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Georgi Arbatov en Willem Oltmans, Der sowjetische Standpunkt. Über die Westpolitik der UdSSR · dbnl

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Westpolitik der UdSSR

Georgi Arbatov en Willem Oltmans

Vertaald door: Georg Krähmer

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Georgi Arbatov en Willem Oltmans, Der sowjetische Standpunkt. Über die Westpolitik der UdSSR (vert. Georg Krähmer). Rogner & Bernhard, München 1981

Zie voor verantwoording: http://www.dbnl.org/tekst/arba001sowj01_01/colofon.php

© 2016 dbnl / erven Georgi Arbatov / Willem Oltmans Stichting

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Vorwort

In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte meine Familie nach Südafrika aus, während ich an der Yale University in den USA mit dem Studium der Internationalen Beziehungen begann. Wir verließen Europa, weil wir alle fest daran glaubten, daß eine sowjetische Invasion bevorstünde. Mein Professor, Arnold Wolfers, Vorstand des Pierson College, betonte zum Beispiel, daß das wichtigste Ergebnis des Zweiten Weltkriegs nicht die Zerschlagung Nazi-Deutschlands gewesen sei, sondern der Aufstieg der Sowjetunion zur Supermacht.

Nachdem ich Anfang der fünfziger Jahre Journalist geworden war, vermied ich es im allgemeinen, Aufgaben in sozialistischen Ländern zu übernehmen, bis ich schließlich 1971 zum ersten Mal in die Sowjetunion reiste. Ich bereitete für das holländische Fernsehen einen Dokumentarfilm vor, der sich mit dem vom Club of Rome publizierten Bericht ‘Grenzen des Wachstums’ befaßte. Für diesen

Dokumentarbericht interviewte und filmte ich sowohl Georgij A. Arbatow, Direktor des Instituts zum Studium der USA und Kanadas der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, als auch Dr. Dscherman M. Gwischiani, stellvertretender

Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Technik beim Ministerrat der UdSSR.

In den folgenden neun Jahren reiste ich noch dutzende Male als Journalist in die Sowjetunion, und wann immer es sein Terminkalender zuließ, traf ich bei diesen Gelegenheiten mit Professor Arbatow zusammen, um mit ihm über die

Ost-West-Beziehungen zu diskutieren.

Professor Arbatows Ansichten und Gedanken zu den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen sind bislang nur in gelegentlichen Interviews mit ausgewählten Medien oder in Leitartikeln in der Prawda dargelegt worden. Allmählich gewann ich die Überzeugung, daß der Versuch unternommen werden sollte, diese Überlegungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Schließlich gilt Professor Arbatow neben Anatoli Dobrynin als der wichtigste Berater und Spezialist des Kremls in diesen Fragen.

Zur Vorbereitung dieses Buches suchte ich zahlreiche Persönlichkeiten auf wie Dr. Philip Handler, Präsident der National Academy of Sciences in Washington, frühere und gegenwärtige Mitarbeiter des Weißen Hauses, Wissenschaftler in Harvard, Stanford, Yale und anderen Hochschulen, so bekannte Vertreter einer harten

politischen Linie gegenüber der UdSSR wie die Rostow-Brüder, Paul Nitze, Admiral

Elmo Zumwalt jr.,

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Generalmajor George J. Keegan jr., Richard V. Allen (Ronald Reagens derzeitiger außenpolitischer Sprecher) und viele andere.

Wir begannen mit der Arbeit an diesem Buch Ende 1979, als es zu den unerwarteten Ereignissen in Afghanistan und im Iran kam und sich zugleich auch die gesamte internationale Lage verschlechterte. Diese Geschehnisse haben selbstverständlich in unsere Diskussionen Eingang gefunden und so dem Dialog eine ganz neue Dimension hinzugefügt.

Auch wenn Arbatow einige meiner Eihwände für unannehmbar hielt, sie mitunter sogar als verletzend empfand, so sah er darin jedoch nie einen persönlich gemeinten Angriff, wußte er doch, daß sich viele Menschen im Westen diese und andere Fragen stellen. In einigen Fragen, die wir erörterten, konnten wir uns nicht einigen, was nur natürlich ist. Dennoch herrschte bei unserer Arbeit im allgemeinen eine Atmosphäre, die geprägt war von gutem Willen, von gegenseitigem Verständnis und von dem Wunsch beider Seiten, das Buch möge zu einem besseren Verständnis der Probleme beitragen. Tatsächlich zeigt die Arbeit, die wir jetzt abgeschlossen haben, allein schon durch ihr Zustandekommen, daß die friedliche Koexistenz sehr wohl möglich ist.

Ohne Zweifel herrscht in den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion ein zunehmendes Informationsdefizit über die gegenwärtigen Anschauungen, die in den höchsten Regierungskreisen der anderen Seite vorherrschen. In Abwandlung eines Wortes von James Reston könnte man sagen: Wir sehen uns selbst selten so, wie uns die anderen sehen oder wie wir wirklich sind. Aus diesem Grand hoffe ich, daß diese Darstellung der Ansichten eines überragenden Spezialisten der anderen Seite dazu beitragen wird, uns ein genaueres Bild darüber zu verschaffen, mit welchen Augen man die USA, und vielleicht den Westen ganz allgemein, in der Hauptstadt des größten Landes der Welt sieht.

Gewiß ist unsere Erörterung unvollständig, wie wahrscheinlich jedem Vorhaben dieser Art gewisse Grenzen gesetzt sind. Viele Fragen bleiben für mich wie wohl auch für den Leser weiterhin offen.

Nichtsdestoweniger waäe zu hoffen, daß dieser unvollkommene Beitrag zum Ost-West-Dialog hilft, das Verständnis zwischen zwei großen Nationen wie auch das Verständnis unter allen Menschen, denen der Frieden ein besonderes Anliegen ist, zu vertiefen und zu erweitern.

Ich sollte noch hinzufügen, daß sich während meiner monatelangen Arbeit an diesem Manuskript in Moskau zwischen einer Reihe von Mitarbeitern Professor Arbatows und mir eine gedeihliche Arbeitsatmosphäre entwickelte. Für die Hilfe und die Ermutigung, die ich dadurch erfuhr, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.

New York, 31. Januar 1981

Willem Oltmans

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I) Leidensweg der Entspannung

Die siebziger Jahre waren das Jahrzehnt der Entspannung. Werden die achtziger das Jahrzehnt des zweiten Kalten Krieges werden?

Wir sollten nicht so fatalistisch sein, gleich das ganze Jahrzehnt verloren zu geben.

Aber so, wie es jetzt aussieht, hat sich die gesamte internationale Lage ernsthaft verschlechtert. Es ist noch gar nicht so lange her, da schien die Welt einen Weg aus den Feindseligkeiten und Dummheiten des Kalten Krieges gefunden zu haben, und es sah so aus, als wäre Entspannungspolitik zum Normalzustand geworden. Doch nun hat es den Anschein, daß für einige Leute die Entspannung zu einer

vorübergehenden, wenn auch willkommenen Abweichung von dem düsteren Normalzustand des Mißtrauens, der Feindschaft und der Konfrontation wird, die die internationalen Beziehungen in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten.

Was wäre denn der ‘ideale’ Normalzustand?

Ich würde allzugem ganz eindeutig sagen, daß das Abnehmen der Spannungen zwischen den Völkern, die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit sowie Fortschritte bei der Rüstungskontrolle der Normalzustand ist und wir derzeit eine Abweichung von diesem Normalzustand erleben. Aber ich zögere, das so auszudrücken, zumindest bevor wir nicht genau definiert haben, was der Begriff ‘Normalzustand’ bedeutet.

Wenn wir unter ‘normal’ einen natürlichen Zustand verstehen, wie z. B. die

‘normale’ Körpertemperatur, und damit zum Audruck bringen, daß der Körper gesund ist und nichts seine Gesundheit bedroht, dann ist sicherlich die Entspannung der Normalzustand und nicht der Kalte Krieg.

Man kann ‘normal’ aber auch als ‘allgemein üblich’ definieren, als einen Zustand, der so natürlich ist, daß es keiner besonderen Mühe bedarf, ihn aufrecht zu erhalten.

Es ist z. B. ‘normal’, daß ein Korken an der Wasseroberfläche schwimmt. Will

man ihn unter Wasser drücken oder ihn aus dem Wasser

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heben, so bedarf das einer Anstrengung; sobald man diese Anstrengung unterläßt, kehrt der Korken in seine normale Ausgangslage zurück. In diesem Sinn ist die Entspannung leider noch nicht der Normalzustand der internationalen Beziehungen geworden. Es bedarf immer noch besonderer Anstrengungen, sie aufrecht zu erhalten, während man Spannung allein schon dadurch erzeugen kann, daß man überhaupt nichts tut.

Mit anderen Worten, geriet die Entspannung in Nöte, weil sich die Anstrengungen, die zu ihrer Aufrechterhaltung unternommen wurden, als unzureichend erwiesen?

Nein, dem würde ich nicht zustimmen. Sicherlich haben einige Leute mehr für die Entspannung getan als andere, aber es war nicht nur Trägheit, gegen die die Entspannung ankortimen mußte. Was wirklich den Ausschlag gab, war die starke Mobilisierung jener Gegenkräfte, die in der Entspannung eine gefährliche Irrlehre sahen. Insbesondere wurde die Entspannung durch den Kurswechsel der

US-Außenpolitik Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre untergraben.

Amerikaner werden über eine solche Feststellung in Zorn geraten, denn sie sind überzeugt, daß die entscheidende Ursache der derzeitigen Verschlechterung Afghanistan war.

