• No results found

Der polabische Wortakzent

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Der polabische Wortakzent"

Copied!
8
0
0

Bezig met laden.... (Bekijk nu de volledige tekst)

Hele tekst

(1)

Vom synchronischen Gesichtspunkt aus ist die Akzentuierung des Spätpolabischen von TRUBBTZKOY (1929) und OLBSCH (1973, 1974) geklärt worden. Der Akzent fiel auf den letzten Vollvokal der Wortform, der sich entweder in der Endsilbe oder in der Pänultima befand. In letzterem Fall enthielt die Endsilbe einen reduzierten Vo-kal. Diese Regel wurde von KURYLOWICZ (1955) bestritten, der die Ansicht vertrat, daß der Akzent auf der Anfangssilbe des Wortes festgelegt wurde. Diese Theorie hat den Vorteil, daß sie das Fehlen von reduzierten Vokalen in Anfangssilben in Rechnung stellt. Sie er-klärt auch die Vokalisierung schwacher Jers in Anfangssilben, z. B. *k?>to /kätü/ 'wer', *x'&me£b /xemil/ 'Hopfen', *ptsi /pasai/ 'Hunde', *ibma /t'ämä/ 'Dämmerung' (Transkription und Übersetzung nach PoLAfrsKi & SEHNERT 1967 bzw. OLESGH 1983-87). Deswegen halte ich diese Theorie für ein früheres Stadium der Sprache für zutref-fend, für welches sich die Bezeichnung Mittelpolabisch verwenden läßt. Die späte Entstehung einer Nicht-Anfangsbetonung läßt sich mit der gleichen Entwicklung im Polnischen vergleichen. Hieraus folgt, daß sich die komplizierte kürzlich von MICKLESEN (1986) vor-geschlagene Chronologie nicht aufrechterhalten läßt.

(2)

/ 'Straße/Weg', Plur. *grexy /grexe/ 'Sünden', *kljuce /kl'aucä/ 'Schlüssel', *usta /vaustä/ 'Mund', *vorta /vortä/ 'Tor, Pforte', *mpka /mokä/ 'Mehl', *svetja /svecä/ 'Licht', *pizda /paizdä/ 'Arsch', *dyra /darä/ 'Loch', *irgba /trobä/ 'Docke, Hede, Werg', *glista /glaistä/ 'Spulwurm', *borzda /bordzä/ 'Furche', *xorna /xornä/ 'Nahrung', *luna /launä/ 'Mond', *«2£ίς /deta., detä/ 'Kind', *Qt'bk'b /vgtäk/ 'Einschlag (was der Weber in den Aufzug schlägt)', *volja /vil'ä/ 'Wille', 3. Pers. Sg. *t$gne /ta_gne/ 'zieht', *ζανζζβ /zovajze/ 'bindet zu', *cese /eise/ 'bürstet', *?iosi /nüse/ 'trägt', *xodi /xüde/ 'geht', best. Adj. *belt>jb /b'ole/, fern. *belaja /b'olä/ 'weiß', *skQpi>jb /skope/ 'Freitag', ^kort'bk'bjb /kort'e/ 'kurz', ebenso *dev^jb /div'ote/ 'neunter', *des^trbjb /dispte/ 'zehnter', fer-ner *golvt>ka /gläfkä/ 'Spinnrocken', *devvka /defkä/ 'Mädchen', *lisT>ka /laiskä/ 'Fuchs', *bab^ka /bopkä/ 'Wehmutter, Hebamme', *defoka /d'otkä/ 'Kind', ebenfalls *brati>ja /brot'ä/ 'Brüder'.

(3)
(4)

*des$tb /disa_t/ 'zehn', Inf. *kusat(i) /t'ausot/ 'schmecken, kosten', *kakat(i) /kokot/ 'kacken', *krajat(i) /krojot/ 'auskehlen, ausschnei-den', Aor. 3. Sg. *xode /xüdi/ 'ging', *rece /rici/ 'sagte', Präteritum *kradh /krodäl/ 'stahl', *jedli> /jedäl/ 'aß', * s-bpato /säpol/ 'schlief, *perdali> /perdol/ 'verkaufte'. Da akutierte und zirkumflektierte Vo-kale im Lechitischen regelmäßig gekürzt wurden, komme ich zu fol-gender Hypothese: Vokale in E n d s i l b e n w u r d e n r e d u z i e r t , w e n n der V o k a l der v o r h e r g e h e n d e n Silbe lang w a r . Die Reduktion betraf sowohl Kurz- als auch Langvokale, wie es das be-stimmte Adjektiv zeigt, das reduzierte Endungen hat. Die Sprachpe-riode vor der Vokalreduktion kann Frühpolabisch genannt werden.

