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'Wrongful birth'; Kosten für Unterhalt und Betreuung eines Kindes als Schaden zum Entscheid des niederländischen Hoge Raad vom 21 Februar 1997,

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" W r o n g f u l b i r t h " AJP/PJA9/97

"Wrongful Birth" - Kosten für Unterhalt und Betreuung eines Kindes als Schaden Zum Entscheid des niederländischen Hoge Raad

vom 2 I.Februar 1997

So urteilte der Supreme Court des US-Bundesstaates Penn-sylvania in den fünfziger Jahren: "We are of the opinion that to allow damages for the normal birth of a child is foreign to the universal public sentiment of the people."3 Und das deutsche Oberlandesgericht Bamberg entschied im Jahr 1978: "Die Geburt und die Existenz eines Men-schen stellen keinen Schaden dar. Ein Kind als Schaden anzusehen, hiesse unser Bild vom Menschen und seinem Dr. Christa Tobler, Prof. Dr. Corel Stoiker, Wesen völlig verkennen. Kinder gelten nach den Christ-Universität Leiden Christ-Universität Leiden lich-humanistischen Kulturvorstellungen, wie sie unserer

Rechts- und Gesellschaftsordnung zugrunde liegen, als besonders hohe Werte, mögen sie aus persönlichen, wirt-Inhaltsübersicht: schaftlichen oder sozialen Erwägungen im Einzelfall auch

noch so unerwünscht sein; die Geburt und die Existenz I. Einleitung eines Kindes kann nicht als Schadenfall angesehen wer-II. Zum Sachverhalt und zum rechtlichen Verfahren den> dem dne Wertverwirklichung lässt sich nicht zugleich III. Kosten für Unterhalt und Betreuung eines Kindes als Schaden quaiifizieren."4 Schadenersatz für Unterhalt

1. Systematische (Schadenersatz-technische) Analyse _. _ Ί . , . _ . 2. Verletzung der Menschenwürde des Kindes durch die u«d Betreuung des Kindes wird deshalb von den Gerichten

Zusprechung von Schadenersatz? oft abgewiesen, so auch m der Schweiz5. Daneben stellen 3. Zur Hohe des Schadenersatzes

IV. Reaktionen in niederländischen juristischen Kreisen

VI V^dj16 stausfall * siene etwa DANNEMANN 1989, DEUCHLER 1984, Diss. STOL-VII. Immaterieller Schaden und Genugtuung KER,1988; Oiss' *™^Ί2 ^J^^??^u"/ VIII. Zum Schluss: die wrongful life-Schadenersatzforderung sowle sehr «wfuhrhch PICKER 1995 (Wrongful birth), beide mit weiteren Hinweisen auf die neuere deutsche Literatur. Für die Schweiz siehe die Literaturhinweise bei OFTINGER/ STARK 1995, 82, Randziffer 45.

2 Im US-amerikanischen Recht wird weiter unterschieden zwi-I. Einleitung sehen wrongful birth claims und wrongful pregnancy oder

wrongful conception claims. Die genaue Definierung dieser Der Ausdruck "wrongful birth" ist ein international einge- Begriffe scheint jedoch uneinheitlich zu sein: Nach DEUTSCH bürgerter terminus technicus des Schadenersatzrechtes1. Er 1995, 614, geht es in einer wrongful birth-Klage um den bezieht sich auf Schadenersatzforderungen von Eltern im Unterhaltsschaden, den das nicht geplante Kind den Eltern Zusammenhang mit der Geburt eines nicht gewünschten verursacht. Der Ausdruck wrongful conception bezieht sich oder nicht geplanten Kindes. Die Forderung richtet sich nach DEUTSCH auf Fälle, "in denen der Schaden auf eine feh-gegen eine Drittperson, welche für die Geburt des Kindes lerhafte Beratung schon vor der Konzeption zurückgeht", zivilrechtlich verantwortlich gemacht wird (z.B. der Ver- wobei DEUTSCH hier aui=h Klagen des Kindes selbst mitein-gewaltiger, der Arzt im Falle einer missglückten Sterilisation zubeziehen scheint. Laut RYAN 1994, 859 (mit Hinweisen eines Elternteiles oder einer missglückten Abtreibung)2. ™ amenkanlschen Literatur) werden beide Klagen von den

A 1 .. ι- , ο ι j 4 i ± j · Eltern eingereicht, im Falle der wroneful Z»rf/z-Klagen im Als mögliche Schadensposten kommen unter anderem m Zusammenhang mit der Geburt eines behinderten Kindes Frage: Kosten für Schwangerschaft, Geburt, Babyausstat- und im Falle der wmngful οοηθ6ρίίοη-ΚΙ^η im Zusammen-hing, grösseren Wohnraum, Unterhalt und Betreuung des hang mit der Geburt eines ungeplanten, aber gesunden Kindes. Kindes, neuerliche Sterilisierung sowie Verdienstausfall 3 Shaheen v. Knight, 11 Pa.D.&C.2d, 41 (1957).

der Eltern (meist der Mutter). Daneben wird manchmal 4 Oberlandesgericht Bamberg, Entscheid vom 6. Februar 1978, auch immaterieller Schaden geltend gemacht, insbesondere veröffentlicht in Neue Juristische Wochenschrift 1978, von der Mutter (Schwangerschaft, Geburt, Eingriff in die 1685 ff. Zur Entwicklung der deutschen Rechtsprechung Freiheit der Lebensgestaltung). unten in·2·

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C h r i s t a T o b l e r / C a r e l S t o i k e r AJP/PJA9/97

sich weitere Fragen: Wie steht es mit der Schadenminde- der eingesetzt. Frau O. wurde darüber vom behandelnden rungspflicht der Eltern, welche die fraglichen Kosten durch Arzt nicht informiert. Einige Zeit danach stellte sie fest, eine Abtreibung oder die Freigabe des Kindes zur Adoption dass sie schwanger war. Sie war zu diesem Zeitpunkt auf vermeiden könnten? Stellt das Kind nicht einen Vorteil dar, der Suche nach einer Erwerbsarbeit. Ihr Ehemann, der an der den Schaden aufwiegt? Bei all diesen Fragen geht es einer chronischen Krankheit leidet, war arbeitslos. Das nicht nur um juristische, sondern auch um ethisch-moralische Kind wurde am l. Mai 1987 geboren. Die anderen zwei Überlegungen6. Letztlich fragt sich, ob eine rechtliche Kinder des Ehepaares waren in diesem Zeitpunkt gut zwölf Lösung dem Sachverhalt der wrongfitl birth gerecht werden bzw. fünfeinhalb Jahre alt. Frau O. beschloss, während der kann und ob nach einer solchen Lösung überhaupt gesucht ersten zehn Jahre nach der Geburt des dritten Kindes nicht werden soll. erwerbstätig zu sein. Nach den zwei ersten Kindern hatte Kürzlich hat der niederländische Hoge Raad (das höchste sie jeweils fünf Jahre gewartet, bevor sie wieder eine Gericht der Niederlande) einen aufsehenerregenden Ent- Erwerbstätigkeit suchte.

scheid gefällt, in welchem es einer Mutter Ersatz für die In diesem Zusammenhang verlangte Frau O. von ihrem Kosten für Unterhalt und Betreuung ihres nicht geplanten Arzt Schadenersatz im Umfang von 290976.55 niederlän-Kindes zugesprochen hat7. Mit dieser Rechtsprechung steht dischen Gulden. Diese Forderung umfasste die Kosten der der Hoge Raad in Europa ziemlich allein da. Nur der deut- Babyausrüstung, Unterhalt des Kindes bis zur Mündigkeit, sehe Bundesgerichtshof (BGH), das oberste deutsche Zivil- Einkommensverlust von Frau O. während zehn Jahren, die gericht, entscheidet ähnlich8. Der Entscheid des Hoge Raad Kosten einer Expertise zur Schätzung des Einkommens-hat in den Niederlanden sehr gemischte Reaktionen her- Verlustes und der Unterhaltskosten, die Kosten für den vorgerufen. Die nüchterne Art, mit der sich der Gerichtshof Rechtsbeistand von Frau O. und schliesslich Genugtuung. mit heiklen Fragen im Spannungsfeld von Recht und Ethik Es kam zum Rechtsstreit. Dabei war unbestritten, dass die aueinandersetzt, wird zum Teil vehement abgelehnt, zum Schwangerschaft von Frau O. ungewünscht und die Folge Teil aber auch ausdrücklich begrüsst. Die Rechtssache eines Kunstfehlers des Arztes war (niederländisch: beroeps-dürfte aus rechtsvergleichender Sicht auch ausserhalb der fout, also Berufsfehler). Der Kausalzusammenhang zwi-Niederlande von Interesse sein und soll deshalb hier sehen dem Verhalten des Arztes und der Schwangerschaft besprochen werden. als kostenverursachendem Ereignis stand somit fest. Der vorliegende Beitrag gliedert sich wie folgt. Als erstes Umstritten war, ob die von Frau O. geltend gemachten wird kurz der Hintergrund des Entscheides des Hoge Raad Kosten für Unterhalt und Betreuung des Kindes sowie der dargestellt (II.). Danach wird auf die Forderung auf Ersatz Verdienstausfall als vermögensrechtlicher Schaden im der Unterhalts- und Betreuungskosten eingegangen. Sie ist Sinne des niederländischen Burgerlijk Wetboek (Zivilge-aus schadenersatzrechtlicher Sicht wohl der interessanteste, setzbuch) zu verstehen waren, und ob Frau O. nach diesem weil am heftigsten umstrittene, Aspekt von wrongful birth- Gesetz Anspruch auf Genugtuung wegen ungewünschter Fällen und wird darum vorliegend mit einiger Ausführ- Schwangerschaft und Geburt hatte.