Ich bin mir darüber sehr wohl im klaren, daß unser Vorgehen in Afghanistan im Westen dazu benutzt wurde, einen Sturm der Emotionen und Denunziationen zu entfesseln. Politische Urteile sollten aber auf Tatsachen beruhen und nicht auf Emotionen.

Das offizielle Argument der Amerikaner, demzufolge die Ursache der gegenwärtigen Verschlechterung die Ereignisse in Afghanistan sind, ist nicht stichhaltig, weil die prinzipiellen Entscheidungen, die die Basis der neuen Politik der USA darstellen und die hier in der Sowjetunion als ein gewaltiger Schritt zurück zum Kalten Krieg verstanden werden, lange vor den Ereignissen in Afghanistan getroffen wurden.

An welche Entscheidungen denken Sie dabei?

An den Beschluß der Nato, während der nächsten 15 Jahre die Rüstungsetats jährlich

zu erhöhen (Washington, Mai 1978), an die Entscheidung des US-Präsidenten für

einen ‘Fünfjahresplan’, der weitere militärische Programme und Rüstungsaufgaben

in nie dagewesener Höhe vorsieht (November 1979), und an den höchst gefährlichen

Nachrüstungsbeschluß der Nato, neue amerikanische Mittelstreckenraketen

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zu bauen und in Europa zu stationieren (Brüssel, Dezember 1979).

Außerdem haben die USA noch vor den Ereignissen in Afghanistan die Verhandlungen zur Rüstungsbegrenzung praktisch zum Stillstand gebracht. Die Ratifizierung des SALT II-Abkommens war bereits im September/Oktober 1979 äußerst ungewiß.

Darüber hinaus geschah die überstürzte Annäherung an China auf eindeutig antisowjetischer Basis, und hinzu kam, daß die USA Ende 1979 einen ganzen Schwarm von Kriegsschiffen samt Flugzeugen und Nuklearwaffen in den Persischen Golf entsandten. Wir konnten nicht recht glauben, daß das nur der Befreiung der Geiseln in Teheran dienen sollte und nicht Teil eines generellen Kurswechsels der amerikanischen Außenpolitik und ihrer militärischen Positionen war.

Deshalb ging man in Moskau bereits Mitte Dezember 1979 davon aus, daß die Vereinigten Staaten einen scharfen Kurswechsel eingeleitet hatten.

Mit anderen Worten - die amerikanische Politik hat sich auf das sowjetische Vorgehen in Afghanistan ausgewirkt?

Sie war ein wichtiger Faktor.

Falls die Entspannung sich normal weiterentwickelt hätte und die von Ihnen genannten Probleme nicht aufgetreten wären, hätte die Sowjetunion also keine Truppen nach Afghanistan entsandt?

Sehr gut möglich. Verstehen Sie mich bitte richtig: Die Entsendung der Truppen war keine ‘Bestrafung’ der USA oder des Westens für schlechtes Betragen. Sie hat mehr mit unserer neuen Einschätzung der durch die USA und die Nato geschaffenen Situation zu tun.

Wie der Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, im Januar 1980 in einem Interview mit der Prawda sagte, war uns die Entscheidung, ein begrenztes

militärisches Kontingent nach Afghanistan zu schicken, nicht leicht gefallen.

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Die afghanische Regierung hatte uns schon lange vor Ende des Jahres 1979 wiederholt um Hilfe gebeten, aber wir haben diese nicht gewährt.

Ende 1979 mußte jedoch die Lage in Afghanistan zwangsläufig im Kontext der

ständig wachsenden internationalen Spannungen auf der ganzen Welt wie auch

speziell in dieser Region bewertet werden. In diesem Rahmen gewann die Bedrohung

der aus der Revolution hervorgegangenen afghanischen Regierung wie auch die

Bedrohung unserer eigenen Sicherheit sehr viel mehr Bedeutung, als das zu Zeiten

der Entspannung der Fall gewesen wäre.

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Die Ereignisse in Afghanistan haben die Amerikaner und ihre Verbündeten vor allem deshalb so verwirrt, weil sie sich über die sowjetischen Absichten im unklaren waren.

Präsident Carter sagte ausdrücklich, er könne bezüglich der sowjetischen Absichten kein Risiko eingehen.

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Der Grund für einen abrupten Kurswechsel in der amerikanischen Außenpolitik liegt möglicherweise darin, daß man eine wachsende sowjetische Bedrohung festzustellen glaubte, und zwar lange vor Aghanistan, und sich dutch diese Eteignisse nur bestätigt sah.

Ehrlich gesagt: Wenn ich das Gerede von der ‘sowjetischen Bedrohung’ höre, und zwar nicht aus dem Munde des manipulierten Mannes von der Straße, sondern von verantwortlichen Politikern und Experten, dann drängt sich mir der Eindruck auf, daß diese Leute in Wirklichkeit nicht so sehr die Sowjetunion und deren Macht und Absichten meinen, sondern die Vereinigten Staaten, die amerikanische Politik und die Rolle Amerikas in der Welt.

Es ist ganz einfach bequemer, die phantastischsten Ansprüche und Forderungen im Bereich amerikanischer Politik und militärischer Macht zu erheben, indem man die Sowjetunion als Provokateur erscheinen läßt, auf den die Amerikaner reagieren.

Aus unserer Sicht hat jedoch niemand Amerika dazu provoziert, eine härtere Außenpolitik zu betreiben. Vielmehr steigerten sich die USA bereits seit geraumer Zeit systematisch in eine Haltung hinein, die zur gegenwärtigen Einschätzung ihrer Beziehungen zur UdSSR und der Welt ganz allgemein führte.

Sie können aber nicht bestreiten, daß die Sowjetunion im Laufe der Jahre ihre militärische Stärke ungeheuer ausgebaut hat.

Ja, unser Stärke hat zugenommen. Wir hatten gute Gründe, uns um unsere

Verteidigung zu kümmern. Und manchem, der sich so lautstark über die sowjetische militärische Bedrohung beklagt, muß gesagt werden, daß die Aufrüstung der Verteidigung dient und nicht der Vorbereitung einer Aggression.

Die Nato behauptet aber immer wieder, die sowjetische Aufrüstung überschreite das

‘legitime Verteidigungsbedürfnis’.

‘Warum siehst du nur den Splitter im Auge deines Bruders, nicht aber den Balken im eigenen Auge?’ Ich frage mich oft, wie amerikanische Generäle und Politiker ihr

‘legitimes Verteidigungsbedürfnis’ wohl bemessen würden, wenn nördlich von

Michigan ca. eine Million Solda-

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ten des Warschauer Paktes und ungefähr 700 Nuklearwaffen stehen würden und gleichzeitig Texas nicht an Mexiko grenzen würde, sondern an ein Land, das von einer Milliarde Menschen bewohnt wird, das mit Nuklearwaffen ausgerüstet und von messianischem Sendungsbewußtsein erfüllt ist, sowie auf einen erheblichen Teil des Südens der USA Anspruch erhebt.

Ausdruck der offiziellen amerikanischen Heuchelei über die strategische Position der Sowjetunion ist das jüngst zur politischen Mode gewordene Schlagwort vom sogenannten ‘Arc of Crisis’. Dieser Begriff, von Zbigniew Brzezinski geprägt, bezieht sich auf das südwestliche Asien und den Nahen Osten. Dieses Gebiet wurde zu einer der ‘vitalen Interessensphären Amerikas’ erklärt. Ist wohl irgend jemand, der diesen Gedanken des ‘Bogens’ übernommen hat, dabei auch aufgefallen, daß dieser ‘Bogen’

in fast seiner gesamten Länge direkt an unseren Grenzen wie auch denen unserer südlichen Nachbarn entlang verläuft und es sich mithin um ein Gebiet handelt, das von äußerster Wichtigkeit für die nationale Sicherheit der Sowjetunion ist, also eine Zone wahrhaft vitaler Interessen für die UdSSR?

Wenn es keine sowjetische Bedrohung gibt, wie Sie sagen, was waren denn Ihrer Meinung nach die Gründe für die neue harte Linie der Amerikaner?

Meiner Meinung nach gibt es da zwei Kategorien von Ursachen: einmal die, die bewirkt haben, daß sich die Stimmung und das Kräftegleichgewicht innerhalb der amerikanischen Machtelite verändert hat, zum anderen jene, die eine politische Atmosphäre im Land geschaffen haben, in der es möglich war, solche Veränderungen in praktische Politik umzusetzen.

Was die Elite angeht, so scheinen mir die hauptsächlichen Gründe für einen Umschwung deren Schwierigkeiten zu sein, sich den neuen Gegebenheiten der Weltlage anzupassen.

Diese Gegebenheiten haben sicher Probleme für die USA geschaffen, da sie eine sehr grundlegende Neuorientierung der Außenpolitik verlangten. In der Tat erforderte es einen Bruch mit den Richtlinien, Neigungen und Maßstäben politischen Verhaltens, wie sie für eine ganze Epoche charakteristisch waren. Eine außergewöhnliche Epoche, nicht zuletzt wegen der Lage, in der sich die Amerikaner direkt nach dem Zweiten Weltkrieg befanden, aus dem sie als die reichste und mächtigste Nation hervorgingen, die weder Verwüstungen erlitten noch größere Opfer gebracht hatte.

Diese Situation ließ damals den Eindruck entstehen, daß die USA na-

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hezu alles und jeden kaufen und diejenigen, die nicht käuflich waren, dank der überlegenen Macht unterdrücken oder gar vernichten konnten. Diese historische Situation war einzigartig und nicht von Dauer. Viele Amerikaner sahen darin bald die natürliche und ewige Ordnung der Dinge.

