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Bemerkungen zur Deutung der Partikel in Ez und Dodekapropheton Die Tendenz, die bei der Behandlung der jesajanischen Stellen unter dem Dach der

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7.3 Die übrigen prophetischen Schriften

7.3.5 Bemerkungen zur Deutung der Partikel in Ez und Dodekapropheton Die Tendenz, die bei der Behandlung der jesajanischen Stellen unter dem Dach der

„erneuten Verlegenheit der Übersetzer“ sichtbar war, kann auch in den übrigen prophetischen Schriften beobachtet werden. Folglich neigen die Übersetzer entweder zu einer eher schematischen Wiedergabe (Dodekapropheton-DanLXX, MichP) oder zu einer Ignorierung der Partikel (abgesehen von den wenigen Ausnahmen in der Vulgata, Pšīṭtā und der Jes-EzLXX). Diese Lage verdankt sich der auch in den übrigen prophetischen Büchern greifbaren Multi(-Level-)funktionalität der Partikel

א ָנ

(s. die 5. Spalte in der Tab.

16).

Ihr nuancierter Gebrauch zeigt sich auf eine besondere Art im Buch Jona. Sein Autor legt die Partikel zunächst den vom Schiffsbruch bedrohten Seeleuten in den Mund, deren Los gerade auf Jona fiel und die dringend von ihm eine Antwort verlangen (1,8):

„…Teile uns doch mit (

וּנ ָל א ָנּ־ה ָדי ִגּ ַה

) [sag schon!], durch wessen Schuld dieses Unglück uns trifft! Was ist dein Beruf, und woher kommst du? Was ist dein Land, und von welchem Volk bist du? (ELB).“ Hier hebt die Partikel eher die Dringlichkeit hervor, die die Seeleute angesichts der gefährlichen Notsituation verspüren. Daher erscheint ihre interjektionelle Funktion viel plausibler als eine Höflichkeitsmarkierung. Zum zweiten Mal gebrauchen die Partikel wiederum die Seeleute in ihrem Gebet (1,4). In diesem Fall entspricht solcher Gebrauch etwa dem in den Psalmen. An JHWH ist auch das Gebet Jonas in Kap. 4

648 Vgl. R.KESSLER, Micha (HThKAT; Freiburg – Basel – Wien 1999) 261.

gerichtet. Allerdings hat es eine andere Konnotation. Obwohl Hieronymus, treu seiner Tendenz, die Partikel

א ָנ

in diesem Gebet wiedergibt, scheint er nicht das Richtige – anders als in Mich 6,5 – getroffen zu haben bzw. haben zu wollen. Der Erzähler sagt gleich zu Beginn des vierten Kapitels, dass Jona zornig wurde (4,1). In solchem Geisteszustand spricht er sein Gebet, in dessen Rahmen er mehrfach die Barmherzigkeit Gottes betont (V.

2), zugleich aber auch fordert (V. 3):

ה ָ֔וה ְי ה ֣ ָתּ ַﬠ ְו א֥ ָנ־ח ַק

בוֹ ֥ט י ֛ ִכּ י ִנּ ֑ ֶמּ ִמ י ֖ ִשׁ ְפ ַנ־ת ֶא

׃יֽ ָיּ ַח ֵמ י ֖ ִתוֹמ

Und nun, HERR, nimm doch meine Seele von mir! Denn es ist besser, daß ich sterbe, als daß ich lebe! (ELB)

Auf den Zorn Jonas weist auch die auf sein Gebet folgende Frage JHWHs hin (V. 4): „Ist es recht, daß du zornig bist? (ELB).“ In diesem Fall fungiert die Partikel vielmehr als eine Interjektion und bringt die Verärgerung (und Ungeduld) Jonas zum Ausdruck (daher wäre die zutreffende Übersetzung: „…na, nimm (doch) meine Seele/mein Leben…!“).

Im Buch Sacharja muss näher nur auf 1,4 eingegangen werden; auf eine Stelle, die den an die Väter ergangenen Umkehrruf anführt: „Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen: ,So spricht der Herr der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen…‘“ Wie bei den anderen Umkehrrufen ist die Annahme einer interjektionellen Markierung, nämlich die der Ungeduld oder der Verärgerung, plausibel.

