lachen – und das ist eine wichtige Bedingung – nicht wissen, was man tut: Das Lachen muβ automatisch, überfallartig herausplatzen, ohne dass man weiβ, worüber noch warum man lacht.”zitiert nach Freud in: Schneider, Christian, Wer lacht wann? in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler –

Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.149

64 Zitiert nach Freud in: Schneider, Christian, Wer lacht wann? in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.139 65 Lindner, Burckhardt, Die Spuren von Auschwitz in der Maske des Komischen, Chaplins 'The Great

Dictator'und 'Monsieur Verdoux' heute, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.85

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30 alles komisch sein kann.

Dass alle Gegenstände potentiell komisch sein können, heißt nicht, dass man darüber lachen kann. Eine Bananenschale ist erst witzig, wenn jemand auf ihr ausrutscht. Ein komischer Effekt kann erreicht werden, indem das Erwartungsschema des Rezipienten durchbrochen wird und so eine Inkongruenz der Normalsituation entsteht. Manchmal wird das Lachen hervorgerufen durch ein Spiel mit den Erwartungen und Hoffnungen des Publikums: es hat schon bestimmte Kenntnisse beim Sehen eines Films. Wer sich zum Beispiel eine romantische Hollywood-Komödie ansieht, weiß von Anfang an, dass der Mann und die Frau, die sich jetzt nicht ausstehen können, sich am Ende der Geschichte lieben werden. Obwohl wir durch unsere frühere Erfahrung mit solchen Filmen schon wissen, welche Struktur sie haben -ein Weg mit genanten Zwischenfällen und Missverständnissen- und den Ablauf erraten können, hoffen wir trotzdem, dass der Mann und die Frau sich lieben werden. Offenbar ist die Wiederholung von derartigen Mustern gar nicht langweilig, sondern ist gerade die klischeehafte Vorhersagbarkeit der romantischen Komödie seine Stärke. Indem in dem Plot von den Erwartungen des Zuschauers abgewichen wird, kann eine komische Situation entstehen: “Der komische Effekt reflexiver Wiederholung entsteht aus der Differenz der erwarteten zur tatsächlichen Wiederholung; sie ist komisch, weil sie ihr Prinzip reflexiver Wiederholungen in der Differenz selbst reflektiert.”67 Die Gattung Komödie kann sich reflektieren, wie ein Mensch sich und sein Benehmen reflektieren kann: “De mens [...] leeft en beleeft niet alleen, hij of zij beleeft zijn beleven ('erlebt sein erleben'). Dat wil zeggen dat de mens een reflectieve houding ten opzicht van zichzelf en zijn ervaringen inneemt.”68 Die -komische- Reflexion bietet die Möglichkeit, mit distanziertem Blick oder mit einer anderen Perspektive zum Beispiel die Vergangenheit zu betrachten. Bei den Hitler- oder Holocaustkomödien kann die Einsicht, dass die Gattungen reflexiv sind, für diejenigen, die sich beim Sehen solcher Filme belastet fühlen, eine Hilfeleistung sein.

67 Paech, Joachim, Das Komische als reflexive Figur im Hitler- oder Holocaustfilm, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust S.76

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4.2.1 Die Satire: grotesk und absurd

Außer den schon erwähnten Genres der Tragödie und Komödie -und der daraus folgenden Tragikomik- gibt es auch noch eine Subform der Komödie zu betrachten, die für die Analyse der Hitler- und Holocaust-Filme von Bedeutung ist: nämlich die Satire. „Korrespondieren die Narrativ der Komödie [und] Tragödie [...] mit den virulenten Plotstrukturen, deren unwillkürlich mitgedachter Bezugsrahmen allgemein vorausgesetzt werden kann, so fordert die Satire mehr: nämlich den Bezugsrahmen gemeinsamer Erfahrung und gemeinsamen Wissens, das nicht Gesagte und nicht zu sagende, und sei es das Nichtsagbare.“69 In diesem Genre gibt es andere Grundbedingungen und der Plot bietet keinen deutlichen Halt beziehungsweise es gibt kein 'kommunikatives Vertrauen'70 wie in der Komödie oder Tragödie. Die Satire ist für die Kritisierung oder Karikierung von Personen und politischen Situationen sehr geeignet. In Mein Führer wird das nationalsozialistische Regime mit seinen Eigentümlichkeiten wie dem Führergruß verspottet. Auch Hitler wird parodiert, indem seine Schwächen (Bettnässer, unbeholfener Liebhaber), seine Unsicherheiten (schlechte Beziehung zu seinem Vater) und Äußerlichkeiten vergrößert und übertrieben werden. In diesem Sinne konnte man Hitler zugleich als eine groteske Figur71 bezeichnen: der Charakter wirkt manchmal bemitleidenswert, erregt jedoch auch Ekel. Im Film ringt er mit seiner Abscheu für das jüdische Volk und seiner Sympathie („der Jud tut gut“) für den jüdischen Schauspiellehrer Adolf Grünbaum.