Aber glauben Sie nicht auch, daß viele Amerikaner diese Illusionen begraben haben?

Ja, aber das hat unsägliche Mühen gekostet. Das zeigte sich wieder einmal beim Wahlkampf 1980 mit seinem nostalgischen Motto des ‘American Dream’. Es fällt der Elite auch schwer zu glauben, daß ein Abnehmen der internationalen Spannungen den politischen Willen der USA nicht schwächt.

Ich möchte dazu eine Episode aus dem Jahr 1972 in Erinnerung rufen, als das erste Gipfeltreffen gerade zu Ende gegangen war und der Präsident der USA nach Washington zurückkehrte. Was war der vorherrschende Gedanke in den Köpfen der amerikanischen Politiker? Wie Kissingers Memoiren besagen, war es nicht Freude und Genugtuung, sondern die Angst und die Sorge, es werde fortan viel schwerer fallen, die öffentliche Unterstützung für Rüstungsprogramme zu gewinnen und die alte Politik weiterzuverfolgen.

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So hat man bereits 1972 reagiert. Die Ereignisse in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre machten alles noch wesentlich schwerer. Dadurch wurde das amerikanische Establishment anscheinend so verschreckt, daß sich der Anpassungsprozeß verlangsamte und schließlich zum Erliegen kam.

Die Mißerfolge Amerikas in Indochina, im Iran und anderswo wurden von vielen Amerikanern für die Folge einer vermeintlichen Scheu der USA vor

Gewaltanwendung gehalten.

Hierher rührten dann die neubelebten Forderungen nach Aufrüstung und einer Überprüfung der militärischen Doktrin. Die wahren Motive für eine wachsende Unzufriedenheit innerhalb der amerikanischen Machtelite mit den Entwicklungen in der Welt liegen jedoch tiefer, glaube ich.

Woran denken Sie?

Nun, ein Faktum, mit dem die USA sich besonders schwer abfinden können, ist der Verlust der strategischen Überlegenheit und die Herstellung des Kräftegleichgewichts zwischen der UdSSR und den USA.

Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Abhängigkeit der amerikani-

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schen Wirtschaft von anderen Ländern. Das sind die Amerikaner nicht gewöhnt.

Jahrelang war viel von ‘Interdependenz’ die Rede, doch als sich herausstellte, daß das auch in einem gewissen Grad die Abhängigkeit Amerikas von anderen bedeutete, beklagte man lautstark die ‘Verwundbarkeit’.

Meinen Sie die amerikanische Abhängigkeit von Ölimporten?

Öl ist ohne Zweifel ein ganz wichtiger Faktor. Sind doch die USA heute abhängiger vom Öl aus dem Nahen Osten als je zuvor. Diese Abhängigkeit wurde aber nicht von den Ölproduzenten geschaffen. Hinzu kommt, daß die Abhängigkeit von anderen einem keinerlei besondere Rechte auf deren Eigentum gibt. Andernfalls hätten wir es mit dem Gesetz des Dschungels zu tun.

Welche weiteren Faktoren haben nach Ihrer Auffassung zu der Kursänderung der amerikanischen Politik beigetragen?

Der Faktor China hatte großes Gewicht. Um genauer zu sein: die illusorischen Hoffnungen auf eine rasche Verschiebung des globalen Kräftegleichgewichts zugunsten der USA durch das Zusammengehen mit China. Zuvor hatten die USA ihre Wiederannäherung an China viel behutsamer betrieben, um die

amerikanisch-sowjetischen Beziehungen, denen man für die amerikanischen Interessen sehr große Bedeutung beimaß, nicht zu gefährden. Washington schien auch sorgfältig darauf zu achten, daß nicht ein Punkt erreicht wurde, an dem man unliebsame Verpflichtungen auf sich nehmen mußte, die weniger China vor den amerikanischen Karren spannen würden als vielmehr die USA vor den chinesischen. Heute hat es den Anschein, als sei dieser Punkt bereits erreicht.

Ich würde noch auf einen wichtigen innenpolitischen Faktor in Amerika hinweisen.

Auf den Wahlkampf?

Über den Wahlkampf 1980 können wir auch sprechen, aber der Faktor, an den ich

denke, hat längerfristige Auswirkungen. Ich meine die sich mehrenden Klagen des

amerikanischen Establishments darüber, daß Amerika ‘unregierbar’ werde: der

Mangel an Konsens, die Zersplitterung politischer Intistutionen, das ‘Übermaß’ an

sozialen Forderungen, die an das System gestellt werden, ein ‘Zuviel’ an Demokratie,

usw. Aber es ist nicht vergessen, daß während des Kalten Krieges die USA

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eine besser organisierte, diszipliniertere Gesellschaft gewesen sind, was die Aufgabe des Regierens vereinfachte. Viele derer, die angesichts der ‘Unregierbarkeit’

verzweifeln, habe ich im Verdacht, daß sie erwarten, daß die Amerikaner bei einer verschärften internationalen Lage gefügiger werden.

Alle diese Faktoren zusammen bewirkten meiner Meinung nach bei wesentlichen Teilen der amerikanischen Machtelite eine Art Übereinstimmung. Demnach galt der Ausbau der militärischen Stärke Amerikas und die Bereitschaft sowie der Wille, sie anzuwenden, als ein Weg, sowohl die Macht und den Einfluß Amerikas in der Welt zu fördern, als auch die Instabilität im eigenen Land zu verringern.

Zusätzlich sollte die wirtschaftliche Stärke Amerikas direkter und skrupelloser angewendet werden, um einige unter Druck zu setzen und andere wiederum einzuschüchtern.

Natürlich ist das eine sehr grobe Skizzierung der Lage. Die Wirklichkeit ist komplexer.

Das hört sich wie eine Einschränkung an.

Nun, ich möchte die Situation nicht zu sehr vereinfachen und Ordnung und Systematik dort unterstellen, wo das eine wie das andere fehlt. So könnte ich zwei hauptsächliche Einschränkungen anführen. Zum einen ist die Art, wie die Machtelite der USA zum Konsens gelangt und Entscheidungen trifft, so beschaffen, daß der Präsident nicht unbedingt auf ein großes Maß an Übereinstimmung angewiesen ist. Tatsächlich mag es sogar einfacher sein, eine stärker aufgesplitterte Elite ohne einheitliche Orientierung zu führen, als eine, die eng miteinander verbunden und selbstsicher ist. Zum zweiten:

Obwohl an der Spitze des politischen Systems in Amerika Konsens aufzukommen scheint, bleiben, glaube ich, ernste Zweifel an dieser neuen Außenpolitik der USA.

Sie wird in Frage gestellt, weil viele ihr Scheitern befürchten und glauben, sie sei für die USA selbst sehr gefährlich.

Was hat die politische Atmosphäre im Land verändert?

Dazu bedurfte es enormer Anstrengungen der traditionellen Gegner der Entspannung.

Die öffentliche Meinung in Amerika unterstützte die Entspannung sehr nachdrücklich.

Aber es gab auch extreme Frustrationen aufgrund einiger außenpolitischer

Entwicklungen während der letzten 10 Jahre. Die Falken waren mit ihrer Propaganda

von der ‘sowjetischen Bedrohung’ und mit Parolen wie ‘Amerika läßt sich nicht

herumsto-

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ßen’ sehr erfolgreich darin, diese Frustrationen in die gewünschte Richtung zu lenken.

War ein plötzlicher Ausbruch von Patriotismus vielleicht das Ergebnis des Teheraner Geiseldramas?

Man darf diesen Ausbruch nicht mit dem rechtfertigen, was der amerikanischen Borschaft in Teheran und deren Diplomaten widerfahren ist, sondern die

amerikanische Reaktion auf diese Ereignisse scheint mir eher Chauvinismus und Hurrapatriotismus zu sein.

Lieben denn nicht auch die Russen ihr Vaterland?

Natürlich, aber wir erweisen auch dem Patriotismus anderer Nationen unsere Achtung und Wertschätzung. Wir sehen darin eine starke moralische Kraft, die in Zeiten nationaler Krisen eine entscheidende Rolle spielen kann. Wahrer Patriotismus aber setzt auch eine rationale Haltung gegenüber dem eigenen Land voraus, und sogar eine kritische, wenn es Fehler begeht. So übrigens hat Lenin Patriotismus verstanden.

Man muß Patriotismus und nationalistischen Eifer, der die Völker schon so oft irreleitete, auseinanderhalten. Diese Art von Patriotismus hatte Samuel Johnson, der englische Lexikograph des 19. Jahrhunderts, vor Augen, als er ihn ‘die letzte Zuflucht der Schurken’ nannte.

Sehen Sie noch andere Ursachen für den Kurswechsel der US-Politik?

Ja, die allgemeine politische Haltung der Carter-Administration. Im Februar 1980 zitierte Time einen hohen Beamten des Außenministeriums, der sagte, Brzezinski habe ‘endlich seinen Kalten Krieg bekommen’. ‘Es kam einigen außenpolitischen Experten wie Ironie vor’, fährt Time fort, ‘daß Brzezinskis ständiges Eintreten für eine harte Linie anscheinend durch eine Kriste gerechtfertigt wurde, die

möglicherweise durch seine Argumente, seine Politik der Nadelstiche gegenüber Moskau und seine Wendung nach Peking mitverursacht wurde.’

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Natürlich ist Brzezinski nicht der einzige.

Der Präsident und die gesamte Administration steuerten einen Zickzackkurs und betrieben bei sehr wichtigen Fragen eine wankelmütige Politik. Dadurch wurde das Fundament der Entspannung in den USA beträchtlich geschmälert und die Position ihrer Gegner gestärkt.

