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Die Oper als Erinnerungsort. Eine Analyse der Nachkriegsoper als Narrativs des traumatischen Gedchtnisses am Beispiel von Henze/Bachmann

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Academic year: 2021

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DIE OPER ALS ERINNERUNGSORT

EINE ANALYSE DER NACHKRIEGSOPER ALS NARRATIVS DES

TRAUMATISCHEN GEDÄCHNTISSES AM BEISPIEL VON

HENZE/BACHMANN

Aantal woorden: 18.663

Maarten Boussery

Studentennummer: 01504560

Promotoren: Dr. Tobias Hermans

Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de Vergelijkende Moderne Letterkunde Academiejaar: 2019 – 2020

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De auteur en de promotor(en) geven de toelating deze studie als geheel voor consultatie beschikbaar te stellen voor persoonlijk gebruik. Elk ander gebruik valt onder de beperkingen van het auteursrecht, in het bijzonder met betrekking tot de verplichting de bron uitdrukkelijk te vermelden bij het aanhalen van gegevens uit deze studie.

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DANKESWORT

Obwohl diese Arbeit von der Erzählbarkeit eines traumatischen Gedächtnisses handelt, ist ihr Forschungs- und Schreibprozess auf jeden Fall kein Trauma, dass mich für den Rest meines Lebens entsetzen wird. Ich trage aber diese Arbeit für immer in der Erinnerung, denn sie wurde in einem besonderen Jahr gefertigt. Während eines tollen Praktikums bei Opera Ballet Vlaanderen und während des Corona-Lockdowns, im Haus am Zwijnaardsesteenweg, in Sint-Amandsberg sowie in den österreichischen Alpen, nach dem Unterricht oder vor einer Musikprobe: Die Magisterarbeit war immer da im Kopf. Der Lockdown vertritt übrigens eine besondere Rolle im Zustandekommen dieser Disseration, denn einerseits hat er die Quellenforschung viel schwieriger als sonst zerrinnen lassen, andererseits verschaffte er mir aber die Zeit, endlich mal richtig mit der Forschung anzufangen. So hätte die Pandemie vielleicht doch einige Vorteile. Gerne benutze ich hier kurz die Möglichkeit, einigen Menschen zu danken, die mich beim Denk- und Schreibprozess begleitet und unterstützt haben. Erstens möchte ich mit meinem ganzen Herzen meinem Betreuer, Dr. Tobias Hermans, danken, für das kritische Feedback, für die Flexibilität, sowie für die hilfreichen Überlegungen bezüglich dieses Themas. Weiterhin hat er dafür gesorgt, dass ich während des Lockdowns meine Quellenanalyse trotz alledem weitersetzen konnte. Auch danke ich den Dramaturgen von Opera Ballet

Vlaanderen, dass sie mir in der begeisternden Opernwelt mitgenommen haben. Meinen Eltern danke ich für

die bedingungslose Unterstützung während dieses zweiten Masterstudiums. Ins besondere bekommt mein Vater hier eine ehrenvolle Erwähnung, denn er hat in seinem Urlaub komplett ‚freiwillig‘ einige Textstellen überprüft sowie musikalischen und textuellen Input gegeben. Dank auch an studeerclub, an meinen verrückten GUSO-Freunden, und an Florian für die gemütlichen Abende in unserem eigenen Corona-Café. Zum Schluss möchte ich meinen Mitbewohnern Samira, Marieke und Pinto danken für das fantastische Jahr zusammen. Ich freue mich schon auf die Zukunft mit euch.

Maarten Boussery, August 2020

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INHALT

1 Einführung 1

2 Trauma und Gedächtnis 6

2.1 Die traumatische Erinnerung 6

2.2 Das kollektive und kulturelle Gedächtnis 9

2.3 Das traumatische Gedächtnis Deutschlands 12

3 Henze/Bachmann und die Nachkriegsoper 15

3.1 Die deutsche Nachkriegsoper 15

3.2 Die Neuorientierung von Henze/Bachmann 18

4 Dimensionen des traumatischen Gedächtnisses bei Henze/Bachmann 21

4.1 Materiale Dimension 24

4.2 Soziale Dimension 32

4.3 Mentale Dimension 35

5 Schlussfolgerung: Oper als Erinnerungsort 43

6 Bibliographie 46

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1 EINFÜHRUNG

Der zweite Weltkrieg ist vermutlich eines der größten Traumata des letzten Jahrhunderts. Der Krieg führte zu den unwürdigsten und grausamsten Taten der Menschheit; die mit dem Faschismus und Nazismus verbundenen Kriegsverbrechen – und vor allem die Massenmorde der Shoah – haben sich ins Gedächtnis vieler Menschen genistet. Der zweite Weltkrieg zeichnete die Welt, und ins besondere Deutschland. Was damals passierte, scheint unfassbar. Mehrmals hat man versucht, das Geschehene zu erklären1, und viele Künstler haben schon oft die Möglichkeiten der Repräsentativität dieses Gräuels

hinterfragt. Die Deutschen haben weiterhin eine Schuldfrage zu beantworten, die bis heute die Gesellschaft prägt. Es handelt sich hier um ein wahres kollektives Trauma für Deutschland, das Teil der deutschen Identität geworden ist.

Die Kunst hat schon immer der Menschheit gedient, Erinnerungen wach zu halten und das Unfassbaren zum Ausdruck zu bringen. Denken wir zum Beispiel an die prähistorischen Wandmalereien oder die klassische Mythologie: Es sind alte Formen von Gedächtnis und Narrativität, die bis heute ihre Relevanz nicht verloren haben. Sie zeigen, wie Kunst die Identität einer Gesellschaft prägt.2 Kunst und Literatur

haben als hinterfragende Instanzen auch bei der Erinnerung an den zweiten Weltkrieg eine Rolle gespielt, zumal in Deutschland. Eine in der Gedächtnis- und Traumaforschung unbeleuchtete Kunstform ist aber die Oper. In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit der Oper als kodierter Kunstform eines deutschen Traumas bezüglich des zweiten Weltkriegs und analysiere ich die materialen, sozialen und mentalen Dimensionen des traumatischen Gedächtnisses anhand von zwei Opern. Diese Opern sind vom Komponisten Hans Werner Henze und von der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, die das Libretto schaffte: Der Prinz von Homburg (1960) und Der junge Lord (1965). Ich möchte anhand dieser Werke herausfinden, wie die Oper als künstlerisches Medium des Gedächtnisses ein Erinnerungsnarrativ konstruiert und wie sie die traumatische Erinnerung erzählt.

„In its most general definition, trauma describes an overwhelming experience of sudden or catastrophic events in which the response to the event occurs in the often delayed, uncontrolled repetitive appearance of hallucinations and other intrusive phenomena.“3 Eine überwältigende Erfahrung

katastrophaler Ereignisse ist der zweite Weltkrieg ohne Zweifel; sowohl für die Generation der Überlebenden als auch für die daraus entstandene Gesellschaft. Die verspätete Antwort auf das Trauma ist aber hybride und schwierig zu erklären. Cathy Caruth äußert zurecht, PTSD (post traumatic stress

1 Horkheimer und Adorno zum Beispiel reden in ihrer Dialektik der Aufklärung von einem Fehlschlag der Aufklärung, der zur Barbarei des zweiten Weltkriegs geführt hat. Vgl. Horkheimer, Max, und Theodor W Adorno: Dialektik Der Aufklärung:

Philosophische Fragmente. Frankfurt am Main: Fischer Verlag 1977.

2 Besonders die Mythologie hat eine erklärende Funktion innerhalb einer Gesellschaft. Siehe zum Beispiel: Nadia Sels: ‚Een op

handen zijnde onthulling’: Blumenberg, Lacan, en de constructie van betekenis in de mythe. Gent: Universiteit Gent Faculteit

Letteren en Wijsbegeerte 2010.

3 Cathy Caruth: Unclaimed Experience. Trauma, Narrative and History. Baltimore: The Johns Hopkins University Press 1996, S. 11.

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disorder) spiele mit den Grenzen unseres psychologischen Verstehens.4 Sie stellt aber auch fest, dass

die narrative Erinnerung dem Traumatisierten hilft, das traumatische Ereignis einordnen zu können.5

Das ist kein neuer Befund; schon Freud äußerte sich positiv über die erklärende Wirkung von Erzählen und Literatur bei der Psychotherapie.6 Die literaturwissenschaftliche Forschung beschäftigte sich schon

ausführlich mit der narrativen Erinnerung des zweiten Weltkriegs – denken wir an Begriffe wie Kriegsromane, Holocaustliteratur, literarische Zeugenschaft und narrative Repräsentativität.7 Eine

künstlerische Kodierung und Mediatisierung solcher traumatischen Ereignisse führt dazu, dass die Kriegserfahrungen ins – so heißt es bei Jan und Aleida Assmann – kollektive und sogar kulturelle Gedächtnis eingeordnet werden.8 Ein Trauma kann auf diese Weise einen Weg in der Gesellschaft

finden und mehrere Generationen überspannen.