Allerdings handelt es sich in diesem Fall um ein Zitat, das auf Jer 25 zurückgeht (s. 7.2.5).

Man kann also den Kontext der früheren Umkehrrufe und deren emotionale Aufladung nur mitdenken. Im aktuellen Kontext des Sacharjabuches ist in Bezug auf die Partikel ein Unterschied festzustellen. Der prophetische Umkehrruf, der an die frühnachexilische Gemeinde gerichtet ist, ist ohne

א ָנ

formuliert (V. 3). Der Prophet Sacharja scheint das eventuelle Potential der Partikel für eine interjektionelle Markierung nicht wahrgenommen zu haben, sondern er gebraucht sie, um die Emphase auszudrücken (3,8 und 5,5). Die Absenz der Partikel in dem von ihm formulierten Umkehrruf kann etwas damit zu tun haben, dass solche Rufe meistens ohne Partikel vorkommen (s. oben 7.2.5).

Die Multifunktionalität der Partikel bezeugt auch das Buch Ezechiel. Neben den Fällen der Emphase zeigt es einen Beleg (18,25) für die interjektionelle Funktion (bzw.

eine funktionale Oszillierung) von

א ָנ

. Das 18., mit den verschiedenen literar- und redaktionskritischen Problemen belastete Kapitel649 beschäftigt sich mit der Frage nach der individuellen Verantwortung für eigenes Verhaltens (als eine Kritik des traditionellen „Die

649 Vgl.F.SEDLMEIER, Das Buch Ezechiel. Kapitel 1-24 (NSK AT 21/1; Stuttgart 2002) 237-239.

Väter essen unreife Trauben, und die Zähne der Söhne werden stumpf?“). Der lehrhaft wirkende Text (bzw. sein zweiter Teil Vv. 21-29) ist aus der synchronen Perspektive mit den drei rhetorischen Fragen (Vv. 23.25.29) versehen, die eine emotionale Aufladung aufweisen.650 Gerade die mittlere Frage (V. 25: „…Ist mein Weg nicht recht? Sind nicht vielmehr eure Wege nicht recht?“) wird von einem „Hört doch, Haus Israel“ (

א ָנ־וּע ְמ ִשׁ ל ֵא ָר ְשׂ ִי תי ֵבּ

) eingeführt. Man könnte – wie an einigen Stellen der prophetischen Schriften – annehmen, dass dadurch die Verärgerung oder die Ungeduld Gottes zum Ausdruck kommt.651 In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ezechiel-Forscher W. Zimmerli652 und M. Greenberg653.

In Ez 33,30 fordern sich die Exulanten gegenseitig auf bzw. laden sich ein, das Wort des Propheten zu hören: „Komm doch und höre, was für ein Wort vom Propheten ausgeht.“ Nachdem das Gerichtswort des Propheten eingetroffen ist, gilt es jetzt im Exil

„als chic, sich bei ihm sehen zu lassen.“654 An dieser Stelle legt sich die emphatische Funktion der Partikel mit einem abtönenden, höflichkeitsmarkierenden Nebeneffekt nahe.

Allerdings ist im gegebenen Kontext gerade dieses äußerliche Hören der dichterisch gestalteten Rede Ezechiels das Objekt der göttlichen Kritik, da die Hörer nur die „Töne, die nach neuem Heil klingen“, perzipieren, aber die Notwendigkeit der inneren Umwandlung nicht verstehen.655

Eine Sondererwähnung verdient noch die Stelle Mal 3,10, deren Inhalt eine Aufforderung Gottes an sein Volk ist, ihn zu prüfen: „Bringt den ganzen Zehnten in das Vorratshaus, damit Nahrung in meinem Haus ist! Und prüft mich doch (

א ָנ י ִנוּנ ָח ְבוּ

) darin,

spricht der HERR der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels öffnen und euch Segen ausgießen werde bis zum Übermaß! (ELB).“ Dieser Text entstammt einem Kontext der prophetischen Kritik, deren Objekt der Betrug bei den Abgaben für den Tempel ist. Trotz des äußerst kritischen Charakters des betreffenden Passus (vgl. die

650 Ebd., 238.

651 Das ganze Kapitel endet aber mit einem „werbende[n] und einladende[n] Ruf“ Gottes an das ganze Haus Israel (Vv. 30-32), „die alte Schuld hinter sich zu lassen und in einem Leben mit Gott einen neuen Anfang zu wagen.“; H. F. FUHS, Ezechiel 1-24 (NEB Lfg. 7; Würzburg 1984) 98.