Unter den Falken in Washington ist es derzeit Mode, die Entspannung zu verhöhnen und in ihr die Ursache dafür zu sehen, daß Amerikas Willenskraft und

Entschlossenheit der Welt gegenüber geschwächt sind.

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Sollte es wirklich an Willenskraft und Entschlossenheit auf irgendeinem Gebiet gemangelt haben, dann war das Washingtons Haltung gegenüber der

Rüstungskontrolle, der Förderung gegenseitigen Vertrauens und dem Abbau der Spannungen.

Und schließlich die Präsidentschaftswahlen 1980. Sogar prominente Analytiker des Westens, wie Oberst Jonathan Alford, stellvertretender Direktor des International Institute for Strategie Studies in London, halten es für ‘in der Tat sehr, sehr bedauerlich‘, daß die ganze Welt verharrt und darauf warten muß, bis der Zirkus der Präsidentschaftswahl in Amerika vorüber ist. Alford sagte zu mir: ‘Das ist nicht nur ungeheuer bedauerlich, sondern möglicherweise auch ziemlich gefährlich.’

Die Zeit des Wahlkampfs in Amerika ist tatsächlich eine schlechte Zeit für gute Politik und eine gute Zeit für schlechte Politik. Das ist in gewisser Weise verständlich.

Bevor man ein ausgezeichneter oder ein miserabler Präsident wird, muß man überhaupt erst einmal Präsident werden. Aber manchmal wundert man sich, warum es jedesmal aufs neue den Anschein hat, als hätten sich die Kandidaten verschworen, dem Militarismus Vorschub zu leisten und das Wettrüsten und antisowjetische Gefühle zu fördern. Der bekannte amerikanische Wissenschaftler Jerome Wiesner erinnerte in einem Artikel in der New York Times am Ende des letzten Wahlkampfes daran:

‘Während eines jeden Präsidentschafts-wahlkampfes werden wir mit von hysterischer Angstmacherei geprägten Schätzungen der drohenden strategischen Überlegenheit der Sowjets bombardiert, begleitet von dem Ruf nach einer wesentlichen Verstärkung unserer Nuklearstreitkräfte.’

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Nach Wiesner läßt sich die Geschichte dieser

gefährlichen Tradition bis 1948 zurückverfolgen. Es gab seitdem in der Tat eine ganze Reihe von Wahlkämpfen, die in dieser Hinsicht wirklich schlimm waren.

Doch der Wahlkampf 1980 war wahrhaftig ein Unglück von internationalem Ausmaß. Es wurden keine Debatten über die tatsächlichen Probleme, denen Amerika gegenübersteht, geführt. Auch wurde kein Versuch unternommen, die nationalen Interessen neu zu bewerten und vernünftige Wege zu finden, die diesen Interessen dienlich sind. Was haben wir stattdessen erlebt? Ohrenbetäubendes Säbelrasseln, ein heftiges gegenseitiges Überbieten in den Forderungen nach gesteigerten

Militärausgaben, ein feuerwerkartiges Kommandounternehmen im Iran und die

Ankündigung einer neuen, ziemlich gefährlichen Nukleardoktrin. Das Land befand

sich im Zustand einer künstlichen Krise, weil nach Auffassung mancher Amerikaner

der Präsident die einzige Rettung vor einer Wahlniederlage in einer Krisensituation

sah.

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Was hätte die Alternative sein können?

Im Idealfall - obgleich ich selbst nicht recht daran glauben kann - könnte ein Wahlkampf als Mittel der politischen Bildung dienen und als ein Instrument, das Anstöße für Korrekturen der Politik der Regierung gibt. Doch die Mechanismen des politischen Prozesses waren solchen demokratischen Zwecken nicht förderlich. Ich meine, Senator Edward Kennedy hatte recht, als er sagte, 1980 seien die politischen Prozesse in Amerika einer Geiselnahme zum Opfer gefallen.

In einem Artikel der Prawda vom März 1980 haben Sie den Kurswechsel in der amerikanischen Außenpolitik als einen Versuch charakterisiert, einen weiteren Kalten Krieg zu beginnen.

Ja, denn es gibt eine ganze Reihe von Parallelen. Wir beobachten, daß man erneut zu militärischer Stärke das bevorzugtem Instrument der Außenpolitik zurückkehrt.

Das ist genau das, was den ersten Kalten Krieg charakterisierte, als militärische Stärke das Haupt-Fundament, wenn nicht gar der Ersatz für Außenpolitik war. Die gegenwärtige Wende hin zum Kalten Krieg bedeutet erneut das Streben nach militärischer Überlegenheit der USA sowie eine ganz erhebliche Steigerung des Wettrüstens und der Militärausgaben und ein Einfrieren der Gespräche zur Rüstungsbegrenzung.

Weiter zeigt sich eine Rückkehr zu einer aktiven Interventionspolitik. Mit der Entsendung von Truppen zu drohen, ist in der amerikanischen Diplomatie wieder gang und gäbe geworden. Sogenannte mobile Eingreifreserven werden als

Spezialtruppen aufgebaut, um binnen kürzester Zeit an beliebiger Stelle militärisch eingreifen zu können.

Übrigens habe ich gelesen, daß solche Einheiten zum ersten Mal Ende der fünfziger Jahre von Henry Kissinger in einer Studie der Rockefeller-Stiftung vorgeschlagen wurden. Später, in den sechziger Jahren, wollte Lyndon B. Johnson sie, konnte aber den Kongreß nicht dafür gewinnen. Gegen diese Idee sprach sich ausgerechnet der Vorreiter der Falken unter den Senatoren, Richard Russell aus Georgia, mit Nachruck aus, weil nach seiner Ansicht das bloße Vorhandensein solcher Truppen die USA in ein zweites Vietnam verwickeln würde.

Eine weitere Parallele liegt in einer Wendung hin zur Konfrontation in den

Beziehungen mit der Sowjetunion. Ein recht hysterischer Kurswechsel, nebenbei

gesagt.

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Gehen wir möglicherweise einem neuen Kalten Krieg entgegen?

Das Entscheidende dabei ist, daß die zweite Auflage des Kalten Krieges sehr viel gefährlicher wäre. Da die Vernichtungswaffen inzwischen ein ganz neues Niveau erreicht haben, wäre bei einer Rückkehr zu offener Feindseligkeit und Konfrontation ein militärischer Konflikt wahrscheinlicher und zugleich verheerender in seinen Auswirkungen. Darüber hinaus würden in den achtziger Jahren weit mehr Länder in den Sog des Kalten Krieges geraten als seinerzeit. Je größer aber die Zahl der Beteiligten an einem internationalen Konflikt ist, desto größer sind auch die Risiken, besonders natürlich, wenn einige der Beteiligten dazu neigen, auf der Weltbühne unbesonnen und unverantwortlich zu agieren.

Meinen Sie damit China?

Ja, hauptsächlich, aber nicht nur China. Bei einer Rückkehr zum Kalten Krieg wäre die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen nicht zu vermeiden.

Es gibt noch eine andere wichtige Seite. In den kommenden Jahrzehnten werden weltweite Probleme wie die Erschöpfung von Rohstoffen, die Umweltverschmutzung oder der Hunger noch dringlicher werden. Entspannung, Rüstungskontrolle und internationale Zusammenarbeit würden die Chancen, diese Probleme zu lösen, erhöhen, während sie sich unter den Bedingungen des Kalten Krieges sehr schwer lösen lassen würden.

Patrick Caddell, ein Berater Präsident Carters, sagte in einem Interview mit dem Playboy: ‘Ein kleiner Krieg ist sehr hilfreich, was die Wählerstimmen anbelangt.

Daraus, daß es keinen Krieg gibt, läßt sich dagegen kein politisches Kapital schlagen.

Jeder Präsident kann das Land mit überzeugenden kriegerischen Aktionen dazu bringen, sich um ihn zu scharen. Eisenhower hatte Korea und den Libanon, Kennedy hatte Kuba und Vietnam, und Johnson, Nixon und Ford hatten ebenfalls Vietnam.’

Eine bezeichnende Illustration für die ‘Moral’ des Weißen Hauses: Krieg wird als

ein akzeptables Mittel diskutiert, wenn es daraum geht, einen ganz normalen

Machtwechsel zu verhindern. Deutet Caddells Außerung nicht auf einen ernsthaften

Defekt in einem politischen System hin, in dem der Krieg zum politischen Erfolg

beiträgt und deshalb willkommen ist?

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Caddell hört sich vielleicht zynisch an, aber solches Verhalten wurde in der Vergangenheit oftmals an den Tag gelegt.

Ja, es ist seit langem ein Grundzug amerikanischer Politik, daß es die Politiker in schwierigen Zeiten einträglicher und sicherer finden, nach rechts zu driften, den starken Mann zu spielen. Aus irgendeinem Grund wird eine solche Haltung immer noch für besonders patriotisch gehalten, obwohl gerade sie im Atomzeitalter die schlimmsten Folgen für ein Land haben kann. Aus ebenso unerfindlichen Gründen wird eine solche Haltung auch als besonders realistisch angesehen, wenngleich es heutzutage die größte Illusion ist, Sicherheit durch Wettrüsten und Gewaltanwendung erlangen zu wollen.

Der Cowboy, der aus der Hüfte schießt, ist nach wie vor eine populäre Symbolfigur in Amerika, doch es muß für diese Einstellungen noch gewichtigere psychologische Gründe geben. Eine davon könnte Denkfaulheit sein, die Unfähigkeit, alte, aus dem Kalten Krieg übernommene Vorstellungen abzuschütteln. Vorstellungen, die wegen ihrer verführerischen Einfachheit stark verwurzelt bleiben.