lichkeit behandelt. Im Abschnitt III. wird das Urteil des Hoge Raad zur Frage des Unterhaltsschadens besprochen,

wobei verschiedene Einwände zur Sprache kommen, welche ~~~~~ ~~~^~

gegen wrongful &/rf/z-Forderungen vorgebracht werden. formaljurisüschen Gründen (siehe unten Fussnote 13). Laut Anschliessend wird auf die unterschiedlichen Stellung- HONSELL "sträubt sich eine natürliche Betrachtung dagegen, nahmen durch das niederländische juristische Publikum zu die Geburt eines Kindes mit einem Schaden in Verbindung diesem Punkt hingewiesen (IV). Danach folgt die persönli- zu bringen"; und es ist "mit den ethischen Grundüberzeu-che Stellungnahme der Schreibenden (V). In den Abschnit- gungen der Gesellschaft nicht vereinbar, wegen der Geburt -,τ ,.,7Ττ j Λ· r A -a- i u eines Kindes Schadenersatz zu verlangen (HONSELL 1996, ten VI. und VII. werden die Fragen des Emkommensscha- , „ , .„, _,λ . ,, , , „ .6 . .v, „ ', , " , ., _ b ,. , i , _· n. 6, Randziffer 36). Auf der anderen Seite bejahen OFTINGER/ den der Mutter und ihrer Genugtuungsforderung behandelt. STARK gmndsätzlich eine Schadenersatzpflicht, machen diese Abschhessend wird noch auf das den wrongful birth- aber von den finanzieiien Verhältnissen der Eltern abhängig Klagen verwandte Phänomen der wrongful /z/e-Klage (OFTINGER/STARK 1995, 83 ff.).

hingewiesen (VIII). 6 Nach PICKER 1995 (Wrongful birth), 487, stellt sich die Frage, "ob auch noch nach der Eröffnung nahezu völliger Steuerbarkeit des werdenden Lebens dessen Unantastbarkeit als rechtliche Fundamentalmaxime fortgelten kann". Es geht II. Zum Sachverfialt darum, "Klarheit über die Lebensfrage zu gewinnen, ob und

, i_ii-i, 17· * i. ab wann der Fortschritt der Wissenschaft zum Rückschritt Und ZUm rechtlichen Verfahren von zMlitäl und Humanität pervertiert" (486), bzw. "um eine „ „ . , . , , TT „ ,, ,:, , o u u u das Dogmatisch-Rechtliche übergreifende fundamentale Dem Entscheid des Hoge Raad lag folgender Sachverhalt _ ,6 „ . , , , , .,b , . , „ ,, .

, „ _. , ° _, , , · τ^· Frage der Sozialmoral und des anthropologischen Selbstver-zugrunde. Frau O. und ihr Ehemann hatten nach zwei Km- ständnisses der Sozietät" (490).

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" W r o n g f u l b i r t h AJP/PJA 9/97

Das erstinstanzliche Gericht auferlegte dem Arzt die ung des Kindes tätigen muss, grundsätzlich genügend Gründe Kosten für Babyausstattung und Rechtsbeistand ganz und bestehen, um hinsichtlich dieser Kosten eine rechtliche Ersatz-die Kosten für Ersatz-die Expertise zur Hälfte. Die Begehren hin- Pflicht anzunehmen"."

sichtlich Verdienstausfall und Genugtuung wies das Gericht Der Hoge Raad analysiert diese Frage vor allem unter zwei ab. Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Unter- Aspekten: er nimmt vorerst eine rein systematische Ana-halt und die Betreuung des Kindes hielt das Gericht iyse Vor (schadenersatzrechtlich-technische Betrachtungs-grundsätzlich für gegeben9, verlangte jedoch von Frau O. weise) und wendet sich dann in einem zweiten Schritt der eine genauere Berechnung dieser Kosten. Gegen dieses Frage der Menschenwürde des Kindes zu.

Urteil legte Frau O. Berufung ein.

Das Berufungsgericht wies die Ansprüche hinsichtlich ^ β t t'«j h Verdienstausfall und immateriellem Schaden ab, bejahte 1> »ystemanscne

aber die Möglichkeit eines Anspruches auf Ersatz der (Schadenersatz-technische) Analyse Kosten für Unterhalt und Betreuung des Kindes im Falle Im Rahmen der juristisch-systematischen Analyse befin-von besonderen Umständen. Das Gericht sistierte das Ver- det der Hoge Raad, dass im vorliegenden Fall die Voraus-fahren, um Frau O. die Gelegenheit zu geben, besondere Setzungen für eine vertragliche Schadenersatzpflicht nach Umstände darzulegen. Gegen dieses Zwischenurteil legte niederländischem Recht erfüllt sind. Danach hat der Arzt Frau O. beim Hoge Raad "höhere Berufung" ein (hoger den Schaden zu ersetzen, der ihm als Folge eines Kunst-beroep, eine ArtNichtigkeitsbeschwerde). fehlers zugerechnet werden kann. Für diese

Zurechenbar-Der Hoge Raad wies zwar die Genugtuungsforderung keit genügt im Prinzip, dass durch den betreffenden Fehler ab, hob jedoch das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der ein Risiko geschaffen wird, welches sich daraufhin ver-Kosten für Unterhalt und Betreuung des Kindes und des wjrklicht. Der Gerichtshof hält fest, dass der Kunstfehler Verdienstausfalles der Mutter auf und wies es zur Neube- des MAQS die Familienplanung der Familie O. durchkreuzt urteilung im Sinne seiner Erwägungen zurück an die erste hat> wobei angenommen werden muss, dass diese Planung Instanz. Damit entschied der Gerichtshof fast in allen Punk- zumindest auch darauf abzielte, die Grosse der Familie auf ten anders als Generalanwalt VRANKEN, der in seinem für die finanziellen Möglichkeiten abzustimmen, welche die den Hoge Raad erstellten Gutachten vorgeschlagen hatte, Eltern für die Zukunft erwarten konnten. Der Gerichtshof die Klage vollumfänglich abzuweisen10. fährt fort"

"Der Schaden, für welchen vorliegend Ersatz verlangt wird, besteht in Kosten, von denen schon wegen ihres Ausmasses III. Kosten für Unterhalt angenommen werden muss, dass sie während der

Minderjäh-j τ» * · v Λ rigkeit des Kindes im Prinzip die finanziellen Möglichkeiten Und Betreuung eines Kindes der Familie beeinflussen. Solche Kosten stellen zweifelsohne Ebenso wie das Erstgericht lehnte es auch das Berufungs- einen Vermögensschaden dar. Angesichts sowohl der Art dieses gericht nicht grundsätzlich ab, die Kosten für Unterhalt und Schadens sowie des vorgenannten Ereignisses, auf dem die Betreuung für ein Kind zivilrechtlich als Schaden zu Haftpflicht gründet, ist nicht einzusehen, warum dieser Schaden , .f ° <. 4. · j u · - - V 7 1 - 1 τ- t dem Arzt nicht als eine Folge dieses Ereignisses sollte zuee-begreifen. Es vertrat jedoch eine im Vergleich zum Erst- ^^ werden können Denfsteht im Q ^ zur Auffassug gericht einschränkende Auffassung. Es erklärte, das Tragen der Vorinstanz die elterliche Unterhalts- und Betreuungspflicht der normalen Kosten von Unterhalt und Betreuung eines nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich aus dieser Verpflichtung, Kindes sei eine "natürliche und durch das Gesetz aner- dass es hier tatsächlich um unvermeidliche Kosten geht, welche kannte Pflicht der Eltern", und schloss daraus, eine Ersatz- gerade deshalb einen finanziellen Nachteil und darum einen pflicht komme nur unter besonderen Umständen in Frage. Vermögensschaden darstellen. Dies bedeutet, dass die Haftpflicht Als solche Umstände nannte es ernstliche finanzielle des Arztes in einem Fall wie dem vorliegenden ins System des Schwierigkeiten, die der Mutter durch die Geburt des Gesetzes passt, und dass das Gesetz selbst keine Grundlage für Kindes entstehen, sowie eine spürbare Senkung des die prinzipielle Ablehnung einer solchen Haftung bietet."12 Lebensstandards der Mutter als Folge der durch das Kind

verursachten Kosten. Eine rechtliche Pflicht der Mutter, 9 Damit steht es in der niederländischen Rechtsprechung kei-den Schakei-den durch eine Abtreibung des Foetus oder die neswegs allein da, vgl. die Aufzählung relevanter Urteile Freigabe des Kindes zur Adoption zu vermeiden, lehnte durch den Generalanwalt, Randnummer 10.

das Gericht ausdrücklich ab, da von der Frau nicht verlangt 10 Der niederländische Hoge Raad kennt die Einrichtung der werden könne, dass sie menschliches Leben beendige oder Generalanwaltschaft. Der Generalanwalt (auch: amicus ein durch sie ausgetragenes Kind durch Dritte aufziehen curiae) verfasst zuhanden des Gerichtshofes ein Gutachten, lasse, nur um zu verhindern, dass Dritte für die Unterhalts- in welchem er die seiner Auffassung nach richtige juristische kosten aufkommen müssten. Betrachtungsweise des betreffenden Falles darlegt. Der

Schlussbericht (niederländisch: conclusie) des Generalan-Der Hoge Raad stellt vorab fest, dass es hier waltes zur vorliegenden Rechtssache ist veröffentlicht in "um die grundsätzliche Frage geht, ob in einem Fall wie dem Conclusies rechtspraak van de week 1997, C54.

vorliegenden, wo die Frau durch einen Kunstfehler des Arztes 11 Erwägung 3.6. Übersetzungen der niederländischen Original-gegen ihren Willen in eine Situation geraten ist, in welcher sie texte durch CHRISTA TOBLER.

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-AJP/PJA 9/97

Das erstinstanzliche Gericht auferlegte dem Arzt die ung des Kindes tätigen muss, grundsätzlich genügend Gründe Kosten für Babyausstattung und Rechtsbeistand ganz und bestehen, um hinsichtlich dieser Kosten eine rechtliche Ersatz-die Kosten für Ersatz-die Expertise zur Hälfte. Die Begehren hin- Pflicht anzunehmen".''

sichtlich Verdienstausfall und Genugtuung wies das Gericht Dar Hoge Raad analysiert diese Frage vor allem unter zwei ab. Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Unter- Aspekten: er nimmt vorerst eine rein systematische Ana-halt und die Betreuung des Kindes hielt das Gericht iyse vor (schadenersatzrechtlich-technische Betrachtungs-grundsätzlich für gegeben9, verlangte jedoch von Frau O. weise) und wendet sich dann in einem zweiten Schritt der eine genauere Berechnung dieser Kosten. Gegen dieses Frage der Menschenwürde des Kindes zu.

Urteil legte Frau O. Berufung ein.