(5)

Dia-lekt des Urslavischen ansehen und kann Präpolabisch genannt wer-den.

Aufgrund des Materials ist es offensichtlich, daß die Akzentzu-rückziehung früher war als der Verlust der schwachen Jers in An-fangssilben. Da der Reflex der sekundär betonten Vokale mit dem Reflex der urslavischen neo-akutierten Vokale zusammenfiel, ist es vertretbar, die Akzentzurückziehung in die Zeit der Auflösung der Ursprache zu verlegen. Schwache Jers in Anfangssilben verstumm-ten, wenn sie nach der Akzentzurückziehung vortonig waren, z. B. *bt>cela /celä/ 'Biene', *swebro /srebrü/ 'Silber'.

(6)

'klingt'. Analogie bewirkte sogar den Inf. *plakat(i) /plokät/ 'wei-nen', aber nicht *kusat(i) /t'ausot/ 'schmecken, kosten', vgl. das Präteritum *plakah /plokol/, *kusaH /t'ausol/. Andererseits über-nahm der Infinitiv den Vokalismus des Präteritums in *szpat(i) /säpot/ neben /säpät/ 'schlafen', *st>pal'b /sapol/ 'schlief. Das Prä-teritum hat anscheinend den Reflex des beweglichen Akzents verall-gemeinert, z.B. *kgsil'b /kosäl/ 'biß', *naidlv> /nodäl/ 'fand', Inf.

*kQsit(i) /kpset/, *nait(i) /noit/.

Die oben formulierte Hypothese erklärt nicht den Ursprung redu-zierter Vokale in mittleren Silben. Nach der Kürzung von akutier-ten und zirkumflektierakutier-ten Vokalen im Lechitischen waren Langvo-kale auf End- und Pänultimasilben begrenzt, während die Anfangs-silbe mehrsilbiger Wortformen immer Kurzvokale hatte. Anschei-nend wurden Vokale in mittleren Silben dreisilbiger Wortformen re-duziert, wenn der Vokal der Anfangssilbe betont war, z. B. *kameny /komänai/ 'Kachelofen', *mozdzene /müzdene/ 'Gehirn', *jagody /jod'ädäi/ 'Beeren', *slivene /slaivene/, *sliveny /slaivenai/ 'Pflau-men', Gen. Sg. *sekarja /sekär'o/ 'Mäher', Adv. *napoly /nopäläi/ 'halb, zur Hälfte', desgleichen *cetvero /citvärü/ 'vier', *pqtero /pa_tärü/ 'fünf, *sestero /sistärü/ 'sechs', *na gorde /no gärde/ 'auf dem Schloß, auf dem Amt', *na svete /no sväte/ 'auf der Welt', *vt>

xolde /vä xläde/ 'in der Kälte', *perd-b gordvmb /prid gärdam/ 'vor

dem Amt', *sa tobojp /sä täbo/ 'mit dir', *za soboJQ /zo säbg/ 'hinter sich'. Der Vokal der mittleren Silbe wurde wiederhergestellt in

*sko-rupi /st'öraipai/ 'Hülsen, Schalen', ^s^rsene /sarsine/ 'Hornissen', *ormeni /räminai/ 'Schultern'. Da betonte Vokale wahrscheinlich

et-was länger als vortonige Vokale waren, ist es möglich, daß der quantitative Unterschied phonologisiert wurde, als der Akzent auf der Anfangssilbe des Wortes fixiert wurde. Wenn dies zutrifft, er-klärt die obige Hypothese die Vokalreduktion sowohl in End- als auch in Nicht-Endsilben.

Eine Vokalreduktion gab es nicht in dreisilbigen Wortformen mit einem betonten Kurzvokal in der mittleren Silbe, z. B. im Dual

*ko-leni /t'ül'onai/ 'Knie', im Akk. Sg. *oxotQ /växöto/ 'Gesundheit', *proleto /prül'otü/ 'Frühling', *zelezo /zil'ozü/ 'Eisen', *gnmelo

/gram'olü/ 'donnerte'. Der Reflex dieses Musters ist anscheinend im Präteritum präfigierter Verben verallgemeinert worden, z. B.