Was meinen Sie mit Einfachheit?

In einer Welt des Kalten Krieges läuft alles in der Art eines billigen Western ab. Man hat einen konkreten Feind, der die Ursache allen Übels ist. Man hat ein glasklares Ziel: den Feind zu erledigen. Je mehr Schaden man der anderen Seite zufügt, desto besser ist man selber dran. Man hat auch Mittel gefunden und erprobt, um es ohne schlechtes Gewissen zu tun. Man kann an atavistische Gefühle appellieren wie Hurrapatriotismus, Feindseligkeit und Mißtrauen gegenüber Leuten, die anders leben und anders aussehen und damit dem starken Verlangen nach nationaler Überlegenheit Ausdruck verleihen. Man befindet sich in einer Welt mit zwei Dimensionen: schwarz und weiß. Und, was ziemlich wichtig sein kann, man kann seinen politischen Standort zur kostbarsten Fernsehzeit innerhalb einer einzigen Minute umreißen.

Die Denkkategorien der Entspannung sind dagegen viel ausgefeilter und

schwieriger zu begreifen. Man muß einen weiten Horizont haben und entsprechend

tolerant sein, um zu verstehen, daß Koexistenz und Zusammenarbeit möglich und

wünschenswert sind, auch wenn die Gesellschaftssysteme der einzelnen Länder, die

politischen Institutionen, die Werte und die Sympathien und Antipathien weitgehend

verschieden sind. Es wäre dazu auch notwendig einzusehen, daß Beziehungen

zwischen Ländern nicht rechnerisch aufgehen und eine Seite genauso viel gewinnt,

wie die andere verliert, und daß trotz aller Differenzen und

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Schwierigkeiten dennoch die gemeinsamen Interessen bei weitem überwiegen werden.

Was noch schwieriger ist: Man muß einsehen können, daß die Schuld an einem Problem nicht immer der andere hat, sondern oft auch die eigenen Fehler und das eigene falsche Handeln schuld sind, ganz zu schweigen von Ereignissen und Kräften, die niemand unter Kontrolle hat. Weiter muß man einsehen, daß Eigenschaften wie Zurückhaltung, Mäßigung und Kompromißbereitschaft, die sowohl ein größeres Maß an Klugheit als auch mehr politischen Mut erfordern, vorzuziehen sind gegenüber Selbstgerechtigkeit, Arroganz und der Neigung, den starken Mann zu spielen.

Schließlich sollte man versuchen, die andere Seite zu verstehen. Wie erscheint die eigene Politik dem anderen? Welche Empfindungen erweckt die eigene Politik beim anderen?

Sind Sie enttäuscht? Hat sich Entspannung als zu kompliziert erwiesen, als daß die breite Öffentlichkeit sie begreifen könnte?

Sehen Sie, es handelt sich um einen Prozeß. In den fünfziger Jahren verstanden nur sehr wenige Leute die komplizierten politischen Zusammenhänge in der modernen Welt. In den sechziger Jahren wuchs die Zahl derer, die die Situation begriffen, rasch an. Und in den siebziger Jahren wurden schließlich bestimmte Einsichten in die moderne Welt bereits von Millionen von Menschen geteilt. Ich hoffe immer noch, daß die Idee der Entspannung in den achtziger Jahren die Oberhand gewinnen wird.

Sie haben gesagt, daß es große Mühe kostet, die Entspannung aufrechtzuerhalten, die Spannungen dagegen von allein entstehen. Wollten Sie damit zum Ausdruck bringen, daß Entspannung ein Netz komplizierter intellektueller und psychologischer Verflechtungen ist, verglichen mit den gefährlich vereinfachenden Formeln des Kalten Krieges?

Ja, aber nicht nur das. Schwerfälligkeit spielt eine wichtige Rolle. Die Entspannung ist erst ein paar Jahre alt, während der Kalte Krieg, der ihr vorausging, mehrere Jahrzehnte gedauert hat. Diese Jahrzehnte haben nicht nur eine Unzahl vorgefaßter Meinungen und Vorurteile hinterlassen, sondern auch gewisse darin begründete Mechanismen. Ich spreche von Mechanismen wie dem Wettrüsten, den bestehenden militärischen und politischen Allianzen und auch von anderen Teilen einer riesigen Infrastruktur, die im Dienste des Kalten Krieges geschaffen wurden, wie z. B.

Bürokratien und Organisationen für psychologische Kriegsführung, für subversive

Tätigkeiten und andere ähnliche Dinge. Alle diese

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Mechanismen trachten danach, ihr Überleben und ihr Fortbestehen zu sichern. Das bedeutet, sie müssen internationale Spannungen schaffen, die Rivalität auf

militärischem Gebiet anspornen und Mißtrauen und Haß gegen den ‘äußeren Feind’

säen.

Diese Mechanismen werden in den USA noch verstärkt durch bestimmte

‘Transmissionsriemen’, durch die sie mit bedeutenden Teilen des Wirtschaftssystems und mit sehr einflußreichen etablierten Mächten verbunden sind.

Wird es je dauerhafte Entspannung geben?

Es spricht sehr vieles für die Entspannung. Sie besitzt eine starke vitale Kraft. Das Hauptargument für Entspannung ist, daß es keine akzeptable Alternative gibt, wenn wir den Weltuntergang vermeiden wollen.

Was genau versteht die UdSSR unter Entspannung?

Lassen Sie mich die offizielle sowjetische Definition von Leonid Breschnew zitieren:

‘Entspannung bedeutet in erster Linie die Überwindung des Kalten Krieges und den Übergang zu normalen, reibungslosen Beziehungen zwischen den Staaten.

Entspannung bedeutet die Bereitschaft, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten nicht mit Gewalt, Drohungen oder mit Säbelrasseln zu lösen, sondern mit friedlichen Mitteln am Verhandlungstisch. Entspannung setzt ein bestimmtes Maß an Vertrauen voraus, sowie die Fähigkeit, die Interessen der anderen Seite mit einzubeziehen. Das ist, kurz gesagt, unsere Auffassung von Entspannung.’

6

Der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky sagte zu mir, seiner Meinung nach stelle der Österreichische Friedensvertrag aus dem Jahr 1955 den allersten Schritt einer Politik der Entspannung in Europa dar.

Die Unterzeichnung des Österreichischen Friedensvertrages war seiner Natur und seinen politischen Konsequenzen nach unzweifelhaft ein Akt der Entspannung. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir es wirklich als den ersten Schritt dieses politischen Prozesses betrachten können.

Die internationale Politik wird immer komplizierter. Nichtsdestoweniger spielen die

Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion weiterhin eine ausschlaggebende

Rolle und bleiben der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Weltsystems.

(19)

Sie haben recht. Obwohl es falsch wäre, jede Entwicklung auf der Erde unter dem Blickwinkel dieser Beziehungen zu sehen, kann man ihre Bedeutung für die Menschheit kaum überschätzen. Ich würde es so beschreiben: Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington ist kein Allheilmittel für alle Schwierigkeiten; dagegen kann eine schrankenlose Feindseligkeit zwischen den beiden zur Zerstörung der ganzen Zivilisation führen.

Ich fragte den Harvard-Psychologen B.F. Skinner, was heutzutage von absolutem Vorrang sei. ‘Das Überleben!’ erwiderte er ohne zu zögern.

So einfach ist das. Das überragende gemeinsame Interesse der UdSSR und der USA ist es tatsächlich, zu überleben. Deshalb ist die friedliche Koexistenz zwischen uns unabdingbar. Ob es uns gefällt oder nicht, wir sind auf diesem Planeten

zusammengekettet. Keiner kann diesen Globus verlassen. Wir sind hier. Die Amerikaner sind hier. Wir müssen lernen, in Frieden miteinander zu leben. Gelingt es uns, so werden wir nicht nur überleben, sondern vielleicht auch imstande sein, Beziehungen aufzubauen, die für beide Seiten wie für die übrige Welt von Nutzen sind.

Von Nutzen?

Unser Wohl und das Wohl der Welt hängen weitgehend davon ab, ob wir mehr für friedliche Zwecke ausgeben oder unsere Mittel für das Wettrüsten verschwenden.

Die Zusammenarbeit zwischen den beiden größten wirtschaftlichen und

wissenschaftlich-technischen Mächten könnte für alle Seiten von ungeheurem Nutzen sein. Schließlich sehen wir uns mit wachsenden weltweiten Problemen konfrontiert, die nur in einer friedlichen Atmosphäre in Angriff genommen werden können.

Wenn wir uns gestatten, uns in unkontrollierbare Feindseligkeiten zu verstricken, steht uns bestenfalls eine trostlose, düstere Zukunft bevor, schlimmstenfalls aber die atomare Vernichtung des Lebens auf diesem Planeten.

Im Grunde genommen gibt es im herkömmlichen Sinn keine unmittelbaren Konfliktherde zwischen Moskau und Washington, wie z. B. Streitigkeiten über territoriale Ansprüche.

Vor langer Zeit gab es vielleicht einmal einen potentiellen Zankapfel zwischen Rußland und Amerika.

Alaska?

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Ja. Die Russen entdeckten das Gebiet schon lange vor der Gründung der Vereinigten Staaten. Aber die russische Regierung verkaufte es 1897 zu einem Preis von ca. fünf Cents pro Hektar an Washington. Als Russe bedauere ich den Verkauf natürlich, weil es wirklich ein sehr schlechter Handel war. Andererseits hat uns der Verkauf aber vielleicht eine Menge Ärger erspart.