Das Berufungsgericht wies die Ansprüche hinsichtlich ^ e t t* h Verdienstausfall und immateriellem Schaden ab, bejahte 1> »ystematiscne

aber die Möglichkeit eines Anspruches auf Ersatz der (Schadenersatz-technische) Analyse Kosten für Unterhalt und Betreuung des Kindes im Falle Im Rahmen der juristisch-systematischen Analyse befin-von besonderen Umständen. Das Gericht sistierte das Ver- det der Hoge Καα^ dass im vorliegenden Fall die Voraus-fahren, um Frau O. die Gelegenheit zu geben, besondere Setzungen für eine vertragliche Schadenersatzpflicht nach Umstände darzulegen. Gegen dieses Zwischenurteil legte niederländischem Recht erfüllt sind. Danach hat der Arzt Frau O. beim Hoge Raad "höhere Berufung" ein (hoger den Schaden zu ersetzen, der ihm als Folge eines Kunst-beroep, eine ArtNichtigkeitsbeschwerde). fehlers zugerechnet werden kann. Für diese

Zurechenbar-Der Hoge Raad wies zwar die Genugtuungsforderung keit genügt im Prinzip, dass durch den betreffenden Fehler ab, hob jedoch das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der ein Rjsiko geschaffen wird, welches sich daraufhin ver-Kosten für Unterhalt und Betreuung des Kindes und des wirklicht. Der Gerichtshof hält fest, dass der Kunstfehler Verdienstausfalles der Mutter auf und wies es zur Neube- des ^^,, die Familienplanung der Familie O. durchkreuzt urteilung im Sinne seiner Erwägungen zurück an die erste hat> wobei angenommen werden muss, dass diese Planung Instanz. Damit entschied der Gerichtshof fast in allen Punk- zumindest auch darauf abzielte, die Grosse der Familie auf ten anders als Generalanwalt VRANKEN, der in seinem für die finanziellen Möglichkeiten abzustimmen, welche die den Hoge Raad erstellten Gutachten vorgeschlagen hatte, Eltern für die Zukunft erwarten konnten. Der Gerichtshof die Klage vollumfänglich abzuweisen10. fanrt fort:

"Der Schaden, für welchen vorliegend Ersatz verlangt wird, besteht in Kosten, von denen schon wegen ihres Ausmasses III. Kosten für Unterhalt angenommen werden muss, dass sie während der

Minderjäh-_l τ» , . „. _ rigkeit des Kindes im Prinzip die finanziellen Möglichkeiten Und Betreuung eines Kindes der Familie beeinflussen. Solche Kosten stellen zweifelsohne Ebenso wie das Erstgericht lehnte es auch das Berufungs- einen Vermögensschaden dar. Angesichts sowohl der Art dieses gericht nicht grundsätzlich ab, die Kosten für Unterhalt und Schadens sowie des vorgenannten Ereignisses, auf dem die Betreuung für ein Kind zivilrechtlich als Schaden zu Haftpflicht gründet, ist nicht einzusehen, warum dieser Schaden , .. D_ t t · j u · - Λ Γ Ι - Ι T- <, dem Arzt nicht als eine Folge dieses Ereignisses sollte zuee-begreifen. Es vertrat jedoch eine im Vergleich zum Erst- rechnet werden kömen Dem steht im G ^ zur Auffass* gericht einschränkende Auffassung. Es erklärte, das Tragen der Vorinstanz die eiteriiche Unterhalts- und Betreuungspflicht der normalen Kosten von Unterhalt und Betreuung eines nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich aus dieser Verpflichtung, Kindes sei eine "natürliche und durch das Gesetz aner- dass es hier tatsächlich um unvermeidliche Kosten geht, welche kannte Pflicht der Eltern", und schloss daraus, eine Ersatz- gerade deshalb einen finanziellen Nachteil und darum einen pflicht komme nur unter besonderen Umständen in Frage. Vermögensschaden darstellen. Dies bedeutet, dass die Haftpflicht Als solche Umstände nannte es ernstliche finanzielle des Arztes in einem Fall wie dem vorliegenden ins System des Schwierigkeiten, die der Mutter durch die Geburt des Gesetzes passt, und dass das Gesetz selbst keine Grundlage für Kindes entstehen, sowie eine spürbare Senkung des die prinzipielle Ablehnung einer solchen Haftung bietet."12 Lebensstandards der Mutter als Folge der durch das Kind —

verursachten Kosten. Eine rechtliche Pflicht der Mutter, 9 Damit steht es in der niederländischen Rechtsprechung kei-den Schakei-den durch eine Abtreibung des Foetus oder die neswegs allein da, vgl. die Aufzählung relevanter Urteile Freigabe des Kindes zur Adoption zu vermeiden, lehnte durch den Generalanwalt, Randnummer 10.

das Gericht ausdrücklich ab, da von der Frau nicht verlangt 10 Der niederländische Hoge Raad kennt die Einrichtung der werden könne, dass sie menschliches Leben beendige oder Generalanwaltschaft. Der Generalanwalt (auch: amicus ein durch sie ausgetragenes Kind durch Dritte aufziehen curiae) verfasst zuhanden des Gerichtshofes ein Gutachten, lasse, nur um zu verhindern, dass Dritte für die Unterhalts- in welchem er die seiner Auffassung nach richtige juristische kosten aufkommen müssten. Betrachtungsweise des betreffenden Falles darlegt. Der Schlussbencht (niederländisch: conclusie) des Generalan-Der Hoge Raad stellt vorab fest, dass es hier waltes zur vorliegenden Rechtssache ist veröffentlicht in "um die grundsätzliche Frage geht, ob in einem Fall wie dem Conclusies rechtspraak van de week 1997, C54.

vorliegenden, wo die Frau durch einen Kunstfehler des Arztes 11 Erwägung 3.6. Übersetzungen der niederländischen Original-gegen ihren Willen in eine Situation geraten ist, in welcher sie texte durch CHRISTA TOBLER.

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C h r i s t a T o b l e r / C a r e l S t o i k e r AJP/PJA 9/97

Der Hoge Raad lehnt demnach das manchmal im Aus- gesunden Kindes und S. 654 hinsichtlich behinderter Kinder) land vorgebrachte Argument ab, eine Ersatzpflicht passe da der Unterhalt in solchen Fällen nicht freiwillig geleiste nicht ins System des Gesetzes, da hierdurch Dritte die auf wird· Durch eine Verneinung des Schadenersatzansprüche. den Eltern ruhende Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem "werden Eltern eines einst unerwünschten Ki ndes vor de Kind übernehmen müssten". Auch die Aussage über die Unredlichkeit bewahrt, Schadenersatz für dessen Unterhai ,- . . . . .. . . _ ... , . ... zu verlangen, obwohl sie es langst liebgewonnen haben

finanziellen Hintergrunde der Familienplanung ist wohl im -^^ äussert sich HHDAK ^ \^. mit der Em Zusammenhang mit einem im Ausland vorgebrachten scheidung gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheider

Einwand zu sehen, nämlich dem Einwand, andere als fman- sich die Eltern für das Kind und die damit verbundener zielle Motive der Familienplanung dürften für die Frage Kosten.

des Schadenersatzes nicht berücksichtigt werden. Erst an 14 Dieses Argument wird vor allem in der amerikanischer späterer Stelle befasst sich der Hoge Raad mit dem Argu- Rechtsprechung oft gehört. So erklärte der Texanische Supre· ment der Vorteilsanrechnung bzw. der overriding benefit me Court im Fall Terell v. Garcia 496 SW 2d, 124 (Tex. Civ ruleu. Er lehnt die Auffassung ab, wonach die Vergrösse- APP· ]973) nicht ohne Gefühl für Pathos: "The satisfaction rung der Familie um ein gesundes Kind an sich schon einen J0? and companionship which normal parents have m rea Vorteil darstellt, welcher jeglichen Schaden aufwiegt. Laut rinS a,child make such 6™? loss; worthwhile. (...) Whr

, „ · ,. , ,. . . , f · .. · n τ r , ·, ,, can place apnce tag on a childs smile or the parental pnde dem Gerichtshof sind solche immaterielle Vorteile allen- m a^hi]d,s £hieve* ent? ( } Rather than at£ t to valut falls im Zusammenhang mit der Feststellung eines allfäl- {hese intangible benefits, our courts have simply determinec hgen immateriellen Schadens zu berücksichtigen15. that pubiic sentiment recognizes that these benefits to thc

Zu den von der Berufungsinstanz erwähnten Argumenten parents outweigh their economic loss in rearing and educa der Schadenminderungspflicht durch Abtreibung oder Frei- ting a healthy, normal child." Vgl. auch RYAN 1994, 877 f. gäbe zur Adoption äussert sich der Hoge Raad hingegen 15 Erwägung 3.10., vgl. dazu unten VII. DEUTSCH 1995, 613 nicht. Sie waren vorliegend aber auch von niemandem weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass bei der Vor vertreten worden. Es ist anzunehmen, dass sich der Gerichts- teilsausgleichung gleiche Güter miteinander ausgeglicher hof in diesem Punkt der ablehnenden Auffassung des Gene- werden müssen: "Ein Vermögensnachteil kann nur durcl ralanwaltes und der Vorinstanz anschliesst. Soweit uns einen Vermogensvorte, kompensiert werden. Die Unver , , . . , , . , r, ,, , gleichbarkeit der Guter liegt hier auf der Hand." Siehe aucl bekannt ist, wird das Argument m der Rechtsprechung ver- WmMAR 1986> ^^ wonach „Rechte und pflichten immate. schiedener Länder fast durchwegs abgewiesen"; wenn auch rieller Artj Freud und Ldd der Elternschaft" das Vermöger nicht immer in der Literatur17. Unseres Erachtens ist der der Eltern nicht in rechtlich relevanter Weise beeinflussen. ablehnenden Haltung nachdrücklich zuzustimmen. 16 Vgl. dazu den ersten entsprechenden Entscheid des deut Anschliessend an diese technisch-schadenersatzrecht- sehen Bundesgerichtshofes vom 18. März 1980, BGH2 liehe Analyse stellt sich der Hoge Raad die Frage, ob gegen 76,249 (auch Versicherungsrecht 1980, 555). KASHI 1977 diesen ersten Befund (nämlich die Bejahung der Schaden- 1418: "The very Suggestion carries a pungent odor of mora ersatzpflicht) stichhaltige Bedenken anderer (d.h. nicht rein depravity." In der englischen Entscheidung Emeh v. Ken schadenersatzrechtlicher) Art vorgebracht werden können, "η&οη Area Health Authoriiy (l 985) 2WLR 233 fand da: insbesondere im Zusammenhang mit der Menschenwürde Argument gewisses Gehör Es betraf einen Fall, in welchen

, τ,. , teststand, dass die Frau schon einmal eine Abtreibung hattt

des Kindes. vornehmen lassen.