652 W. ZIMMERLI, Ezekiel 1 (Hermeneia; Philadelphia 1979) 385: „Equally sharply, however, Yahweh points to the arrogance and lack of insight in such strictures by his question about the rightness of the people’s actions.“

653 M. GREENBERG, Ezekiel 1-20 (AYBC; New Haven – London 2008) 334: „The prophet angrily retorts in God’s name: My way is erratic? [...].“; S. 337: „[...] and impatient expostulation with the audience, again in rhetorical questions [...].“

654 H. F. FUHS, Ezechiel (II) 25-48 (NEB Lfg. 22; Würzburg 1988) 188.

655 Ebd., 189.

Anklage in Vv. 8-9) ist die Annahme der interjektionellen Markierung, nämlich die der Verärgerung an der Seite Gottes, in V. 10 wenig wahrscheinlich. Die erwähnte Anklage führt nicht zur fälligen Verurteilung, sondern zur zitierten Aufforderung,656 die wiederum von einer Verheißung Gottes (Vv. 11-12) gefolgt wird. Solches Angebot ist „ein gewichtiges Zeugnis für seine befreiende Bundespartnerschaft“.657 Vielmehr scheint in Mal 3,10 ein weiterer Beleg für die emphatische Funktion der Partikel vorhanden zu sein. Im Unterschied dazu kann man in den anderen Mal-Stellen aufgrund des Kontextes eine interjektionelle Funktion der Partikel plausibilisieren (besonders in 1,9).

656 Vgl. A. DEISSLER, Zwölf Propheten III. Zefanja. Haggai. Sacharja. Maleachi (NEB Lfg. 21; Würzburg 1988) 333.

657 Ebd.

Tab. 16: Die Partikel in Ez, Dan und Dodekapropheton

LXX Vulgata Pšīṭtā Funktion

Ez 8,5 x x x Emp.

Ez 8,8 x x x Emp.

Ez 17,12 δή x x Emp.

Ez 18,25 δή x

ܗ

Emp./Intj.

(Verärgerung, Ungeduld)

Ez 33,30 x658 x x Emp. [H]

Dan 1,12 δή obsecro x? Emp. [H]

Dan 9,16 δή (θ´) obsecro x Emp. [H]

Am 7,2 x obsecro (?) Emp. [H]

Am 7,5 δή obsecro (?) Emp. [H]

Jon 1,8 x659 x x Intj.

(Ungeduld)/

Emp.

Jon 1,14 (ˀānnāh…ˀal)

x quaesumus…x

[ne]

x Emp. [H]

Jon 4,3 x quaeso x Intj. (Ungeduld,

Verärgerung)/

Emp. [UnH]

Mich 3,1 δή660 x

ܗ

661 Intj. (Ungeduld,

Verärgerung)/

Emp.

Mich 3,9 δή x

ܗ

s. 3,1

Mich 6,1 δή x Emp. [H]

Mich 6,5 δή quaeso

ܗ

Emp. [H]

Hag 2,2 δή x x Emp.

Hag 2,11 x662 x x Emp.

Hag 2,15 δή x x Emp. [H]

Hag 2,18 δή x ? Emp. [H]

Sach 1,4 x663 x x Emp./Intj.

(s. Jer 25,5)

Sach 3,8 δή x x Emp.

Sach 5,5 x x x Emp.

658 Mss. 88 und 62: + δή.

659 An der Stelle und in 4,3 fügen einige Textzeugen noch δή hinzu.

660 Der griechische Text hat noch ταῦτα ohne eine Entsprechung im MT; ähnlich ܗ im syrischen Text (vgl.

3,9).

661 Es fehlt in 7a1 und 8a1*'.

662 Einige Textzeugen haben auch δή. Vgl. ZIEGLER, Duodecim Prophetae, 288.

663 Die Lukianische Rezension u.a. + δή. Vgl. ZIEGLER, Duodecim Prophetae, 291.

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