Offensichtlich sind die Schwierigkeiten in den gegenwärtigen

sowjetisch-amerikanischen Beziehungen ganz anderer Natur. Wir sprechen von den beiden Hauptrivalen um die Einflußnahme in der Welt.

Gewiß, die Beziehungen zwischen den beiden größten und mächtigsten Ländern, die sich jahrzehntelang als die Hauptkontrahenten gegenüberstanden, zu verbessern, ist eine unerhört schwierige Herausforderung. Aber die Realität des Atomzeitalters erfordert es.

Erwartungen, daß es zu besseren Beziehungen komme, werden ständig torpediert.

Dies führt zu wachsender Hoffnungslosigkeit und zu Zynismus.

Unglücklicherweise ist das so. Es ist deshalb ein Unglück, weil in solch negativen Einstellungen gegenüber der Idee des Spannungsabbaus offensichtliche Gefahren liegen. Wird dauernd eine solche Haltung eingenommen, so werden es viele Menschen für selbstverständlich halten, daß nur Feindseligkeiten, ein unkontrolliertes Wettrüsten und politische oder in der Zukunft vielleicht sogar militärische Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Solche verzweifelten Stimmungen können zu sich - von selbst - erfüllenden Prophezeiungen werden.

Hat man die Ereignisse im Winter 1979/80 verfolgt, so kann man die Leute eigentlich nicht dafür tadeln, wenn sie solche Gefühle hegen.

Es ist dennoch falsch. Diese Ereignisse beweisen wohl kaum, daß eine Konfrontation

und ein Wiederaufleben des Kalten Krieges unvermeidbar sind. Was wir erlebt haben,

zeigt eher, daß die Prozesse, die auf eine Verbesserung unserer Beziehungen und

eine Minderung der internationalen Spannungen abzielen, zum Stillstand gebracht

werden können und eine Verschlechterung jederzeit provoziert werden kann. Es zeigt

zugleich, daß vieles von dem, was in den letzten zehn Jahren von beiden Seiten unter

großen Anstrengungen und mit viel Mühe behutsam aufgebaut wurde, nur allzu leicht

zerstört werden kann. Anders gesagt: Wir haben gesehen, daß es nicht genug ist,

bessere Beziehungen zu schaffen,

(21)

sondern daß wir auch lernen müssen, sie zu bewahren und zu sichern. Das ist eine Schlußfolgerung, die wir in der Sowjetunion daraus ziehen.

Es wird viel von der Rivalität zwischen den USA und der UdSSR gesprochen. Die höchsten Regierungskreise in Washington sagen, daß Rivalität die Hauptursache der Probleme ist und auch weiterhin unter allen Umständen sein wird, selbst wenn vielleicht eine begrenzte Zusammenarbeit hinzukommt.

Richtig, das ist die offizielle amerikanische Haltung. Während der letzten zwei bis drei Jahre hat sich aus dem ‘Wettstreit und Zusammenarbeit’ ein ‘vorwiegend Wettstreit’ entwickelt. Beide Elemente sind gewiß vorhanden. Die amerikanischen Politiker haben damit nur Selbstverständlichkeiten wiederholt, als sie anfingen, davon zu sprechen.

Wenn wir jedoch etwas verstehen wollen, anstatt auf eine weitere Plattitude auszuweichen, sollten wir sehen, daß sich das relative Gewicht und die Bedeutung jedes dieser beiden Elemente in unseren Beziehungen - Wettstreit und

Zusammenarbeit - unter verschiedenen politischen Bedingungen beträchtlich unterscheiden können. Um ein bekanntes Zitat von Clausewitz abzuwandeln:

Entspannung ist nicht die Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen (d.h.

vorsichtigeren und sichereren) Mitteln. Es handelt sich vielmehr um eine Politik, die ihrer Natur und ihren Zielsetzungen gemäß sich gegen den Kalten Krieg richtet, nicht jedoch darauf abzielt, bei Konflikten mit Mitteln, die bis an die Schwelle des Atomkriegs reichen, den Sieg zu erringen, sondern die Regelung und Vermeidung von Konflikten sowie den Abbau der militärischen Konfrontation und die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit zum Ziel hat.

Der US-Botschafter in Moskau, Malcolm Toon, sagte einmal - und das ist eine weitverbreitete Meinung in Washington -, daß es kein Jahrtausend der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens geben könne ‘ohne einen grundlegenden Wandel der sowjetischen Denkweise und Weltanschauung’.

Man muß in übertrieben optimistischer Laune sein, um zu erwarten, es werde in naher Zukunft irgendwo auf Erden ein Jahrtausend der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens anbrechen. Natürlich wäre es ideal, solch ein Jahrtausend zu schaffen, aber im Augenblick sollten wir zunächst viel einfachere Überlegungen anstellen, z. B. solche, die das schlichte Überleben betreffen.

Die Vorstellung, eine spürbare Verbesserung der Beziehungen sei nur

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bei einem ‘grundlegenden Wandel der sowjetischen Denkweise und Weltanschauung’

möglich, ist einstweilen der sichere Weg zu noch größeren Spannungen. Das ist genau der Ansatzpunkt, von dem die USA seit mehr als einem halben Jahrhundert immer wieder ausgegangen sind. Einziges Ergebnis war stets, daß unsere beiden Länder davon abgehalten wurden, ihre Beziehungen zu normalisieren. Keine Seite zog daraus Nutzen.

Der wesentliche Kern der friedlichen Koexistenz ist, daß wir Seite an Seite leben und normale Beziehungen - ja sogar gute Beziehungen - haben können und doch verschieden voneinander bleiben und nicht fordern, die andere Seite müsse wie wir werden.

Aber die vorhandenen tiefen weltanschaulichen Unterschiede werden weiterhin ungünstige Auswirkungen auf Beziehungen haben.

Nun, sie können solche Auswirkungen haben, aber das in diesen Unterschieden enthaltene Potential hinsichtlich internationaler Konflikte sollte nicht übertrieben werden.

Stellen wir uns die rein hypothetische Situation vor, anstatt der Sowjetunion stünde eine andere Supermacht den Vereinigten Staaten gegenüber, die den USA in jeder Weise, also wie eine Kopie, gleicht: eine Supermacht mit der gleichen Denkweise und Weltanschauung, dem gleichen wirtschaftlichen und politischen System, den gleichen politischen Gepflogenheiten einschließlich derer, die mit der Wahl

zusammenhängen, mit einem ähnlichen Kongreß mit einer Reihe von schießwütigen Politikern, mit dem gleichen Pentagon, dem gleichen militärisch-industriellen Komplex und den gleichen Massenmedien; eine Supermacht mit dem gleichen energieverschwendenden Lebensstil und ganz ähnlichen Interessen am Persischen Golf, an Erdöl und anderen Bodenschätzen überall auf der Welt. Stellen wir uns vor, diese USA Nr. 2 sind genauso egozentrisch, selbstgerecht und voller messianischem Sendungsbewußtsein wie Nr. 1, genauso voller Gelüste, die ganze Welt nach den eigenen Wünschen umzugestalten, um eine eigene Pax Americana zu begründen.

Wäre unser Planet besser dran und ein sichererer Lebensraum als gegenwärtig, da die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion nun einmal verschieden sind?

Augenblick mal. Wollen Sie damit sagen, die grundlegenden Unterschiede zwischen

den USA und der UdSSR sind letztlich der Sache des Friedens dienlich?

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Nein, aber ich glaube, daß solche Unterschiede einen Krieg weder herbeiführen müssen, noch erscheint es wahrscheinlich, daß es deshalb zum Krieg kommt. Und ich glaube fest daran, daß die Existenz und die Politik der Sowjetunion der Sache des Friedens förderlich sind.

Was wäre, wenn es eine UdSSR Nr. 1 und Nr. 2 gäbe?

Ich glaube, wir wären imstande, mit unserem Ebenbild viel leichter in Frieden zu leben.

Aber lassen Sie mich fortfahren. Der Erste Weltkrieg und ebenso zahllose kleinere Kriege waren ja tatsächlich Zusammenstöße zwischen Staaten mit ähnlichen Denkweisen und sozio-ökonomischen Systemen, ähnlichen Zielen und

Weltanschauungen. Im Zweiten Weltkrieg waren kapitalistische Länder untereinander verfeindet, und einige waren Verbündete der UdSSR. Was den

sowjetisch-amerikanischen Wettstreit anbelangt, so würde ich sagen, daß es ein natürlicher Wettstreit bleibt, solange er keine Gefahr für den Frieden schafft und wir das Ansteigen der militärischen Rivalität unter Kontrolle haben, solange wir künstliche Konflikte vermeiden und die vorrangigen gemeinsamen Interessen, die

Zusammenarbeit verlangen, nicht vergessen.

Wie würden Sie ‘natürlichen Wettstreit’ zwischen den zwei Supermächten definieren?

Es ist nicht so sehr ein Wettstreit zwischen zwei Supermächten als solchen, sondern eher ein Wettstreit zwischen verschiedenen Gesellschaftssystemen. Natürlicher Wettstreit bedeutet, daß jedes System nicht nur seinem eigenen Volk, sondern auch der gesamten Welt zeigt, was es in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, in bezug auf Lebensqualität, Kultur, Ideen usw. hervorzubringen vermag. Solcher Wettstreit ist unvermeidlich, aber er müßte nicht notwendigerweise zu politischen und militärischen Konflikten zwischen den Staaten führen.

Ein erheblicher Teil der gegenwärtigen Mißverständnisse wie auch der absichtlich falschen Interpretationen der sowjetischen Anschauungen zu diesem Thema beruhen auf unterschiedlichen Vorstellungen von ‘Wettstreit’.

