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Author: Juhás, Peter
Title: Die biblisch-hebräische Partikel -na im Lichte der antiken Bibelübersetzungen : unter besonderer Berücksichtigung ihrer vermuteten Höflichkeitsfunktion
Issue Date: 2015-11-2015
Konklusionen
Schon der forschungsgeschichtliche Überblick hat gezeigt, welches Kopfzerbrechen die Partikel den Forschern bei ihrer Deutung verursachte und wie sie sich den Beschreibungs- und Klassifizierungssversuchen zu entziehen vermochte. Nach der systematischen Untersuchung der drei bedeutenden antiken Bibelübersetzungen (LXX, Pšīṭtā, Vulgata) könnte man diese Lage – im Gefolge Qohelets – einfach mit nihil novum sub sole charakterisieren. Was nämlich als (vielleicht) der gemeinsame Nenner aller drei Übersetzungen im Umgang mit dieser einsilbigen Partikel abstrahiert werden kann, ist eine im unterschiedlichen Maße greifbare Verlegenheit.
In Anbetracht der erwähnten Verlegenheit ist mit GenLXX zu beginnen. Dieses Buch weist in Bezug auf das hebr.
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einerseits keine typische Übersetzungsäquivalenz auf, andererseits wird es an den meisten Stellen in der Übersetzung überhaupt nicht berücksichtigt. Auf jeden Fall war sich der griech. Übersetzer aber der Partikel bewusst.Einen klaren Zusammenhang zwischen der Partikel und der Höflichkeit stellt er nur in 19,18 her, wo er mit δέομαι [κύριε] „ich bitte (dich), [Herr]“ übersetzt (s. 5.1.2). Wenn man die zeitliche Einordnung von GenLXX (Mitte des 3. Jh. v. Chr.) in Betracht zieht, kann man den beschriebenen GenLXX-Befund mit dem der späten narrativen Texte des Alten Testaments in Zusammenhang bringen. In diesen, also in dem sog. Chronistischen Geschichtswerk, ist eine starke Reduktion im Gebrauch der Partikel zu beobachten. Eine solche Tendenz scheint auch von den Qumrantexten bestätigt zu werden, da die Partikel dort zwar belegt ist, es aber in den meisten Fällen um biblische Handschriften geht (s. 5.6).
Was die – zunächst von den antiken Bibelübersetzungen unabhängige – Deutung der pragmatischen Funktion von
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angeht, ist diese stark kontextbedingt. Bei einem einfachen Durchgang über die Partikelbelege lässt sich plausibilisieren, dass eine rein monofunktionale Deutung – ohne jegliche Differenzierung – als forciert anzusehen ist.Wenn man die Charakterisierung der Abtönungspartikeln von Hentschel und Weydt („sie kommentieren ihn [= den Satz] als Gesamtäußerung von einer Metaebene aus und verankern ihn so im Redekontext“; s. 2.1) anwendet, kann dann auch
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als Abtönungspartikel bezeichnet werden; jedoch muss dieser Kommentar und die Verankerung im Redekontext konkretisiert werden. Unter Einbeziehen der Unterscheidung verschiedener Diskursebenen in der Altphilologie (s. 4.5.3 und 4.5.4) ist davonauszugehen, dass auch
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auf mehreren Ebenen funktionieren kann. Als sein Hauptbereich ist die Repräsentationsebene anzusehen, wobei der Gebrauch der Partikel an vielen Stellen (s. die Tabellen) Nebeneffekte auf der Interaktionsebene zeigt. Daher ist die primäre Funktion der Partikel die Emphase, die hier aber konkret verstanden wird, und zwar in Analogie zum Phänomen des focalizing im Koptischen (s. 4.5.2). Obwohl die Sprachsysteme natürlich verschieden sind, kann man diese hebr. Partikel in gewisser Analogie zum genannten Phänomen des Koptischen beschreiben. Das hebr.א ָנ
, dessen„Grundbedeutung“ (basic meaning) mit der „Attentionalität“ (und eventuell auch
„Emotionalität“) zu verbinden ist, bzw. sein Gebrauch, sensibilisiert den Adressaten/den Leser, dass er die focal point(s) zu identifizieren bzw. die ganze Äußerung als aufmerksamkeitsnotwendig zu betrachten hat. Darin besteht auch der Unterschied zu den Fokuspartikeln, die eine Konstituente mit ihrem Bezugswort bilden. Obwohl sich
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normalerweise an die erste volitive Verbalform bindet, bildet es mit ihr nicht automatisch eine Konstituente, was sich aus den Stellen ergibt, an denen mehrgliedrige Ketten mit Verbalformen vorkommen, wobei die erste nur eine einleitende Funktion hat („siehe“;
„stehe auf“). Dass die primäre Funktion der Partikel auf der Repräsentationsebene zu suchen ist, unterstützten auch die Stellen, an denen eine (strategisch verstandene; s. 1.3 und 1.4) (Un)höflichkeit obsolet erscheint. Den meisten Kontexten (hauptsächlich der narrativen Texte) kann aber eine Höflichkeitsfunktion als Nebeneffekt auf der Interaktionsebene abgewonnen werden (s. die Tab. und 5.7). Primär scheint die Partikel auf der Interaktionsebene vor allem dort zu funktionieren, wo sie in einem engen Kontext gehäuft vorkommt, wobei sich ihre emphatische Funktion nicht nahe legt (wie etwa Gen 24 /außer Vv. 2 und 12/: eine Sprechrichtung mit ähnlichem Inhalt). Eine Reihe der Stellen zeigt, dass der Gebrauch der Partikel auch einen Nebeneffekt bewirken kann, der überhaupt nicht höflich ist. Es handelt sich um die Fälle, wo die Partikel im Rahmen des Sarkasmus „subversiv“ verwendet wird und daher als eines der sprachlichen Mittel zum Ausdruck der off-record impoliteness dient.