*ulu-cih /ailaucal/, Inf. *ulucit(i) /ailauceV 'treffen', *upustilt,

(7)

Wortfor-men haben einen reduzierten Vokal in der Endsilbe, was auf eine Verallgemeinerung des Musters mit einem Langvokal in der Pänul-tima hinweist, z. B. *malina /molainä/ 'Himbeere', *juzina /jau-zainä/ 'Mittagessen', *matica /motaicä/ 'Bienenkönigin', *samica /somaicä/ 'Weibchen, weibliches Tier', *pbsenica /pasinaicä/ 'Wei-zen', *jescerica /vistäraicä/ 'Eidechse', *jalovica /jolüvaicä/ 'Färse, Jungkuh', *oranoje /varonä/ 'gepflügt', *udelanoje /aid'älonä/ 'ge-tan', ebenso im PL *jqzyky /jozäit'e/ 'Zungen', *zajqce /zoj^cä/ 'Ha-sen', *po delu /pü d'ole/ 'nach der Arbeit', *ντ> goste /va d'üstä/ 'zu Gast', vgl. *delo/d'olü/ 'Arbeit', * goste /d'üste/ 'Gäste'.

Somit gelangen wir zu der folgenden relativen Chronologie der Akzententwicklung:

1. Zurückziehung des Akzents von Kurzvokalen in Endsilben und Dehnung der sekundär akzentuierten Kurzvokale in offenen Silben.

2. Verlust der schwachen Jers in Anfangssilben.

3. Festlegung des Akzents auf der Anfangssilbe und Neuvertei-lung der distinktiven Vokalquantität.

4. Reduktion von Vokalen in Silben, die auf einen Langvokal fol-gen, und Verlust der distinktiven Quantität in Vollvokalen.

5. Festlegung des Akzents auf dem letzten Vollvokal einer Wort-form.

Es ist natürlich möglich, daß die Reduktion von Vokalen in End-silben der Festlegung des Akzents auf der Anfangssilbe und der Re-duktion von Vokalen in mittleren Silben vorausging. Jedenfalls muß der Verlust der Vokalquantität in unbetonten Endsilben vorausge-gangen sein, der nach der frühen Akzentzurückziehung datiert wer-den kann.

Leiden FREDERIK KORTLANDT

Zitierte Literatur

KuRYtowicz, J. 1955 KURY^OWICZ, «L, Akcentuacja polabska. In: Studia z fi-lologii polskiej i slowianskiej l, 349-374.

LEHR-SptAwiirsKi, T. LEHR-SptAwiifSKi, T., Z rozwazan o powstaniu akcen-1963 tuacji polabskiej. In: Studia z filologii polskiej i

slowianskiej 4, 73-102.

(8)

OLBSCH, R. 1973 OLESCH, R. 1974 OLBSCH, R. 1983-87 POLAfiSKI, K. & SEHNERT, J. A. 1967 TRUBETZKOY, N. 1929

OLBSCH, R., Der dravänopolabische Wortakzent. Teil I. In: Slavistische Studien zum VII. Internationalen

Slavistenkongreß. München, S. 389-418.

OLBSCH, R., Der dravaenopolabische Wortakzent. Teil

II. Mainz - Wiesbaden 1974 (= Akademie der Wissen-schaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes-und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1973, Nr. 13).

OLESCH, R., Thesaurus linguae dravaeno-polabicae. Tom. I-IV. Köln-Wien 1983-1987 (= Slavistische

For-schungen, Bd. 42/I-IV).

PoLAirsKi, K. & SEHNERT, J. A., Polabian-English dic-tionary. The Hague-Paris (= Slavistic Printings and

Reprintings, 61).

THUBETZKOY, N., Polabisehe Studien. Wien - Leipzig (= Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften.

Referenties

GERELATEERDE DOCUMENTEN

Kommt man nun etwa in ein Restaurant und setzt sich auf einen Stuhl, auf dem kurz zuvor jemand gesessen hat, ohne dass man es wusste, dann erwartet man einen gewöhnlichen,

Wanneer één van beide antwoordelementen ontbreekt geen scorepunt

Zudem wäre es für Ihr Blatt von eminenter Wichtigkeit, einmal nichts zu bringen, damit Ihre Leser merken, dass Sie sonst alles haben.. Als Illustration stelle ich mir einen Schrank

Jebb, toch al niet erg op zijn achterneef gesteld en ook een opgewonden standje, schreef een boosaardige repliek, waarop vervol- gens weer door Mahaffy werd gereageerd..

Oberer Bereich der Rückseite des Haupttitels im Stil KOMAScript. Unterer Bereich der Rückseite des Haupttitels im

Weil die Raumdiagonale eine Symmetrieachse ist, sollte das Problem symmetrisch sein, und deswegen eine recht einfache L¨ osung

Achtsamkeit (auch Mindfulness genannt) ist eine relativ neue Therapieform, die Menschen mit einer Autismus- Spektrum-Störung helfen kann, weniger unter permanenten Gedankenströmen zu

Wir waren gerade mit dem Wetter durch, und dann kam das, wovon alle immer mehr haben oder zumindest mehr reden: „Und was machst du so in deiner Freizeit“, fragt ein Fremder, „so