Wie schon erwähnt, wurde das traumatische Erzählen in Lyrik und Prosa schon ausführlich geforscht. Die Operngattung wurde aber bisher eher vernachlässigt, vor allem aus literaturwissenschaftlicher Sicht. Die Literaturwissenschaft hat im Allgemeinen ein „mangelhafte[s] Interesse”9 für die Oper und ihr

Libretto, obwohl eine literaturwissenschaftliche Annäherung für die Analyse des traumatischen Erzählens besonders hilfreich sein könnte. Die rezenten Librettologie-Forschungen10 weisen zurecht

auf die literarische Qualität des Operntexts hin. Weiterhin verlegte sich die Literaturwissenschaft bisher stark auf die objektive, autobiographische Zeugenschaft11 der Nachkriegsliteratur, ein Element, das in

4 Vgl. Cathy Caruth: „Trauma and Experience: Introduction“. In: Trauma: Explorations in Memory. Hg. von Cathy Caruth. . Baltimore: The Johns Hopkins University Press 1995, S. 4.

5 Vgl. Cathy Caruth: „Recapturing the Past: Introduction“. In: Trauma: Explorations in Memory. Hg. von Cathy Caruth. . Baltimore: The Johns Hopkins University Press 1995, S. 153.

6 Die Redekur ist für Freud und Beuer ein wesentlicher Bestandteil der psychoanalytischen Therapie. Vgl. Sigmund Freud und Josef Breuer: Studien über Hysterie. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1975.

7 Einige Forschungsbeispiele: vgl. Manuel Köppen und Gerhard Bauer. Kunst Und Literatur Nach Auschwitz. Berlin: Schmidt, 1993; Jürgen Egyptien: „Zur Klassifikation und gattungstheoretischen Bestimmung des Kriegsromans oder: Wie schreibt man über den Zweiten Weltkrieg?“. In: Erinnerung in Text und Bild. Zur Darstellbarkeit von Krieg und Holocaust im literarischen und

filmischen Schaffen in Deutschland und Polen. Hg. von Jürgen Egyptien. Berlin: Akademie Verlag 2012, S. 43-50; Manuel

Maldonado Alemán und Carsten Gansel. Literarische Inszenierungen Von Geschichte : Formen Der Erinnerung In Der

Deutschsprachigen Literatur Nach 1945 Und 1989. Wiesbaden: J.B. Metzler 2018. usw.

8 Vgl. Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft. 5. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2017, S. 126-127.

9 Klaus G. Just: „Das Deutsche Opernlibretto“. In: Literatur und Musik. Ein Handbuch zur Theorie und Praxis eines

komparatistischen Grenzgebietes. Hg. von Steven P. Scher. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1984, S. 100.

10 Zum Beispiel: Hartmann, Tina: Grundlegung einer Librettologie. Musik- und Lesetext am Beispiel der ‚Alceste‘-Opern vom

Barock bis zu C. M. Wieland. Berlin: De Gruyter 2017.

11 James Edward Young: Writing and Rewriting the Holocaust. Narrative and the Consequences of Interpretation. Bloomington (Ind.): Indiana university press 1988, S. 10.

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der Operngattung eine beschränkte Rolle spielt.12 Für diese Arbeit sollen also die narrativen

Eigenschaften des Opernmediums festgelegt werden, die sich anders als in anderen Formen der Nachkriegsliteratur anbieten. Ein anderes Problem taucht auf, wenn wir das Trauma des zweiten Weltkriegs als eine kollektive Angabe abzugrenzen versuchen. Aus psychologischer Sicht ist ein Trauma ein individuelles Verfahren, aber wie verhält sich das Trauma zum Kollektiven? Das Trauma lässt sich übrigens von einem Vergessen und Verdrängen kennzeichnen; wie wird ein Trauma Teil des kollektiven Gedächtnisses und was wird schließlich als traumatisch erinnert? Das traumatische Gedächtnis erzeugt ein Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv, das in Bezug auf das Opernmedium weiter erklärt werden sollte. Weiterhin lassen sich die Fragen stellen, wie das deutsche Trauma bezüglich des zweiten Weltkriegs aussieht und wie dieses Trauma in der Operngattung sich manifestiert. Zum Schluss ist die Operngattung als Erinnerungsort des Kriegstraumas zu beachten. Während des zweiten Weltkriegs gab es keinen auffälligen Kontinuitätsbruch für die Gattung und hatte die Oper eine eher geringe kulturpolitische Rolle.13 Vielleicht bekamen die Oper, zusammen mit der

Symphonie, gerade deswegen „in der Nachkriegsästhetik bis in die sechziger, ja siebziger Jahre hinein problematische Gattungen“14. Es ist also erforderlich nachzuvollziehen, wie die problematische

Operngattung für die Erinnerung dieses Traumas geeignet wäre.

Ziel dieser Arbeit ist herauszufinden, wie sich die Dimensionen des kollektiven traumatischen Gedächtnisses in deutschen Nachkriegsopern manifestieren, wobei ich die hier angegebenen Fragen und Probleme kontextualisieren und lösen möchte. Da die traumatische Erinnerung und das Gedächtnis stark auf narrativen, medialen Prozessen basieren – wie ich in dieser Einführung kurz anhand von Caruth, Freud und Assmann zeige – und da die bisher vernachlässigten literarischen Aspekte des Librettos große Bedeutung für die künstlerische Aussagekraft der Oper hat, ist diese Forschung literaturwissenschaftlich orientiert, fährt sie aber interdisziplinär weiter bis in die Psychologie, Kultur- und Musikwissenschaft. Als deutsche Nachkriegsopern analysiere ich den Prinzen von Homburg und den Jungen Lord. Beide sind märchenhafte Opern mit literarischen Vorlagen; der Erzählstoff scheint sich weit von der in der Forschung oft diskutierten objektiven und direkten Kriegszeugenschaft zu entfernen.15 Die Opern haben Henze und Bachmann in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts

12 Die Operngattung ist aus traditioneller Sicht stark von einem mythischen und märchenhaften Erzählstoff geprägt. Zeugenhafte Erzählweisen wie die von z.B. Primo Levi kommen in der Operngattung wenig vor, so scheint ihre Abwesenheit in der Forschung zu zeigen.

13 Vgl. Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“. In: Oper im 20. Jahrhundert. Entwicklungstendenzen und Komponisten. Hg. von Udo Bermbach. Stuttgart: J. B. Metzler 2000, S. 164. Mehr dazu in Kapitel 3.1.

14 Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“. In: Oper im 20. Jahrhundert. Entwicklungstendenzen und Komponisten. Hg. von Udo Bermbach. Stuttgart: J. B. Metzler 2000, S. 557.

15 Jan und Aleida Assmann rechnen in ihrer Gedächtnistheorie dem Augenzeugen zur Konstruktion des Gedächtnisses eine prominente Rolle zu. Vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: C.H. Beck 1999, S. 15. Auch Max Jakob Friedländer meinte, das Kriegsgedächtnis sei nur möglich anhand individueller Zeugnisse. Vgl. Christina Pfestroff: „Anamnese der Amnesie. Jean-Francois Lyotard und der Topos der Undarstellbarkeit in der geschichtswissenschaftlichen Diskussion“. In: Narrative der Shoah Repräsentationen der

Vergangenheit in Historiographie, Kunst und Politik. Hg. von Susanne Duwell und Matthias Schmidt. Paderborn: Ferdinand

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verfertigt, eine äußerst interessante Zeitperiode bezüglich der Konstruktion eines kollektiven Kriegsgedächtnisses: Der Umgang mit der traumatischen Vergangenheit kennzeichnete sich in Deutschland damals von einem Stillschweigen, das erst am Ende der sechziger Jahren mit zahlreichen Studentenunruhen gebrochen wurde.16 Die Trennlinie zwischen verschiedenen Arten von Gedächtnis

könnte hier also schwierig zu ziehen sein. Weiterhin haben Bachmann und Henze sich anhand ihrer künstlerischen Arbeit mit der Kriegsvergangenheit beschäftigt; diese Dissertation wird zeigen, dass sich auch in den Opern eine Poetik und Ästhetik bezüglich des zweiten Weltkriegs herausfinden lässt. Eine Analyse vom Jungen Lord und dem Prinzen von Homburg ist also nicht nur beispielhaft für die Manifestierung des traumatischen Gedächtnisses in deutschen Nachkriegsopern, sondern ermöglicht auch einen Einblick in die Poetik und Ästhetik von Bachmann/Henze und ihre werkspezifische Annäherung zum traumatischen Stoff.