Eine kleine Gruppe der Belege (hauptsächlich prophetische Literatur; s. die Tab.), die den Eindruck machen, Außenseiter zu sein, zeigt, dass die Partikel auch zur interjektionellen Markierung dienen kann. Zwar lassen sich solche Stellen auch als Fälle der Emphase erklären und damit in das oben beschriebene Modell integrieren, jedoch ist ihre emotionale Aufladung so stark und greifbar, dass ich die Deutung der interjektionellen Markierung (hauptsächlich der Ungeduld bzw. Verärgerung) vorziehe. Wie es dazu
gekommen ist, dass die Partikel, die normalerweise die Höflichkeit als Nebeneffekt signalisiert, plötzlich zur Markierung der negativen Emotionen gebraucht wird, ist möglicherweise mithilfe des beschriebenen „subversiven“ Gebrauchs als Zwischenstufe zu erklären.
Die antiken Bibelübersetzer setzten sich mit dieser semantischen Herausforderung auseinander. Nach der Verlegenheit, die die GenLXX-Anfertigung (und die der weiteren Pentateuchbücher) begleitete, kristalisiert sich im RichterbuchLXX eine stabile Übersetzungsäquivalenz, und zwar in Form
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~ δή, heraus. Diese beherrscht auch die vier Bücher der Königtümer (1-2Sam und 1-2Kön). Hier liegt ein klares Beispiel der schematischen Übersetzung vor, so dass man mit relativer Sicherheit sagen kann, an welchen Stellen die Partikel in der Vorlage nicht stand. Obwohl die Funktion der griech.Partikel mit der des hebr.
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nicht deckungsgleich ist, scheint sie tatsächlich das geeignetste Übersetzungsäquivalent zu sein, weil sie eine besondere Aufmerksamkeit auf„the importance and interest of the proposition presented“ lenkt; dabei kann δή verschiedene semantische Nuancen zeigen (s. 5.3.2). Außer in den Psalmen verzichten die weiteren griech. Übersetzer auf eine schematische Übersetzungsweise. Zwar bleibt δή weiterhin das Übersetzungsäquivalent, jedoch wird es nur sporadisch gebraucht. Die griech. Übersetzer verbinden die hebr. Partikel klar mit der Höflichkeit – neben der oben genannten Gen-Stelle – nur noch in Num 12,13 und 22,16.
Die Pšīṭtā weist eine klare und dominante Tendenz auf, und zwar die Partikel
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nicht zu übersetzen (im Unterschied zu
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). Wenn sie übersetzt wurde, dann sehr sporadisch und mancherorts als logische Partikel (ܗ
bzw. ) oder Zeitadverb (ܗ
). Als logische Partikel jedoch so selten, dass man nicht davon ausgehen kann, die syr. Übersetzer hätten das hebr.א ָנ
generell auf diese Weise verstanden. Nur im Michabuch ist ein konsequentes Vorgehen zu beobachten, da die hebr. Partikel an allen vier Stellen als eine logische übersetzt wurde. Obwohl alle drei syr. Partikeln/Adverbien einen mit jeweils eigenen Nuancen versehenen Zeitbezug aufweisen, kommt die in verschiedenen Kontexten häufig spürbare Dringlichkeit der Situation durchܗ
ambesten zum Ausdruck. Damit übernimmt es in solchen Fällen eine dem lat. nunc oder dem engl. now ähnliche Funktion, um der gegebenen Äußerung einen Nachdruck zu verleihen.