17 Für Beispiele aus der amerikanischen Literatur siehe Diss 2. Verletzung der Menschenwürde STOLKER 1988, 108 ff. HONSELL 1995, 6, Randziffer 36, wil

des Kindes durch die Zusprechung eine ErsatzPfficht ™ter anderem deswegen ablehnen, "wei „ elne unerwünschte Schwangerschah im Rahmen der gesetz VOn Schadenersatz. lieh zugelassenen Indikationen abgebrochen werden kann" Gegen die Zusprechung von Schadenersatz für Unterhalt WEIMAR 1986, 653 f., vertritt die Auffassung, die Freigabt und Betreuung eines nicht geplanten Kindes wird oft vor- des Kind^s ZWA Ad.option «ei einem Schadenersatzansprucl

, , , , . T,. , ,t . i · c> i. j j vorzuziehen, da dies dem Wohlergehen des Kindes besse gebracht so werde das Kind selbst als ein Schaden oder entspreche. P.CKER 1995 (Wrongful birth), 507 f., istderMei Schadensfaktor aufgefasst, dem Kind sein Daseinsrecht nung> die Zu]assung ciner Schadenersatzpflicht führe zwin

gend zu einer Obliegenheit der schwangeren Frau, durch eine Abtreibung an der Verhinderung kostenträchtigen neuer Lebens mitzuwirken. Unter anderem wegen der sich darau. i 3 Randziffer 20 f. im Schlussbericht des Generalanwaltes. Vgl. ergebenden "Tötungsobliegenheit" und ihrem Charakter ah

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aberkannt und seine Menschenwürde verletzt. In diesem für das neue Kind - einen Anspruch auf Vergütung der fragli-Sinne hat sich das deutsche Bundesverfassungsgericht cnen Kosten geltend zu machen."22

(BVerfG) geäussert: Damit schliesst sich der Hoge Raad dem Ergebnis der "Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als gegenüber dem BVerfG konträren Auffassung des deut-Schadensquelle kommt hingegen von Verfassungs wegen schen BGH an 23 Der BGH hat sich gegen den Vorwurf ver-(Art. l, l GG) nicht in Betracht. Die Verpflichtung aller Staat- wehrtj ^ seiner Rechtsprechung einen künstlichen Unter-liehen Gewalt, jeden Menschen in seinem Dasein um seiner , · , · , i ,-, - t , „. , ,

sclbstwillenzuachten....(verbietetes,dieUnterhaltspflicht schied zwischen der Existenz des Kindes und semer für ein Kind als Schaden zu begreifen." '8 menschlichen Wurde einerseits und den Unterhaltskosten

als Schaden andererseits zu machen24. Laut dem BGH wird Die Betrachtungsweise des BVerfG bildete im vorliegenden

niederländischen Fall den Ausgangspunkt für die Meinung

des Generalanwaltes19. Generalanwalt VRANKEN weist darauf —

hin, dass zwischen dem Fehler des Arztes und dem geltend 18 Urteil vom 28. Mai 1993, BVerfG 88, 203, unter D V 6 der gemachten Schaden die Geburt des Kindes stehe, und dass Gründe. DEUTSCH 1995, 612, qualifiziert einen solchen deshalb durch die Qualifizierung von Unterhalts- und Ansatz, nach dem der Schluss aus der Würde des Menschen Betreuungskosten als Schaden das Kind selbst zum Scha- unmittelbar die Rechtsfolge betrifft, als fundamentalistisch. denposten werde. Der Generalanwalt lehnt sich dabei an 19 Randziffer 23 ff. der Schlussanträge.

den deutschen Autor PiCKER an20. Er erklärt, dass bei 20 PICKER 1995 (Wrongful birth), 501 ff. Nach PICKER ist die wrongful WrtA-Sachen nicht nur die Interessen der Eltern negative Bewertung des Kindes bei Anerkennung der Scha-und des Arztes im Spiele sind, sondern auch der einzigar- denshaftung unvermeidlich. Die Zusprechung von

Schaden-„, t , T,. , r , ,, , . Schaden-„, , , , r... ersatz schafft laut PICKER die Gefahr eines lebensfemdhchen tige Wert des Kindes als Mensch, ein Wert, der weder für Haftungsrechtes und der Verletzung elementarer Human-die Eltern noch für das Recht frei verfugbar ist. Der Gene- Interessen durch Human-die Verknüpfung neuen Lebens mit einer ralanwalt lehnt deshalb einen Schadenersatzanspruch für Schadenshaftung. Letztlich entsteht nach der Ansicht von Unterhalts- und Betreuungskosten aus Gründen der Men- PICKER so die Gefahr der Verkehrang des medizinischen Fort-schenwürde des Kindes ab. Allerdings will er gewisse Aus- Schrittes zum zivilisatorischen Rückschritt. Vielmehr ver-nahmen zulassen, um unhaltbare Konsequenzen einer allzu langt "die Zivilitäl einer Gesellschaft mit Fortschritt ihrer prinzipiellen Auffassung zu vermeiden, so bei Vergewalti- Entwicklung eine fortschreitende Stabilisierung des Grunds-gung der Mutter, Behinderung des Kindes und ausser- Vertrauens in die Absolutheit des Lebensschutzes" (544). gewöhnlichen finanziellen Schwierigkeiten der Familie21. Einen Menschen auch nur mittelbar als "Schaden" oder Damit lehnt der Generalanwalt sowohl eine rein schaden- "Nachteil" zu bewerten, widerspricht dem Prinzip des

deut-i 4.1· u rt * deut-i < · / deut-i £·· j- r sehen Grundgesetzes, dass ddeut-ie Menschenwürde jeder Person ersatzrechthche Betrachtungsweise (wonach für die fman- fet ^j^ muss Jede Relativi deJs Lebens ist ziellen Folgen der mangelhaften Erfüllung eines Vertrages abzulehnen. PICKER weist deshalb einen Schadenersatzan-stets vollumfanghch Ersatz zu leisten ist - Meinung von spmch aus prinzipiellen Gründen ab. Diese Ablehnung bringt Frau O.) wie auch eine rein prinzipielle Argumentation seiner Ansicht nach "eine elementare Lebensklugheit" zum (wonach Unterhalts- und Betreuungskosten nie als Schaden Ausdruck, nämlich die "einfache Weisheit, dass das Höchst-aufgefasst werden dürfen, weil so das Kind selbst zum mass an Achtung und Schutz des anderen Menschen die Schaden wird - Meinung von PiCKER) ab. höchstmögliche Sicherheit der eigenen Person garantiert"

Der Hoge Raad teilt die Auffassung des Generalanwal- (547).

tes, bei Bejahung der Schadenersatzpflicht werde das Kind 2 J Randziffer 31 in Verbindung mit 26. selbst zum Schadenfaktor, nicht. Der Beschluss der Eltern, % Erwägung 3.8

., „ ... . ,. ., .. . . , ,. 23 In seinem Entscheid vom 18. März 1980 (BGHZ 76,249 ihre Familie nicht weiter zu vergrossern, ist zu respektieren. bzw versicherungsrecht 1980, 555) befand der Bundesge-Dieser Beschluss ist es, welcher durch den Fehler des richtshof, dass "der Schadencharakter - was allerdings oft Arztes zunichte gemacht worden ist. Laut dem Hoge Raad durch emotional gefärbte Äusserungen der Gegenmeinung muss in einer solchen Situation verwischt wird - nicht dem Kind selbst, sondern dem mit "... ausschliesslich davon ausgegangen werden, dass die Eltern, ihm verbundenen Unterhaltsaufwand seiner Eltern beizulegen die das Kind in der neuen Situation akzeptiert haben, einen ist, den diese durch eine wirtschaftliche Familienplanung Anspruch geltend machen auf eine Vergütung für die Auswir- gerade hatten vermeiden wolle". Mit seinem oben zitierten kungen auf das Familicneinkommen, die sich angesichts der Urteil widerspricht das BVerfG ausdrücklich dieser Recht-Ereignisse und der durch sie verursachten Kosten ergeben. In sprechung des BGH, was diesen aber nicht zu einer Ände-dieser Sichtweise ist kein Raum für die Auffassung, dass das rung bewegen konnte. Der BGH fasst die betreffende Aus-Kind selbst als Schaden oder Schadensfaktor gesehen werden sage des BVerfG als nicht bindendes obiter dictum auf. müsse. Es geht nämlich ausschliesslich um eine Vergütung für Zustimmend zu dieser Praxis DEUTSCH 1995, 609, äusserst die zusätzliche Belastung des Familieneinkommens, die sich kritisch PICKER 1995 (Wrongful birth), 495 ff. Durch diese aus dem Fehler des Arztes und gerade daraus ergibt, dass die gegensätzliche Praxis der beiden für solche Fälle zuständi-Eltern das Kind annehmen. Auch lässt sich nicht sagen, die gen obersten Gerichte ist in Deutschland "gleichsam ein hier vertretene Sichtwcise verletze die Menschenwürde des Romae locutae" entstanden (PiCKER 1995, Wrongful birth, Kindes oder spräche ihm das Daseinsrecht ab. Im Gegenteil 499).