Sowjetisch-amerikanischer Wettstreit wird in Amerika oft als Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt; zwischen Guten und Bösen, wobei die Amerikaner selbstverständlich die Guten sind.

Jene, die versuchen, objektiver zu sein, oder wenigstens glauben, daß sie das sind,

denken vielleicht an eine Art Wettstreit zwischen zwei Weltreichen, wobei jedes

vermutlich versucht, so viel wie möglich vom Kuchen

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an sich zu reißen und die Kontrolle über die Welt zu erlangen. Aber das ist nur für diejenigen eine ‘natürliche’ Betrachtungsweise, die von imperialistischem Denken durchdrungen sind.

Die Vereinigten Staaten hatten 1945 das Schicksal der Welt in der Hand, haben aber diese Position anscheinend verloren.

In unseren Augen hatte Washington nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesprochen imperiale und hegemonistische Ziele. Die Vereinigten Staaten waren wirtschaftlich tatsächlich stark dominierend und dank ihres Monopols auf Nuklearwaffen strategisch weit überlegen. Sie glaubten, sie könnten die Welt nach ihrem Geschmack gestalten und umgestalten, bzw. wenn man so will, die Welt ausbeuten.

Von einer solchen Stellung sind sie heute weit entfernt.

Ja, aber es ist nicht so, daß die USA aus freien Stücken oder aus Versehen weggegeben haben, was sie einst in Händen gehalten hatten. Die Welt wandelte sich vielmehr grundlegend, und die USA nehmen auf unserem Planeten nun einen bescheideneren, wenn auch immer noch bedeutenden Platz ein. Es hat sich jedoch für Washington als äußerst schwierig erwiesen zu lernen, mit diesen Veränderungen zu leben, alte Illusionen, falsche Vorstellungen und unbegründete Ansprüche loszuwerden. In letzter Zeit sah es so aus, als ob diese überholten Ansprüche erneut Washingtons Außenpolitik bestimmen würden.

Warum sollte nicht der Verdacht aufkommen, die UdSSR strebe nur danach, anstelle der USA diese überragende Position einzunehmen?

Eine solche Idee wäre unserer Denkweise und Weltanschauung vollkommen fremd.

Es sollte auch daran erinnert werden, daß die sowjetische Wirtschaft für ihr Wachstum nicht auf Expansion im Ausland angewiesen ist. Aber auch, wenn man das alles außer acht ließe, gäbe es immer noch sehr stichhaltige praktische Gründe dafür, die USA in dieser Hinsicht nicht nachzuahmen.

Ein Weltreich aufrechtzuerhalten, wird heutzutage immer kostspieliger, während der Nutzen geringer wird. Sehen Sie sich die Probleme an, die Amerika in den letzten 15 Jahren wegen seiner weltweiten Verwicklungen gehabt hat.

Der momentane imperiale Zug kann nur dazu führen, daß Amerikas Probleme noch weiter anwachsen. In der Welt von heute ist der Imperialismus ein

Verlustgeschäft. Er funktioniert einfach nicht.

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Wie beurteilen Sie gegenwartig die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen?

Je mehr ich mich mit den USA befaßt habe, desto vorsichtiger bin ich mit meinem Urteil geworden. Manchmal, wenn ich nach den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen gefragt werde, fällt mir jener weise Mann ein, der auf die Frage ‘Wie geht es deiner Frau?’ erwiderte: ‘Verglichen mit wem?‘. Nur wenn man Beziehungen in einem Vergleich untersucht, kann man sowohl übertriebenen Pessimismus wie übersteigerten Optimismus vermeiden.

Als Antwort auf Ihre Frage würde ich sagen, es gab schlechtere Zeiten in den sowjetisch-amerikanischen Beziehungen, aber es gab auch sehr viel bessere Zeiten.

Genauer gesagt, da die Amerikaner 1980 so vieles getan haben, um unsere Beziehungen zu verschlechtern, haben diese Beziehungen nun den tiefsten Punkt-zumindest während der letzten 10 Jahre - erreicht.

Das ist eine ziemlich düstere Einschätzung.

Ich gäbe gern eine andere, doch was kann ich anderes sagen, nachdem sich die Carter-Regierung buchstäblich austobte und dabei alles, was mit soviel Mühe und Anstrengung geschaffen wurde, zerschlug. Es hat den Anschein, als hätten einige Leute von dieser Zerstörungsorgie seit langem geträumt und sich nur zurückgehalten.

Die Rüstungskontrollgespräche wurden in Mitleidenschaft gezogen, wenn nicht gar zunichte gemacht. Die Wirtschaftsbeziehungen sind fast völlig zum Erliegen gekommen. Die kulturellen Beziehungen wurden unterbrochen. Konsularische Verbindungen wurden ausgehöhlt. Das Abkommen über direkte Flugverbindungen wurde verletzt und viele Projekte wissenschaftlicher Zusammenarbeit wurden abgebrochen. Es wurde eine Atmosphäre geschaffen, die antisowjetische Gmppen mit Erfolg zu kriminellen Handlungen ermutigte. Leider ist es viel leichter zu zerstören, als aufzubauen.

Erwarten Sie, daß die Beziehungen noch eine Weile auf diesem beklagenswerten Stand bleiben?

Ich hoffe nicht. Wir waren und sind nach wie vor daran interessiert, geordnete und überschaubare Beziehungen zu den USA zu unterhalten. Bei vielen Gelegenheiten hat die sowjetische Führung dieses Ziel in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Es muß unterstrichen werden, daß wir es lieber hätten, unsere Beziehungen wären

wie 1972, als wir den

(26)

Weg der Entspannung eingeschlagen hatten.

Doch das hängt nicht allein von uns ab. Wie bei zwischenmenschlichen

Beziehungen kann einer allein einen Streit anfangen, wogegen Friede nur mit der Zustimmung aller Beteiligten geschlossen werden kann.

Wie beeinflußt die Wahl Ronald Reagans die Aussichten für die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen in nächster Zeit?

Nun, zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man sich schlecht eine definitive Meinung dazu bilden. Und es wird geraume Zeit dauern, bis die Aussichten für unsere Beziehungen für die nächste Zeit klar zutage treten. Dies um so mehr, als jede Wachablösung in Washington dazu führt, daß Entscheidungen aus dem einfachen Grund verzögert werden, daß die neue Mannschaft Zeit braucht, um sich mit allen Einzelheiten vertraut zu machen. So wie es heute aussieht, stehen verschiedene Wege offen. Obwohl wir uns darüber im klaren sind, daß die während des Wahlkampfs geführten Reden sehr oft wenig Hinweise auf die Politik nach der Wahl geben, können wir dennoch manches von dem, was die Neulinge in Washingtoner

Schlüsselpositionen vorher gesagt haben, nicht einfach beiseite schieben. Was sie gesagt haben, spiegelte bis zu einem gewissen Grad ihre Ideologie wider, die eine Ablehnung der Entspannung und eine starke Betonung der militärischen Stärke als Werkzeug der Außenpolitik bejaht.

Gleichzeitig weiß jeder, daß man sich dem Luxus, sich ganz und gar ideologischen Auseinandersetzungen zu widmen, nur in der Opposition hingeben kann. Wie es ein Mitarbeiter Präsident Fords in seinen Erinnerungen ausdrückt, sieht es von ‘innen’

noch einmal ganz anders aus. Wenn man an der Regierung ist, hat man es mit einer Realität zu tun, die sich häufig ganz wesentlich von der ‘Realität’ unterscheidet, die man auf Festessen zur Finanzierung des Wahlkampfes darstellte. Und gegen Ende des Wahlkampfes, wie auch unmittelbar danach, konnte man Anzeichen feststellen, die auf den Umstand hinwiesen, daß die neue Führung, die sich der Mitte annäherte, bereit war, Mäßigung zu versprechen. So würde mich beides nicht überraschen - positive oder negative Entwicklungen.

Aber selbst, wenn Washington wünschte, die Beziehungen mit der Sowjetunion zu verbessern, blieben immer noch zahllose Hindernisse.

Ja, es gab schon immer Hindernisse, die einer Verbesserung

sowjetisch-amerikanischer Beziehungen im Wege standen. Und viele davon gibt es

auch heute. Aber die jüngste Geschichte, denke ich, hat deutlich

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genug gezeigt, daß es möglich ist, sie zu beseitigen, wenn beide Seiten begreifen, daß im beiderseitigen Interesse gewaltige Anstrengungen erforderlich sind. Trotz einiger Enttäuschungen sind es diese Interessen meiner Meinung nach wert, die Bemühungen fortzusetzen.

Wir sprechen von Koexistenz. Drückt denn der berühmte Satz von Chruschtschow

‘Wir werden euch begraben’ nicht immer noch die sowjetische Haltung angemessen aus?

Dieser Ausspruch wurde Gegenstand fieberhafter Spekulationen, als er vor zwei Jahrzehnten fiel.

Ich möchte die rhetorischen Qualitäten dieses speziellen Satzes nicht verteidigen, aber lassen Sie mich aufzeigen, daß er alles andere als aggressiv oder kriegerisch gemeint war. Vielmehr sollte damit unser Vertrauen in die historische Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus ausgedrückt werden, die nach unserer Überzeugung auf lange Sicht unweigerlich auf der ganzen Welt zum Sieg des Sozialismus führen wird. Natürlich ist Sieg in dem Sinn zu verstehen, daß sich die Völker in den kapitalistischen Ländern ohne Druck und Zwang von unserer Seite für den Sozialismus entscheiden.