Die Tendenz, die hebr. Partikel nicht wiederzugeben, verwundert umso mehr, wenn man die Tatsache hervorhebt, dass das Klassich-Syrische ein Kognat, wie es die Hatra- Evidenz und die aram. Lautgesetze zeigen (s. den Exkurs 3), besitzt: . Dieses ist aber nur
15mal als Übersetzungsäquivalent von
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belegt (in Jdt 12,11 als das von δή); davon 7mal im Ijobbuch, das in dieser Hinsicht eine Sonderstellung hat. Die anderen acht Belege sind einfach über verschiedene Bücher verstreut. Wegen des sparsamen Umgangs der syr.Übersetzer mit dieser Partikel und der Schwierigkeiten, einen klaren gemeinsamen Nenner der genannten Stellen zu finden, kann ihre Funktion nicht eindeutig erfasst werden (s. den Exkurs 3). Sicher hat sie wenig (wenn überhaupt) mit Höflichkeit zu tun. Die syr.
Übersetzer stellen eine Verbindung zwischen der Höflichkeit und der hebr. Partikel
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nur in Gen 19,2.18; Num 12,13; Ri 16,28 und vielleicht auch 2Sam 24,10 her, wobei sie dazu aber eine andere Ausdrucksweise brauchen.Hieronymus zeigt nur ein Verständnis der Partikel und dementsprechend übersetzt er. In seiner Übersetzung ist der Zusammenhang zwischen
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und der Höflichkeit am eindeutigsten, da er die Partikel konsequent mit einem der lat. Bittausdrücke (meistens obsecro oder quaeso) wiedergibt. Wahrscheinlich verdankt sich diese Übersetzungsweise dem Kontakt dieses lat. Kirchenvaters mit den jüdischen Gelehrten (vgl. die zitierte Talmud-Stelle in 4 und FASSBERG,ארקמה ריבחתב תויגוס
, 73). Da Hieronymus ein einheitliches Verständnis der Partikel zeigt, konnte er dieses nicht überall anwenden;manche Kontexte ermöglichen es einfach nicht. Es kann eine Tendenz im Gebrauch der lat.
Bittausdrücke beobachtet werden: Hieronymus bevorzugt ihren Gebrauch in den Kontexten, in denen sich ein Sprecher an Gott bzw. an eine andere – aus der Sicht des Kirchenvaters – zu schätzende Gestalt wendet. Das Wort „Tendenz“ ist aber zu betonen, weil kein konsequentes Verfahren in dieser Hinsicht feststellbar ist. Aus seiner Übersetzungsweise ergibt sich auch, dass die lat. Konnektoren ergo und Co. als Übersetzungsäquivalente von
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nicht funktionieren (5.2.5). Hieronymus nimmt also nur die Funktion auf der Interaktionsebene wahr; für ihn ist diese Funktion ja nicht nur primär, sondern einzig.Wenn man auf die am Anfang gestellte Frage, die die Höflichkeits- und Partikelforschung beschäftigt, ob man mit den Partikeln notwendigerweise höflich spricht, zurückkommt, kann man für
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feststellen: mit dieser Partikel spricht man auf jeden Fall nicht automatisch höflich. Im Fall des syr. ist es noch greifbarer.Für die Übersetzung der Partikel
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in die modernen indogermanischen Sprachen ist Folgendes in Betracht zu ziehen: wahrscheinlich wird man in ihnen keine deckungsgleiche Entsprechung im Sinne von Eins-zu-Eins-Äquivalenz finden. Die größte Herausforderung für die Übersetzer besteht eben darin, die Funktionalität der Partikel aufden beiden Diskursebenen zu berücksichtigen; dazu kommt noch eine eventuelle durch die Partikel erfolgte interjektionelle Markierung. Wenn man daher die Partikel in einer Übersetzung sichtbar machen will, legt sich eine Eins-zu-Viele-Äquivalenz nahe. An den Stellen, an denen die Deutung einer interjektionellen Markierung als plausibel erscheint, empfiehlt es sich, die Partikel mit einer entsprechenden Interjektion wiederzugeben. In den Kontexten, in denen es sich um eine klare Bitte handelt, bietet sich dafür einer der Bittausdrücke der jeweiligen Sprache an. Freilich wird die funktionale Komplexität der Partikel durch eine solche Übersetzung nicht völlig erfasst. In allen anderen Fällen wird man sich auf die Suche nach einem Ausdruck bzw. mehreren Ausdrücken machen müssen, der/die die emphatische Funktion der Partikel zumindest annähernd reflektieren könnte/n.
Obwohl die erwähnte Komplexität dadurch nicht ganz zum Vorschein kommt, legt sich im Deutschen dafür die auch schon in den Bibelübersetzungen verwendete, verschiedene Nuancen ausdrückende, Partikel doch nahe.