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der Schaden nicht durch einen Vergleich der wirtschaftli- vorliegenden Fall hatte Frau O. eine Expertise zur Höhe chen Situation der Eltern mit und ohne Kind ermittelt, der Kosten eingereicht. Darin wurden die Kosten anhand wobei "die Nichtexistenz des Kindes als positiver, seine der vom Nationalen Institut für Budgetinformation (Natio-Existenz als negativer Vermögensfaktor zu berücksichtigen naal Instituut voor Budgetvoorlichting; NIBUD) aufgestell-wäre25". Zwar ist nicht abzustreiten, dass die wirtschaftliche ten Richtlinien berechnet. Das Berufungsgericht erachtete Belastung der Eltern durch die Existenz des Kindes verur- diese Berechnung als akzeptabel. Der Hoge Raad stellt des-sacht wird, doch handelt es sich laut dem BGH lediglich halb lediglich fest, dass diese Art der Kostenberechnung um einen naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang, nicht streitig ist. Allerdings verweist er hinsichtlich des der für sich genommen wertfrei ist. Auch geplante und Umfanges der Vergütung für die Unterhalts- und Betreuungs-gewünschte Kinder kosten Geld, ohne dass dies das Ver- kosten ausdrücklich auf den Massstab von Artikel 6:98 des hältnis von Eltern und Kindern im negativen Sinne beein- Niederländischen Zivilgesetzbuches (Burgerlijk Wetboek), flussen würde. wonach dem Arzt nur diejenigen Kosten auferlegt werden Im Unterschied zu dieser Argumentation des deutschen können, welche ihm als Folge seines Fehlers zugerechnet BGH betont der Hoge Raad vor allem die Tatsache, dass werden können. Kosten, welche die durchschnittlichen die Eltern (durch die Ablehnung einer Abtreibung oder Kosten für Unterhalt und Betreuung übersteigen, können einer Freigabe zur Adoption) das Kind ja gerade akzeptiert deshalb statt dem Arzt den Eltern auferlegt werden, auf haben, und dass die Ersatzforderung auch in seinem Inter- deren Beschluss sie zurückgehen™.

esse erfolgt. Laut dem Hoge Raad ist das Verhindern einer vorläufig noch anonymen Vergrösserung der Familie etwas ganz anderes als das nicht Wünschen oder nicht Akzeptie-ren eines konkreten Kindes. Diese Aussage findet sich im Zusammenhang mit dem Einwand, das Kind könnte bei Zusprechung des Schadenersatzes später auf verletzende

Art und Weise mit dem Eindruck konfrontiert werden, dass,-,ι . , n i ... ι ι ι 11 i · £J IjCjri./, lZo,14U. π^ττ^ no 1 ^n

seine Eltern es nicht gewollt hatten, und deshalb psychi- 26 Im amerikanischen Recht spricht man vom emotional bastard sehen Schaden nehmen2'. Auch diesen Einwand halt der pmblem. In den USA hat diese Theorie einige Unterstützung Hoge Raad nicht für überzeugend: gefunden, vgl. dazu Diss. STOLKER, 112 ff. Andererseits

"Erstens äussert sich dieser Einwand hinsichtlich des Verhält- erklärte der englische Richter PETER PAIN in der Rechtssache nisses zwischen Eltern und Kind zu einem Punkt, der im Thake v. Maurice (1984) 2 All ER 513 (526): "I do not think Prinzip der Sichtweise der Eltern überlassen werden muss. that if I award damages here it will lead little Samantha to Zweitens ist das Verhindern einer vorläufig noch anonymen feel rejection. She is surrounded by a happy, albeit somewhat Vergrösserung der Familie etwas ganz anderes als das nicht poverty-stricken, family life. It is this that must make her feel Wünschen oder nicht Akzeptieren des Kindes, nachdem es ein- wanted and not rejected."

mal seine individuelle menschliche Identität erhalten hat. Der 27 Erwägung 3.9.

vorliegend relevante Anspruch bezieht sich ausschliesslich auf 28 Der deutsche Bundesgerichtshof hatte gemeint, dass gerade ersteres, nicht auf letzteres. Die Kosten haben deshalb mit dem die Zuerkennung von Schadenersatz zur gesunden psychi-Gewünschtsein des Kindes als Mensch nichts zu tun. Drittens sehen Entwicklung des Kindes beitragen kann; Entscheid muss davon ausgegangen werden, dass Eltern im allgemeinen vom l8. März 1980, BGHZ 76, 249 bzw. Versicherungsrecht dazu imstande sind, dem Kind klar zu machen, dass der vor- 1980, 555.

erwähnte Eindruck falsch ist, ganz abgesehen davon, dass sie 29 Dieser Einwand wird vor allem in der amerikanischen Rcchl-selbst diesen Eindruck Lügen strafen können, indem sie das sprechung oft vorgebracht. Dort sind Forderungen verschie-Kind mit Liebe und Sorgsamkeit grossziehen."27 dentlich abgewiesen worden, weil "too speculative" oder "not Im Ergebnis folgt der Hoge Raad damit wiederum dem cognizable". Ausführlich dazu Diss. STOLKER 1988, 137 ff.; deutschen BGH28. Er kommt zum Schluss, die Menschen- ™ D , *« o fiN i. . . , ,,. , i - i i 3 ° Randziffer 3.11. des Urteils. Artikel 6:98 des Niederlandi- 7τ ·ι Λ ·, , /- no A ™· Α ,·· ,· wurde des nicht geplanten Kindes stehe einer Schadenersatz- schen Zivjlgesetzbuches bestimmt: "Zum Ersatz kommt nur rechtlichen Betrachtungsweise der Kosten für Unterhalt und Schaden in Betracht, der mit dem Ereignis, auf dem die Hai-Betreuung nicht entgegen. Im Gegenteil, die Zusprechung tung des Schuldners beruht, in einem solchen Zusammen-eines Ersatzanspruches kann laut dem Gerichtshof gerade hang steht, dass er ihm, mit Rücksicht auf die Art der Haf-im Interesse des Kindes liegen. tung und des Schadens, als eine Folge dieses Ereignisses

zugerechnet werden kann." (Hervorhebung: STOLKER/TOBLER). τ rj ττ··ι, j cf u A * Diese Übersetzung ist der folgenden Ausgabe entnommen: 3. Z/ur Hohe des bcnaaenersatzes F NIEPER/A. S. WESTERDIJK (Hrsg.), Niederländisches Bür-Ein in der Literatur und der ausländischen Praxis oft vor- gerliches Gesetzbuch, Buch 6, Allgemeiner Teil des Schuld-gebrachter Einwand gegen einen Anspruch auf Ersatz der rechts bearbeitet von FRANZ NIEPER, C.H Beck München Unterhalts- und Betreuungskosten ist die Schwierigkeit,,. TT... , _ , ,& , -,, neu die "^^ΓΤ^ ί^οΤΪ mederl™dlscl\en Recht

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IV. Reaktionen in niederländischen Allerdings ist NIEUWENHUIS mit dem Generalanwalt der Juristischen Kreisen Meinung, ein Schadenersatzanspruch sollte nur in dem Fal-J le zuerkannt werden, wo die Geburt des Kindes eine deut-Es ist vor allem die Aussage des Hoge Raad, dass nicht das liehe Senkung des Lebensstandards der Familie zur Folge Kind selbst der Schaden ist, sondern vielmehr die finanziel- hat.

len Folgen seiner Geburt, welche in der niederländischen Diese wenigen Beispiele zeigen etwas von der Vielfalt Literatur zu gegensätzlichen Reaktionen geführt hat31. Auf der Meinungen, welche in der niederländischen Gesell-der einen Seite begrüssen SUTORIUS/LUFTOGT (zwei Anwälte schaft bestehen und - das ist vielleicht das Bemerkens-aus Arnhem) den "ebenso nüchternen wie überzeugenden werte daran - öffentlich geäussert und sachlich diskutiert Entscheid" vorbehaltlos. Sie verstehen ihn so, dass es hier werden können. Alles is bespreekbaar (über alles kann man gar nicht um das (Un-)Erwünschtsein des Kindes gehe, diskutieren) scheint ein typisch niederländisches Phänomen sondern vielmehr "um die Kosten, die mit der (schliess- zu sein, auch in der Rechtskultur, welche laut SLOT auf liehen) Akzeptanz des Kindes verbunden sein können". diese Weise einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer

tole-Auf der anderen Seite erklärt LEUTEN (ein ehemaliger ranten und multikulturellen Gesellschaft erbringt". Generalanwalt am Hoge Raad), er empfinde angesichts des

Entscheides "Verzweiflung". Er wundert sich beinahe, dass das Recht in einer durch und durch säkularisierten und

juri-disierten Gesellschaft der Mutter nicht auch noch die V. Eigene Stellungnahme

Pflicht zur Abtreibung oder zur Freigabe zur Adoption auf- Persönlich stimmen wir dem Ansatz des Hoge Raad zu. erlegt. LEUTEN kritisiert vor allem die Argumentation des wir teüen die Wertung von Autoren wie PICKER, wonach Hoge Raad zu einem allfälhgen psychischen Schaden des die Unterscheidung zwischen dem Kind und den finanzi-Kindes: "... was wissen wir Juristen denn von diesem dlen As kten seines Unterhaltes "die entscheidenden Wer-unglaublich schwierigen Problem der Verarbeitung des tungsprobleme (und damit das zwischen Arzt und Eltern Unerwünschtseins? ... Müssen solche Rechtssachen durch stehende Kind) bewusst oder unbewusst überspringt" und Richter entschieden werden, ohne echte Hilfe des Gesetzes? damil auf einem "gedanklichen und dogmatischen Kurz-... [I]st eine solche Sache wirklich reif für die Rechtspre- schluss" beruht«, nicht. Es mag zwar stimmen, dass man cnunS · zur Berechnung des Schadens das Kind wegdenken muss, Andere Meinungen bewegen sich zwischen diesen doch ist dies unseres Erachtens kein unmoralisches Gedan-beiden Polen. So anerkennt LEGEMAATE (Professor des kenexperiment. Pflegeeltern machen eine ähnliche Berech-medizmischen Rechtes), dass es hier um ethische Fragen wenn sie sich die Aufnahme eines Kindes überlegen. geht ("Man könnte fragen: Was sind das für Eltern, die Was das psychische Problem des Unerwünschtseins Schadenersatz verlangen für ein Kind, das sie zwar nicht betrifft) so kam es ungeres Erachtens durch die rechtliche geplant haben, das sie aber sehr wahrscheinlich doch liebe- Verneinung eines Schadenersatzanspruches nicht gelöst voll entgegennehmen? Hier hegen die moralischen Beden- werden Mit der Tatsache des (im idealfall nur anfäng-ken ..."). Doch begrüsst er es, dass sich der Hoge Raad Uchen) Unerwünschtseins müssen nicht wenige Kinder von solchen Überlegungen lösen konnte: "Auch wenn wir leben. Jedes Kindj das zehn Jahre nach seinen Geschwisteni es oft nicht wahrhaben wollen: das Recht moralisiert auch geboren wird, kann sich ausrechnen, dass es höchstwahr-so noch genug.' T . . . T. , scheinlich nicht geplant und höchstwahr-somit ursprünglich nicht HIRSCH-BALLIN (ein früherer Justizminister der Nieder- Ut war Jedes zur Adoption freigegebene Kind muss lande) äussert sich vorsichtig positiv. Er ist der Meinung, vennuten, dass seine Eltern es nicht haben wollten. Jedes die Anerkennung eines Anspruches auf Schadenersatz dürfe Kind dner unverheirateten Mutter, die vom Vater vor nicht einfach als Okonormsierung des Lebens gesehen wer- Gericht Unterhaltsbeiträge einfordern musste, muss anneh-den« Eher handle es sich um einen Schutz gegen das men; dass es seinem Vater nicht willkommen war. Letzt-Unbeherrschbarwerden der finanziellen Seiten des (neuen) Hch kommt es abßr doch wohl darauf ob das Kind mit Lebens. Laut HIRSCH-BALLIN unterstreicht der Entscheid Liebe en wird Gerade im Faüe yon .-Nachzügler. des Hoge Raad zu Recht, dass das Aufziehen eines Kindes kindern" ist dies glücklicherweise oft zu beobachten. An nicht kostenlos geschieht. Dabei verdienen Kostenaspekte

eines neuen Lebens eine rechtliche Behandlung, in der Kinder anders beurteilt werden als Konsumgüter.