Das erstfolgende Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Abgrenzung und Erklärung des Trauma- und Gedächtniskonzepts. Ich analysiere die in dieser Einführung erwähnten Fragen und Probleme in Bezug auf die Individualität des Traumas im Verhältnis zur Konstruktion des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses, um daraus die Merkmale eines deutschen traumatischen Gedächtnisses zu folgern. Die literarisch geprägte Traumaforschung von Cathy Caruth und einige Gedächtnistheorien von Jan und Aleida Assmann werden in diesem Kapitel mit dem traumatischen Ereignis des zweiten Weltkriegs in Verbindung gebracht. Zunächst versehe ich ein Kapitel mit einer historischen Situierung der Opern von Henze/Bachmann und ihren Ansichten bezüglich der Kriegsrezeption. Im vierten Kapitel analysiere ich die von verschiedenen Forschern diskutierten Dimensionen des kollektiven/kulturellen Gedächtnisses: die materiale, die soziale und die mentale Dimension.17 Obwohl ich diese Forschung aus

literaturwissenschaftlicher Sicht halte, wird die Operngattung anhand dieser Dimensionen trotzdem in ihrer intermedialen und interdisziplinären Eigenheit respektiert und als Gesamtkunstwerk analysiert. Die verwendeten Dimensionen sind außerdem nicht statisch fixiert und dienen dazu, eine dynamische Antwort auf die traumatische Gedächtnisproblematik zu formulieren.

Mit dieser Forschung hoffe ich herauszufinden, wie die Oper als Erinnerungsort bezüglich des deutschen Kriegstraumas funktioniert und wie sich das bei Henze/Bachmann zeigt. Die Arbeit könnte auf diese Weise ein erster Anlass sein, um die Oper als Gedächtnismedium ausführlicher zu forschen und ihren Umgang mit der Kriegsvergangenheit zu systematisieren. Was hier anhand der Opern von Henze und Bachmann getätigt wird, könnte also in die Zukunft mit anderen – bekannten und unbekannten – Nachkriegsopern realisiert werden, was dem heutigen Forschungsstand sicherlich zugutekommen würde. Ich hätte in dieser Arbeit einige andere Opern für die Analyse mitaufnehmen können, aber habe mich aus praktischen Gründen auf die Opern von Henze/Bachmann beschränkt.

16 Vgl. Elisabeth Domansky: „Die gespaltene Erinnerung“. In: Kunst und Literatur nach Auschwitz. Hg. von Manuel Köppen. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1993, S. 190.

17 Vgl. zum Beispiel Ansgar Nünning und Vera Nünning: Einführung in die Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen –

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Zusammen formen die Werke eine zeitliche und geographische Einheit und können sie mit einer spezifischen Künstlerpoetik und -Ästhetik verbunden werden. Eine Analyse mit mehreren Opern hätte zum Beispiel einen Vergleich zwischen Opern aus Ost- und Westdeutschland ermöglicht oder könnte eine zeitliche Evolution in den Nachkriegsopern bezüglich des Gedächtnisses freilegen. Die Libretti vieler deutscher Nachkriegsopern sind aber sehr schwierig zu erhalten, bestimmt in dieser Corona-Zeit. Es zeigt schon, wie mühsam die Forschung solcher Opern laufen kann und wieviel noch zu entdecken ist – zu viel für eine limitierte Magisterarbeit. Deshalb arbeite ich hier nur mit dem Prinzen von Homburg und dem Jungen Lord, und hoffe, es könnte in die Zukunft zu weiteren Überlegungen bezüglich dieses Themas führen.

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2 TRAUMA UND GEDÄCHTNIS

Wie schon in der Einführung besprochen, tauchen bei der Suche nach den Merkmalen der Nachkriegsoper als deutsches Gedächtnismediums einige Probleme bezüglich der Definierung von Trauma und Gedächtnis auf, die ich in diesem Kapitel behandeln möchte. Erstens soll erklärt werden, was wir unter ‚Trauma‘ verstehen und wie Trauma erinnert wird. Ich beschäftige mich mit der Möglichkeit der Reproduzierbarkeit und der traumatischen Verdrängung, sowie mit der Frage, inwieweit ein Trauma ein kollektives Verfahren wäre. Danach betrachte ich die Gedächtnistheorien von Jan und Aleida Assmann und versuche daraus eine Antwort auf die Komplexität des Gedächtnisses nach dem zweiten Weltkrieg zu formulieren. Ziel dieses Kapitels ist schließlich, um die Merkmale eines traumatischen Gedächtnisses herauszufinden und sie ins besondere für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg festzulegen, sodass später analysiert werden kann, wie sie in der Oper kodiert und mediatisiert werden.

2.1 Die traumatische Erinnerung

Die amerikanische Forscherin Cathy Caruth hat in Unclaimed Experience. Trauma, Narrative and

History die Rolle des Traumas in Bezug auf Narrativität und das Erinnerungserzählen analysiert. Unter

Trauma versteht sie die überwältigende Erfahrung plötzlicher oder katastrophaler Ereignisse, wobei die Antwort auf das Geschehene oft verspätet, unkontrolliert und wiederholt erscheint, in Form einer Halluzination oder eines anderen, aufdringlichen Phänomens.18 Die traumatische Erfahrung ist für den

Traumatisierten unfassbar und unerklärbar, was zu einer mentalen und körperlichen Störung führt.19

Beim Trauma ist also nicht nur das traumatische Ereignis schmerzhaft, sondern auch die Erinnerung daran, die als Aporie den Traumatisierten beschäftigt. 20 „In trauma (…), the outside has gone inside

without any mediation.“21 Caruth bemerkt, PTSD (post traumatic stress disorder) sei Folge einer

misslungenen Mediatisierung der traumatischen Erfahrung. Die traumatische Erinnerung sollte also als einen Versuch zur Kontextualisierung und narrativen Mediatisierung dieser Erfahrung verstanden werden. Wie stellt die traumatische Erinnerung das katastrophale Ereignis dar und inwieweit ist diese Darstellung repräsentativ für die Wirklichkeit?

Die Neigung zur Verdrängung und Verneinung des Geschehens taucht als größtes Problem bezüglich der Darstellbarkeit des Traumas auf. Die Erfahrung wird von der Erinnerung gesperrt22 und der

Traumatisierte erfährt eine beängstigende Krise der Wahrheit, wenn er mit seiner Erinnerung

18 Vgl. Cathy Caruth: Unclaimed Experience, S. 11.

19 Vgl. Cathy Caruth: Unclaimed Experience, S. 57-58.

20 Vgl. Roland Borgards: “Schmerz/Erinnerung. Andeutung eines Forschungsfeldes”. In: Schmerz und Erinnerung. Hg. von Roland Borgards. München: Wilhelm Fink Verlag 2005, S. 11-14: „Schmerz erzeugt Erinnerung“ (S. 11), „Erinnerung erzeugt Schmerzen“ (S. 13) und „Schmerz wird erinnert“ (S. 14).

21 Cathy Caruth: Unclaimed Experience, S. 59.

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konfrontiert wird.23 Caruth spricht von einem Zusammenbruch der Zeugenschaft24, der bei der Ahnung,

dass etwas Katastrophales geschehen ist, verspätet ankommt. Weiterhin hat der Traumatisierte die schwierige Aufgabe, das unfassbare Ereignis in schon bestehende mentale Schemata zu integrieren und in eine narrative Sprache zu transformieren.25 „[W]hile the images of traumatic reenactment remain

absolutely accurate and precise, they are largely inaccessible to conscious recall and control“.26 Aleida

Assmann ist wenig hoffnungsvoll für die Traumatisierten und umschreibt das Trauma als die „Unmöglichkeit der Narration“27. Ein anti-narrativer Reflex bezüglich eines Traumas28 sei aber nicht

hilfreich. Der Traumatisierte verweigert sich tatsächlich zu verstehen, aber das heißt nicht, dass er seine Kenntnis der Vergangenheit verneint, sondern dass er auf diese Weise gerade eine neue Kenntnis verfügbar stellt, die sich noch nicht in Form einer narrativen Erinnerung gezeigt hat.29 Die traumatische

Erinnerung ist also auf jeden Fall keine realistische Repräsentation der Ereignisse30, sondern ist eine

performative Äußerung der traumatischen Erfahrung und der Unmöglichkeit zum Darstellen. Die Erinnerung erzeugt weiterhin als narrative Instanz durch Sprache eine Art mentaler Stabilität.31 Eine

freudsche Redekur weckt Erinnerungsflexibilität auf und schwächt die erpressende Kraft des Traumas. Die traumatische Erinnerung ersetzt das eigentliche traumatische Ereignis und funktioniert als Katalysator und Stabilisator der Erinnerung. Sie ist aber vor allem ein performatives Verfahren, wobei der erinnerte Schmerz als Hilfsmittel der Mnemotechnik erscheint.32

Die Erinnerung hilft dem traumatisierten Individuum bei der Konstruktion einer erzählbaren Geschichte, sodass sie einen Platz ins individuelles Gedächtnis bekommt. Das individuelle Gedächtnis wird aber

23 Vgl. Cathy Caruth: „Trauma and Experience: Introduction“, S. 6.

24 Vgl. Cathy Caruth: „Trauma and Experience: Introduction“, S. 10.

25 Vgl. Onno Van Der Hart und Bessel A. Van Der Kolk: „The Intrusive Past: The Flexibility of Memory and the Engraving of Trauma“. In: Trauma: Explorations in Memory. Hg. von Cathy Caruth. . Baltimore: The Johns Hopkins University Press 1995, S. 176.