Dieser innerliche Widerspruch ist kennzeichnend für das Groteske: “'Grotesk' ist zunächst nicht ein Begriff der Ästhetik, sondern des Erkennens, der etwas über eine bestimmte Beschaffenheit von Wirklichkeit aussagt. Und zwar bezeichnet er spezifisch deren Entstellung – von einer Art, die den Betrachter entsetzt und zugleich lachen macht,

69 Loewy, Hanno, Fiktion und Mimesis, Holocaust und Genre im Film, in: Hg. Fröhlich, Margrit, Loewy, Hanno, Steinert, Heinz, Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, S.61

70 Mikos, Lothar, Film- und Fernsehanalyse, S.254

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32 die grauenvoll und lächerlich in eins ist.”72 Diese Definition überschneidet sich stark mit den anderen Erkenntnissen und Aussagen über Humor und Komik in diesem Kapitel, es unterscheidet sich jedoch von ihnen, da es ein Superlativ ist. Die Gegenpole Lachen und Grauen sind im Groteske eng umschlungen. Das Groteske ähnelt der Absurdität formtechnisch stark, ist aber nicht ganz dasselbe: das Groteske repräsentiert oft außergewöhnliche, sonderbare und übertriebene -aber mögliche, reale- Situationen und Verhältnissen, das Absurde dagegen vertritt das Unmögliche, das Widersinnige. Deswegen wird der Holocaust von Philosophen wie Adorno als ein Bruchpunkt betrachtet: der Holocaust ist absurd. Das Unmögliche ist passiert. Deswegen hat er Aussagen gemacht über die Barbarei einer kulturellen Äußerung nach Auschwitz. Deswegen sprachen manche Menschen ein Denkverbot aus: „Are you aware of what you propose ultimately leads to the Holocaust?“73 Doch es gibt auch mildere Definitionen des Absurden: „Grundmodell des Absurden ist in der abendländischen Philosophie die Duplizität der Weltaspekte und ihrer Interpretationen, die Doppelbödigkeit bwz. -sinnigkeit und Unbeständigkeit jeglicher Erscheinungen der Welt, auf die bereits der weise Salomon, der zweite König Israels, hingewiesen hat: Alles birgt seinen eigenen Widerspruch in sich bzw. mündet in ein anderes, so auch das Verhältnis von Leben und Tod.”74

Mein Führer und Zug des Lebens sind beide sowohl grotesk als absurd zu nennen. Beide Filme sind von schwarzem jüdischen Humor durchdrängt. In diesen Witzen wird oft an das Verhältnis zu Gott referiert, das schon seit Hiobs Erprobungen schwierig ist, aber nach dem Holocaust erst recht. Warum lässt Gott sein auserwähltes Volk so oft im Stich? In Zug des Lebens fragt der Rabbiner ihn, als der Zug von einem Nazi angehalten wird, ob er „sadistisch ist oder verschließt du Augen und Ohren um nicht schockiert zu sein?“ Das Lachen ist wie schon konstatiert -oft- von Leiden geprägt.

Eigentlich ist der gesamte Handlungsstrang von beiden Filmen grotesk: in Mein Führer bekommt Hitler Unterricht von einem Juden und in Zug des Lebens deportiert ein 72 Heidsieck, Arnold, Das Groteske und das Absurde im modernen Drama, S.17

73 Žižek, Slavoj, Laugh Yourself to Death: the new wave of Holocaust comedies! www.lacan.com, 27. Oktober 2010 74 Kortmann, Géraldine, Das Absurde als Element der Komik, Anmerkungen zum Film ‚Train der Vie‘ von Radu

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4.3 Die Figur des Clowns im Holocaust-Spielfilm

Im Zug des Lebens warnt Dorftrottel Schlomo die Einwohner seines Schtetls vor einer herankommenden Nazi-Division, die er angeblich gesehen hat. Die Zuschauer und die Bewohner müssen ihm aufs Wort glauben. Sie nehmen seine Warnung ernst und sie belegen einen Dorfrat, wo nur die Männer willkommen sind. Für längere Zeit sind sie alle gedankenverloren, doch sie haben noch keine Lösung für das heraufziehendes Unheil gefunden. Dann äußert Schlomo folgenden Plan, als ob es die naheliegendste und logischste Idee wäre: das Dorf kann eine Selbstdeportation organisieren. Allmählich stimmen all die alten -und wie ihr stereotypes Aussehen verspricht: weisen Männer- seinem Plan zu. Die einzige Frau, die die Versammlung heimlich beobachtet hat, murmelt: „Warum soll ein Verrückter den Weg weisen?“ Im Lauf der Handlung wird Schlomos Verrücktheit, seine Rolle als Dorfnarr, immer wieder betont, aber zugleich wird sie auch in Frage gestellt. Als er und Mordechai, der für die Deportation des Schtetls die Rolle eines Nazi-Offiziers auf sich genommen hat, Schach spielen, fragt Mordechai ihn, warum er der Narr ist. Darauf antwortet er klug: „Ich wollte Rabbiner werden, aber die Stelle war besetzt. Da ein Narr gesucht wurde, dachte ich 'sei verrückt, sonst werden sie es'“. Er kann seine Position also sehr gut reflektieren, ein Zeichen dafür, dass er nicht so dumm ist wie manche Schtetl-Bewohner denken.

Doch an anderen Stellen im Film erinnert Schlomo wirklich an einen Narr, als er zum Beispiel mit scheinbar unkontrollierten Handbewegungen und ohne Sprache dem Rabbiner deutlich machen will, dass einer der 'Deportierten' von echten Nazis verhaftet worden ist. Der Mann hatte seine Brille verloren und verwechselte daher die Nazis mit seinen Dorfbewohnern. Mauser und Pfeiffer meinen dann auch, dass „die Sprache der Komik [...] vor allem eine Sprache des Körpers [ist]“75 Vor allem Clowns und Narren bedienen sich dieser Sprache mit ihren körperlichen Gesten. Mit ihrem Verhalten „[...] machen [sie] uns etwas vor, sie halten uns im Narrenspiegel ein komisches Bild vor die Nase. Sie ahmen unser Alltägliches nach und verzerren das Verhalten ins Groteske.“76 Damit halten sie anderen quasi „[einen] 'Narrenspiegel' vor[...] [worin] wir uns selbst 75 Mauser, Wolfram, Pfeiffer, Joachim, Lachen, http://books.google.nl/, S.39

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