NIEUWENHUIS (früher Mitglied des Hoge Raad, jetzt

Zivilrechtsprofessor in Groningen) teilt die Auffassung des 3 l Alle im folgenden zitierten Meinungen sind abgedruckt m: Gerichtshofes, wonach das ganfe oder teilweise Finanzieren, „ . , · v , , . . „ . ,. 1997, 54C, Nederlands Junstenblad 1997, 475^-81. ΖΤίίΐ'^ΓΤτ1 °Τ ΪΗΙ S^SÄ RvdW des Grossziehens eines Kindes durch eine Drittperson die 32 SQ PICKER 1995 (Wrongful birth)> 513> der von einer Kom_ Menschenwürde des Kindes nicht antastet. In dieser Situa- merzialisicrbarkeit des menschlichen Lebens spricht. tion befinden sich immerhin auch zahlreiche Kinder von 33 SLOT 1997,1177.

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der Tatsache des anfänglichen Unerwünschtseins ändert Argument eines höheren Lebensstandards enorme Sum-das zwar nichts, aber gewisse Tatsachen des Lebens kön- men einstreichen können ("unsere älteren Kinder hatten nen nun einmal nicht hinwegfingiert werden. auch ein eigenes Rennpferd"; das wäre der Fall, wenn eine Gerade in dieser Situation halten wir die Unterscheidung, vollumfängliche Ersatzpflicht bejaht wird). Eine solche Art welche der Hoge Raad vornimmt zwischen der Verbinde- der Festsetzung des zuzusprechenden Ersatzes könnte mit rung einer vorläufig noch anonymen Vergrösserung der der besonderen Art des Schadens begründet werden40. Familie und dem Ablehnen des konkreten Kindes mit Im folgenden soll noch kurz auf die zwei anderen und seiner individuellen menschlichen Identität für einleuch- weniger kontroversen Aspekte des Entscheides des Hoge tend und vielleicht gerade für Eltern und Kind hilfreich. Raad eingegangen werden.

Es scheint uns nicht richtig, wenn das Recht den für die Eltern durch die Geburt eines nicht geplanten Kindes

ent-stehenden persönlichen und finanziellen Schwierigkeiten \/·τ Verdienstausfall einfach aus dem Weg zu gehen versucht, indem es sich für

nicht zuständig erklärt oder formalistisch argumentiert. Aus ln der vorliegenden Rechtssache weisen die Auffassungen unserer Sicht ist der Entscheid des Hoge Raad deshalb zu der Gerichte hinsichtlich des Verdienstausfalles voneinander begrüssen, nicht zuletzt deswegen, weil er sich auf die Stel- ab- Das erstinstanzliche Gericht lehnte einen Ersatzan-lung der Frau in Recht und Gesellschaft positiv auswirken sPmch überhaupt ab. Das Berufungsgericht stellte die Erfah-könnte35. Unseres Erachtens kann den Eltern im Falle von rungsregel auf, das Grossziehen eines Kindes stehe der wrongful birth-F orderungen nicht vorgeworfen werden, sie Erwerbstätigkeit der Mutter im allgemeinen nicht enlge-wollten eine "Elternschaft zum Nulltarif" erlangen36. Die gen· Es schloss daraus, eine Frau, welche sich dafür ent-Elternschaft hat nicht nur finanzielle Seiten; die (traditionell scheide, während der ersten Jahre nach der Geburt eines vor allem durch die Mutter erbrachte) häusliche Betreu- Kindes nicht erwerbstätig zu sein, habe die finanziellen Fol-ungsarbeit ist ebenso unverzichtbar. Davon werden die gen dieser Entscheidung selbst zu tragen. Das Gericht wies Ellern durch die Zusprechung von Unterhaltsersatz nicht darauf hin> dass die Mutter die Aufgabe des Grossziehens befreit. Im übrigen vermuten wir, dass wrongful birth-For- der Kinder mit dem Vater teile. Was den speziellen Fall von derungen ihren schlechten Ruf nicht zuletzt ihrem unsym- Frau °- betreffe, so habe diese nicht ausreichend dargelegt, pathischen englischen Namen verdanken". Als wrongful warum sie nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. sollte unseres Erachtens nicht die Geburt des Kindes Das Gericht war der Meinung, der Ehemann von Frau O., bezeichnet werden, sondern vielmehr der Fehler der Dritt- welcher keine reellen Aussichten auf eine Anstellung hat, person (also nicht wrongful life oder wrongful conception, konne tmtz seiner chronischen Krankheit für das Kind sorgen. sondern z.B. wrongful sterilization).

Was die Höhe des zuzusprechenden Ersatzes für

Unter-halts- und Betreuungskosten anbelangt, so scheint der Hoge 35 ^g.L dazu SEVENHUIJSEN 1993, 133 f., welche (schon einige Raad den finanziellen Bedürfnissen der Eltern bis zu einem ?£„ , „ , - ,„ ,. Urteils) die Meinung vertreten hat, dass zwischen dem Kind ·,Τ,,· M * - ^ierhzu'Diskussi°n sl,ehe"de" gewissen Grade Rechnung zu tragen, wenn er feststellt die und dem medizinischen Fehler unterschieden werden müsse. Eltern hätten das Recht auf Ersatz der durchschnittlichen SEVENHUIJSEN warnt vor der traditionellen Tendenz unserer Kosten. Möglicherweise werden in der niederländischen Rechtssysteme, das Verhalten von Frauen viel stärker zum Praxis zukünftig die nach den Richtlinien des Nationalen Objekt von moralischen Urteilen zu machen als das Verhalten Institutes für Budgetinformation berechneten Durch- von Männern. Die Anerkennung der wrongful birth-Forde-schnittskosten die Norm. Das wäre unseres Erachtens eine rung würde das traditionelle Bild der unbedingt und unbe-gute Lösung, könnte doch so in der Praxis ein endloses grenzt liebenden und sorgenden Mutter durchbrechen und Seilziehen vermieden werden18. STOLKER hat schon vor der Frau die Möglichkeit geben, im Zusammenhang mit einiger Zeit auf den starken Alimentencharakter der Ersatz- emem ni<;ht selbst gewahlten Lebcnsschicksal eine Klage f , · f , ,· t, τ?··!! u. · ,<, -,-. τ einzureichen. Damit reagierte SEVENHUIJSEN aui eine Aussage forderung m wrongful btrth-Fallen hingewiesen". Es Hesse yon GODSCHMIDT j 993;fc48; wonach die wmn^ btrth.^ sich hier deshalb auch ein dem Ehescheidungsrecht ent- eines der problematischen Beispiele im Zusammenhang mit hehener Massstab zur Schadenszusprechung anwenden. der zunehmenden Juridisierung des Lebens ist.

Irn Ehescheidungsrecht spielen das Bedürfnis und die 36 So WEIMAR 1986, 652.

Bedürftigkeit der Berechtigten für die Festsetzung der 37 DEUTSCH 1995, 614, weist in diesem Zusammenhang darauf Unterhaltsbeiträge eine grosse Rolle. Das kann dazu führen, hin, dass diese Terminologie aus dem amerikanischen Recht dass ein geschiedener Ehepartner mit genügendem Ein- kommt, wo darin ein Gleichklang mit dem Totungsschaden kommen bzw. der Möglichkeit, sich ein solches zu beschaf- (wrongful death) gesehen wird.

fen, kein Recht auf Unterhaltsbeiträge für sich selber hat. 38 Ausführlicher STOLKER 1997, 194.

Durch die Anwendung eines solchen Bedürftigkeitsmass- 39 Dl^. STOLKER 1988 131 f. unter Verweisung auf die Rechl-, Rechl-, Rechl-,: Rechl-,<· 7 7 · 7 i- j i ·· <. u i sprechung des deutschen BGH: Der Arzt wird zur Bezahlung Stabes auf wrongful *,rf Α-Forderungen konnte sowohl ^ ^ ^ Unterhalt und Erzieh des njcht ^ vermieden werden, dass Eltern mit geringen finanziellen Kindes bis zum Erreichen einer hestimmten Altersgrenze des Mitteln vollständig für die Kosten aufkommen müssen Kindes verurteiit. Die Parallele zu Unterhaltsbeiträgen im (was der Fall wäre, wenn ein Ersatzanspruch überhaupt Ehescheidungsrecht liegt auf der Hand.

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Der Hoge Raad kritisiert die Rechtsauffassung der Vor- feststellen, dass in den Niederlanden die traditionelle Roi-instanz insofern als unrichtig, als die von ihr aufgestellte lenverteilung zwischen den Geschlechtern (männlicher, Erfahrungsregel zu allgemein ist. Er geht auch weiter als finanzieller Versorger auf der einen Seite und vollzeitliche Generalanwalt VRANKEN, der einen grundsätzlichen Ersatz- Mutter und Hausfrau auf der anderen Seite) deutlich weni-anspruch für Verdienstausfall nur während einem bis ger stark vertreten ist als in der Schweiz. Hier scheint das anderthalb Jahren bejahte und im übrigen die Erfahrungs- traditionelle Muster trotz des neuen Eherechtes, welches regel der Vorinstanz im Falle von Frau O. für "nicht offen- seit 1988 keine gesetzliche Rollenverteilung mehr vorsieht, sichtlich unrichtig" hielt41. Der Gerichtshof folgt im wesent- noch sehr stark fortzuwirken43.

liehen den Vorbringen von Frau O42. Er hält fest, dass ein Anspruch auf Ersatz des Einkommensverlustes besteht,

wenn die Entscheidung der Frau, während einer bestimmten .