26 Vgl. Cathy Caruth: „Recapturing the Past: Introduction“, S. 151.

27 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 264.

28 Wulf Kansteiner und Harald Weilnböck: „Against the Concept of Cultural Trauma (or How I Learned to Love the Suffering of Others without the Help of Psychotherapy)“. In: Cultural Memory Studies: an International and Interdisciplinary Handbook. Hg. von Astrid Erll und Ansgar Nünning. Berlin: De Gruyter 2008, S. 237.

29 Vgl. Cathy Caruth: „Recapturing the Past: Introduction“, S. 155.

30 Lyotard spricht zum Beispiel von einer „Krise der Repräsentation“ bezüglich des Holocaust-Traumas. Vgl. Jean-François Lyotard: Heidegger und „die Juden“. Wien: Passagen 1988, S. 21.

31 „Die Sprache ist der mächtigste Stabilisator von Erinnerungen. An das, was wir einmal versprachlicht haben, können wir uns viel leichter erinnern als an das, was nie zur Sprache gefunden hat. Wir erinnern uns dann nicht mehr an die Ereignisse selbst, sondern eher an unsere Versprachlichungen von ihnen.“ Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 250.

32 Nietzsche spricht von Schmerz als das „mächtigste Hülfsmittel der Mnemotechnik“. Vgl. Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie

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von verschiedenen externen Bedingungen beeinflusst.33 Erinnerungen erinnern nämlich an andere

Erinnerungen, werden von ständig neuen, äußerlichen Erfahrungen geprägt und sind in einem sozialen Rahmen eingeordnet. „Individuelle Erinnerungen haben eine konkrete Verankerung im sozialen Leben, sie vollziehen sich nie losgelöst von den Handlungen und Ansprüchen einer Gesellschaft.“34 Wie schon

bemerkt, steht beim Trauma nicht die individuelle Erfahrung im Mittelpunkt, sondern die mediatisierte Form der Erfahrung durch Erinnerung. Mediatisierung und Performativität sind kommunikative und soziale Prozesse, in denen der Traumatisierte versucht, das individuelle Gedächtnis von seiner Umgebung bestätigen zu lassen. Jeffrey C. Alexander nennt das Trauma deswegen „a socially mediated attribution“35 und breitet die Definition des Traumabegriffs aus: Ein Trauma ist nicht nur eine

überwältigende Erfahrung katastrophaler Ereignisse, sondern auch der soziale Umgang mit dieser Erfahrung und der Erinnerung daran. Laut Aleida Assmann kann „Traumatherapie auch niemals Individualtherapie sein, sondern steht in engstem Zusammenhang mit der Makrogeschichte einer ebenfalls traumatisierten Erde“36. Sie geht also davon aus, der soziale Umgang mit Erinnerung und

Gedächtnis basiere oft auf traumatischen Ereignissen – ein Gedanke, der auch Cathy Caruth verteidigt.37 Der unfassbare Schmerz und das damit verbundene Leiden scheinen also tatsächlich als

mnemotechnische Mittel zu funktionieren. Auf diese Weise kann das Trauma die individuelle Pathologie übersteigen und als kollektive Angabe erscheinen. Das Trauma manifestiert sich demzufolge als „Metapher der Geschichtserfahrung“38, die die Schwierigkeit der Darstellbarkeit und das Unvermögen

des Verstehens zum Ausdruck bringt. Wichtig bleibt die Performativität und Mediatisierung bei der Installierung eines kollektiven Traumas:

„For traumas to emerge at the level of the collectivity, social crises must become cultural crises. Events are one thing, representations of these events quite another. Trauma is not the result of a group experiencing pain. It is the result of this acute discomfort entering into the core of the collectivity’s sense of its own identity.“39

Die traumatische Erinnerung ist also ein performativer, mediatisierter Versuch zur Narrativität des Gedächtnisses, der aus einer unfassbaren Erfahrung katastrophaler Ereignisse folgt. Ein kollektives

33 Vgl. Gerald Echterhoff: „Das Außen des Erinnerns: Was vermittelt individuelles und kollektives Gedächtnis?“. In: Medien des

kollektiven Gedächtnisses: Konstruktivität - Historizität – Kulturspezifität. Hg. von Astrid Erll und Ansgar Nünning. Berlin: De

Gruyter 2004, S. 67-68.

34 Vgl. Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 117.

35 Jeffrey C. Alexander: „Toward a Theory of Cultural Trauma“. In: Cultural Trauma and Collective Identity. Hg. von Jeffrey C. Alexander. Berkely: University of California Press 2004, S. 8.

36 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 294.

37 Caruth spricht von „the destructive force that the violence of history imposes on the human psyche, the formation of history as the endless repetition of previous violence“. Cathy Caruth: Unclaimed Experience, S. 63.

38 Christina Pfestroff: „Anamnese der Amnesie“, S. 237.

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Trauma ist eine soziale und kultivierte Äußerung der unfassbaren Geschichtserfahrung einer Gruppe, die für ihre Identitätskonstruktion und Gedächtnisbildung einen großen Einfluss haben kann. Die traumatische Erinnerung erscheint also nicht nur als individuelles Phänomen, sondern kann – dank der Rolle der Mediatisierung und Performativität – auch kollektiv auftreten. Ob das Trauma an sich ein soziales Phänomen ist, hängt von der Abgrenzung und Definierung des Begriffs ab. Was hier aber ohne Zweifel wahrgenommen ist, ist die Verbundenheit der traumatischen Erinnerung mit einem sozialen Rahmen, die uns erlaubt, die traumatische Erinnerung als kollektives Verfahren zu analysieren.

2.2 Das kollektive und kulturelle Gedächtnis

Anders als in der Traumaforschung, ist bei der Gedächtnistheorie die Frage der Sozialität ziemlich einfach zu beantworten. Das Gedächtnis ist ein sozial geprägtes Phänomen, darüber sind die Forscher sich einig. Wie schon besprochen, ist das individuelle Gedächtnis stark sozial abhängig. Denn „[a]uch auf dieser ganz elementaren Ebene spielen bereits kulturelle Überformungen herein, die mit der Verwebung von Sprachlichkeit und Bildlichkeit unseres Denkens beginnen und alle sinnhaften Erlebnisse oder Wahrnehmungen mit sozialen Ordnungsstrukturen verbinden. Individuelle Erinnerungen haben eine konkrete Verankerung im sozialen Leben, sie vollziehen sich nie losgelöst von den Handlungen und Ansprüchen einer Gesellschaft.“40 Weiterhin können Gesellschaften und

Gruppen ein gemeinsames Gedächtnis aufbauen. Die Abgrenzung solch eines Gedächtnisses ist aber schwierig, denn soziale Gruppen können zeitlich, ideologisch, räumlich und demographisch eingestuft werden. Die großen Gedächtnisforscher wie Halbwachs, Nora, Warburg und Assmann haben deswegen das Gedächtnis gegliedert und dessen unterschiedliche Formen ausführlich analysiert.41

Es sind Jan und Aleida Assmann, die in den achtziger Jahren einige wichtige Theorien bezüglich des Gedächtnisses ausgearbeitet haben und die Theorien vieler Gedächtnisforscher zusammengebracht haben. Sie verteilen das schon von Nora, Halbwachs und Warburg definierte kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe weiter in ein kommunikatives und ein kulturelles Gedächtnis42 und haben sich

ausführlich mit der Mediatisierung des kulturellen Gedächtnisses beschäftigt.43 Sie betrachten das

kollektive Gedächtnis als die Sammlung von „Vergangenheiten, die nicht zur persönlichen Erinnerung gehören“44 und gemeinschaftlich instrumentiert worden sind.45 „Unter dem Begriff des ‚kommunikativen

40 Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 117.

41 Vgl. Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 116-138.

42 Vgl. Jan Assmann: „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“. In: Kultur und Gedächtnis. Hg. von Jan Assmann und Tonio Hölscher. Frankfurt: Suhrkamp 1988, S. 9-19.

43 Aleida Assmann: „Zur Mediengeschichte des kulturellen Gedächtnisses“. In: Medien des kollektiven Gedächtnisses:

Konstruktivität - Historizität – Kulturspezifität. Hg. von Astrid Erll und Ansgar Nünning. Berlin: De Gruyter 2004, S. 46.

44 Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 127.