Wir Kommunisten glauben daran. Sonst wären wir keine Kommunisten. Genauso, wie ich annehme, daß die Verfechter des Kapitalismus oder des Systems der freien Marktwirtschaft, oder wie immer sie es auch nennen mögen, von der Überlegenheit ihres Systems überzeugt sind und erwarten, daß früher oder später alle Länder ihm den Vorzug geben.

Wir glauben aber nicht, daß uns unsere verschiedenen Überzeugungen und Erwartungen davon abhalten sollten, miteinander auszukommen.

Wir im Westen glauben, die Kommunisten sind nicht einfach Zuschauer, was die Frage sozialistischer Revolutionen angeht; sie betrachten es vielmehr als eine Pflicht des Internationalismus, anderen Revolutionären beizustehen. Dadurch werden dann Situationen geschaffen, in denen für friedliche Koexistenz kein Platz bleibt.

Diese Überlegungen sind nur auf den ersten Blick plausibel. Uns ist der Ausgang

des Kampfes um den Sozialismus in anderen Ländern nicht gleichgültig, auch machen

wir kein Hehl aus unseren Sympathien. Aber wir halten daran fest, daß der einzige

Weg, sozialistische Revolutionen im Ausland zu fördern, der ist, ein Beispiel zu

geben, indem wir in unserem Land eine bessere Gesellschaft aufbauen und die noch

vorhandenen Probleme erfolgreicher lösen. Wir sind dagegen, anderen Ländern den

Sozialismus aufzuzwingen, gegen einen ‘Export der Revolution’.

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Zugleich aber widersetzen wir uns jedem Export der Konterrevolution, d.h., den Versuchen, vorrevolutionären Regierungen durch Einmischung von außen wieder in den Sattel zu verhelfen. Die Geschichte hat uns gezeigt, daß der Export der Konterrevolution eine weitverbreitete Praxis bleibt, d.h., die Feinde des Sozialismus sind selbst keineswegs unbeteiligte Zuschauer.

Tut mir leid, aber das klingt wie Propaganda.

Uns ist es mit diesen Dingen sehr ernst. Tatsächlich war ja auch die erste ernsthafte Auseinandersetzung innerhalb unserer Partei, nach der Revolution von 1917, genau dieser Frage gewidmet, weil einige in der Partei - die Ultralinken, die Trotzkisten - darauf bestanden, wir sollten die Revolution mit dem Mittel des ‘revolutionären Krieges’ über unsere Grenzen hinaus fortsetzen. Die Partei hat diese Idee entschieden zurückgewiesen. Lenin beharrte darauf, daß es ‘ein vollständiger Bruch mit dem Marxismus’ wäre, ein Land von außen zur Revolution zu drängen.

7

Es gab anscheinend einen ähnlichen Konflikt zwischen Moskau und Peking.

Sie haben recht, das war eines der Hauptthemen, als in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren erste Risse zwischen uns auftraten. Mao und seine Gruppe erklärten, die friedliche Koexistenz sei ein ‘Verrat der Revolution’, und sie beharrten darauf, daß ‘die Macht aus den Läufen der Gewehre kommt’. Das war die gleiche unannehmbare Vorstellung, gegen die Lenin einst gekämpft hatte.

Übrigens hat bislang anscheinend noch niemand versucht herauszufinden, welche Rolle bei der rapiden Zunahme des Terrorismus in den sechziger Jahren und Anfang der siebziger Jahre diese Ideologie der Chinesen spielte (die in einer Reihe von Fällen praktisch angewandt wurde, indem man zahlreiche Extremistengruppen im Ausland unterstützte).

Wie steht es mit Afghanistan? Hat die Sowjetunioh nicht seit 1978 einem kleinen Nachbarn ihren Willen aufgezwungen, sich nach und nach immer stärker eingemischt, bis zu einem Punkt, an dem sie heute das Land praktisch regiert. Das scheint ein klassischer Fall des Exports des Kommunismus mit Waffengewalt zu sein.

Wir haben die April-Revolution 1978 nicht nach Afghanistan ‘expor-

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tiert’. Jeder, der die Lage dort kennt, weiß um diese Tatsache. Wir haben von der Revolution zuerst aus westlichen Medien erfahren.

Tatsächlich mußte auch niemand die Revolution nach Afghanistan exportieren:

Die Situation im Land hatte einen Punkt erreicht, an dem eine radikale Änderung des politischen und sozialen Systems für Afghanistan der einzige Ausweg aus der tiefen Krise war. Vergessen Sie nicht, daß Afghanistan zu den ärmsten und

rückständigsten Ländern der Welt gehört. Es braucht dringend wirtschaftliche Entwicklung, sozialen und kulturellen Fortschritt und eine sinnvolle Demokratie für seine 17 Millionen Einwohner. Einige halbherzige Reformversuche gab es schon vor der Revolution, aber es gelang damit nicht, die sozialen und ökonomischen Probleme des Landes hinreichend zu verbessern. Eine Modernisierung durch allmähliche Entwicklung kam einfach nicht zustande, wogegen die Forderungen nach Veränderung immer drängender wurden.

Übrigens wurde der Umsturz, der im April 1978 stattfand, vom alten Regime selbst provoziert, als man nämlich versuchte, gegen die afghanische Linke einen Schlag zu landen und z. B. die Gewerkschaften, die Studentenverbände und die Nationale Demokratische Partei zu zerschlagen versuchte. Als Antwort auf eine Reihe von Morden und Verhaftungen griffen die Nationalen Demokraten zu den Waffen und stürzten das alte Regime. Das war eine rein innerafghanische Entwicklung.

Aber die Sowjetunion hegte große Sympathien für die Revolutionäre.

Ja, richtig. Die Ziele der Revolution waren sehr edel und Ausdruck der wahren Bedürfnisse der Menschen: das Land denen zu geben, die es bebauen, den Hunger zu beseitigen, die Diskriminierung der Frauen und ethnischen Minderheiten zu beenden, das Volk zu bilden, das zu 90 Prozent aus Analphabeten besteht - kurzum:

die elementaren Menschenrechte zu verwirklichen und soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Wir haben nach der Revolution unsere wirtschaftliche und technische Unterstützung für Afghanistan beträchtlich erhöht.

Auch die Militärhilfe?

Aber sicher. Die Revolution mußte sich verteidigen. Die ehedem herrschende Elite, die ihre Macht, ihren Landbesitz und ihre Privilegien infolge der Revolution verloren hatte, unternahm alles, um die Macht wiederzuerlangen. Sie wurde dabei von den USA, China, Pakistan, Saudi-Arabien und Ägypten aktiv unterstützt. Die neue Regierung in Kabul stand einer erschreckenden Reihe feindlicher Kräfte gegenüber.

Man muß bedenken, daß ein Teil der afghanischen Grenze wegen der Wande-

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rungen der Nomaden praktisch offen ist. Beinahe vom ersten Tag der Revolution an war Afghanistan fremden Einmischungen ausgesetzt. Bis diese schließlich das Ausmaß eines unerklärten Krieges erreichten. Mit anderen Worten, unsere Militärhilfe hatte nicht zum Ziel, Afghanistan unseren Willen aufzuzwingen, sondern der Regierung zu helfen, der äußeren Einmischung Herr zu werden.

Auf Afghanistan sollten wir später zurückkommen. Wir sind abgewichen vom Thema der friedlichen Koexistenz, die schließlich in hohem Maße davon abhängt, wie die Sowjetunion die Vereinigten Staaten einschätzt. Wie beurteilen Sie von Moskau aus die Vereinigten Staaten?

Das ist eine komplizierte Frage. Amerika ist für die Sowjetunion von großem Interesse. Viele Bûcher und Artikel wurden dazu geschrieben. Es ist eine schwierige Aufgabe, eine substantielle und doch kurze Einschätzung zu geben. Ich will es versuchen, obwohl die Darstellung nur skizzenhaft sein kann.

Ich möchte noch einmal wiederholen, daß die Menschen in der Sowjetunion lebhaftes Interesse an Amerika haben. Das betrifft weite Kreise der Bevölkerung, ohne Ansehen des Alters, der Bildung oder des Berufs. Das ist meiner Meinung nach bei uns entschieden anders, verglichen mit dem Interesse der Amerikaner an der UdSSR.

Wir sehen die Vereinigten Staaten als ein sehr starkes Land an, sowohl ökonomisch als auch militärisch, als ein Land, das zu beobachten nie langweilig wird. Ganz privat würde ich hinzufügen, daß es einen dennoch manchmal wütend machen kann.

Die Menschen bei uns sind sehr an amerikanischer Kultur, Literatur und Filmkunst, an Musik und Architektur interessiert. Die besten amerikanischen Arbeiten auf diesen Gebieten sind weiten Kreisen bekannt. Unsere Spezialisten sind mit den

Errungenschaften in der Technologie, der Industrie, der Medizin und der

Landwirtschaft in Amerika bestens vertraut. Es herrscht Interesse und, insbesondere unter jungen Leuten, manchmal geradezu Enthusiasmus für bestimmte Merkmale des ‘American way of life’, wie Popmusik, Jeans, Kaugummi, Pepsi Cola, Coca-Cola, den Wilden Westen, usw., usw.

Zugleich ist die sowjetische Öffentlichkeit über die wachsenden Probleme, denen Amerika gegenübersteht, gut informiert. Ich denke dabei in erster Linie an

wirtschaftliche Probleme - Inflation, Arbeitslosigkeit, Energieprobleme, die Schwäche des Dollars usw. Ich denke auch an soziale Probleme, als da sind: die

Lebensbedingungen der schwarzen Amerikaner, der Indianer und der

spanischsprechenden ethnischen Minderheit; weiter die wachsenden Sorgen der alten

städtischen Zen-

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