Zeit nicht erwerbstätig zu sein, angesichts der Umstände V11. Immaterieller schaden vernünftig erscheint. Die Klärung dieser Frage erfordert lind Genugtuung

eine Abwägung einerseits zwischen der Freiheit der Frau, „ _, , _. , „

ihr Leben im Hinblick auf die Interessen des Kindes so Die Forderung nach Genugtuung wurde von allen Instan-einzurichten, wie es ihr richtig scheint, und der Schadens- zen und def Generalanwalt abgelehnt, dies allerdings minderungspflicht der Frau andererseits. Bei dieser Abwä- wemf r aufgrund grundsätzlicher Erwägungen ethischer gung müssen die spezifischen Umstände der betreffenden Art als aus rein technisch-juristischen Gründen. Nach me-Familie (wie die Zahl und das Alter der Kinder, die allfäl- derländischem Recht setzt ein Anspruch auf Genugtuung lige Erwerbstätigkeit des Ehepartners und die finanziellen ff seellschf Verletzung(geestehjk letsel) voraus an deren Mittel) berücksichtigt werden. Der Hoge Raad begnügt Schwere m der Praxis hohe Anforderungen gestellt werden. sich demnach mit einem sehr allgemein gehaltenen Fin- J» ™1ε v°n Frau α waren sich alle Gerichte ebenso wie gerzeig. Zwar wählt er als Ausgangspunkt die Entschei- der Generalanwalt darüber einig, dass diese Voraussetzung dungsfreiheit der Frau über ihr Leben, lässt diese Freiheit mcht erfülljlst Damit schemt ^ aUgemeuier Konsens zu aber nicht unbeschränkt gelten. Als unvernünftig könnte bestehen, dass eine unerwünschte Schwangerschaft und die Wahl der Frau gelten, wenn sie bei früheren Kindern Geburt zwar zu emem immateriellen Schaden fuhren, dass weiterhin erwerbstätig war, währenddem sie nun die ein Genugtuungsanspruch aber an der mangelnden Intensi-Erwerbstätigkeit ohne gute Gründe (wie eine deutliche tat des ^materiellen Schadens im Einzelfall scheitern kann. Mehrbelastung durch die grössere Anzahl der zu betreu- ^ Die Frage welche hier offen bleibt, ist die, inwiefern die enden Kinder) aufgeben will. Allerdings erwähnt der Hoge Genchte und der Generalanwalt die Belastung der Frau Raad den Beitrag des Ehepartners und die finanziellen durch eme ""gewünschten Schwangerschaft und Geburt Mittel der Familie. Man kann sich fragen, ob dies begrüs- ™d durch lhre, wefren F?1*™ reallstlsch einschätzen. senswert ist: Was im Urteil hinsichtlich der Unterhalts- Was genau stellt sich etwa das Berufungsgericht vor, wenn kosten an Rechtssicherheit gewonnen ist, scheint beim ef meint dle Schwangerschaft und die Geburt eines unge-Einkommensschaden wieder verloren zu gehen. Jedenfalls PIanten ^ndes k°*fe zu „ «nem mehr oder weniger starken erhält die Frau keineswegs eine carte Manche: Der Richter psychischen Unbehagen der Mutter führen? Unterschätzt muss die Möglichkeiten von beiden Eltern prüfen. der Generalanwalt mcht die Begleitumstände einer (auch

Aus schweizerischer Sicht dürfte die Auffassung des emer nomalen) Schwangerschaft und Geburt, wenn er die Generalanwaltes und noch mehr die des Berufungsgerichtes Memung ^^ u ^ immateTieller S0Chuaden komme allen-Uber die Zumutbarkeit von Erwerbsarbeit für Mütter erstau- J1!8 bei e"\er abnrormal schweren Schwangerschaft und nen. Diese Auffassungen hängen mit den gesellschaftlichen Geburt und deren Langzeitfolgen m Frage44? Frau O. wies Gegebenheiten der Niederlande zusammen, welche sich in m diesem Zusammenhang auf folgende Umstände hin: gewisser Hinsicht deutlich von den schweizerischen Ver- Übelkeit, Erbrechen und Schlafstörungen während acht hältnissen abheben. So ist es in den Niederlanden viel übli- Monaten, die Angst um die Gesundheit des Kindes (es war eher als in der Schweiz, dass Mütter einer (wenn auch oft eme zeltlan§ mcht sicher> ob slch die SPirale m der Gebai"-nur teilzeitlichen) Erwerbstätigkeit nachgehen. Angesichts

der im Vergleich mit der Schweiz durchschnittlich deutlich ~ tieferen Löhne ist dies in manchen Fällen schlicht eine wirt- 41 Randnummern 37-39.

schaftliche Notwendigkeit. Die Kombination von Familien- 42 Erwägungen 3.13.1. und 3.13.2.

pflichten und Erwerbsarbeit wird ausserdem durch ein im 43 Zur Stellung der Frau in der schweizerischen Gesellschaft Vergleich grösseres Angebot an Kinderbetreuungseinrich- siehe die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogrammes tungen (Kinderhort) und ein anderes Schulsystem (eine Art 35 "Frauen in Recht und Gesellschaft - Wege zur Gleich-Tagesschulen) erleichtert. Vor allem aber liegt auf der zeit- fllung" des Schweizenschen Nationalfonds zur Förderung

·?,. ,_, ' .. _.. , , , der wissenschaftlichen Forschung. Hinweise zu den emzel-welligen Fremdbetreuung von Kindern kaum mehr das nen Forschungsarbeiten sind den Informationsbulletins des soziale Stigma, das m der Schweiz noch öfter festzustellen NFP 35 zu entnehmen. Die Bulletins sind kostenlos zu bezie-ist (nämlich die Idee der Vernachlässigung ihrer Pflichten hen (Schweizerischer Nationalfonds, Abteilung 4, 3001 Bern, durch die Mutter sowie die schädliche Auswirkung der Tel. 031-308 22 22).

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mutter befand), die Geburt, die Nachgeburtsdepression, den aufwiegt. Der Gerichtshof wies daraufhin, dass solche das Entbehren einer ausserhäuslichen Tätigkeit (zu wel- immaterielle Vorteile nur im Zusammenhang mit der Fest-chem sie sich aus Verantwortungsgefühl gegenüber dem Stellung eines allfälligen immateriellen Schadens berück-Kind entschlossen hatte) und damit zusammenhängend das sichtigt werden können51. Unseres Erachtens wäre dieser Entbehren der Möglichkeit persönlicher Entwicklung, die Ansatz der von der Berufungsinstanz vertretenen und vom Einbusse an lebensnotwendigem Einkommen, und schliess- Hage Raad sanktionierten Auffassung (ungenügende lieh die durch all diese Umstände bewirkte Verminderung

der Lebensfreude.

Von Seiten der feministischen Rechtswissenschaft ist auf 45 RYAN 1994, 867 ff., im Zusammenhang mit dem US-ameri-die Neigung des Rechtes hingewiesen worden, den Lebens- kanischen Recht, insbesondere zur Frage der Zusprechung erfahrungen von wrongful birth-Sach&n betroffenen Frauen von Schadenersatzansprüchen für emotional härm in wrongful ungenügend Rechnung zu tragen. Die tatsächlichen Erfah- WrtA-Sachen betreffend behinderte Kinder. RYAN analysiert rungen der Frauen und ihre Beschreibung durch das Recht drel Theonen' aui d!e »ch besümnite amerikanischen Gerichte / . , ,. T I J · · - · ι τ· \ c 11 j i 11 ^ stutzen, wenn sie die Zusprechung von Schadenersatz an die (emschhesshch die juristische Literatur) fallen deshalb oft mtem emotional distress Oder mental härm im Zusam-eklatant auseinander45. Ein Beispiel aus der europäischen menhang mit der Geburt eines behinderten Kindes ablehnen: Literatur ist die bei PICKER erwähnte "etablierte kommer- das physical impact requirement, die bystander doctrine und zielle Betrachtung" in wrongful birth-Sachen, wonach bei die benefit/burden mle. Nach dem ersten Kriterium setzt ein einer Abwägung zwischen "dem temporären Ungemach Schadenersatzanspruch some physical impact der anspruch-eines erneuten Eingriffs bei der schwangeren Frau" (gemeint erhebenden Person voraus. RYAN zitiert hier den Lousiana ist eine Abtreibung) und der "langjährigen Kostenbelastung Supreme Court, der beschied, "mal the mental distress and des Arztes" die Interessen der Frau in der Regel den Interes- emotional härm were 'not consequences which were caused sen des Arztes hintanzustellen sind. Die Betrachtung mög- bj,an imPact on the Person of the mother' " (870)> wo doch, lieber immaterieller Interessen und Motivationen kommt Schwangerschaft und Geburt zweifellos einer ι physical