45 „Auf kollektiver Ebene ist Gedächtnis stets medial vermittelt.“ Astrid Erll: „Medium des kollektiven Gedächtnisses: Ein (erinnerungs-) kulturwissenschaftlicher Kompaktbegriff“. In: Medien des kollektiven Gedächtnisses: Konstruktivität - Historizität

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Gedächtnisses‘ fassen wir jene Spielarten des kollektiven Gedächtnisses zusammen, die ausschließlich auf Alltagskommunikation beruhen.“46 Das kommunikative Gedächtnis ist alltagsnah und vertritt die

kollektive Erinnerung einer noch lebenden Generation. Das kulturelle Gedächtnis bezeichnen sie als die „mediale Steigerungsform des kollektiven Gedächtnisses“47 und ist gewissermaßen alltagsferner als das

kommunikative Gedächtnis. Jan Assmann fügt noch hinzu: „Wenn wir aus dem Bereich der Alltagskommunikation übergehen in den Bereich der objektivierten Kultur, dann ändert sich so gut wie alles.“48 Der assmannsche Gedächtnisdiskurs möchte also ganz klar die unterschiedlichen Arten des

Gedächtnisses voneinander abgrenzen, wobei das kulturelle Gedächtnis mehrere Generationen überleben kann.

Die Forschung von Jan und Aleida Assmann hat gezeigt, wie Gedächtnis von einer Gruppe konstruiert und mediatisiert wird. Ihre Abgrenzung zwischen dem kommunikativen und kulturellen Gedächtnis macht uns bewusst, dass unterschiedliche Gedächtnisformen anders vermittelt werden und anders funktionieren. Weiterhin reichen sie eine deutliche Terminologie für die Gedächtnisanalyse an. Es gibt trotzdem einige Probleme. Erstens beschäftigen Jan und Aleida Assmann sich ausführlich mit den erinnernden Möglichkeiten jedes Mediums und behandeln sie viele künstlerische Vermittlungsarten, aber die Oper wird in ihrer Medienanalyse vernachlässigt, als wäre sie nicht imstande, ein Gedächtnis zu mediatisieren. Dass die Oper aber auch ein künstlerisches Medium des Gedächtnisses ist, wird sich in dieser Arbeit zeigen. Zweitens tauchen einige Probleme bezüglich ihrer Terminologie auf. So kann man ‚das‘ kollektive Gedächtnis nie als Ganzes umgreifen49, weil der Begriff ‚kollektiv‘ stark vom

sozialen Kontext abhängt. Das kollektive Gedächtnis ist übrigens viel mehr als die bewussten Formen des Gedächtnisses; es gibt auch ein unbewusstes Gedächtnis von Trauma, Vergessen und Verdrängen, das eine soziale Gruppe aber schwieriger als kollektive Vergangenheit anerkennt. Jan und Aleida Assmann lassen aber ausscheinen, dass man das kollektive Gedächtnis nur analysieren kann, wenn man sich davon bewusst ist, dass es um ein kollektives Gedächtnis handelt. Auch ist die Trennung zwischen kulturellem und kommunikativem Gedächtnis weniger deutlich als Jan und Aleida Assmann ausscheinen lassen. Das kulturelle Gedächtnis soll die kulturell vermittelte Erinnerung umfassen, aber wie lässt sich diese „mediale Steigerungsform“50 vom kommunikativen trennen? „Since language (just

as other symbolic media or forms) is a cultural tool, memory and recollection are also cultural phenomena.“51 Gedächtnis und Erinnerung sind also sowieso kulturell vermittelte Prozesse. Auch der

Unterschied zwischen dem alltagsfernen und alltagsnahen Gedächtnis ist vage, denn künstlerische

46 Jan Assmann: „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“, S. 10.

47 Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 128.

48 Jan Assmann: „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“, S. 11.

49 Vgl. Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 137.

50 Markus Fauser: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 128.

51 Jürgen Staub: „Psychology, Narrative, and Cultural Memory: Past and Present“. In: Cultural Memory Studies: an International

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Vermittlungen der Erinnerung können genauso alltagsnah vorkommen. Wenn ich kurz auf Kapitel 2.3 vorauslaufe, ist die Linie zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis bezüglich des Kriegstraumas in Deutschland schwierig zu ziehen. Wie schon bemerkt, kennzeichnet sich die Haltung der Deutschen in den sechziger Jahren durch ein Stillschweigen und eine Verdrängung der grausamen Vergangenheit. Das Gedächtnis einer Kriegsgeneration ist alles andre als kommunikativ; die traumatische Erinnerung prägt das kollektive Gedächtnis, ist aber kommunikativerweise manchmal schwierig zu entziffern. Es lässt sich beim Gedächtnisdiskurs von Jan und Aleida Assmann sowieso die Frage stellen, wie das individuelle Gedächtnis über das kommunikative ins kulturelle Gedächtnis übergeht. Im Falle eines verschwiegenen Traumas aber funktioniert die Gedächtniskonstruktion vielleicht gerade andersherum, vom kulturellen zum kommunikativen: Durch eine künstlerische Vermittlung der traumatischen Erinnerung scheint sie ins kommunikative Gedächtnis zu kommen. Das kommunikative und kulturelle Gedächtnis sind hybride Konzepte; eine lineare Gedächtnisverschiebung ist also vielleicht eine falsche Vorausnahme. Es handelt sich eher um ein Wechselspiel zwischen kulturell und kommunikativ als um eine klare Abgrenzung, die ein Idealbild des Gedächtnisses erzeugt, das aber für konkrete Fälle schwierig anwendbar ist.

Weil die Terminologie von Jan und Aleida Assmann für diese Forschung eher verwirrend sein könnte, habe ich mich entschieden, von einem traumatischen Gedächtnis zu reden, wenn ich das deutsche Gedächtnis an die Kriegsvergangenheit umschreiben möchte. Der Begriff ‚traumatisches Gedächtnis‘ umspannt am besten die (kulturelle) Mediatisierung und Performativität dieses Gedächtnisses, das durch Erinnerung künstlerisch und gekünstelt von einer sozialen Gruppe vermittelt wird. Weiterhin zeigt der Begriff die kulturelle Relevanz persönlicher Erinnerungen52 und macht aufmerksam auf das Trauma

als bewusst und unbewusst gesteuertes Verfahren, das mit Verdrängen und Vergessen verbunden ist. Das mediatisierte und performative traumatische Gedächtnis ist sowohl kommunikativ als kulturell, weil es alltagsnah ist und gleichzeitig vom Anfang an künstlerisch erinnert wird, wobei die künstlerische Erinnerung nicht als Speicher funktioniert, sondern Speicher simuliert, „indem sie die Prozesse von Erinnern und Vergessen thematisiert“53. Wie postmemory kreiert und verkörpert das traumatische

Gedächtnis die Erinnerungen einer Gesellschaft aufs Neue.54 Die künstlerischen Äußerungen des

traumatischen Gedächtnisses dienen als „Gradmesser für den aktuellen Stand von Vergessen und Verdrängen im kollektiven Bewußtsein“55. Das traumatische Gedächtnis ist schließlich weniger autoritär

als die assmannschen Begriffe, weil es für das Nichtverstehen des unfassbaren Ereignisses Raum lässt

52 „Mit dem Verblassen der Gedächtniskultur gewann die persönliche Erinnerung an kultureller Relevanz..“ In: Aleida Assmann:

Erinnerungsräume, S. 95.

53 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 22.

54 Vgl. Marianne Hirsch: „The Generation of Postmemory”. Poetics Today 29:1 (2008) 29, S. 111.

55 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 22. Assmann fügt folgendes hinzu: „Heute ist es vor allem die Kunst, die die Krise des Gedächtnisses als ihr Thema entdeckt und neue Formen findet, in denen die Dynamik des kulturellen Erinnerns und Vergessens Gestalt gewinnt.“

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und die objektive Kraft der traumatischen Verzweiflung respektiert. Es ist die Opernmediatisierung dieses Gedächtnisses, die ich in dieser Arbeit forschen möchte.

2.3 Das traumatische Gedächtnis Deutschlands

Wie das deutsche Trauma bezüglich des zweiten Weltkriegs aussieht und welches traumatische Gedächtnis sich daraus für die Deutschen gestaltet hat, soll schließlich noch erklärt werden. Der zweite Weltkrieg könnte man aus mehreren Gründen als Trauma umschreiben – erstens weil der Krieg von gewalttätigen Verbrechen handelt. In Schriften der Antike findet man Textstellen, die Symptome der Kriegsneurose als Folge der Gewalt umschreiben.56 Vor allem seit der Entwicklung der modernen

Psychiatrie bekam die traumatische Wirkung der psychologisch belastenden Schlachten mehr Aufmerksamkeit.57 Der im ersten Weltkrieg eingeführte Begriff shell shock zeugt von einem

Bewusstwerden bezüglich des traumatisierenden Effekts eines Kriegs und betont die schockierende Dimension von Kriegserfahrungen. Das überwältigende Kriegserlebnis könnte zu physischen Störungen führen, die der Traumatisierte nicht kontrollieren und erklären kann.58 „Kriegserlebnisse sind in ihrem

Wesen, ihrer wahrsten Substanz, nicht reproduzierbar – zum einen, weil sie sich dem Ausdruck verweigern, und zum anderen, da die Erinnerungskraft dem Erlebten nicht mehr lange gewachsen ist.“59

Kriegsgräuel werden verdrängt und vergessen, was sich in Defiziten des kommunikativen Gedächtnisses zeigt und in ein Stillschweigen übergeht. Wenn man doch versucht, die Gräuel zu reproduzieren, hat man nur die Möglichkeit, einen performativen Ausdruck des Schmerzes zu liefern. Der zweite Weltkrieg traumatisiert nicht nur auf kämpferische Ebene, sondern auch die daraus folgende Zerstörung von Normen, Werten, Ideologien und Gesellschaften ist traumatisch. Vor allem Deutschland erlebte nach dem zweiten Weltkrieg ein großes, gesellschaftliches Trauma. Durch ihre Position als Kriegsaggressor und ihre Verantwortlichkeit für die systematisierten Völkermorde entwickelten die Deutschen ein Schuldgefühl, das nicht einfach dem totalitären System des Nationalsozialismus zugeordnet werden kann. Das Trauma zeigt sich in der Konfrontation, dass eine Gesellschaft den Extremisten die Freiheit gegeben hat, eine Diktatur zu gestalten. Dafür hat jedes Individuum der Gesellschaft Verantwortung. Weiterhin hat diese Gesellschaft – aktiv oder passiv – an dem Rassismus, der Aggression und den Völkermorden beteiligt, wobei die persönliche Verantwortung fürs totalitäre System als eine katastrophale Identitätsbewältigung und einen Verlust der Individualität erfahren wird.60

56 Vgl. Marc-Antoine Crocq und Louis Crocq: “From shell shock and war neurosis to posttraumatic stress disorder: a history of psychotraumatology”. Dialogues in clinical neuroscience 2.1 (2000), S. 47.

57 Vgl. Marc-Antoine Crocq und Louis Crocq: “From shell shock and war neurosis to posttraumatic stress disorder”, S. 48.

58 Vgl. Marc-Antoine Crocq und Louis Crocq: “From shell shock and war neurosis to posttraumatic stress disorder”, S. 49.

59 Zygmunt Mielczarek,: „Die Wiederkunft der Vergangenheit. Sebalds Gedächtnisfahrten“. In: Erinnerung in Text und Bild. Zur

Darstellbarkeit von Krieg und Holocaust im literarischen und filmischen Schaffen in Deutschland und Polen. Hg. von Jürgen

Egyptien. Berlin: Akademie Verlag 2012, S. 135.

60 „Nazi Germany is the paradigmatic example for the structure of macrocrimes, as the mass murder of the European Jews would not have occurred without the passivity, silent and not-so-silent affirmation, and profiteering of broad strata of the German population. Vice versa, individual responsibility may be hard to fix in the case of collective macrocrimes.“ Andreas Langenohl:

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Der zweite Weltkrieg ist für die Deutschen also eine erschreckende Konfrontation mit Kriegsgewalt und mit unfassbaren Makro-Verbrechen, mit einer schwierig lösbaren individuellen Schuldfrage, mit Totalitarismus und Rassismus, mit unbewusster Passivität und apolitischem Benehmen. “The trauma construction in postwar Germany centered on the harm that the Germans had done to others.“61 Das

traumatische Gedächtnis der Deutschen kennzeichnet sich von der Unmöglichkeit, die Totalität des Kriegs zu fassen und die dazu hörende Schuldfrage zu erklären. Daraus folgt eine Krise der narrativen Repräsentativität; ein Phänomen, das das deutsche Trauma symbolisiert und thematisiert.62

Wie in Kapitel 2.1 bemerkt, ist vor allem die Erinnerung an das katastrophale Ereignis traumatisierend. Der zweite Weltkrieg sprengt „die Strukturen der Wirklichkeitserfahrung und Standards der Normalität“63; „um weiterzuleben, bedurfte es neu zu erfindender Orientierungen.“64 Das Erfinden dieser

neuer Orientierungen verläuft aber mühsam und langsam. In Deutschland wurde nach dem zweiten Weltkrieg zunächst „im Dienste der Wandlung“65 erinnert. In der DDR wurde zum Beispiel die

Kriegsvergangenheit als Legitimation und Unterstützung des sozialistischen Systems eingesetzt.66 Von

der Täterschaft schwieg man aber immerhin in sowohl DDR als BRD;67 die Krise der Repräsentation

zeigte sich in diesem kollektiven Stillschweigen. Erst am Ende der sechziger Jahre, während der Studentenunruhen, tauchte vor allem in der BRD eine verspätete Bewusstwerdung der Schuld auf; eine offensichtlich erwartete Reaktion auf das traumatische Ereignis.68 Das traumatische Gedächtnis steuert

seit dem Ende des Kriegs bis heute die deutsche Neuorientierung, indem es „eine Suchformel nach dem Schmerz [geworden ist], dessen Erscheinen oder Fehlen umgekehrt die Frage der Un-/Möglichkeit der erzählten Erinnerung von (…) erfahrenem Schmerz und Leid aufwirft“69. Die Suche geschieht auf

„Memory in Post-Authoritarian Societies“. In: Cultural Memory Studies: an International and Interdisciplinary Handbook. Hg. von Astrid Erll und Ansgar Nünning. Berlin: De Gruyter 2008, S. 167.

61 Jeffrey C. Alexander und Elizabeth Butler Breese: „Introduction. On Social Suffering and Its Cultural Construction“. In: Narrating Trauma. On the Impact of Collective Suffering. Hg. von Ronald Eyerman. Abingdon: Taylor & Francis 2011, S. XIV.

62 Vgl. Jean-François Lyotard: Heidegger und „die Juden“, S. 21.

63 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 289.

64 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 289.

65 Carsten Gansel: „Zwischen Stabilisierung und Aufstörung – das ‚Prinzip Erinnerung‘ in der deutschen Literatur nach 1945 und 1989“. In: Literarische Inszenierungen von Geschichte Formen der Erinnerung in der deutschsprachigen Literatur nach 1945

und 1989. Hg. von Manuel Maldonado-Alemán und Carsten Gansel. Wiesbaden: J. B. Metzler 2018, S. 21.

66 „Die DDR sei nicht verantwortlich für die NS-Verbrechen, da sie sich nicht als Nachfolgerin des Dritten Reiches betrachte. Die eigentliche Erbin sei die Bundesrepublik, wo ehemalige Nationalsozialisten lebten und regierten.“ Yeshayahu Jelinek: Deutschland und Israel 1945–1965: ein neurotisches Verhältnis. Berlin: De Gruyter 2004, S. 330.

67 Vgl. Elisabeth Domansky: „Die gespaltene Erinnerung“, S. 185; Sonja Boos: Speaking the Unspeakable in Postwar Germany.

Toward a Public Discourse on the Holocaust. Ithaca: Cornell University Press 2014, S. 4.

68 Vgl. Cathy Caruth: „Trauma and Experience: Introduction“, S. 7.

69 Hubert Thüring: „Ambivalenz des Gedächtnisses, Leere des Schmerzes. Die Spur der Scham im Schreiben Primo Levis.“ In:

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viele unterschiedliche Arten und Weisen, abhängig des jeweiligen Staats und der Zeitepoche innerhalb der deutschen Gesellschaft der letzten 75 Jahre. Das traumatische Gedächtnis Deutschlands bezüglich des zweiten Weltkriegs erinnert an das Spannungsverhältnis zwischen Opfer und Täter, zwischen Individuum und Masse. Es thematisiert weiterhin Vergessen und Verdrängen, und problematisiert Mediatisierung und Performativität. Dass die Deutschen von ihrer Vergangenheit traumatisiert sind, lässt sich in den vielen narrativen Versuchen zeigen, die Geschichte darzustellen und zu erklären. Auch die Versuche zur politischen und gesellschaftlichen Neuorientierung sind zeichnend. Die Vermittlung dieses Traumas ist die gesellschaftliche Therapie, die sich unterschiedlich gestalten kann – wie zum Beispiel in der Form einer Oper, so möchte diese Arbeit zeigen. Wie die Oper diese Vergangenheit und das deutsche Trauma behandelt, soll in späteren Kapiteln weiter überlegt werden.

Zum Schluss möchte ich gerne betonen, dass das traumatische Gedächtnis als kollektives Verfahren schwierig als Ganzes zu umgreifen ist. Es kann aber, wie die traumatische Erinnerung, als Metapher für die deutsche Geschichtserfahrung auftreten und die deutschen Neuorientierungen kontextualisieren. Es ist die Sammlung von traumatischen Erinnerungen an persönlichen und unpersönlichen Vergangenheiten bezüglich des zweiten Weltkriegs, die die deutsche Gesellschaft auf verschiedene Arten mediatisiert hat. Dabei definiert sich ‚deutsch‘ als die Gesellschaften, die politisch und staatlich als Erbe des Dritten Reichs betrachtet werden und dieses Trauma zum Teil ihres Gedächtnisses gemacht haben.