• , · τ-, ι ,.,· r-· i ! · · · τ-, ι · impact der Mutter beinhalten. Die zweite Theorie, die bystan-nicht m Betracht«'. Eine solch einseitige Betrachtungsweise der ^Hne, jst ein Ausnahmetatbestand zur erwähnten ist verfehlt. Sie zeigt eine grobe Unterschätzung der Bedeu- impact mle Danach besteht ein Anspruch auf Schadenersatz, tung einer Abtreibung für die betroffene Frau und eine ver- «if the bystander was at the scene of the accident when it gleichsweise Überschätzung der finanziellen Belastung des occurred, witnessed the accident, and was closely related to Arztes (der zudem in der Regel für solche Fälle versichert the person physically harmed by the defendant's negligence" sein wird47). Gemäss RYAN ist "the disregard for emotional (871 ). Obwohl zahlreiche amerikanische Gerichte wrongful härm . . . consistent with the Suggestion of feminist theo- birth-Fätie als solche bystander cases charakterisieren, ver-rists that the law traditionally has devalued emotional härm neinen sie Schadenersatzansprüche. Hier kritisiert RYAN die and instead has placed greater value on financial härm".48 der bystander doctrine zugrundeliegende dychotomy between Ein weiteres Beispiel ist HEIDAS Auffassung zur Zumut- the sejand ihe°£er- ^se Aufspaltung ist gerade im Falle barkeit eines Schwangerschaftsabbruches in wrongful birth- ™n^Ul™d Kmd "nsachgeniass und zwar sowohl

wah-„ .. T .T , . , , _, , i - o - i rend der Schwangerschaft wie auch danach. Die relevanten Fällen«. Laut HEIDA bewirkt der Gebrauch einer Spirale Rcchtsregeln lassen diejenigen Fälle ausser Acht, wo mensch-als Verhütungsmittel eine "Mim- Abtreibung" (Verhinderung liche Wesen nicht von einander getrennt sind, sondern viel-der Einnistung viel-der Eizelle in viel-der Gebärmutter), weshalb mehr physisch nicht getrennt werden können. Die beneflt/ davon auszugehen ist, dass Frauen bzw. Paare, welche die bürden mle schliesslich führte einige Gerichte dazu, Schaden-Spirale verwenden, wahrscheinlich keine grundsätzlichen ersatzansprüche wegen the benefit of parenthood, welcher Einwände gegen eine Abtreibung hätten. HEIDA folgert einen allfälligen Schaden aufwiege, zu verneinen. Hier kritisiert daraus, ein Schwangerschaftsabbruch in einem frühen Sta- RYAN' dass diese Betrachtungsweise von einem verallgemei-dium sei zumutbar. Diese Auffassung Übersieht, dass es bei nernden Stereotyp erfüllter Mutterschaft nach traditionellem der Frage des Schwangerschaftsabbruches nicht nur um ein Verständnis ausgehe und die emotionalen Schwierigkeiten

. , ι- ι r> t.i ut Λ u · von Eltern mit behinderten Kindern bagatellisiere.

abstraktes moralisches Problem geht, sondern auch um einen 46 PKKER m5 ^ ^ ^ ^ Schadeii_ sehr konkreten und folgenreichen Eingriff bei der Frau. ersatzpflicht unter anderem wegen der von ihm geschilderten Schon rein physisch ist die Verhinderung der Einnistung Abwägungslage ablehnen. Die Ablehnung der kommerziellen einer Eizelle in der Gebärmutter nicht zu vergleichen mit Betrachtungsweise führt jedoch nicht zwingend zu einer dem Entfernen der eingenisteten Eizelle bzw. des sich ent- Ablehnung des Ersatzanspruches überhaupt. Vielmehr wäre wickelnden Foetus. es auch möglich, eine sachgemässere (d.h. nicht rein

kom-Der Hoge Raad geht auf diese Problematik und die von merzielle) Beurteilung des Sachverhaltes vorzunehmen. Frau O. vorgebrachten Argumente nicht ein. Er stellt ledig- 47 Nach DEUTSCH 1 995, 615, erleichtert die Haftpflichtversi-lich fest, dass sich in der durch die Vorinstanz vorgenom- cherung der Arzte die Anwendung des Schadenersatzrechtes. menen Wertung der Tatsachen keine unrichtige, unbegreif- N , 886?

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" W r o n g f u l b i r t h " -•••••••AJP/PJA 9/97^••M····^^^···

-Schwere der seelischen Verletzung) vorzuziehen. Es wäre ein Medikament verabreicht, das ein bisher gesundes Kind wünschbar, dass die Gerichte die Schwere der immateriel- schon vor seiner Geburt schädigt, ist direkt gegenüber dem len Folgen eines ungeplanten Kindes für die Mutter aus- Kind verantwortlich. Er verletzt das Kind, genauso wie ein drücklich anerkennen, auch wenn diese Anerkennung unsorgfältiger Automobilist, welcher eine schwangere Frau wegen des Gegengewichtes der (allfälligen) immateriellen anfährt und dabei das Kind verletzt. Solche Fälle sollten Vorteile des Kindes keine finanziellen Folgen haben würde. nicht als wrongful life-Falle bezeichnet werden, geht es

Anders als die niederländischen Gerichte lehnt der deut- doch um die Schädigung eines bereits im Entstehen begrif-sche BGH Genugtuung (wegen Verletzung des Person- fenen Kindes. Schwieriger wird es in Fällen unrichtiger lichkeitsrechtes auf Familienplanung) nicht nur aus tech- Erblichkeitsanalyse. Hier wird dem Arzt nicht die Schädi-nischen, sondern aus grundsätzlichen Gründen ab: Der gung eines gesunden Kindes vorgeworfen, sondern viel-BGH ist der Auffassung, die Ermittlung eines solchen mehr die Tatsache, dass er den Eltern die Möglichkeit der Schadens sei nicht möglich, ohne das Kind als ein Nega- Abtreibung genommen hat (bzw. in einem Fall der Analyse tivum aufzufassen. Dies aber widerspreche dem im Grund- vor der Empfängnis, die Möglichkeit, sich gegen eine gesetz verankerten Recht auf Menschenwürde52. Auch auf Schwangerschaft zu entscheiden und eine solche zu ver-diese Problematik geht der Hoge Raad nicht ein. Unseres hindern). Hier hat man es mit einer echten wrongful life-Erachtens könnte hier vielleicht eine ähnliche Argumen- Forderung zu tun.

tation verwendet werden wie betreffend die Unterhalts- In der Praxis werden solche Klagen weitgehend abge-und Betreuungskosten: auch hier könnte unterschieden wiesen, so in den achziger Jahren vom deutschen BGH mit werden zwischen der Tatsache der unerwünschten Schwan- der Begründung, hier würden die Grenzen des Schadener-gerschaft und Geburt auf der einen Seite als vorläufig noch satzrechtes überschritten58. Auch in England wurde eine "anonyme", von der konkreten Persönlichkeit des Kindes entsprechende Klage abgewiesen59. In den USA ist die unabhängige Tatsache, und dem Kind selbst auf der anderen wrongful /z/e-Forderung vor allem darum so populär, weil Seite. Allerdings fällt hier die Trennung zugegebenermassen der Markt des genetischen Counseling stark im Wachsen schwerer als im ersteren Falle. begriffen ist. Die Mehrheit der amerikanischen Klagen betrifft denn auch fehlerhafte Erblichkeitsanalysen. Aller-dings hat auch hier kaum eine dieser Klagen Erfolg. Die VIII. Zum Schluss: die Wroneful Ufe- wrongful /z/e-Klage wird als diefrontier ofmedical

mal-o u j f j practice litigatimal-on gesehen: die amerikanischen Richter 5»CnaaenersatZIOraerung finden, dass die Klage zu weit geht. Soweit ersichtlich, ist Zu Recht weisen die niederländischen Anwälte SUTORIUS die Forderung nur in dreien der US-amerikanischen Bun-und LIJFTOGT darauf hin, dass das moderne Recht öfter mit desstaaten anerkannt. Seit Jahren sucht die Rechtswis-den Folgen von gesellschaftlichen Entwicklungen und Ent- senschaft in Rechtswis-den USA nach Möglichkeiten, eine Änderung Scheidungen zu kämpfen hat. Angesichts der heutigen medi- der ablehnenden Praxis zu bewirken60.

zinischen und technischen Möglichkeiten gilt: Wat meer

zelfbeschikking, wat minder lotbeschikking (etwas mehr 52 BGHZ 124, 1451. Laut PICKER 1995 (Wrongful birth), 515, Selbstbestimmung und etwas weniger Schicksal)53, bzw.: hat der Bundesgerichtshof einzig hier "im EinHang mit Logik Der Schicksalsfall wird zum Rechtsfall54. und Haftungsdogmatik" entschieden.

Die wrongful bz'ri/z-Klage ist nur eine der in diesem 53 "Wrongful birth. Meningen over HR 21 februari 1997, RvdW Zusammenhang relevanten Erscheinungen. Sie wird an 1997, 54C", Nederlands Juristenblad 1997, 475-481, auf Problematik noch übertroffen durch eine andere high-tech 475 ff-> auf 475.

Erscheinung: die wrongful /z/e-Klage55. Dieser Begriff 54 PICKER 1995 (Wrongful birth), 485.

bezieht sich auf eine Anzahl sehr unterschiedlicher Sach- 55 P™ 1995 ("Wrongful life"), Diss. STIEGLITZ 1989, STOLKER verhalte, wo es nicht um die Forderung von Eltern geht ,, _. ' ->.,,., r ,„nH *·„<

,,. c „ , j T> -er j r 1 1 · ι τ^ι % 56 Dazu ausfuhrlich STOLKER 1994,521. (diese fallen unter den Begriff der wrongful birth-Klagen), 57 Vgl dazu auch oben FN χ

sondern um die Forderung eines Kindes selbst. Das Kind 58 BGHZ 1986 24Q ff .'zustimmend PICKER 1995 (Wrongful ist wegen einer unsorgfältigen Handlung behindert, und birth), 539; siehe auch PICKER 1995 (Wrongful life).

sagt in seiner Klage im Grunde genommen: "Ich hätte nicht 59 McKoy v. EssexArea Health Authonty (1982) 2 W.L.R. 890. geboren werden sollen." Beispiele für solche Fälle (vor Andere Fälle sind uns nicht bekannt.

allem aus der US-amerikanischen Praxis) sind: unsorgfältige 60 So etwa JACKSON, 1995 und derselbe 1996. JACKSON tritt für medizinische Behandlung der Mutter vor der Empfängnis, die Bejahung von wrongful ft/e-Forderungen ein, spricht sich unsorgfältige Erblichkeitsanalyse vor oder während der aber 8β§εη die wrongful birth-Fordemngen der Eltern aus. Schwangerschaft, unsorgfältige Sterilisierung zur Verbinde- Auch anderswo spricht sich die wissenschaftliche Literatur rang der Geburt eines behinderten Kindes, unsorgfältige zu den Γ°η*^ ^-Klagen häufig für einen Schadenersatz-,.0, ., / - - τ ι - -i j· ΐ i i i r \ anspruch aus. Dogmatische Probleme werden dabei mit Hilfe Verschreibung von (möglicherweise überdies fehlerhaften) von "nonnativen Ansätzen» umsegelt; vgl. etwa DEUTSCH Arzneimitteln während der Schwangerschaft sowie andere 1995; 613> der _ in Anlehnung an den deutschen Autor STOLL unsorgfältige Handlungen während der Schwangerschaft56. (Literaturhinweis bei DEUTSCH) - in der Ablehnung der

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