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3 HENZE/BACHMANN UND DIE NACHKRIEGSOPER

In den nächsten Kapiteln dieser Arbeit beschäftige ich mich mit den Funktionen der Oper als Narrativ des traumatischen Gedächtnisses und analysiere ich die Repräsentation des deutschen Kriegstraumas in der Operngattung. Ich möchte in diesem Kapitel aber erst die Opernpoetik und -Ästhetik von Henze und Bachmann im Licht der künstlerischen Gattungskrise nach dem zweiten Weltkrieg erläutern. Mit einer historischen Kontextualisierung der deutschen Nachkriegsoper lässt sich die künstlerischen Entscheidungen von Henze/Bachmann einerseits besser verstehen, andererseits zeigt sie, wie sich die Operngattung nach dem zweiten Weltkrieg als narratives Medium des traumatischen Gedächtnis entwickelt.

3.1 Die deutsche Nachkriegsoper

Am Ende des zweiten Weltkriegs erlebte die Operngattung eine schwere Zeit. „1945 schien die europäische Kultur, die deutsche zumal, mit untergegangen“70, was sich in der Opernwelt zeigen ließ.

Die Oper hatte im Dritten Reich eine ambivalente Position eingenommen, die ihre Nachkriegsentwicklung stark beeinflusste. Während des Nationalsozialismus gab es eher geringe politische Säuberungen in der Theater- und Opernwelt, weil „kaum linksintellektuelle Künstler an deutschen Theatern beschäftigt waren, was sicher noch mehr auf den traditionell konservativen Bereich des Opernpersonals als auf den des Schauspielpersonals zutraf“71. Mit der Machtübernahme der

Nationalsozialisten verbesserte sich sogar die Lage der Theater- und Opernhäuser – es sei aber eher gering –, die bei den Künstlern ziemlich positiv empfangen wurde.72 Auch stand die Oper auf keinem

Fall im Zentrum der Kulturpolitik der Nationalsozialisten, da sie mehr an wirkungsvolleren Massenmedien interessiert waren als an „einem spätbürgerlichen Kulturphänomen“73 wie der Oper. Die

Programmierung blieb fast unverändert, sogar Wagner wurde nicht bedingt häufiger aufgeführt.74 Nur

mit der Inszenierungspraxis, die in der Weimarer Republik mehr Aufmerksamkeit gewann, wurde gebrochen. „[K]onservative Inszenierungsformen und die Vermeidung von Experimenten war ziemlich

70 Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 557.

71 Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 160-161.

72 Vgl. Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 161.

73 Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 163.

74 „Daß man heute immer noch den Nationalsozialismus mit Wagners Werken assoziiert, verdankt sich einerseits der Tatsache, daß Ausschnitte seiner Werke häufig im Rundfunk oder Wochenschauen, bei letzteren nicht selten in visuellem Zusammenhang mit Hitler und/oder Bayreuth zu hören waren, und andererseits Hitlers persönlicher Vorliebe für Wagners Werke, die darum auch anläßlich der Reichsparteitage aufgeführt wurden.“ Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 164. Die Wagneropern selbst hatten also in ihrer Gesamtheit keine spezifische, politische Funktion zu erledigen, aber Hitlers Vorliebe und die wagnerische Instrumentalisierung im Dritten Reich haben die Musik (und demzufolge auch die Oper) ins kollektive Gedächtnis geführt. Vgl. Udo Bermbach: „Über einige Aspekte des Zusammenhangs von Politik, Gesellschaft und Oper im 20. Jahrhundert“. In: Oper im 20. Jahrhundert. Entwicklungstendenzen und Komponisten. Hg. von Udo Bermbach. Stuttgart: J. B. Metzler 2000, S. 20.

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genau das, was die überwiegende Mehrheit dieses Publikums zu sehen wünschte. Goebbels hatte in gewisser Weise Recht, wenn er sich nicht sonderlich für die Oper interessierte.“75 Das Dritte Reich wollte

aber auch modern sein und hatte für die Operngattung einige Richtlinien ausgeschrieben, die auf atonale, polytonale und dissonante Musik der Wiener Moderne und progressive Inszenierungen verzichteten. Die nationalsozialistische Oper war demzufolge sehr konservativ, da die damaligen Komponisten nur auf spätromantische Kompositionsprinzipien zurückgreifen konnten.76 Im Großen und

Ganzen blieb die Operngattung während des Nationalsozialismus also apolitisch und konservativ, wie in der Weimarer Republik eigentlich schon der Fall war. „[F]ür die Oper als Gattung gilt, daß eine auf den ersten Blick erkennbare Nazifizierung nicht stattgefunden hat. Erst bei etwas genauerem Hinsehen erkennt man, wie sich selbst vergleichsweise moderne Opern letztlich doch in die politische Landschaft fügten, sei es infolge des Opportunismus oder der willentlichen Anpassung der Komponisten.“77

Nach dem zweiten Weltkrieg kam die Operngattung wegen dieser komischen Kriegssituation in einer Krise. Die deutsche Oper hatte ihren Anschluss an die Avantgarde verpasst und war stark in einer Tradition fixiert, die damals vielleicht nicht mehr Lebenshaft war.78 Verzweifelt suchte die Gattung nach

ihrer Identität. „Albernheiten und ehrgeizige Postulate, Trivialität und Künstlichkeit prallen in den fünfziger Jahren in allen Kunstsparten aufeinander. Auch in der sogenannten Avantgarde. Es ist die Suche nach neuen Bestimmungen, eine Zeit des Wandels und des Ausprobierens.“79 Die Oper sollte

sich neuerfinden und kämpfte mit der Problematik, eine opportunistische und apolitische Kunstgattung gewesen zu sein. Die mythischen Erzählungen und sogenannten ‚Literaturoper‘ erwarben „nach einer Phase des kunstästhetischem Vandalismus“80 Popularität; sie erschienen als eine Rückbesinnung und

Rückversicherung auf der Oper als Kunstgattung. Laut Stephan Mösch verlangten die Deutschen in den Jahren der Wiederaufbau nach „festen Werten“81 und entstand mit den Literaturopern das Gefühl, „die

Sache im Griff zu haben“82. Die Operngattung versuchte auf diese Weise die traumatische

Vergangenheit zu verdrängen. Zugleich diente die Literaturoper als Mittel, um politisch weniger prominent vorzukommen. Dazu lebte vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg den Mythos, die Musik sei apolitisch. Dieser Mythos „defined all propagandistic uses of music as abusive and contrary

75 Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 166.

76 Vgl. Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 172-175.

77 Michael Walter: „Oper im Dritten Reich“, S. 176.

78 Vgl. Stephan Mösch: „Per aspera ad futura? Zwischen Neuanfang und Tradition: die Oper nach dem zweiten Weltkrieg“. In:

Oper im 20. Jahrhundert. Entwicklungstendenzen und Komponisten. Hg. von Udo Bermbach. Stuttgart: J. B. Metzler 2000, S.

185-186.

79 Stephan Mösch: „Per aspera ad futura? Zwischen Neuanfang und Tradition“, S. 187.

80 Stephan Mösch: „Per aspera ad futura? Zwischen Neuanfang und Tradition“, S. 204.

81 Stephan Mösch: „Per aspera ad futura? Zwischen Neuanfang und Tradition“, S. 204.

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to music’s nature“83 und hat gerade dafür gesorgt, dass kollaborierende Musiker als bloße Künstler

dargestellt wurden, deren politischer Ignoranz mit einer primär ästhetischen Weltanschauung gleichgesetzt werden konnte.84 Der verspätete Bewusstseinswandel kam, wie wir schon wissen, erst

am Ende der sechziger Jahre in West-Deutschland. Schon im Laufe dieses Jahrzehnts wurde die Oper ständig politischer: eine Reaktion auf die problematische Vergangenheit der Gattung. Mösch analysiert, wie die spannungsvolle Krisenzeit der Operngattung nicht nur Verzweiflung bracht, sondern auch Produktivität erzog:

„Der Widerspruch zwischen Avantgarde und der Institution Oper, der sich nach 1945 formt und festigt und der sich in den sechziger Jahren vehement entlädt, löst sich zwar nicht auf, aber er läßt sich mehr und mehr als produktiv umsetzbare Spannung begreifen: Der Widerspruch erweist sich als kreativer Widerstand. So wirkt er hinein in unsere heutige Modeme.“85

Auch Emily R. Pollock ist der Meinung, die Diskussionen bezüglich des Traditionsproblems und der Möglichkeit zu Erneuung habe die Operngattung in West-Deutschland produktiv weiterentwickeln lassen.86 „Complex and delicate politics abound in all of these composers’ strategies to renew opera

and make it something ‚modern‘, despite – or maybe in purposeful opposition to – the idea that opera was bankrupt, outdated, and even politically treacherous.“87 Die Komponisten der neuen Opern sahen

in den fünfziger und sechziger Jahren ein, wie die Opernkonventionen nicht als notwendiges Böse, sondern als ein ermöglichendes Set von Abgrenzungen funktionieren konnten.88 Die (west)deutschen

Nachkriegsopern sind also auf jeden Fall besonders zu nennen: Sie sind das künstlerische Produkt des Kriegstraumas und haben das traumatische Gedächtnis an den zweiten Weltkrieg aktiv in der Gattung thematisiert. Ich füge hier gerne hinzu, dass die Krise der Operngattung in sowohl BRD als DDR von Neuorientierungen begleitet wurde und wir in den beiden deutschen Staaten ähnliche Evolutionen feststellen können. In dieser Arbeit aber wird die Operngeschichte in einem politisch westdeutschen Kontext erzählt, da die Ästhetik und Poetik von Henze/Bachmann politisch und künstlerisch vor allem auf westdeutschen Tendenzen basieren.

83 Emily R. Pollock: Opera After the Zero Hour. The Problem of Tradition and the Possibility of Renewal in Postwar West Germany. Oxford: Oxford University Press 2019, S. 12-13.

84 Vgl. Emily R. Pollock: Opera After the Zero Hour, S. 12-13.

85 Stephan Mösch: „Per aspera ad futura? Zwischen Neuanfang und Tradition“, S. 220.

86 Vgl. Emily R. Pollock: Opera After the Zero Hour, S. 4.

87 Emily R. Pollock: Opera After the Zero Hour, S. 11.

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3.2 Die Neuorientierung von Henze/Bachmann

Es ist während dieser Krisenzeit voller Erneuerungsversuchen, dass Bachmann und Henze den Prinzen

von Homburg und den Jungen Lord geschrieben haben. Hans Werner Henze hat sich als junger

Komponist und Sohn eines Parteimitglieds ausführlich mit den künstlerischen Neuorientierungen der Nachkriegszeit beschäftigt. Die Darmstädter Ferienkurse, woran Henze sich beteiligt, sind ein erster Versuch „zu einer methodischen und rationalen Neubegründung der Musik, die auf herkömmliche Rezeption keinerlei Rücksicht nahm.“89 Die Darmstädter Komponisten wenden jede Form von

tonsprachlichem Traditionalismus radikal ab, eine politisch fundierte Entscheidung.90 Ihr Serialismus ist

für Henze (und andere Komponisten) aber zu orthodox und zwanghaft, wodurch diese ‚neue‘ Musik sich nicht komplett durchsetzt und auch Henze die Darmstädter Ideologie schließlich beiseitelegt.91 „Im

Gegensatz zur Trias Nono, Stockhausen und Boulez erfährt Henze die Verabsolutierung rationaler Konstruktion und umfassende Negation tonaler Klangzeichen und klassisch-romantischer Formsprache zunehmend als Einengung, und, noch gravierender, als Verlust der Kommunikationsfähigkeit von Musik.“92 Am Anfang der fünfziger Jahren siedelt Henze nach Italien um; „[e]r sah darin fast eine

Emigration, eine Flucht vor dem deutschen Kulturbetrieb.“93 Henze wehrt sich gegen die regelhaften

Musikideologien und die deutsche Kulturszene; seine kulturellen Überlegungen bekommen ständiger politische Statements. Am Ende der sechziger Jahre nimmt Henzes politisches Bewusstwerden weiter zu und engagiert er sich „für undogmatische marxistische Positionen und Aktivitäten“94. Wie viele andere

Künstler dieser Zeit, verbindet Henze Politik mit künstlerischer Ästhetik und lässt die Kunst ideologisch sprechen.

Henze fühlt, dass der zweite Weltkrieg vieles zerstört hat: „Gerade heute ist alles neu zu beginnen“95,

schreibt er in einem Essay über das neue Theater, das laut ihm übrigens stark auf Musikalität und Schmerzerfahrungen basieren sollte. Als Antwort auf den zwanghaften Serialismus der Darmstädter Komponisten definiert Henze eine Musikästhetik, die auf Kommunikation und Intermedialität weiterbaut. Henze meint, „Musik müsste verstanden werden wie Sprache“96, wobei die Sprache die kommunikative

Organisation von Klang und Bedeutung darstellt – das Gegenteil der von den seriellen Komponisten

89 Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 559.

90 Vgl. Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 559.

91 Vgl. Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 559.

92 Bielefeldt, Christian: Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann: Die gemeinsamen Werke. Beobachtungen zur

Intermedialität von Musik und Dichtung. Bielefeld: transcript Verlag 2003, S. 24-25.

93 Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 561.

94 Hans-Klaus Jungheinrich: „Hans Werner Henze“, S. 564.

95 Hans Werner Henze: „Neues Theater“. In: Der Komponist Hans Werner Henze. Hg. von Dieter Rexroth. Mainz: Schott 1986, S.78.

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praktizierten Aufhebung des Spannungsverhältnisses zwischen Wort und Ton.97 Auch Ingeborg

Bachmann betrachtet Sprache als bedeutungstragendes Medium, das Musikalität erlangt. Sie nennt ihre Werke ‚Kompositionen‘ und benutzt die Klarheit der Musik, musikalische Intertexte und Methoden des musikalischen Komponierens um die weiterlaufende Destruktivität und Inhumanität in Nachkriegsdeutschland zu enthüllen.98 Im Essay Musik und Dichtung kommentiert sie die Sprachlichkeit

der Musik und die Musikalität der Sprache wie folgt:

„ [W]ie die neuen Wahrheiten können die alten von der Musik geweckt, bestätigt und nach vorn gerissen werden; und jede Sprache, die diese Wahrheiten ausspricht – die deutsche, die italienische, die französische, jede! –, kann durch Musik ihrer Teilnahme an einer universalen Sprache wieder versichert werden. Die Musik, ihrerseits, gerät mit den Worten in ein Bekenntnis, das sie sonst nicht ablegen kann. Sie wird haftbar, sie zeichnet den ausdrücklichen Geist des Ja und Nein mit, sie wird politisch, mitleidend, teilnehmend und lässt sich ein auf unser Geschick. Sie gibt ihre Askese auf, nimmt eine Beschränkung unter Beschränkten an, wird angreifbar und verwundbar. (…) Miteinander, und voneinander begeistert, sind Musik und Wort ein Ärgernis, ein Aufruhr, eine Liebe, ein Eingeständnis. Sie halten die Toten wach und stören die Lebenden auf, sie gehen dem Verlangen nach Freiheit voraus und dem Ungehörigen noch nach bis in den Schlaf. Sie haben die stärkste Absicht, zu wirken.“99

Das Essay legitimiert die Operngattung als intermediale Kunstform, die ihre Aussagekraft aus der Kombination von Musik und Sprache generiert. Musik und Sprache sind kommunikativ, sozial und politisch; sie ergänzen sich gegenseitlich. Die Oper ist das Medium, die diese Kommunikationsformen zusammenbringt. Henze und Bachmann suchen in der Oper nach Wahrheit und Bedeutung – diese Elemente sind nämlich seit dem zweiten Weltkrieg verschwunden, aber in der Kombination von Musik und Sprache, in der „menschliche[n] [Opern]Stimme“100, können wir uns bemühen, dieses Trauma zu

überschreiten.101 In der Poetik und Ästhetik von Henze/Bachmann steht die „Konstruktion der

Überschreitung“102 im Mittelpunkt, die eine therapeutische Wirkung hat. Zusammenfassend ist die

Nachkriegsoper das Produkt der traumatischen Erinnerung und thematisiert sie das deutsche Trauma, was sie zu einem wahren Erinnerungsort für das traumatische Gedächtnis macht. Weiterhin richtet sich

97 Vgl. Wolfgang Schreiber: „Nähe der Sprache. Henze und seine Dichter”. In: Der Komponist Hans Werner Henze. Hg. von Dieter Rexroth. Mainz: Schott 1986, S. 82.

98 Vgl. Karen R. Achberger: „Ingeborg Bachmann: Composing after Auschwitz“. In: ‚Die Waffen nieder! Lay down your weapons!‘

Ingeborg Bachmanns Schreiben gegen den Krieg. Hg. von Karl Ivan Solibakke und Karina von Tippelskirch. Würzburg:

Königshausen und Neumann 2012, S. 59-66.

99 Ingeborg Bachmann: „Musik und Dichtung”. In: Der Komponist Hans Werner Henze. Hg. von Dieter Rexroth. Mainz: Schott 1986, S. 76.

100 Ingeborg Bachmann: „Musik und Dichtung”, S. 77.

101 Vgl. Karen R. Achberger: „Ingeborg Bachmann: Composing after Auschwitz“, S. 60.

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die Opernästhetik und -Poetik von Henze/Bachmann auf die Kommunikationsfähigkeit des Mediums und auf die Möglichkeit zur Performativität einer sprachlichen und musikalischen Utopie, die sich als politische Antwort auf das traumatische Gedächtnis vorstellt. Die Oper ist zum Schluss in ihrer anti-seriellen Ästhetik eine Materialisierung des ideologischen Widerstands bezüglich der klanglichen Abstraktion, sie erzeugt in ihrem Rückzug in die Tradition ein Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte. Die Opern Der Prinz von Homburg und Der junge

Lord sind das Produkt dieser Ästhetik und Poetik, und werden im nächsten Kapitel zeigen, wie sich die

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